Die zehnte
use,
Dichtungen
vom Brettl und
fürs Brettl
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zehnte IHuse
Didifungen vom Breffl
und fürs Brettl
Bus vergangenen Jahrhunderten
und aus unsern Cagen gesammelt
pon
maxlmlllän Bern
*
Zwölftes Tausend«
Recht des hungern.
Wer auf des Htten Schuttern steht,
Der kann Ihm Dank bezeigen ;
Doch kann er nicht aus Dankbarkeit
Zu Ihm herunter steigen.
6. f. tmdw. Robert
(177*- 183*).
.ct. - * -
Berlin 1904
Periag wn Otte'itsiiar
6 • •
» •
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THE NEW YORK
PUBLIC LIBRARY
357989A
TILDEN FOUNDATION S
*,,e Rechte vorbehalten.
* " V i.
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t»w» Vort OHo Eisner, Berlin S.
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Maximilian Bern, der feinsinnige Novellist und Lyriker,
dem Publikum und Buchhandel schon manche vielgerühmte
Anthologie verdanken, hat sich der ebenso schwierigen wie
interessanten Aufgabe unterzogen, nach den Schätzen deutscher
Dichtung aus längst vergangener und aus neuester Zeit vom
modernsten Standpunkt: von der Rampe des Ueberbrettls
auszuspähen. Seine eigenartige, reizvolle, nun in neuer, ver-
besserter Ausgabe erscheinende Sammlung bietet von über
200 Autoren gegen 500 zumeist heitere, oft übermütige Dich-
tungen, die sich den pedantisch strengen Grundsätzen der alten
neun Musen nicht recht fügen wollen und daher eine neue
Schutzgöttin, — die zehnte Muse, beanspruchen. Berns im
Hinblick auf die vielen literarischen Varietes und die momentane
Geschmacksrichtung des Lesepublikums getroffene Auswahl ist
nur für reife und keineswegs prüde Leser bestimmt, wenn er
auch alles auszuschliessen bestrebt war, was durch blosse
Pikanterie und nicht auch durch eine wahrhaft künstlerische
Form zu wirken versucht. Vielleicht bewertet der Herausgeber
die verschiedenen Brettl viel zu hoch, indem er ihnen zum
Teil Romanzen aus realem Leben, fein pointierte Satiren und
Fabeln zumutet, die einen wirklich vornehmen Geschmack er-
fordern; der Leser des originellen, espritvollen Buches dürfte
dabei aber in jedem Falle gewinnen. Obwohl der Grundton der
reichhaltigen, bis auf das 13. Jahrhundert zurückgreifenden
Anthologie, die neben interessanten literarischen Kuriositäten
besonders viele überaus dankbare Liedertexte aufweist, ent-
schieden heiter ist, wird Bern doch wenigstens in den Ab-
schnitten »Sociales« und »Vortragsdichtungen« auch dem Ernst
der Zeit gerecht Im grossen und ganzen haben wir es also
mit einer nicht nur für den Literaturfreund, sondern für jeder-
mann anziehenden, modernen und mondainen Anthologie zu tun.
Verlag pon Otto eisner.
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I * - ■
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INHALT.
Seite
Romanzen 1
Erotische Lyrik 49
Bunte Lieder 98
Tanzlieder 141
Satiren 151
Vagabundenlieder 214
Moderne Fabeln 235
Sinngedichte 260
Sociales 267
Ernste Vortrage 301
Heitere Vorträge 321
Verzeichnis der Dichter 363
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Romanzen.
Madame Potiphar.
Qie nennen mich Madame Potiphar,
Denn niemand kennt meinen Namen,
Ich bin elegant und sehr chic fürwahr,
Die schneidigste aller Damen.
Hab9 eigenen Wagen und eigene Renner,
Ich hab' nicht bloss einen, hab* viele Männer,
GrOn schillert mein Auge, mein Leib ist klar,
Rot ist mein Haar! Rot ist mein Haar 1
Madame Potiphar.
Mein Leben verfliesst in Saus und Braus,
Bei Wein und erwähltestem Essen!
Des Tags und des Nachts geht's ein und aus,
Da duftet ein süsses Vergessen.
In Spitzen, in Seide, mit Perlen und Ringen,
Wie kann ich plaudern und tanzen und singen!
Und weiss auch sonst viel Dinge fürwahr!
Weich ist mein Haar! Weich ist mein Haarl
Madame Potiphar.
Ich quäle mich niemals mit Arbeit, o nein!
Das würde die Hände verderben!
Ich kenne viel Kniffe und Künste fein,
Um blankes Geld zu erwerben.
Doch hab* ich bisweilen auch Schmerzen und Sorgen:
Denn mancher will mir nichts schenken, nichts borgen!
Das macht mich so furchtbar nervös offenbar;
Drum verlier' ich das Haar! Verlier' ich das Haar!
Madame Potiphar.
•
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Ich schlafe auf seidenem Himmelbett,
Auf schneeigen Eiderdaunen,
Und wer mich dort sehen darf, nett und adrett,
Dem schwinden die schwärzesten Launen . . .
Doch schliesslich verlass ich den stolzesten Grafen
Und geh* in ein winziges Bretterhaus schlafen
Und biete der Mutter Erde mich dar
Mit Haut und Haart Mit Haut und Haar!
Madame Potipharl
Max Hoffmann.
Die kleine Lampe.
JJS steht in meinem Zimmer
Ein Lämpchen auf dem Pult,
Das hat einen freundlichen Schimmer,
Das hat eine lange Geduld.
Ist emsig, mir zu dienen,
Hat oft, wenn alles schlief,
Manch süsse Dummheit beschienen
Und manchen Liebesbrief.
Es hat in einsamen Jahren
So treu für mich geglüht;
Und jüngst hab' ich's erfahren:
Das Lämpchen hat auch — Gemüt.
Es kam zu heimlicher Feier
Die Kleine — zum ersten Mal . . .
Gesichtchen tief im Schleier,
Die Schultern tief im ShawL
Sie kam so scheu, so schüchtern,
Sie stand so fluchtbereit —
Mein Herz war nicht mehr nüchtern
Vor so viel Seligkeit.
►
Wir sassen beim roten Weine,
Sie flüstert: Jetzt muss ich nach Haus —
Da ging die kluge, kleine,
Taktvolle Lampe aus . . .
Rudolf Pretber
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I
Das (Jeberlied.*)
Jch liebe Botticellileiber,
Die wie Tiffanyglas so schlank;
Ich sterbe für die Ueberweiber
In Kelier-Reiners Künstlerschank.
Ich buhle, gleich verliebten Pagen,
Um stilisierte Bel-Etagen,
Im stilisierten Berlin W— :
Da wohnt sie, meine Ueberfee!
O Ueberweib, so reizerblüht,
Dir steigt mein Lied, mein Ueberliedl
Die stilisierte Ueberehe,
Die ist mein künstlerisches Ziell
Mein Ueberweibchen schon ich sehe
Im Ueberheim — im Eckmannstil l
Von Leistikow die Wandtapeten,
Auf Pankokläufer soll man treten;
Um Mitternacht umfängt uns nett
Herrn van der Veldes Ueberbett. —
O Ueberbett, auch dir steigt müd
Mein Abendlied, mein Ueberlied!
Und muss ich stillos einst verlassen
Die stilisierte Ueberwelt,
Sollt ihr als Grabschrift mir verfassen:
Hier ruht ein stilvergnügter Heidi
Lasst, Freunde, noch um eins mich betteln:
Baut aus sechs kleinen Ueberbretteln
Dem Leib, der meine Seele barg,
Den stilisierten Uebersarg.
Am Uebersarge, wenn ich schied,
Singt mir mein Lied, mein Ueberlied.
Hans Brenncrt.
*) Dieses Gedicht erschien am Vorabend der Eröffnung des ersten
Ueberbrettls Im »Berliner Tageblatt« mit einer Widmung an Ernst von
Wolzogen.
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I
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Wäscher-Nettel.
^Jettel, stell* die Arbeit ein,
Lass' die Wäsche Wäsche sein!
Heute geht's zum tollen Reigen,
Und die froh'sten Wiener Geigen
Jauchzen durch den weiten Saal. —
Kopftuch nimm und Samtkorsettel,
Putz* dich, putz* dich, fesche Nettel,
Für den Wäschermädelbail I
Kommen and're hochfrisiert,
Fein und modisch aufgeziert,
Bleib* du bei der Tracht, der alten,
Nimm dein Röcklein, kurz in Falten,
Weisse Strümpflein, stramm und prall,
Kopftuch nimm und Samtkorsettel,
Putz' dich, putz* dich, fesche Nettel,
Für den Wäschermädelbail I
Gäste laden kunterbunt
Lichtenthai und Thury-Grund,
Alle tanzen flott und wacker:
Kavalier und sein Fiaker,
Infant'rist und Korporall
Drum nur schnell ins Samtkorsettel,
Putz' dich, putz' dich, fesche Nettel,
Für den Wäschermädelbail!
Ei, wie schaut der Schorschel drein,
Tritt die saub're Nettel ein!
Selbst ein Küsslein — ganz in Ehren —
Brauchst ihm heute nicht zu wehren,
Niemand merkt's im tollen Schwall.
Klopft's dir unterm Samtkorsettel?
Putz* dich, putz' dich, fesche Nettel,
Für den Wäschermädelbail!
Nettel, stell' die Arbeit ein,
Lass' die Wäsche Wäsche sein!
Heute geht's zum tollen Reigen,
Und die froh'sten Wiener Geigen
Jauchzen durch den weiten Saal!
In die Ecke all' den Bettel !
Putz* dich, putz' dich, fesche Nettel,
Für den Wäschermädelbail!
Albrecht Graf Wickenburg.
fr
4
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Der Schmetterling,
JtJ in Veilchen blühte still verborgen,
Da fliegt ein Schmetterling vorbei
Und setzt sich fern, sitzt bang voll Sorgen;
Das Veilchen grüsst: „Recht guten Morgen 1"
Und fragt, warum er traurig sei.
„Ich komm1 herauf von jener Heide,
Da sind sie alle schön geschmückt
Mit Gold auf ihrem Flügelkleide —
Den stolzen Blumen ihre Freude —
Nur mich hat keine angeblickt.
„Ich hab' kein Gold auf meinem Flügel,
Es hat's der Mond, der Sterne Licht,
Es hat's der Baum auf jenem Hügel,
Es hat's der Bach auf seinem Spiegel —
Nur ich bin arm, ich hab* es nicht I"
Doch bei der ersten Sterne Schimmer
Lag er beim Veilchen, duftberauscht,
Und diese eine Nacht hätt' nimmer
Um all' des Goldes Glanz und Flimmer
Der arme Falter eingetauscht.
Herrn, v. Gilm.
Die Tänzerin.
<3 eden Abend um diese Zeit
Zieh' ich an ein lila Kleid,
Gelbe Strümpfe, lila Schuh,
Ach, mein Spiegel allein sieht zu.
Backen und Lippen färb' ich rot,
Und nun tanz ich auf Leben und Tod.
Wenn in den Jubel der Vorhang fällt,
Bin ich die Königin der Welt.
Aber morgens um diese Zeit
Zieh' ich an ein graues Kleid,
Und ich habe dann oft die Nacht
Tief in Tränen zugebracht.
Seit er mich verlassen hat,
Irr' ich so von Stadt zu Stadt,
Und das goldne Sonnenlicht
Leuchtet auf ein blass' Gesicht.
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Aber abends um diese Zeit
Trage ich mein lila Kleid,
Lach' in dem erhellten Haus
Alle die Männerblicke aus,
Schwenk' ich wie keine mein schönes Bein
In den Menschenraum hinein,
Glühen meine Lippen rot,
Tanz' ich über Leben und Tod.
Emanuel von Bodman.
Die giftige Blume.
J m Sonnengold, im Mondenschein,
Wer schaut nach mir? Ich steh' allein!
Und trag' ich Gift im Kelche auch,
Glanz ist mein Leben und Duft mein Hauch.
„Glanz ist dein Leib und Duft dein Hauch,
Du Blume mit dem Flammenaug' I
Dein Gruss berauscht wie Weinesschaum,
O lass' mich ruh'n hier tief im Traum!"
Wohl bin ich jung, wohl bin ich schön;
Lass' mich allein und einsam stehn!
Lass' mich verblüh'n auf öder Trift, —
Ich bin nur schön in meinem Gift.
„Und bringst du mir auch Todesleid,
So helf' mir Gott zur Seligkeit!
Dein süsser Hauch trifft mein Gesicht,
Von meiner Brust lass' ich dich nicht!"
Du warst doch ein so rascher Gast,
Und bist so bald vor mir erblasst;
Wirr ist dein Geist, erlahmt die Schwing',
Schlaf ein zum Tod, du armes Ding!
Und trägt man dich zu Grabe dann,
Fang ich auf's neu' zu duften an:
Im Sonnengold, im Mondenschein,
Wer schaut nach mir? Ich steh' allein!
Richard Leander.
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Der verlorne Amor.
£|mor hat sich jüngst verloren,
Und nun will, die ihn geboren,
Ihren Flüchtling wieder küssen,
Den wir alle suchen müssen.
In dem Schatten dunkler Linden,
Wo wir Dichter Amorn finden,
Unter froher Dichter Myrten,
In den Städten, bei den Hirten,
Kann man nichts von ihm erfragen.
Mädchen, wollt ihr rmVs nicht sagen?
Denn ihr hegt den Gott der Sorgen:
Hat er sich bei euch verborgen?
In den Rosen eurer Wangen,
Die mit frischer Jugend prangen?
Oder auf den Lilienhügeln,
Wo der Gott mit leisen Flügeln
Sich schon öfters hin gestohlen ?
Darf ich suchen ihn und holen?
Job. Peter Uz.
(1720-1796)
Brettl-Diva.
Singe und tanze für blankes Geld,
Tanze, durchtanze die ganze Welt
Küsse und kose, so viel ich mag,
Küsse und kose bei Nacht und Tag.
Liebe erglüht mir zu jeder Stund',
Könige küssten oft meinen Mund,
Haben in meinen Haaren gewühlt,
Selig mein stürmisches Lieben gefühlt . • .
Singe und tanze für blankes Geld,
Tanze, durchtanze die ganze Welt.
Küsse und kose, so viel ich mag —
Kommt ja doch einmal ein stiller Tag,
Wo meinen Leib sie im grauen Sand
Einsam verscharren in fremdem Land!
Gtsa Tacchi.
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Nausikaa.
£Juf moosigem Stein, an Baches Rand
Sitzt rastend ein Magister,
Homerum hält er in der Hand
Und von Odysseus liest er.
Jetzt schaut er auf und spitzt das Ohr;
Denn aus den Erlen schallt's hervor:
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
Er schleicht sich durch die Hecken,
Die Ursach' zu entdecken. —
Da wo der Bach vom Felsen stürzt,
Und klar die Wellen rinnen,
Steht unbeschuht und hochgeschürzt
Ein Mägdlein und wäscht Linnen.
Der Herr Magister kommt ihr nah
Und ruft entzückt: „Nausikaa!"
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
Sie zeigt die weissen Zähne
Und lacht: „Ich heisse Lene."
Und ernsten Tons der andre spricht:
„Belehrung kann nur frommen.
Hast von Nausikaa du nicht
Und von Ulyss vernommen?"
Sie schüttelt mit dem Kopf und lacht:
„So fangt nur an, ich gebe acht."
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
„Ich will auch gerne hören,
Nur dürft Ihr mich nicht stören."
„Odysseus lag auf Scheria
Schiffbrüchig am Gestade,
Das Königskind Nausikaa
Hielt grosse Wäsche grade.
Sie war so schön und jung wie du,
Und fleissig war sie auch dazu.
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
Odysseus hat's vernommen
Und ist herangekommen.
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Er warf sich auf den Grund und schrie:
,Erbarme dich, erbarme!'
Dabei umschlang er ihre Knie,
So wie ich dich umarmer
Magisterlein die Magd umschlingt,
Die Magd den nassen Lappen schwingt —
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch 1
Drob musste ihm vergehen
Das Hören und das Sehen.
Er ging und kratzte sich im Haar,
That hinter's Ohr sich schreiben:
Mit Wäscherinnen bringt's Gefahr
Die Odyssee zu treiben.
Den Übeln Dank, der ihm geschah
Von Seiten der Nausikaa —
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatscht
Von uns der Himmel wendet
Hier ist die Mär zu Ende.
Rudolf Banmbach.
ha jal
JJr war reicher Eltern Sohn,
Lernte etwas Konfektion.
Sie war jung und hübsch und nett,
Nähte emsig »auf Jacket«. Na jal
Abends lud er sie mal ein;
Und sie sagte nicht just nein.
Ach, wie gut schmeckst du, Ciiquot,
Und wie machst du gleich so froh. Na jal
Als zu Ende war der Schmaus,
Bracht* er züchtig sie nach Haus.
Sie war jung — na und was dann
Geht ja keinen etwas an. Na ja!
Frida Spandow.
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Das schuldige Fräulein.
Jjjinst sass die Unschuld neben meinem Bette
Und schirmte mich mit stiller Segnerhand,
Sie schritt mit mir zur Vesper und zur Mette
Und knüpfte in mein Haar ein blaues Band.
Verführung nahte. Durch mein Herz gestrichen
Kam heiss ein Hauch, der es zur Glut entfacht;
Doch trog die Liebe nur. Als sie gewichen,
Erstarb die Scham, im Innern ward es Nacht
Bald klang das helle Gold im alten Spinde,
Die Schande zahlte grinsend Stück für Stück,
Ein blankes Geldstück kam auf jede Sünde,
Der Haufen Gold verschlang mein Jugendglück.
Leo Heller.
Aber sie lacht —
gjung ist sie und furchtbar verdorben,
Besser wäVs ihr, sie wäre gestorben,
Aber sie lacht und lebt —
Lacht über Sünde, lacht über Tugend,
Ist so selig in ihrer Jugend
Als wäV sie schuldlos und rein!
Wenn ich sie sehe, muss ich mich fragen,
Wie wird sie einmal das Alter ertragen,
Reue und Armut, Krankheit und Not?
Besser wäVs ihr, sie wäre totl
— Aber sie lacht und lebt;
Lebt und lacht über alles Verderben,
Denkt nicht an Reue, denkt nicht an Sterben,
Ist noch so jung und schön 1
Und ich glaube, für all meine Tugend
Tauschte sie nie ihre schäumende Jugend 1 —
Mir scheint es gar, sie fühlt Mitleid für mich —
Wer ist glücklicher — sie oder ich?
Maria Marty.
10
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Bai par6.
^^üi doch die Rosen fort, Marie!
La ss doch die bunten Sommerranken,
Tanzt ja heute mit zitterndem Knie,
Liebste, ich will dir's danken!
Weit im Park steht ein stilles Haus —
Horch 1 die Rappen stampfen am Wagen,
Komm, der Lärm ist nicht zu ertragen,
Komm, ich fuhr* dich hinaus.
So, hier ist's still, und nun bist du mein,
Lass nur den Arm um den Leib mich legen,
Trankst wohl wenig vom roten Wein?
Ich aber, ich dagegen!
Ach, der Wein war so schal und trüb', —
Mädel, musst nicht an gestern denken,
Hunde und Pferde will ich dir schenken,
Dann aber hab' mich lieb!
Lustig, Marie, so lache doch, Kind!
Morgen gehst du in Samt und Seide,
Sieh, wo die leuchtenden Fenster sind,
Sorgt man jetzt um uns beide.
Fürchtest dich wohl, du junges Blut,
Wärst wohl lieber ins Dorf gegangen?
Brauchst dich nicht schämen, brauchst nicht zu bang
Schatz, ich bin dir ja gut!
Martin Boelitz
4
Schön Suschen.
(1776.)
j>jchon Suschen kannt' ich lange Zeit;
Schön Suschen war wohl fein;
Voll Tugend war's und Sittsamkeit;
Das sah ich klärlich ein.
Ich kam und ging, ich ging und kam.
Wie Ebb' und Flut zur See.
Ganz wohl mir tat es, wann ich kam,
Doch, wann ich ging, nicht weh.
n
Und es geschah, dass nach der Zeit
Gar anders ich vernahm;
Da tat's mir, wann ich schied, so leid.
So wohl mir, wann ich kam;
Da hart' ich keinen Zeitvertreib
Und kein Geschäft, als sie;
Da fühlt' ich ganz an Seel und Leib,
Und fühlte nichts, als sie.
Da war ich dumm und stumm und taub:
Vernahm nichts, ausser ihr;
Sah nirgends blühen Blum' und Laub;
Nur Susch en blühte mir.
Nicht Sonne, Mond und Sternenschein,
Mir glänzte nur ein Kind,
Ich sah, wie in die Sonn' hinein,
Und sah mein Auge blind.
Und wieder kam gar andre Zeit,
Gar anders ward es mir;
Doch alle Tugend, Sittsamkeit
Und Schönheit blieb an ihr.
Ich kam und ging, ich ging und kam,
Wie Ebb' und Flut zur See:
Ganz wohl mir tat es, wann ich kam,
Doch, wann ich ging, nicht weh. —
Ihr Weisen, hoch und tief gelahrt,
Die ihr's ersinnt, und wisst,
Wie, wo und wann sich alles paart,
Warum sich's liebt und küsst?
Ihr hohen Weisen, sagt mir's an!
Ergrübelt, was mir da,
Ergrübelt mir, wo, wie und wann,
Warum mir so geschah?
Ich selber sann oft Nacht und Tag,
Und wieder Tag und Nacht,
So wundersamen Dingen nach;
Doch hab' ich nichts erdacht. —
D'rum Lieb' ist wohl wie Wind im Meer:
Sein Sausen ihr wohl hört,
Allein ihr wisset nicht, woher?
Wisst nicht, wohin er fährt?
Gottfr. Aug. Bürger.
U
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(Jnter der Linde.
nter der Linde,
Im Abend winde
Sah ich verborgen mein Liebchen stehn.
Still wie die Schlangen
Kam ich gegangen,
Niemand im Dorfe hat mich gesehn.
Fasste die Kleine;
„Was so alleine
Stehst du, mein herzallerliebster Schatz?
Willst du voll Schrecken
Scheu dich verstecken,
Weil du das Herz mir gestohlen hast ?"
Unter der Linde
Im Abendwinde
Schrie sie leise und lachte mich an.
„Willst du schweigen,
Stille dich zeigen I
Küss dich zur Strafe so oft als ich kann."
Kosen und Scherzen,
Lachen und Herzen,
Leiser und leiser wird es gemach.
„Küsse dir wieder
Augen und Lider.
Häscher und Späher, sie werden nicht wach."
Mich und die Kleine
Hat ganz alleine
Nur auf dem Zweige der Zeisig gesehn.
Unter der Linde,
Im Abendwinde,
Frage mich niemand, was da geschehnl
Friedr. v. Hindersin.
Sommermittag.
AJ un ist es still um Hof und Scheuer,
Und in der Mitte ruht der Stein;
Der Birnenbaum mit blanken Blättern
Steht regungslos im Sonnenschein.
13
Die Bienen summen so verschlafen;
Und in der offnen Bodenluk',
Benebelt von dem Duft des Heues,
Im grauen Röcklein schlaft der Puk.
Der Müller schnarcht und das Gesinde,
Und nur die Tochter wacht im Haus;
Die lachet still und zieht sich heimlich
Fürsichtig die Pantoffeln aus.
Sie geht und weckt den Müllerburschen,
Der kaum den schweren Augen traut:
„Nun küsse mich, verliebter Junge I
Doch sauber, sauber 1 nicht zu lautl"
Theodor Storni.
Göttin Barmherzigkeit.
jßereit steht die Karosse,
Die feurigen Rosse
Zerstampfen schon den Schnee —
In spater Abendstunde
Fährt Gräfin Adelgunde
Noch zu der Soir6e.
Ergebenst eingeladen
Hat man gräfliche Gnaden,
Die edle Sängerin.
Es gilt den Waisenkindern
Ihr hartes Los zu lindern,
Mon dieul man muss wohl hin.
*
Sie naht in Pelz und Seide,
Am dekolTtierten Kleide
Prangt leuchtend ein Brillant.
Der Schlag wird aufgerissen,
Sie lehnt sich in die Kissen
Und gähnt : „Wie ennuyant I"
Ein lautes „Ah!" empfängt sie
Im Saal, und man umdrängt sie .
Begeistert dort und hier.
Sie dankt mit stolzem Nicken,
Mit siegsgewohnten Blicken
Tritt dann sie ans Klavier —
14
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Und singt zwei Anetten
Aus neuen Operetten
Mit gräflichem Sopran.
Ein Beifall ohne Ende . . .
Noch eine Liederspende
Fügt sie sehr gnädig an.
Dann bleibt sie noch ein Stündchen,
Schlürft mit lächelndem Mündchen
Den Weihrauch, bis bereit
Im Hofe steht der Wagen,
Um wieder heimzutragen
„Göttin Barmherzigkeit".
Georg Schaumberg.
Konkurrenz.
Ten kenne ein liebliches Mädchen,
Für das mein Herze entbrennt;
Jedoch ihr Vater ist leider
Mein schlimmster Konkurrent.
Gelangt seine Firma zur Blüte,
Dann komme ich auf den Hund,
Doch siege ich in dem Kampfe,
Geht er gewisslich zu Grund.
Bleibt jener andere Sieger,
Ist sie eine gute Partie,
Dann gibt er mir armen Schlucker
Die einzige Tochter nie.
Doch schlage ich ihn aus dem Felde,
Ist die Heirat ein misslicher Schritt,
Dann bringt meine Herzallerliebste
Keinen einzigen Kreuzer mit.
„Einst waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb
Und konnten zusammen nicht kommen,
Das Wasser war viel zu tief."
Leb* wohl, mein schwarzbraunes Mädchen,
Leb, wohl, o Liebe und Lenzl
Viel schlimmer als meertiefes Wasser
Ist unsere Konkurrenz.
Heinr. Schäffer.
15
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Es waren drei junge Leute.
kTs waren drei junge Leute,
Die liebten ein Mädchen so sehr.
Der eine war der Gescheute,
Floh zeitig über das Meer.
Er fand eine gute Stelle
Und ward seiner Jugend froh,
Und lebt als Junggeselle
Noch heute auf Borneo.
Der zweite schied mit Weinen.
Er sang seiner Liebe Leid
Und Hess es gebunden erscheinen
Just um die Weihnachtszeit.
Das kalte Herz seiner Dame,
Die Quelle all* seines Wehs,
Macht ihm die schönste Reklame
Auf allen ästhetischen Tees.
Der dritte nur war dämlich,
Wie sich die Welt erzählt.
Er liebte die Holde nämlich
Und hat sich mit ihr vermählt:
Und sitzt jetzt ganz bescheiden
Dabei mit dummem Gesicht,
Wenn sie von den andern beiden
Mit Tränen im Auge spricht . . .
Rudolf Prester.
Rh — Bahl
J^tmss'nt Schuh vor einem Jahr,
Ein Röcklein von Kattun —
Doch heut* in Seide ganz und gar,
Mit weissen, feinen Schuh'nl
Als Aschenbrödel erst gepufft
Und dann verführt von einem Schuft
Und nun ein Fräulein, heiss begehrt,
Das in der eignen Kutsche fahrt —
Ich bin die flotte Liese —
Ah — Bah! ist meine Devise!
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Ah — &ah! hat auch wohl Der gesagt,
Der mir mein Kränzel nahm,
Ah — Bahl und hat mich fortgejagt —
Was tat's, wenn ich verkam?!
Ein Schmerzenslager, ganz von Stroh,
Ein kleines Gräblein irgendwo —
Dann war der Jammer abgetan,
Und lustig hob das Leben an —
Ich ward die flotte Liese —
Ah — Bahl ist meine Devise 1
Heut1 glänz* ich schon als Zauberstern,
Der alle Herzen bannt,
Es naschen mir die schönsten Herrn
Wie Tauben aus der Hand!
Und bin ich einem zärtlich hold,
So büsst er's schwer mit Gluck und Gold,
Und wird er arm — kann ich dafür? —
Vergessen mag er meine Tür —
Ich bin die flotte Liese —
Ah — Bah! ist meine Devise!
-
-
Mein Haus ist voller Herrlichkeit,
Wie man's in Märchen träumt;
Mein Himmelbett ist weich und weit,
Von Spitzen ganz umschäumt;
Mein weisser Leib strahlt überall
In Spiegeln wider von Krystall,
Und Silberampeln schimmern traut,
Und Falten trinken jeden Laut —
Ich bin die flotte Liese —
Ah — Bah! ist meine Devise!
Und wenn mein Fuss ein Herz zertritt —
Je nun: So geht's entzwei!
Und wenn man blutig um mich stritt —
Je nun: Was ist dabei!
Ein grüner Plan, ein heller Knall,
Ein roter Fleck, ein dumpfer Fall —
Die dummen Falter schreckt es nicht,
Sie schwärmen dichter bloss in's Licht —
Ich bin die flotte Liese —
Ah — Bahl ist meine Devise!
17
Im ganzen Nest ist keine hier,
Die süsser lacht und minnt,
Und keine, der so schnell, wie mir,
Das blanke Gold zerrinnt,
Die sich im Tanze flinker dreht,
Der Sammt und Seide besser steht —
Und end* ich auch einmal im Fluss —
Je nun: Ich ende, wie ich mussl
Ich bin die flotte Liese —
Ah — Bah! ist meine Devise!
F. von Ottini.
Im Spital.
J3err Doktor, Herr Doktor, würden Sie's glauben,
Dass dieser Leib, so abgezehrt,
Einst dem und dem und dem gehört'?
Ich konnte sie freilich nicht alle kennen,
Kann nie die Namen derer nennen,
Die er betört.
Wie's kam, Herr Doktor? das war die Weisse
Der Haut, so weich wie edler Sammt,
Und die hat mich zur Qual verdammt.
Die grossen Augen waren wie Feuer,
Ein jeder Blick war Männern teuer
Und hat entflammt.
Und dann, Herr Doktor, — ja, — dann meine Haare,
Die waren eine schwarze Flut,
Sie reichten bis zum Knie mir gut.
Und meine Küsse waren wie Brändet
Und meine zarten, kleinen Hände
Wie Milch und Blut.
Ja, lieber Herr Doktor, Sie würden's glauben,
Hätten Sie mich nur damals gesehn,
An jedem Finger hatte ich zehn! —
Doch heut', . . . heut* bin ich in Qual und Not,
Voll Ekel wird selbst an mir — der Tod
Vorübergehnl Leo Heller.
18
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Ein Weib.
j^ie hatten sich beide so herzlich lieb,
Spitzbübin war sie, er war ein Dieb;
Wenn er Schelmenstreiche machte,
Sie warf sich aufs Bett und lachte.
Der Tag verging in Freud* und Lust,
Des Nachts lag sie an seiner Brust.
Als man ins Gefängnis ihn brachte,
Sie stand am Fenster und lachte«
Er liess ihr sagen: »O komm zu mir.
Ich sehne mich so sehr nach dir,
Ich rufe nach dir, ich schmachte« —
Sie schüttelt' das Haupt und lachte.
Um sechse des Morgens ward er gehenkt,
Um sieben ward er ins Grab gesenkt;
Sie aber schon um achte
Trank roten Wein und lachte.
Heinrich Heine.
Eine Verlorene.
^)u bist so jung, so blütenjung und schön.
Wie Knospen springen aus dem Kleid die Brüste,
Wie Frühlingsherbheit liegt* s um deinen Mund,
Als ob er selten einen andern küsste.
Nur deine Augen, die voll Wissen sind,
Erzählen von den taumelvollen Stunden,
Von roten Nächten, da die Leidenschaft
In Sommerschwüie dich am Weg gefunden.
Albert Sergel.
*
Chronik
JJs stand am Rain ein Hirtenkind
Und hütete die Herde,
Und wie sie sang im Sommerwind,
Ihr Haar floss bis zur Erde.
19 2»
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Es kam herab tönt seinem Schloss
Der junge Prinz gestiegen,
Er hielt am Weg mit seinem Tross
Und sah ihr Goldhaar fliegen.
Sie sang ein altes Liebeslied
Dem jungen Königssohne,
Da hat er still vor ihr gekniet
Und bot ihr seine Krone.
Es ist in alle Lande hin
Der Fürstin Ruhm erklungen, —
Doch hat die junge Königin
Wohl niemals mehr gesungen . . .
Agnes Micgcl
Der Scherenschleifer.
JJin Scherenschleifer steht am Weg,
Dreht flink sein Rad und schleift,
Schaut höchst vergnüglich in die Welt,
Und singt hinein und pfeift:
„Tüdelütütüt, tüdelütütüt !
Es dreht sich alles rund!
Wer heute glaubt sich oben auf,
Ist morgen auf dem Hundl"
Mit Wasser netzt er dann das Rad,
Und flinker kreist der Stein.
Die Funken stieben von dem Stahl,
Und wieder klingt's hinein:
„Tüdelütütüt, tüdelütütüt !
Beim Schleifen ist's gescheit,
Dass man das Feuchten nicht vergisst,
Sonst kriegt das Ding kein Schneid'!"
„Ein Schnäpschen vor und nach dem Schnaps,
Das macht gerade drei!
Wer einmal mein Vermögen erbt,
Das ist mir einerlei!
„Tüdelütütüt, tüdelütütüt I
Ich brauch' kein Testament!
Wer alles hier verjubelt hat,
Kommt selig an sein End*!"
Otto Hansmann.
TT
20
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Die alte Lehrerin.
Jch hörte an meiner Tür ein Pochen,
Hatte kaum mein Herein! gesprochen,
Da stürzt in die offenen Arme hin
Meine liebste, treueste Schülerin;
Küsst mich halb tot und weint und lacht,
Als sei ein Hexchen in ihr erwacht.
Wusst* nicht, was dies bedeuten soll,
Fragte nur: »Mädchen, bist du denn toll?«
Da hat sie mich auf den Sessel gedrückt,
Sich einen Schemel herangerückt
Und mit ungewöhnlicher Redegabe
Erzählt, dass sie verlobt sich habe.
Ich habe ein Leuchten, so rein und schön,
Noch nie in Menschenaugen gesehn.
An meiner alten, müden Brust
Schlug nie ein Herz in solcher Lust!
Ich küsste das Mädchen lange, lange.
Eine Thräne rann nieder auf meiner Wange. —
Und als die Braut gegangen war,
Sass ich noch träumend. Mein weisses Haar
Mochte wohl glänzen im Abendschein,
Der durch das offene Fenster herein
Mit letzten GrÜssen wundersam
Ins traumbeseelte Stübchen kam.
Und auf mich selber still bedacht,
Sass ich bis tief hinein in die Nacht,
Und ein seliges verklärtes Erinnern
Weckte . . ein totes Märchen . . im Innern. —
Karl Leopold Mayer
Beichte.
^chlirnmer Mann! Ich seh' mit Schmerze
Dinge sonderbar,
Hier auf deines Kleides Schwärze
Glänzt ein blondes Haar.
Nicht von deinem Scheitel fiel es,
Der ist schwarz und kraus.
Mit der Beichte bösen Spieles
Rücke gleich heraus!
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„Offen bin ich, meine Sünde
Beicht* ich dir getrost.
Ja, mit einem blonden Kinde
Hab* ich heut gekost.
Wohl ein Stündchen mir im Arme
Hat sie's gern erlaubt,
Ihrem Mündchen hab' ich warme
Küsse viel geraubt.
Mea culpa I Deiner Predigt
Harr* ich nun in Ruh*,
Milde sei der Fehl erledigt,
Denn das Kind bist du."
Isolde Kurz.
*
Modern.
Mein Sohn, nimm ernst des Lebens Ziel;
Vor allem meid' das Kartenspiel;
Ich sah schon manchen, sonst nicht Schlechten,
Hohlwangig von durchwachten Nächten:
Ein ausgebrannter Krater.
Glaub 's deinem Vater!
Dann, Kind, lass auch die Liebelei'n,
Und trinke nie zu viel vom Wein;
Flieh' vor den Offenbachiaden,
Die nur der reinen Seele schaden."
So spricht, gleich einem Pater,
Der würd'ge Vater 1
Da sitzt zu Hause so allein
Die Frau Mama beim Lampenschein.
„Wie lang müht sich der Gute heute I"
Aus „Orpheus" strömen schon die Leute.
Wer kommt aus dem Theater?
Es ist der Vater!
Und wieder mal harrt mit dem Tee
Die gute Frau, das Herz voll Weh.
Sie hofft auf ihn bei jedem Tritte;
Da endlich naht's mit schwerem Schritte,
Wer kommt mit einem Kater?
Es ist der Vater!
22
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Seht nurl im stillverschwieg'nen Saal
Gibt's heut ein feines Mittagsmahl,
Drauf „meine Tante, deine Tante",
*
Wer hält nicht gerne ihre Kante?
Der eifrigste Confrater,
Es ist der Vater!
In stiller Gasse wohnt *ne Maid,
Mit Putz vertreibt sie sich die Zeit,
Doch abends zu recht später Stunde,
Da kommt zu ihr der beste Kunde, —
Vielleicht auch ihr Berater, —
Es ist der Vater 1
Bald merkt's der Sohn und denkt bei sich:
Tut das der Vater, kann's auch ich.
So geht er hin und tut desgleichen;
Die Welt weiss bald von seinen Streichen.
Voll Kummer ist Frau Mater,
Erstaunt der Vater!
Die Linde am Strassenrain
Und drüben die alte Kapelle;
Hier ist das Stelldichein.
Die Sterne am Himmel stehen,
Die Glocke im Dorf schlägt acht.
Von Elsebeth nichts zu sehen. —
Ich hab' mir's ja gleich gedacht.
Sie kann sich nicht trennen, ich wette,
Vom Spiegel daheim an der Wand
Und nestelt an Spange und Kette
Und zupft an Tüchlein und Band.
Am Ende lässt sie mich harren
Die liebe, lange Nacht.
Gewiss, sie hat mich zum Narren. —
Ich hab' mir' s ja gleich gedacht.
Vielleicht — o du falsche Schlange!
Jetzt wird mir's auf einmal klar,
Warum der Frieder, der lange,
Heut morgen so lustig war.
Ernst Wilh. Daudert.
Das Stelldichein.
as ist die richtige Stelle:
23
Der Schrecken lähmt mir die Glieder,
Ich bin betrogen, verlacht,
Die Elsebeth hält's mit dem Frieder. —
Ich hab* mir* s ja gleich gedacht.
Ich hebe zum Schwüre die Hände
Zum Sternenhimmel — doch halt,
Was kommt durch das Wiesengelände
Vom Dorf herüber gewallt?
Ich sehe zwei niedliche Füsse,
Sie nahen sich zaghaft und sacht.
Sie kommt, die Treue, die Süsse. —
Ich h a b' mir1 s ja gleich gedacht.
Rodolf Baurabach.
Musikalische Nachbarschaft.
^y^?ir wohnten übereinander,
Du vier, und drei Treppen ich.
Wir spielten beide Piano,
Es klang oft fürchterlich I
Begannst du zum Beispiel: „Wenn ich
In deine Augen seh* — "
Dann paukte ich mit Wonne:
„Ta ra ra bom de ayP*
Und präludiertest sanft du
In b oder sonst einem moil,
Verbrach ich die Kutschke-Polka
In dur natürlich wie toll.
Warst du bei Liszt und Wagner,
Vor denen mir immer gegraust,
Dann kultivierte ich liebend
Freund Waldmann und Carl Faust. —
Das ging denn auch auf die Dauer
Natürlich nicht weiter so fort —
Drum bin ich zu dir gekommen
Und sprach ein vernünftiges Wort.
Zum guten ist alles gewendet;
Kein Trommelfell wird mehr verletzt:
Wir haben uns beide verständigt
Und spielen — vierhändig jetzt.
Joh. Cotta.
24
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Ruftrag.
^y^it dem Körbchen an der Hand,
Leicht wie junge Frühlingswinde,
Kömmt die lächelnde Belinde;
Blumen küssen ihr Gewand.
Dort seh' ich die Schöne gehen,
Wo sie oft mein Amor sucht,
Wo, bedeckt mit goldner Frucht,
Brüderliche Bäume stehen.
Nun verweilt die Schäferin
Unter jenen hohen Zweigen:
O wie werden sie sich neigen
Zu dem holden Mädchen hin!
Baum und Staude sind entzücket,
Früchte fallen auf das Moos,
In ihr Körbchen, in den Schoss,
Von Belinden ungepflücket.
Schönstes Mädchen dieser Flurl
Welche nie gefühlte Regung I
Deine zarteste Bewegung
Ist voll Liebe, voll Natur.
Amorl ihr das Körbchen rauben
Sollst du: dann verfolgt sie dich:
Amor! dann verirrt sie sich
Her zu mir in diese Lauben.
Joh. Georg Tacobi,
(1740-1813)
\J Der Kusshandel.
j^jin Hirtenmädchen, schön zum Malen,
War etwas kaufmännisch gesinnt;
Mit zwanzig Schafen musst Amint
Den ersten Kuss ihr bar bezahlen.
Fünf Jahre älter war Narzisse,
Als er den Tausch schon besser traf:
Da blühten um ein einzig Schaf
Auf ihren Lippen zwanzig Küsse.
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Bald lag ihr Handel ganz darnieder,
Und aus freiwilligem Entschluss
Gab sie für einen kalten Kuss
Aminten seine Schafe wieder.
Die eigne Herde samt dem Hunde
Bot sie für einen Kuss zuletzt;
Allein der Schäfer dankte jetzt
Und flog zu Daphnens Rosenmunde.
Friedr. Ernst Langbein.
(1759-1835.)
Das He^chen.
ländlich — endlich . . . Sel'ge Stunde I
Goldne Sterne lachten draus —
Und du flohst von meinem Munde,
Und du zogst dich lachend aus.
Und als Leibchen, Rock und Bluse
Lag gefaltet, blütenweis,
Sah ich auf dem nackten Fusse
Einen kleinen, braunen Kreis.
Auf das niedlichste Versteckchen
Vor galanter Späher Blick
Zog ein braunes Leberfleckchen
Sich in holder Scham zurück,
Gleich als hätt* es nicht vergessen,
Wie man Hexen einst verflucht
Und in peinlichen Prozessen
Ihrer Bosheit Mal gesucht.
W Ich Mal an solcher Stelle
Deckte mit dem Strumpfe zu,
Stand mit Teufel, Hex' und Hölle
Zweifellos auf Du und Du;
Seine Seele loszukaufen
Aus des Satans kralTger Hand,
Ward er auf dem Scheiterhaufen
Unter frommem Sang verbrannt . . .
Statt dass strenge Hexenrichter
Dich verdammt zur Folterqual,
Weiss ein einziger deutscher Dichter,
Liebchen, um dein Hexenmal,
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Und das runde braune Klexchen,
Das dir einst den Tod gebracht,
Küsst er glühend, blondes Hexchen,
In verschwieg'ner Liebesnacht.
Auf des Fusses weiches Fellchen
Presst er selig sein Gesicht,
Solch ein süsses, braunes Stellchen
Haben andre Frauen nicht I
Dunkler Vorzeit blut'ge Sagen
Reizen seinen krausen Sinn —
Und er wird es mit dir wagen,
Blonde, kleine Teufelin!
iebchen heut in Gesellschaft geht,
Zeigt sich in raschelnder Seide,
Fragt mich, wie ihr das Hütchen steht
Und die Schleppe am Kleide.
Wie ich die schlanke Jugendgestalt
Must're mit prüfenden Blicken,
Rieselt ein Schauer mir eisig kalt
Plötzlich hinunter den Rücken.
Alles, vom Stiefelchen bis zum Hut
Sitzt dir wie angegossen,
Aber wie viel unschuldiges Blut
Ist um dich, Teure, geflossen!
Seidenwürmer wohl tausend und mehr
Mussten ihr Leben lassen
Für den Stoff, den du hinter dir her
Schleppst durch die staubigen Gassen.
Für dein zierliches Stiefelpaar
Musste ein Kälbchen verenden,
Und Hermeline, ein Dutzend gar,
Mussten die Fellchen dir spenden.
Deine Handschuhe, glatt und weich,
Gab dir ein blökendes Lämmlein,
Und die Schildkröt' im kühlen Teich
Lieferte dir das Kämmlein.
Rudolf Presber.
Liebchen.
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Walfisch schwamm im eisigen Meer
Fröhlich hin und wieder.
Stirb und gib dein Fischbein herl
Liebchen braucht es für*s Mieder.
i
Pfeilgetroffen ein Elefant
Musste im Urwald erblassen.
Hat für den Fächer in deiner Hand
Leben und Zähne gelassen.
Sterbend gab dir der Wüstenstrauss
Wallende Federn als Steuer. —
Trinke auch mir die Seele aus,
Reizendes Ungeheuer I
Rud. Baumbach.
Historie von Noah.
£|ls Noah aus dem Kasten war,
Da trat zu ihm der Herre dar,
Der roch des Noäh Opfer fein
Und sprach: Ich will dir gnädig sein.
Und weil du ein so frommes Haus,
So bitt* dir eine Gnade aus.
Der Noah sprach: Ach, lieber Herr,
Das Wasser schmeckt mir gar nit sehr,
Dieweil darin ersäufet sind
All* sündhaft Vieh und Menschenkind;
Drum möcht* ich armer alter Mann
Ein anderweit Getränke han.
Da griff der Herr ins Paradies
Und gab ihm einen Weinstock süss,
Und gab ihm guten Rat und Lehr',
Und sprach: Den sollst du pflegen sehr,
Und wies ihm alles so und so:
Der Noah war ohn'massen froh,
Und rief zusammen Weib und Kind,
Dazu sein ganzes Hausgesind*,
Pflanzt* Weinberg* rings um sich herum;
Der Noah war fürwahr nit dumm,
Baut Keller dann und presst den Wein
Und füllt ihn gar in Fässer ein.
28
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t)er ftoah war ein frommer Mann,
Stach ein Fass nach dem andern an
Und trank es aus zu Gottes Ehr',
Das macht ihm eben kein Beschwer.
Er trank, nachdem die Sündflut war,
Dreihundert noch und fünfzig Jahr.
(Nützliche Lehre.)
Ein kluger Mann hieraus ersieht,
Dass Weingenuss ihm schadet nicht,
Und item, dass ein guter Christ
In Wein niemalen Wasser giesst,
Dieweil darin ersäufet sind
All' sündhaft Vieh und Menschenkind.
August Kopisc
(1799-1858)
Soldatenliedchen.
^as Gewehr auf der Schulter,
Die Strasse entlang
Ein Trüpplein Soldaten
Mit dröhnendem Gang.
Ein paar Rosen am Boden,
Die der Leutnant zertritt;
Die braven Soldaten
Zertreten sie mit.
Nur einer, der wollte
Nach ihnen sich dreh'n,
Er hatte so lang
Keine Blume geseh'n.
»Ei, der Kerl, der verfluchte!
Die Augen gradausU —
Das Gewehr auf der Schulter,
Zum Tore hinaus.
Karl Leopold Mayer.
£9
Die ftsphaltblume*)
^y^?er ist erst neunzehn Jahre
Und ist schon so verderbt?
Wer trägt die schönen Haare
Kastanienrot gefärbt?
Wer schläft und träumt tagsüber
Betthimmelüberdacht ?
Das ist die Asphaltblume,
Der Stern der Mitternacht 1
Wer fliegt spät aus am Abend
Beim Bogenlampenschein?
Wer ist nach zehn Minuten
Dann meist nicht mehr allein?
Wer kommt so spät nach Hause,
Wenn rot der Morgen lacht?
Das ist die Asphaltblume,
Der Stern der Mitternacht!
Wer ist so oft bei Emberg,
So oft in Halensee?
Wer fahrt so gerne Dogcart?
Wer rudert auf der Spree?
Wer ist es, der bei Dressel
Sektselig lallt und lacht?
Das ist die Asphaltblume,
Der Stern der Mitternacht I
■
Wer wird so hoch gefeiert
In Drama und Roman?
Wer schmückt die Kunstausstellung
Fein an der Lehrter Bahn?
Wer wird von frommer Muhme
Ins Rettungshaus gebracht?
Das ist die Asphaltblume,
Der Stern der Mitternacht 1
Hans Brennen.
•) Kompositionsrecht vorbehalten.
SO
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Eine Verlorene.
^Jm deine Stirn hängt verwelkt der Kranz;
Dein Leben ging auf in Fieber und Tanz
Und irrem Glanz.
Nun liegt deine Jugend zerbrochen da;
Keine wachende Liebe ist dir nah —
Du verliessest sie ja.
Deine Kammer ist still, es nagt nur der Wurm,
Und draussen jammert und lacht der Sturm;
Die Zeit ruft vom Turm . . .
Kennst du das Märchen vom roten Schuh?
Ein schönes Kind musste immerzu
Tanzen ohn' Ruh.
Sie musste rasen durch Land und Feld,
Bis sie taumelnd, vom Hohn der Menge umgellt,
Zu Boden fällt.
Die zwängenden Schuhe waren gefeit
Vom bösen Zauber der Eitelkeit
Sein Ende heisst — Leid.
Nun bist du am Abgrund 1 — Der Tanz ist aus!
Das Elend hockt auf der Schwelle drauss'
Und hütet dein Haus.
Von deiner Lippe bricht ein Schrei —
Das Elend winkt mit Fingern von Blei
Den Tod herbei.
Da reisst ihm der Sturm die Tür auf. Es droht
Zu deinen Häupten die Schuld und die Not,
Uud — du bist tot . . .
Albcrta von Puttkamer.
Liebesmacht.
ß in Jüngling schlang den Arm um die Maid
Bei traulichem Scherzen und Kosen,
„Zur Priesterin bist du der Venus geweiht,
Vorüber ist Leid und Traurigkeit!"
Da brach er der Lippen Rosen.
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„Nun sind uns die noldesteü Stunden gebracht.
Die Stunden der Liebesvigilien :
Wir lachen des Daseins schauriger Nacht,
Wenn die Fackel der Liebe feurig entfacht!"
Da brach er des Busens Lilien.
Und des Jünglings Herz ward flammend durchloht,
Er fühlte eine Welt in sich pochen;
Seine Liebe ward stark wie der grimmige Tod;
Die Knospen und Blüten so voll und so rot,
Hat er alle, alle gebrochen.
Er hat sie gebrochen, dann sind sie verblüht,
Die Rosen, Lilien, Nelken . . .
O Liebe, wo nur dein Atem glüht,
Da müssen, gleich wie vor dem sengenden Süd,
Die Blüten, die Blüten verwelken I
Max Hoffmann.
Hochzeit.
s pfeift's ja schon die ganze Welt,
Ich hör's ja schon in Flur und Feld
Am Weg die Grillen geigen,
Die können's nicht verschweigen,
Die streichen die Fiedel immerzu:
„Ein Mädel ist ohn' Strumpf und Schuh*
Durch roten Klee gegangen,
Trug weder Hut noch Spangen I"
Schatz, morgen sollen's die Menschen wissen,
Auf offener Strasse will ich dich küssen,
Dann folgt der grosse Familienkrach,
Dann wird die heil'ge Entrüstung wach.
Lass du nur ruhig das Ponny grasen,
Ich tröste inzwischen Vettern und Basen,
Und wenn der Tag im Westen verglüht,
Schirr an und sei mir nicht zu müd',
Dann wollen wir ohne Händefalten
Die lustigste Lumpenhochzeit halten.
Martin Boelltz.
32
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Das Laufmädel.
J^latschepitsch — Spagatelregen —
Schokolad' auf allen Wegen«
Mädel unter Paraplü
Stiefelt tapfer durch die Brüh1«
Pflastertreterl,
Armes Peterll
Mädel, kleines Mädel, laufe —
Aus dem Regen in die Traufei
Kille, kille, Kleine,
Brauche deine Beine —
Trippeltrab treppauf und ab,
Stöckelstiefel klippeklapp —
Morgen kommt ein Herr Baron,
Oder ein Kommerziensohn !
Heil da schwänzelt's um die Ecke —
Augerl, blanke, vogelkecke 1
Wuschelhaare, blond und dick,
Wuchten auf ein weich Genick.
Schnuffelnaserl,
Schlankes Haserl 1
Kindergoscherl, weich und schüchtern,
Ist noch gänzlich busselnüchtern.
Kille, kille, Kleine,
Brauche deine Beine —
Trippeltrab treppauf und ab,
Stöckelstiefel klippeklapp —
Mädel lauf und halt' dich brav —
Uebermorgen kommt ein Graf!
Schleppe deinen Robes-Kasten —
Mädel lauf, sonst heisst es fasten!
Mutterl schimpft dich zünftig z'samm9,
Und es grantelt die Madam1.
Krampft im Kröpferl,
Thränentröpferl?
Schluckes hinunter — alles Plündert
Wart1, der Himmel thut ein Wunderl
Kille, kille, Kleine,
Brauche deine Beine —
Trippeltrab treppauf und ab,
Stöckelstiefel klippeklapp —
Herr, erbarm' dich deines Ktnd's —
Nächste Woche kommt ein Prinz!
Madcl, wie sie dich bepacken!
Schau', wie glüh'n dir blos die Backen!
Kindel, hast du's auf der Brust,
Dass du gar so husten musst?
Nebel schieben,
Rocken stieben —
Fasching kam mit Geigenklingen . • •
Warum magst denn du nicht springen?
Kille, kille, Kleine,
Brauche deine Beine —
Trippeltrab treppauf und ab,
Stöckelstiefel klippeklapp —
Bald ein End' hat alle Not —
Frühling wird's — dann kommt der Tod!
Ernst von Wolxogcn.
Das arme Mädchen.
^öY mir einer, was er wollte,
Weil ich arm und elend bin,
Nie, und wenn ich sterben sollte,
Gab' ich meine Ehre hin!
Schaudernd eilt das Mädchen weiter,
Ohne Obdach, ohne Brot,
Das Entsetzen ihr Begleiter,
Ihre Zuversicht der To<L
Es klappere in den Laternen
Des Winters eisig Weh'n,
Am Himmel ist von den Sternen
Kein einziger zu seh'n.
Wie sie nun noch eine Strecke
Weiter irrt, sieht sie von fern
An der nächsten Strassenecke
Einen ernsten jungen Herrn.
Ihm zu Füssen auf die Steine
Bricht sie ohne einen Laut,
Hält umklammert seine Beine,
Und der Herr verwundert schaut:
Wenn dich die Menschen verlassen,
Komm auf mein Zimmer mit mir;
Jetzt tobt in allen Gassen
Nur wilde Begier.
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Und sie folgte seinen Schritten,
Hielt sich schüchtern hinter ihm;
Jener hat es auch gelitten,
Wurde weiter nicht intim.
Angelangt auf seinem Zimmer,
Zündet er die Lampe an,
Bei des Lichtes mildem Schimmer
Bald sich ein Gespräch entspann:
Es boten mir wohl viele
Ein Obdach für die Nacht,
Doch hatten sie zum
Was mich erschaudern macht«
Ferne sei mir das Verlangen,
Sprach der ernste junge Mann,
Dir xu färben deine Wangen,
Wenn ich's nicht durch Güte kann.
Bat sie, langer nicht zu weinen,
Holte Wurst und kochte Thee,
Und am Morgen zog er einen
Thaler aus dem Portemonnaie.
Sie hat ihn bescheiden genommen
Und fand, eh1 der Tag vorbei,
Als Plätterin Unterkommen
In einer Wäscherei.
Aber ach, die Tage gingen
Und die Nächte freudlos hin,
Bluteswallungen umfingen
Ihren frommen Kindersinn.
Immer musst* sie sein gedenken,
Der so freundlich zu ihr war,
Immer musst* den Kopf de senken,
In der munter'n Mädchenschar.
Und eines Abends um neune
Hielt sie's nicht aus,
Lief ganz alleine
Nach seinem Haus.
Er war noch nicht heimgekommen,
Sie verkroch sich unters Bett,
Bis sie seinen Schritt vernommen.
Wo sie gern gejubelt häte.
Doch sie hielt sich still da unten,
Bis er sich zu Bett gelegt
Und den süssen Schlaf gefunden,
Dann erst hat sie sich geregt
Leise wie eine Elfe
Schlüpft sie zu ihm hinein:
Dass Gott mir helfe —
Ich bin dein!
Doch da hat er sich erhoben,
Wusste erst nicht, was geschah,
Hat die Kissen vorgeschoben,
Als das Kind er nackend sah:
Nein, jetzt will ich dich nicht haben;
Wohl dir, dass du mir vertraut!
Spare deine schönen Gaben,
Denn schon morgen bist du Braut!
Er führte binnen drei Tagen
Sie wirklich zum Altar.
Es lässt sich gar nicht sagen,
Wie glücklich sie war . . .
Frank Wedckind.
Arn Kreuzweg.
y^og ein Wanderbursche aus,
Hielt am Kreuzweg inne,
Sprach: »Wo soll ich nun hinaus?
Ha, dort winkt ein Försterhaus,
Dass ich mich besinne!
»Mädel, wie die Fichte schlank,
Sittig wie die Taube,
Leb' ein Stündlein mir zu Dank,
Komm1 mit einem frischen Trank
Dort zur kühlen Laube 1«
Und sie bracht* em schäumend Glas,
Bracht* ein froh Behagen,
Und der Wanderbursche sass
Ihr zur Seite und vergass,
Nach dem Weg zu fragen. —
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Endlich aber sagt er fein:
»Osten oder Westen ?c
Doch sie flüstert süss ihm ein:
»Mass es denn geschieden sein?
Hier ist's ja am besten lc —
Wie des Liedes Ende war?
Bald ist es gesungen:
Glücklich wurden sie ein Paar,
Und sie wiegten übers Jahr
Ihren ersten Jungen.
Georg Lang
«r
Rote He*e.
J^ot ist mein Haar,
So rot und so wild,
Rot das Gewand,
Das den Leib mir umhüllt.
Rot ist mein Mund,
So glühend und rot —
Mancher schon küsste
An ihm sich tot.
Mancher schon küsste
Soviel er gewollt,
Lohnte die Liebe
Mit funkelndem Gold;
Sog rotes Gift
In die Seele ein —
Musste für ewig
Mein Sklave seinl
Gisa Tacchi.
fr
Trauriges Rätsel.
Jch hart* eine grosse Lieb und konnte von ihr
nicht sagen,
Ich hatr* einen grossen Schmerz und musste ihn
stumm ertragen,
Ich hart* eine grosse Schuld und musste sie doch
verneinen ,
Und ich kenne ein kleines Grab und darf es nicht
beweinen 1
Franz v. KÖnigtbrun-Schaup.
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Bestellung.
^uch und Samt und Seide her,
Heut* kauf ich den Laden leer!
Was je Mädchenaugen sah'n:
Musselin und Tarlatan,
Gaze, MuH, Satin und Taft,
CrApe de chine herbeigeschafft t
Denn ich bin ein reicher Mann,
Und ich zieh' mein Mädchen ant
Schuster, braver Schustersmann,
Mess' er zwölf Paar Schuhe an
Diesem Füsschen, wunderklein;
Soll'n vom feinsten Leder sein;
Hohe Stöckel, knapper Sitz,
Dünnste Sohlen und ganz spitz,
Dass an ihrer Spur man seh:
Hier spazierte eine Fee.
Teures Fräulein, das versteht,
Wie man Mädchenhemden näht,
Spitzenhöschendichterin,
Fein von Fingern, fein von Sinn!
Spart mir Spitz* und Bänder nicht,
Dichtet ein Batistgedicht
Um die rosenfeine Haut
Meiner allerliebsten Braut
Tischler, Tischler, mach1 er mir
Tische, Stühle, Bank und Thür,
Hoble er den Boden glatt,
Lass kein Loch für Maus und Ratt\
Hat er dies getischlert nett,
Mach' er mir zuletzt ein Bett:
Mach' er nuYs besonders schön,
Soll mein Schatz drin schlafen geh'ru
Alfred Walter HeymeL
Nachtidyll.
ruht im Dorfe jung und alt,
Am Himmel steh'n die Sterne;
Der Morgen dämmert florumwallt
Unmerklich in der Ferne.
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Da wird ein Thürlein aufgemacht
Mit Fürsicht übennassen;
Ein Blondchen schleicht mit Vorbedacht
Heraus und längs der Strassen.
Die Füsse nackt und gross und braun,
Das runde Köpfchen glühend;
Verlaustes Haar — durchs Linnen schau'n
Die Brustchen prall und blühend.
Sie blickt noch einmal rings herum,
Als wie verscheucht ein Mäuschen;
Dann reckt sie sich und lächelt stumm
Und schlüpft in eins der Häuschen.
Eugen Reichel.
■
*
Eine kleine Ballade.
£)ie wohnte vier Treppen,
Er unten im Keller,
Und beide hatten sie keinen Heller.
Wohl litten sie nicht Hunger und Not,
Doch was sie verdienten mit ehrlichem Sinn,
Das reichte so gerade zum Leben hin.
Jung waren sie beide und lebensfroh,
Machten sich weiter keine Sorgen.
Kam heute das Glück nicht, kam's wohl morgen.
Kehrten arbeitsmüd' sie am Abend heim,
So schauten beide zum Fenster hinaus
Und sahen nach dem Glücke aus.
Aus dem Dache sah sie,
Aus dem Keiler sah er,
Und mancher Seufzer flog hin und her.
An einem heissen Maientag
Sprach er sie schüchtern drunten an,
Als sie die Treppen zu steigen begann.
»Da oben ist's wohl jetzt schön heiss?«
»Ja,« lacht sie, »ja, der Sonnenschein
Heizt etwas stark mein Zimmerlein.«
>
39
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»Und zu mir kommt gar keine Sonne herein.«
»Nun,« meint sie mit einem fröhlichen Nicken,
»Ich werd' etwas Sonne hinunterschicken.«
»Dürfte ich sie nicht holen kommen?«
»Nein, i bewahre!« Und im Lauf
Rennt sie die vier Treppen hinauf. — — —
Doch seltsame Dinge geschehen im Mai,
Am selben Abend, der Mond schien herein,
Holte er noch seinen Sonnenschein.
Alice Bercnd.
Meine Nachbarin.
Nachbarin ist lange blind
Und hat nicht lang zu leben;
Ihre Tochter trägt ein ledig Kind,
Weiss nicht, wem Schuld zu geben.
Das katzebalgt nun Tag um Tag,
Und schimpft sich um die Wette;
Für Scheltwort Scheltwort, Schlag für Schlag —
Die reine Bettlermette.
Dazwischen wächst ein junges Blüh'n —
Man möcht* es Sumpfdost heissen: —
Die Wangen rot, die Lippen glüh'n,
Die dunkeln Augen gleissen.
Noch fliesst ein Strahl des reinen Lichts
Um ihre helle Stirne —
Noch weiss sie nichts, noch ahnt sie nichts,
Und lacht schon wie die Dirne . . .
J. J. David.
Die Rehren.
][)er Abend war selbst wie ein Wunder der Liebe.
Sie gingen umschlungen und stumm vor Liebe
Aus den Feldern dem träumenden Dorfe zu.
Sie lehnte sich wärmer an ihn. Sie sagte
So still, als wenn der Abend wind klagte:
»Im Korn, das war doch eine Sunde, dul«
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Er löst seine Hand und Wange von Wange:
»Und nennst du's Sünde, dass ich dich umfange,
So liebst du mich nicht und liebst mich nicht!«
Da schaut sie empor zu dem Zornigen, Wilden
Und sieht mit erschrockenen, hilflosen, milden
Augen dem Liebsten ins Angesicht.
Und lächelt in Thränen und regt die bleichen,
Bebenden Lippen und sagt mit weichen
Worten zum Liebsten: »Das sagst du mir?«
Und schlingt den Arm um den trotzigen Knaben:
»Dass wir das Korn so zerbrochen haben,
Das war eine Sünde I Das sag1 ich dir!«
Hugo S&lai.
Gekrönte Liebe.
Jch liebt1, als ich noch zur Prima ging,
— Nicht ganz ohne Furcht und Tadel —
Ein blondes, ein junges, ein frisches Ding,
Die war vom ältesten Adel.
Sie trug auf der Mappe in Gold gestickt
Die Krone mit sieben Zacken,
Und wenn sie mich lachend angeblickt,
Dann schoss mir das Blut in die Backen.
Und sass ich gebeugt auf den Sophokles
Und ochste die tragischen Chöre,
Mir war's, als ob ich die kleine Komtess
In's Ohr mir lachen höre.
Und als ich, ein Studio, trug auf der Brust
Dreifarbig das Band der Rhenanen,
Da liebt* ich mit stürmischer Jugendlust
Ein Mädel ganz ohne Ahnen.
Der Vater ein Schuster, die Mutter tot,
Der Bruder Hausknecht in Barmen — —
Ich aber, wenn sie die Lippen mir bot,
Ein Fürst in ihren Armen — — — —
Sie hat mir ein Cerevis gestickt
Von ihren armseligen Groschen,
Und wer mir das Mützchen schief angeblickt,
Dem hab' ich den Schädel verdroschen.
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Am Golf von Neapel, da hab' ich geicannt
Ein Mädel — erst sechzehn Jahre 1 —
Die war so schön — so schön wie ihr Land,
Das Kind von Castellamare.
Ihr Vater im Bagno — sie selber so froh,
So kindlich im Schwatzen und Bitten,
Wenn wir zum Monte San Angelo
Auf kleinen Eseln ritten
Vergessen war Zukunft, Amt und Beruf,
Wenn mich die Kleine neckte,
Und in die Sterne der Vesuv
Die Hochzeitsfackel reckte. . .
Und jetzt — Wenn manchmal um Mitternacht
Der Kopf mir sinkt auf die Bücher,
Da schleichen drei Mädels durch Thüren sacht,
Gehüllt in wehende Tücher.
Drei Augenpaare, — die nie ich vergess',
Die funkeln und schmeicheln und bitten — —
Die Schustertochter, die kleine Komtess
Und das Sträflingskind in der Mitten.
Sie tanzen und singen und lachen dabei
Und locken mich doch vergebens —
Und Krönchen tragen sie alle drei . . .
Die Kronen meines Lebensl
Rudolf Preifcer,
IT
Immer heiter.
\?on dem Wagen in die Loge,
Aus der Loge auf den Ball —
Wo nur immer ein Vergnügen,
Findet ihr sie überall.
Immer fröhlich, immer heiter,
Vom Genüsse zum Genuss,
Ganz nur Lächeln, nichts als Lächeln
Von dem Scheitel bis zum Fuss.
Und kein Schatten in der Miene,
Um den Mund verrät kein Zug,
Dass sie eben eines Menschen
Ganzes Glück zu Boden schlug.
H. CKIm.
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Frau Sehnsucht.
{{am Frau Sehnsucht still heran,
Sah mich an.
Sass an meines Bettes Ende,
Glühend wichen rings die Wände —
Und sie hob die bleichen Hände,
Hob sie durch die schwarze Nacht,
Sanft und sacht.
Und mich würgten tausend Schlangen,
Wühlten mir um Stirn und Wangen —
Und die Cello-Töne klangen,
Klangen zitternd, Stich um Stich,
Und sie strich:
»Horch, horch auf . . Die Palmen schauem!
»Wo die grauen Zelte trauern,
»Braune Leoparden lauern,
»Geht ein Flüstern . . . Dämmerfahl
»Bebt mein Thal.
»Wo sich bunte Mädchen wiegen,
»Wilde Sterne flackern, fliegen,
»Leuchtend in den Teichen liegen,
»Bebt mein Land und lockt mein Sang
»Nächtelang.
»Horch, horch auf . . die Stunden gleiten —
»Und du siehst in Dämmerweiten
»Venus, meine Fürstin, schreiten . .
»Und sie winkt mit bleichem Kranz,
»Winkt zum Tanz.
»Und du hörst die Quellen klingen,
»Leise knospen dir die Schwingen,
»Lass uns tanzen, tanzen, springen —
»Kling und Klang . . . den schönsten Lauf
«Spiel ich auf . .«
Also spielt sie Tage, Wochen,
Dass mir wild die Pulse pochen,
Spielt wohl, bis mein Herz gebrochen, —
Und Frau Venus, bleich und nackt,
Schlägt den Takt
Anton Liodner
43
Das braune Mädel.
^Jebers Heidland zog ich hin,
War mir wohligwohl zu Sinn,
Schritt vorbei am Heidehaus,
Guckt ein braunes Mädel raus,
Rasch hab' ich es abgeküsst —
Heijuheil — Wenn'g Vater wüsstM
Vater aber sah uns nit,
Und ich nahm sein Mädel mit
Bis zum grünen Waldessaum,
Wo da steht ein Lindenbaum,
Dorten lag sie mir im Arm —
Heijuheil — Wie ward uns warml
War's auch warm, bald wird es kalt,
Treu und Untreu sind schon alt;
Lebe wohl, du braunes Kind,
Bin wie's Wetter, wie der Wind;
Unsre Lieb' ist wieder aus —
Heijuheil — Mach' dir nichts draus l
Demetrius Schrutx.
Ehefreuden.
ie sassen sich gegenüber
Und assen Butterbröde;
Sie gähnten beide entsetzlich
Und fanden das Leben »so öde«.
Er dachte beim Kurszettel-Lesen,
Was der Winter noch kosten solle;
Sie blätterte im Romane
Und wickelte dabei Wolle.
Um neun Uhr wollt' er ins Cafe
Zu Freunden und Bier und Karten,
Sie solle nur ruhig schlafen
Und ja nicht auf ihn warten 1
Sie wollte zur kranken Freundin
Auf einen Sprung mal gehen!
Die war so lange schon leidend,
Man musste doch nach ihr sehen.
44
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Sie trennten sich an der Ecke
Mit Händedrücken, recht zart.
Das Cafe — wohnte vier Treppen,
Die Freundin — hiess Eduard!
Frida Spandow.
Madame ficfele.
^Je suis Adele, la reine blonde —
On me connait, messieurs, parbleul
Je suis la reine, la reine, la reine du Demimonc
Adele est lä — faites votre jeu!
Oh jeh, oh ji, hab* nur ka Angst —
Ich sing1 auch deutsch, wenn's d1 es verlangst,
Denn mein Franzö'sch gelangt nur — oh jehl
Zum Hausgebrauch fürs Variete I
Ein Franzos* ist nur mein Schneider —
Echt Paris sind diese Kleider.
Und drunter, das ist auch kein Quark:
Cest un jupon pour achtzig Mark,
Die seid'nen Strumpf kriegst schon für acht —
Trulala, Trulala —
Was glaub'n Sie, wie das glucklich macht!
Nicht immer wühlt* ich so in Spitzen,
Einst trug ich Barchent und Flanell —
Ich musste tipp-tipp-tipp an der Maschine sitzen,
Und auch die Feder führt' ich schnell,
Ole, Oli — 's war wenig da —
Und ein Korsett verbot Mama,
Doch unverfälscht und gesund dazu,
Wie warme Milch, frisch von der Kühl
Abends kriegt* ich Käs' und Rettich,
Und dann kroch fein satt ins Bett ich
Jetzt jede Nacht im Separe*
Mit feschen Herren ein Souper 1
Da schleck* ich, bis das Mieder kracht — —
Trulala, Trulala —
Was glaub'n Sie, wie das glücklich macht 1
Ich zählte eben siebzehn Jahre,
Da nahte schon sich mein Geschick:
Ein Herr vergaffte sich in meine blonden Haare
Und in den veilchenblauen Blick.
45
Hallil Hallo! Wie war ich froh!
Er fragt* nicht lang und nahm mich so . . •
Im vierten Stock haust' mein Poet . . .
Und da geschah's — wie das so gehtl —
Himmelhoch und himmelweit —
Heimlich süsse Seligkeit!
Achl Wenn ich an seinem Halse hing,
War ich ihm alles — ich dummes Ding
Da ward ich wissend über Nacht
Trulala, Trulala —
Was glaub'n Sie, wie das glücklich macht!
Goldkehlchen mein und Sonnenscheinchen,
Sein süsses Mädel, lieb und dumm —
So nannr1 er mich und lobte meine Elfenbeinchen
Und trug mich buckelkrax herum.
O Gitt, o Gott! 's ist jammervoll,
Dass solche Lieb' auch enden soll! —
Doch vom Talent wird man nicht satt,
Wenn man nicht eine Rente hat!
Der Zweite war ein Herr Assessor,
Der stand sich schon erheblich besser . . •
Ja, meine Herr'n — die Jugend flieht!
Ein kluges Kind wird früh solid!
Treu' hat noch nie was eingebracht
Trulala, Trulala —
Was glaub'n Sie, wie das glücklich macht 1
Der Erste nahm sich nicht das Leben,
Als ich zum Zweiten mich gewandt,
Er liess mich schleunigst nur die Trepp' hinunter-
schweben
Worauf er aus der Stadt verschwand.
Trali! Trala! 's ist lang schon her,
Bin längst kern dummes Mädel mehr! —
Ich fahr' zum Rennen viere lang
Und hab' mein Conto bei der Bank!
Flog ins licht als graue Motte —
Doch jetzt bin ich grande Cocottel
Je m'en fiche de tout ce que m'accuse!
Heini Messieurs, je vous amuse?
Vlan les volantsl Hehl Kreischt und lacht 1
Trulala, Trulala —
Was glaub'n Sie, wie das glücklich macht!
Ernst von Wolzogen.
r •
4«
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Ilse.
Jch war ein Kind von fünfzehn Jahren,
Ein reines, unschuldsvolles Kind,
Als ich zum erstenmal erfahren,
Wie süss der Liebe Freuden sind.
Er nahm mich um den Leib und lachte
Und flüsterte: O welch' ein Glück!
Und dabei bog er sachte, sachte
Mein Köpfchen auf das Pfühl zurück.
Seit jenem Tag lieb1 ich sie alle,
Des Lebens schönster Lenz ist mein;
Und wenn ich keinem mehr gefalle,
Dann will ich gern begraben sein.
Frank WedeLind.
IT
Zweifel.
Q^estern Mittag sagt mir wer
— Pfui, mich so zu packen l —
»Alter Sohn, dein Gang wird schwer
»Und gebückt dein Nacken;
»Und mir scheint, dich schmerzt dein Knie
»Allemal beim Bücken;
»Silbern schimmmerfs dir bereits
»Von den Schläfenbrücken.
»Nächstens kriegst du's Zipperlein
»Und den Wilhelmsorden,
»Und dann siehst du endlich ein,
»Dass du alt geworden« . . •
Und da hab* ich ohne Wort
Meinen Schirm ergriffen;
Tief entrüstet ging ich fort,
Hab' mir eins gepfiffen.
Aus der Stadt schritt ich hinaus,
Um ins Land zu sehen —
Rechts das rote Krankenhaus,
Links die Mausoleen. —
Bei der Höhe auf der Bank,
Tief die Stadt als Schemel,
Sass ein Mädchen sehnsuchtskrank,
Las im Richard Dehrn el.
47
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Und wir kamen ins Gespräch
So von dem zum andern —
Hatten just denselben Weg
Beim Nachliausewandern.
Vater tot und Mutter krank,
Und zu Haus kein Eden • , •
Na — wie Mädchen auf der Bank
Abends eben reden.
Sprachen dann beim Mondenschein
Von der Nächte Schöne,
Und wir fanden ungemein
'Viel verwandte Töne.
Seltsam — wie beim Abschied just,
In des Stadtthors Schatten,
Uns're Lippen unbewusst
Sich gefunden hatten.
Und mit heissem Jugendtrank
Meine Seele labend,
Sprach sie leise: »Bei der Bank,
Liebster, morgen abend!« . . .
Und ich trug mein Herz so heiss
Heim von all dem Glücke — —
Ach, was schert mich nun das Weiss
An der Schläfenbrücke I
Rudolf Prester.
Mein Pech.
}ch hab ein Mädchen lieb gehabt
Mit rosenroten Wangen; —
Die ist mit einem andern Mann
Zum Traualtar gegangen.
Ich habe eine Frau verehrt;
Die war mir zwar gewogen,
Doch hat mit ihrem Gatten sie
Mich unerhört betrogen.
Ich liebte eine Tänzerin
Mit beispiellosem Feuer;
Ich ward von ihr zu hochgeschätzt,
Und sie war mir zu teuer.
Arthur Pterhofer.
**
48
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Erotische Lyrik.
Es stünde auf der Erden,
Wenn Liebe sollte werden
Von Menschen abgetban,
Als wenn der Sonnenwagen
Dem Leuchten wollt* entsagen
Auf seiner Himmelsbahn.
Simon Dach (l«*-lttft).
Unter der Linden.
(Uebersetxt von Karl Sunrock.)
JJnter der Linden,
An der Heide,
Wo ich mit meinem Trauten sass,
Da mögt ihr finden,
Wie wir beide
Die Blumen brachen und das Gras.
Vor dem Wald mit süssem Schall,
Tandaradeil
Sang im Thal die Nachtigall.
Ich kam gegangen
Zu der Steile;
Mein Liebster war schon vor mir dort.
Mich hat empfangen
Mein Geselle,
Dass ich bin selig immerfort.
Ob er mir auch Küsse bot?
Tandaradeil
Seht, wie ist mein Mund so rotl
Da ging er machen
Uns ein Bette
Aus süssen Blümlein mancherlei;
Des wird man lachen
Noch, ich wette,
So jemand wandelt dort vorbei;
Bei den Rosen er wohl mag,
Tandaradeil
Merken, wo das Haupt mir lag.
4
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Wie ich da ruhte,
Wüsst es Einer,
Behüte Gott, ich schämte mich.
Wie mich der Gute
Herzte, keiner
Erfahre das als er und ich,
Und ein kleines Vögelein,
Tandaradeil
Das wird wohl verschwiegen sein!
Walther von der Vogelweide.
(Ca. 1170 - ca. im)
Unergründlich.
Jch küsste sie auf die Stirne kaum
Und war erschrocken fast,
Wie sie, ein Kind, so fiebernd heiss
Und zitternd mich umfasst.
Wie liebeschauernd mir am Hals
Ihr schluchzender Odem quoll,
Wie gleich einem Retter ihr Herz mir schlug,
Sprachloser Entzückung voll.
Da ahnt' ich an dir, du kleines Herz,
Das solche Flammen kennt,
Die ganze, ungelöschte Glut,
Die heimlich auf Erden brennt.
J. G. Fischer.
►
Einschlafen.
^^?ie silbern, als ich wachend lag,
Erschimmerte des Vollmonds Licht
Um mich herum und rückte nicht 1
Hell war mein Zimmer wie der Tag.
Doch müde sank das Auge zu,
Das noch zuletzt am Lichte hing;
Und über meine Seele ging
Ein schöner Traum: das Licht und dul
Karl Leopold Mayer.
7?
50
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Lied der Marketenderin,
(Aus dem dreissigjährigen Krieg.)
die Husaren lieb' ich sehr,
Ich liebe sehr dieselben;
Ich liebe sie ohne Unterschied,
Die blauen und die gelben.
Und die Musketiere lieb* ich sehr,
Ich liebe die Musketiere,
Sowohl Rekrut als Veteran,
Gemeine und Offiziere.
Die Kavallerie und die Infanterie,
Ich liebe sie alle, die Braven;
Auch hab' ich bei der Artillerie
Gar manche Nacht geschlafen.
Ich liebe den Deutschen, ich lieb1 den Franzos,
Die Welschen und Niederländ'schen,
Ich liebe den Schwed, den Böhm und Spanjol,
Ich lieb' in ihnen den Menschen.
Gleichviel, von welcher Heimat, gleichviel,
Von welchem Glaubensbund ist
Der Mensch, er ist mir lieb und wert,
Wenn nur der Mensch gesund ist.
Das Vaterland und die Religion,
Das sind nur Kleidungsstücke —
Fort mit der Hülle, dass ich ans Herz
Den nackten Menschen drückt.
Ich bin ein Mensch, und der Menschlichkeit
Geb' ich mich hin mit Freude!
Und wer nicht gleich bezahlen kann,
Für den hab' ich die Kreide.
Der grüne Kranz vor meinen Zelt,
Der lacht im Licht der Sonne;
Und heute schenk' ich Malvasier
Aus einer frischen Tonne.
Heinrich Heine.
61
Mein Lieb.
Sieh, du hast den bunten Strauss
Mir am Busen ganz zerknickt,
Spricht mein Lieb, wenn gar zu fest
An das Herz sie mich gedrückt.
Und du küsst mich viel zu oft,
Alle Leute sagen's dochl
Spricht mein süsses Lieb zu mir,
Spricht mein Lieb, und küsst mich noch.
Richard Leander.
Liebeslust.
Nach Christian ron Hamle. (13. Jahrb.)
y on schönen Leibes
Armen umfangen
Ans Herz gedrückt, wie wohl das thutl
Von lieben Weibes
Rosigen Wangen
Ein minnig Lachen, wie höht's den Mutl
Du magst nicht sprechen zur selben Stund',
Nur küssen, nur küssen den süssen Mund!
Vier Augensterne,
In Liebesflammen
Leuchtend, beschämen der Sonne Licht
Vier Arme, gerne
Geschlungen zusammen,
O Eisen und Stahl wohl eher zerbricht I
Zwei Herzen wonnig gerückt sich nah',
Kein Blatt mehr findet ein Plätzchen dat
Theodor Vulpinn«
Herz im Wege.
)*fS fragte dich die Tante,
Wie gehst du wunderlich?
Du tanzest wohl im Sande
Menuett und neigest dich?
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Doch du warst ausgewichen
Zahllosen Tierchen klein,
Die auf dem Wege schlichen —
Ihr Mörder nicht zu sein.
Gehst du noch jetzt die Stege,
Auf Milde so bedacht?
Mein Herz liegt dir im Wege —
O nimm mein Herz in acht
Otto Ludwig.
Der Qarten.
j[j[m den Garten ist ein Zaun,
Ueber'n Zaun zwei Aeuglein schaun;
Sie schaut her, und ich schau hin —
Ach, wie wird mir da zu Sinn!
Um den Garten ist ein Zaun,
Ueber'n Zaun zwei Aeuglein schaun;
Ich schau hin, und sie schaut her —
Wenn ich nur im Garten wärl
Um den Garten ist ein Zaun,
Ueber'n Zaun zwei Aeuglein schaun;
Sie schaut her, und ich schau hin —
Schwupps l — Heidi, nun bin ich drin!
Demetrius Schmu.
Stelldichein.
J-Jusch, husch I es kommt wer, lauf geschwind,
Dass sie uns ja nicht betreten;
Wenn Zwei im Lenze beisammen stehn,
Dann denkt man gewiss nicht, sie beten.
Man denkt, sie machen's den Blumen gleich.
Denn wenn sie auch sittig schweigen,
Man sieht recht gut, wie im Abend wind
Sie die Köpflein zusammenneigen.
Dann magst du wohl mit den Händen dir
Verdecken die roten Wangen;
Man zieht sie lachend dir vom Gesicht,
Und du — stehst schambefangen.
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Drum husch 1 es kommt wer, lauf geschwind,
Dass sie uns ja nicht betrete»;
Wenn Zwei im Lenze beisammen stehn,
Dann denkt man gewiss nicht, sie beten.
Die Lieder der Fleurette.
WiUst wissen, wer der Vater mein?
Befrag den Abendstern 1
Willst wissen, wer mein Mütterlein?
Ich wüsstf es selber gern!
Willst wissen, wer mir frech geraubt,
Was reiner Jungfraon Licht?
Eintrat er kühn, erhitzt, bestaubt,
Doch kenne ich ihn nichtl
2.
Der Erste sucht mich träumerisch
Durch Blumen zu gewinnen;
Der Zweite sorgt für meinen Tisch
Und schafft Krystall und Linnen:
•mmr mt m mm ^mr-»^ vw^bm mw mm mm-^ W mm mr^^m » m» mmm^^mt mmm — » y
Der Dritte mir Juwelen schenkt,
Die köstlich und voll Feuer;
Der Vierte, der nie mein gedenkt,
Bleibt mir vor allen teuer.
Wächst ein Krautlein, heisst Geduld,
Ringt sich langsam an das Licht;
Rosen bringt es mir voll Huld,
Aber Myrten bringt es nicht.
Was das Kräutlein von mir denkt,
Dass es mir nur Rosen schenkt?
Alfred Tarier».
Reh, wenn es nun die Mutter wusst'.
wenn es nun die Mutter wüsst\
Wie du so wild mich hast geküsst,
Sie würde beten ohne Ende,
Dass Gott der Herr da* Unglück wende.
Ludwig von HÖnnann.
1.
64
Di
Und wenn das mein Herr Bruder wüsstf,
Wie du so wild mich hast geküsst,
Er eilte wohl mit Windesschnelle
Und schlüge tot dich auf der Stelle.
Doch wenn es meine Schwester wüssr1,
Wie du so wild mich hast geküsst,
Auch ihr Herx wflrd1 in Sehnsucht schlagen
Und Glück und Sünde gern ertragen . . .
^ Paul Reiner.
Dithyrambe.
Tjass uns toll durch's Leben jagen 1
Nicht entbehren, nicht entsagen,
Nicht nur nippen
Mit den Lippen
Aus der Freude kargem Becher,
Nein, lass uns wie durst'ge Zecher
Schlürfen rasch in ganzen Zügen
Aus der Wonne vollen Krügen!
Nur dem Heute, nie dem Morgen
Gelte unser ganzes Sorgen 1
Und der Wonnen,
Die verronnen,
Hold Gedächtnis soll uns lehren,
Dass für unser Lustbegehren
Immer neue Blumen spriessen,
Immer neue Quellen fliessen!
Lass uns niemals bang erwägen,
Dass im Maass allein der Segen,
Nie durch denken
Uns beschränken,
Sondern in bacchant'schen Freuden
Uns're junge Kraft vergeuden,
Küssen, bis die Lippen bluten,
Untergehn in Liebesgluten !
So, in Meteorenweise,
Wollen uns're Flammengleise
Wir durch's Leben
Leuchtend weben,
Und der Tod mit seinen Schrecken
Soll uns keine Furcht erwecken:
Lustvereint im letzten Kusse
Winken wir ihm selbst zum Grusse!
Oskar Welten.
Digitized by Google;
Sommernacht
J^lutenschwüle Sommernacht —
Mäuschensacht
Schleich ich durch den dunklen Garten?
Wird Herzliebchen mein schon warten?
Dass die Mutter nur nicht wacht l
Mäusch ensacht
Schleich ich durch die Hecken weiter,
Ans Spalier setz ich die Leiter.
Wie der Mond am Himmel lacht!
Mäuschensacht
Steig ich auf die schwanken Sprossen,
Höher, höher, unverdrossen.
Oben flüstert's: Gieb nur Achtt
Mäuschensacht
Heb1 ich mich in Liebchens Kammer,
Hell im Flieder lockt die Ammer.
Warum?
arum, wenn mir's am Tag gelang,
Vertraut mit dir zu kosen,
Traum' ich oft ganze Nächte lang
Von nichts als wilden Rosen?
Und — schau1 ich wilde Rosen an,
Wo ich am Tage gehe,
Wie kommt es, Mädel, dass ich dann
Dich nachts im Traume sehe?
\l Eine gute Macht.
Qute Nacht!
Liebchen, sieh', mit goldner Pracht,
Rings umkränzt vom Heer der Sterne,
Blickt der Mond aus blauer Ferne
Traulich lächelnd auf uns zu:
Gute Nacht und süsse RuhM
5U
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■
Gute Nacht!
Liebchen, ach wie schön vollbracht,
Unter Scherz und Tanz und Singen,
Flog der Tag auf goldnen Schwingen
Den verschwundnen Tagen zul
Gute Nacht und süsse Ruh'!
Gute Nacht!
Wie mich das so fröhlich macht,
Dass ich weiss, du bist die Meine,
Dass ich weiss, ich bin der Deine,
Du und ich, und ich und dul
Gute Nacht und süsse RuhM
Gute Nacht!
Gute Nacht 1
Liebchen, ruft mich bald die Nacht,
Dir am Busen zu erwarmen?
Ach! wann schliesst in meinen Armen
Sich dein blaues Auge zu?
Gute Nacht und süsse RuhM
lY^Öcht1 wissen, was sie schlagen
So schön bei der Nacht,
's ist in der Welt ja doch Niemand,
Der mit ihnen wacht
Und die Wolken, sie reisen,
Und das Land ist so blass,
Und die Nacht wandert leise
Durch den Wald über's Gras.
Nacht, Wolken, wohin sie gehen,
Ich weiss es recht gut,
Liegt ein Grund hinter den Höhen,
Wo meine Liebste jetzt ruht
Zieht der Einsiedel sein Glöcklein,
Sie höret es nicht,
Es fallen ihr die Löcklein
Uebers ganze Gesicht.
S. Aug. Mahlmann.
(1771-1320.)
Die Nachtigallen.
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Und dass sie niemand erschrecket,
Oer liebe Gott hat sie hier
Ganz mit Mondschein bedecket,
Da träumt sie von mir.
Jos. t. Eichendorff.
Vergeblich!
Jch habe gewartet von Tag zu Tag,
Ob nicht ein Zeichen mir werden mag;
Ich habe gewartet, gläubig und fromm,
Und habe gebetet: O komm, o komm!
Doch ein Tag zog nach dem andern vorbei, —
Vergeblich erklang meiner Sehnsucht Schrei . . .
Das alte Leben von neuem beginnt,
Der Strom meiner Liebe — im Schmutze verrinnt.
Felix Dörmann.
Das macht die Liebe.
(Im Volkstone.)
J5m Vöglein fliegt von Ast zu Ast,
Es hat nicht Ruh' und hat nicht Rast,
Singt immerfort: »Tiu! Tiul
Wer macht mir denn mein Schnäblein zu —
Mich plagt die Liebe!«
Es rauscht der Wald, es rinnt der Fall,
Vom Berge kommt ein Wiederhall,
Und fernher tönt's: »Kiwiel Kiwiel
Ich suche lang schon eine Sie —
Bin auch in liebe!«
»Hu!« lockt Sie, »Kiwie!« ruft Er
Und fliegt im weiten Bogen her!
Sie — duckt sich still, Er — rückt hinzu,,
Nun ist im Wald wohl süsse Ruh' —
Das macht die Liebet
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Das Herz am Rheine.
£Jlt-Magdeburg, du feine,
Wie wärest da so nett,
Wenn ich nur nicht am Rheine
Mein Hera verloren hattM
Ein altersgraues Städtchen
Am grünen Strome liegt,
Dort wohnt ein schwarzbraun Mädchen,
Leichtfüssig und vergnügt
Ich sah im Leben früher
Solch holde Blume nie
Doch ein Gerichtsvollzieher
Ist nicht so schlimm wie sie!
Ais ich noch stand geblendet,
Im Innersten bewegt,
Hat sie mein Herz gepfändet
Und mit Arrest belegt.
Was half mein Reklamieren? —
Der Advokaten Kunst
Und alles Prozessieren
War leider ganz umsunst.
Hab Kopf und Arm und Berne
Und wäre fast komplett,
Wenn ich nur nicht am Rheine
Mein Herz verloren hättM
Heinrich Schaffer
(Jnbelehrt.
Jch hab' die Liebe durchstudiert
Vom Anfang bis zum Ende,
Mit Vorzugsklassen absolviert
Die schwersten Gegenstande.
Darüber sterb' ich unbelehrt,
Wann seliger die Stunden:
Ob, während Liebe man begehrt,
Ob, wenn man sie gefunden.
S. Fritx
Die schönsten Reime. \J
(N^och in keinem Liede fand ich
Reime je, so wunderbar
Und so rein wie deine Wängiein
Deiner Augen süsses Paarl
Schöngepaart die Lippen lächeln,
Doppelt blickst du himmelwärts.
Hast zwei Füsschen, hast zwei Händchen —
Aber nur ein einzig Herzl
Ungereimt, Kind, darf nicht
Grade nur das Herz allein;
Und der beste Reim auf deines —
Sollt* es nicht das meine sein?
Robert Hamerling.
Meine Liebe.
M
eine Liebe gleicht der Schwalbe,
Die zwar ihre Wohnung flieht,
Aber immer wiederkehret
Und von neuem ungestöret
Ihr gewohntes Nest bezieht*
Meine Liebe gleicht der Bäume
Unbeständig grünem Haupt;
Hat der Frost es gleich entblättert,
Wenn im Mai der Lenzsturm wettert,
Steht es wiederum belaubt.
Meine Liebe gleicht dem Schatten,
Der sich auf dem Boden malt,
M>t des Lichtes Scheine schwindet,
Mit dem Licht sich wiederfindet,
Wenn sein Glanz von neuem strahlt
Job. Elias Schlegel.
tf1
Verzaubert.
nun sind es schon zwei Tage,
Dass er mich zuerst gekQsst,
Und seit jener bösen Stunde
Alles wie verzaubert ist.
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Meine Stube, drin so traulich
Und so nett ich einst gehaust)
Steht im wirren Durcheinander,
Dass mir vor mir selber graust
Meine Rosen, meine Nelken
Schauen welk und traurig drein,
Ach, ich glaub, ich goss seit gestern
Statt mit Wasser sie mit Wein.
Meine gute weisse Taube
Hat kein Futter, hat kein Brot,
Und der brave Distelfinke
liegt im Käfig schon halb tot
Und mit blau und roter Wolle
Ist am weissen Netz gestrickt,
Und mit weissem Garn ist in die
Bunte Stickerei gestickt
Und wo sind die schönen Bücher
Parcival und Theuerdank?
Glaub* beinah, ich warf die guten
Sänger in den Küchenschrank.
Und die Küchenteller stehen
Auf dem schmucken Bücherpult,
Ach, an all dem grossen Unglück
Ist die Lieb', die Liebe schuld.
Victor SchclTcL
^ Hunger und Durst.
Tjiebe ist Hunger der Seele
Nach leiblich und geistigem Mahl,
O lasse mich nicht verhungern,
Du reizender Speisesaall
Sehnsucht ist Durst des Gemütes
Nach leiblich und geistigem Trank,
O lasse mich nicht verdursten,
Du lieblicher Herzensschrank!
Arthur Pterhofcr.
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Der Ungetreu*.
J^)u sprichst, ich sei dir ungetreu,
Mein Engel, glaub' es nicht,
Ich lieb' dich ohne Heuchelei,
Bis mir das Herze bricht;
Und wenn ich gleich zum Zeitvertreib
Bei einer andern stehen bleib',
So glaub', mein Engel, glaube mir:
Mich dünkt, ich steh' bei dir.
Sprichst du, das wäre leidlich noch,
Wenn's nur nicht weiter kam',
Allein, mein Kind, bedenke doch
Und dich nicht ferner gräm';
Und wenn ich gleich zum Possenspiel
Ein ander Mädchen küssen will,
So glaub', mein Engel, glaube mir:
Mich dünkt, ich tat* es dir.
Drum stelle nur dein Eifern ein,
Schlag' alles aus dem Sinn,
Es kann dir nicht nachteilig sein,
Dass ich nicht bei dir bin;
Und wenn es endlich so weit käm,
Dass sie mich mit zu Bette nähm',
So glaub', mein Engel' glaube mir:
Mich dünkt, ich schlief bei dir.
Mich dünkt, ich fühle deinen Schoss,
Wenn ich die Flamme kühl',
Es giebt sich unsere Liebe bloss,
Wenn ich mit andern spiel;
Und wenn ich auch nach Jahreszeit
Mit einem Kindchen werd' erfreut,
So glaub', mein Engel, glaube mir:
Mich dünkt, es war' von dirl
(Aus der Handschrift des Fräulein
von Crailsheim. 18. Jahrhunderl.)
Der Kuss.
^as war ein Kuss: es freuten sich die Tannen,
Dass ihnen Thränen aus den Augen rannen.
Bald wusste es der ganze tiefe Wald:
So kräftig hat noch keiner je geschallt,
Seitdem Verliebte in sein Reich gedrungen;
tu
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Öie Vogel, die ein altes Lied gesungen.
Die sangen von dem Kusse weit und breit,
Der Kuckuck schwieg nur und verging vor Neid.
Die Bäume drängten ihre Aeste vor
Und mahnten sie, das Pärchen zu belauschen
Und, heimlich horchend, nicht zu laut zu rauschen.
Die Käfer summten manches sich ins Ohr,
Von denen hörte es ein Schmetterling,
Den ich von ungefähr im Walde fing.
Ein Schwätzer das! ich liess1 ihn frei auf Ehre,
Wenn ich der Held der Waldgeschichte wäre.
Zusammenlauf;
Die Schönste bietet Rosen
Dort an zum Kauf.
Sprich Mädchen, sprich 1
Verkaufst du mit den Rosen
Auch selber dich?
Alfred Tcnicr».
Jfjab oft 'nen dumpfen dQstern Sinn,
Ein gar so schweres Blut!
Wenn ich bei meiner Christel bin,
Ist alles wieder gut
Ickten sie dort, ich seh sie hier,
Und weiss nicht auf der Welt,
Und wie und wo und wann sie mir,
Warum sie mir gefallt.
Das schwarze Schelmenaug1 dadrein,
Die schwarze Braue drauf,
Seh ich ein einzigmal hinein,
Die Seele geht mir auf.
Ist eine, die so lieben Mund,
Liebrunde Wänglein hat?
Ach, und es ist noch etwas rund,
Da sieht kein Aug" sich satt!
Emil Faktor.
Rosenverkauf.
or kleinem Haus ist grosser
Christel.
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Ünd wenn ich sie dann fassen darf
Im lusfgen deutschen Tanz,
Das geht herum, das geht so scharf,
Da fühl ich mich so ganzl
Und wenn's ihr taumlig wird und warm,
Da wieg ich sie sogleich
An meiner Brust, in meinem Arm;
's ist mir ein Königreich!
Und wenn sie liebend nach mir blickt
Und alles rund vergisst,
Und dann an meine Brust gedruckt
Und weidlich eins geküsst,
Das läuft mir durch das Rückenmark
Bis in die grosse ZehM
Ich bin so schwach, ich bin so stark,
Mir ist so wohl, so weh]
Da möcht ich mehr und immer mehr,
Der Tag wird mir nicht lang;
Wenn ich die Nacht auch bei ihr wär\
Davor wäV mir nicht bang.
Ich denk, ich halte sie einmal
Und busse meine Lust*
Und endigt sich nicht meine Qual,
Sterb ich an ihrer Brust!
Joh. Wolfg. t. Goethe.
\j Jungfräulich.
J^ass andre dich vor mir besessen,
Hab1 ich an deiner Brust vergessen,
Du sahst mich an so kindlich rein —
Der erste glaubt* ich stets zu sein.
Und immer, wenn ich wieder kam,
Umhüllte dich so süsse Scham,
Dass ich nicht wusste, keusches Weib,
War wirklich mein schon dieser Leib?
So wie der Mai stets wieder mailich,
Warst du von neuem stets jungfräulich,
Und eine bange Braumachtfreude
Entzückte tätlich so uns beide.
Eduard Grisebach.
CA
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Der verliebte Kutscher.
(\^ein Kopf ist wie ein Taubenschlag,
Das macht mir grosse Pein:
Da fliegt es all den lieben Tag
Mit Madchen aus und ein.
Des Menschen Aug* ist leicht verfuhrt,
Und nicht zu sehn ist schwer:
Kaum hat die Schöne mich gerührt,
Kommt schon die Schönre her.
Die Mädchen sind auch gar zu nett,
Und sind auch ohne Zahl:
Ich nahm1, wenn ich die Auswahl hätr1,
Sie lieber allzumal.
Was thun? Es ist ein harter Schluss,
Ein Kutscher find't sich drein:
Mein Herz, das ist ein Omnibus —
Ihr Mädchen, steiget ein!
Ludw. Pfaa
Frühlingslied.
Q komml der Lenz ist wieder da,
Es singen ihre Lieder ja
Die Vöglein im Geäst.
Vor allen die Frau Nachtigall,
Die lockt die ganze Nacht mit Schall
Ihr Herzgemahl zu Nest.
Wer springen noch und hüpfen kann,
Und wer den Hut noch lüpfen kann,
Der jubiliert und lacht,
Singt: heissa, heissa trallala,
Nun sind die Blumen alle da
Und stehn in heller Pracht!
Mein Herz ist wie die ganze Welt
Von Duft erfüllt und glanzgehellt
Und voller Liederschalls!
Herzlieb, es lässt mir keine Ruh,
Mir ist, ich müsst* in einem zu
Dir fallen um den Hals!
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Die Wurzel des üebels.
£Vlein Kind, das ist der Grund des Uebels,
Ich kann bei dir nicht stündlich sein;
Sonst kamst du nicht auf den Gedanken,
Das Küssen könnte sündlich sein.
Das Gegenteil will ich beweisen;
Doch, soll die Wirkung gründlich sein,
So muss vor allem das Verfahren
Sowohl geheim als mündlich sein.
Heinrieh Leuthold.
Minnesold.
(Frühling 1773.)
em der Minne Dienst gelinget,
O wie hoch wird der belohnt t
Keinen bessern Lohn erringet,
Wer dem grössten Kaiser frohnt.
Denn mit Zepter, Krön' und Gold
Frohnt er selbst um Minnesold.
Was sind Gold und Edelsteine?
Was des Moguls Perlenpracht?
Minnesold ist doch alleine,
Was auch reich die Herzen macht
Perlen, Edelstein und Gold
Nahm' ich nicht für Minnesold.
Minnesold lässt Amt und Ehren,
Goldnen Sporn und Ritterschlag,
Lässt uns ohne Neid entbehren,
Was der Kaiser geben mag.
Ehre lacht nicht halb so hold,
Als der Minne Freudensold.
Nirgends labet wohl hienieden
Noch ein Wohlgenuss so süss.
Süsseres ist nur beschieden
Seligen im Paradies.
Süss ist, was die Biene zollt,
Süsser dennoch Minnesold.
Minnesoid ist aller Freuden,
Aller Freuden Mark und Saft;
Minnesold hat aller Leiden,
es
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Aller Leiden Heilungskraft.
Was der Balsamstaud' entrollt
Heilet nicht wie Minnesold.
Minnesold lehrt frei verachten
Aller Fährlichkeiten Not,
Flammen, Wasserfluten, Schlachten,
Lehrt verschmähen jeden Tod.
Stürb* ich nicht für Ruhm und Gold,
Stürb1 ich doch für Minnesold 1
Schwüle,
eine schwarzen Blicke hangen
Zehrend heiss an meinem Munde,
Deine schwarzen Blicke bringen
Bebenden Verlangens Kunde.
Deine Blicke schlagen Wunden
Wie des wilden Tigers Pranken,
Lüstern wühlen mir im Blute
Deine sündigen Gedanken.
Frida Spandow.
Liebst du mich?
{Jnd liebst du mich?
Du kannst mir Liebe schwören,
Kein Lauscher kann uns hören,
Mein Fragen nur erweckte dich,
Mein Fragen nur erschreckte dich:
Wie des Schlängleins Rascheln im Paradies,
Das die verbotenen Aepfel pries —
U ss rascheln, lass kommen, was kümmert's dich?
Nur liebe mich! ....
Und liebst du mich?
Wir können Küsse tauschen,
Wer soll uni denn belauschen?
4
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Mein Fragen nur erweckte dich,
Mein Fragen nur erschreckte dich:
Wie das Plätschern, das Rauschen im stillen Quell,
Wirfst du hinunter ein Steinchen schnell —
Lass plätschern, lass rauschen, was kümmert's dich?
Nur liebe mich!
Wanderleben. 1/
7f\i Liebchens nächtlichdunkelm Haus
Schick1 ich die letzten Grösse;
Ich zieh* auf frühe Wanderung aus,
Sie schläft noch fest und süsse.
Und wenn sie morgens spät erwacht,
Dann fragt sie wohl beklommen:
Einer verliess mich gestern Nacht,
Wird heut ein Andrer kommen?
(Aus
Oft.
)
ft am Rande stiller Fluten
Sitz1 ich einsam da und zähle,
Zähl' an ihrem trägen Lauf,
Ach, die schleichenden Minuten
Unsrer langen Trennung auf.
Dann geh ich hin und wanke
Durch Hain und Thal und Flur!
Mein einziger Gedanke
Bist du, Geliebter, nur.
Bei jedem Lispeln
Aus dunklem Laube,
Bei jedem Flügelschlag
Der Turteltaube,
Wie lauscht mein Ohr,
Wie klopft mein Herz!
Und wenn ich Tage lang
Gelauscht, gesucht — wie bang
Ist dann mein Schmerz!
Chr. Martin WieUncL
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I
Dereinst.
Yyie werden wir wohl einstens träumen
Von unsrer Jugend 1 — schmerzdurchglüht,
Wenn jener Lenz, den wir versäumen.
Nur mehr in fernen Enkeln blüht 1
Wie wird uns jede stille Stunde
Gereuen, die wir nicht getauscht
In süsser Minne, Mund an Mündel
Noch ist es Lenz — der Lenz verrauscht
O komm! O weck dein Herz, das heisse!
Die Jugend ist ein kurzes Gut —
Gieb mir die Hand, die schwanenweisse,
Und folge deinem heissen Blut!
ir geb* ich mich und will es nie bereuen,
Was auch die Welt, die liebeleere, spricht;
Und keines Wortes Stachel will ich scheuen,
Mag mich die Menge schmäh'n — mich schreckt es nicht !
Dir hab' mein ganzes Fühlen ich gegeben,
Mein ganzes unschuldsvolles junges Sein;
Und hätte ich dereinst noch hundert Leben,
Sie alle wollt' ich reuelos dir weihn!
Still ist der Abend,
Linde und labend
Sinkt sie zur Erde, die träumende Nacht.
Scheu und voll Sehnen,
Zage, in Thränen
Stehst du vor mir in entschleierter Pracht.
Karl Stielen
Hingebung.
Gisa Tacchi.
Liebesnacht.
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Fort mit dem Zagen,
Kecker dein Wagen,
Löse den Gürtel der Scham geschwind 1
Liebestrunken,
Wonneversunken
Las* die Nacht uns verträumen, mein Kind! —
Matt in der Ferne
Schwinden die Sterne,
Matt wird der Lampe verglimmender Schein.
Nahe der Morgen,
Nahe die Sorgen,
Nahe des Tages nichtiges Sein!
Friedr. Hfodersin.
Der Sommertag.
"V^ie Feld and Au
So blinkend im Taul
Wie perlenschwer
Die Pflanzen umher!
Wie durch den Hain
Die Lüfte so rein!
Wie laut im hellen Sonnenstrahl
Die süssen Vöglein allzumall
Ach! aber da,
Wo Liebchen ich sah,
Im Kämmerlein,
So nieder und klein,
So rings bedeckt,
Der Sonne versteckt —
Wo blieb die Erde weit und breit
Mit aller ihrer Herrlichkeit?
Joh. Georg JacobL
0740-1813.)
Mein Herz ist tot.
enn meiner Lieder düsterrote Feuer
In wilden Flackertänzen dich umsprühn,
O glaube nicht, dass du mir lieb und teuer,
Daas diese Flammen aus dem Herzen jplöhn.
70
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-
Mein Herz ist tot, wenn jemals ich besessen
Ein solches Ding in meiner kalten Brust,
Vielleicht auch, dass ich's irgendwo vergessen
Bei blassen Frauen nach verschwiegener Lust.
Felix Dörmann.
Wie lange noch — ?
yyie mich die tolle Kleine neckt I
Sie wirft mir mit der Linken
Vom Usch die Veilchen in den Sekt
Und sagt: so müsst* ich trinken.
Und mit der Rechten schmeichelt sie
UnVs Kinn mir und die Wange
Und sitzt dabei auf meinem Knie
Wie lange noch — — wie lange?
Ein jeder hat vom Glücke halt
Sein knapp bemessen Teilchen —
Der Sekt wird warm, die Kleine kalt,
Und welk sind schon die Veilchen.
Der Kellner schnarcht nach altem Brauch
Auf seinem Stuhl im Gange —
Die Kleine nickt, — bald schlaf ich auch.
Wie lange wohl — — wie lange?
Rud. Pre«ber.
Die Kokette.
as will dort abseits jener Mann?
Als Sonderling sich zeigen?
Er schaut mit keinem Blick mich an,
Verletzt mich durch sein Schweigen.
Wo Alles meine Farben trägt,
Wie darf er sich erkühnen
Zu solchem Gleichmut unentwegt?
Fürwahr, er soll es sühnen!
Ihr Mätzchen alle, ins Gewehr,
Gebt Feuer, Glutenaugen,
Ihr müsst mir, ein geschultes Heer,
Als Häscher heute taugen.
n
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Im Kampfe sich der Meister zeigt;
Auf, auf zu raschem Siege,
Dass, eh1 der Abend niedersteigt,
Er mir zu Füssen liege!
s. Itits.
Mona.
j^ag* an, mein braunes Mägdelein,
Wie komm1 ich nachts zu dir herein?
Der Hund bellt auf den Gassen,
Da werden sie mich fassen!
»Dem Hunde geb' ich Fleisch und Bein,
»Da lässt er gleich das Bellen sein,
»Und du, du kannst herein !«
Sag1 an, mein braunes Mägdelein,
Wie komm1 ich nachts zu dir herein?
Im Stall die Gänslein schnattern,
Da wird man mich ergattern 1
»Ich gebe Hafer den Gänselein,
»Da lassen sie das Schnattern sein,
»Und du, du kannst herein!«
Sag' an, mein braunes Mägdelein,
Wie komm1 ich nachts zu dir herein?
Im Hofe miau'n die Kätzchen,
Da fängt man mich, mein Schätzchen!
»Ich gebe Milch den Kätzelein,
»Da lassen sie das Miauen sein,
»Und du, du kannst herein!«
Sag* an, mein braunes Mägdelein,
Wie komm1 ich nachts zu dir herein?
Die Mäuslein werden pfeifen,
Da wird man mich ergreifen!
»Und schreckst du dich vor einer Maus,
»Da schier dich lieber gleich hinaus
»Und bleib* mir aus dem Haus!«
Wilhelmine Gräfin Wickcnburg-Almasy.
Siesta.
Jjieb, o lieb war die Nacht
Mitten am hellen Tag,
Als wir die Läden geschlossen,
Als durch die schatzenden Sprossen
Goldige Dämmerung brach.
72
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Kühl, o kühl war der Saal,
Drinnen die Welt uns verging,
Da wir in seligem Schmachten
Wandelten, flüsterten, lachten,
Bis uns der Schlummer umfing.
Süss, o süss war der Traum,
Herz am Herzen geträumt I
Ueber uns schwebend im Kreise,
Flattert ein Schmetterling leise,
Dunkel die Schwingen umsäumt
Rus der Halbwelt
£Juf dem Lager der Sünde
Küssen mich viele wild,
Ueber dem Lager der Sünde
Hängt des Erlösers Bild.
Traurig sind mir die Mienen
Des Heilands zugekehrt,
Und ich schaud're vor ihnen
Wie vor des Henkers Schwert.
2.
Im Traume, nur im Traume
Der Schönste mir erschien.
Im Traume, nur im Traume
Umarmt' ich liebend ihn.
Im Traume, nur im Traumet —
Ich bin daran erwacht;
Da haben fremde Augen
Mich spöttisch angelacht.
3.
Manchmal kommt die alte Jüdin,
Die sich gern an uns versorgt
Und uns falschen Schmuck und Kleider,
Aber Geld uns niemals borgt;
Und sie prahlt, dass sie gewesen
Lieblich wie die Ros* am Strauch,
Und sie liefert alte Lügen
Mit den alten Kleidern auch.
»
Alfred Tenicr..
r
73
Geheimnis.
>^eisst du, was der Buchfink sang
Neulich mir im Walde?
Wie es aus der Rose klang
An der grünen Halde? —
Komme, liebste Maid, zu mir,
Komme schnell zum Zaune,
Dass ich's in die Ohren dir
Leise, leise raune 1
J. Leutser.
Eine Rose.
JJine bleiche volle Rose
Ruhte auf dem schwarzen Haar,
Durch das Nachtgewand, das lose,
Quoll dein junges Brüstepaar.
Deiner Augen dunkle Schatten
Tauchten in die meinen tief,
Und du küsstest, bis ich matten
Leibs an deiner Seite schlief ....
In der Sonne Lichtgekose
Strahlt des Morgens Glanzpanier.
Eine bleiche volle Rose,
Ruhst du träumend neben mir.
Franz Evcrs.
Unendlich.
^^enn auch ein Stern vom Himmel fällt,
Was hat's viel zu bedeuten l
Sind ihrer doch am Himmelszelt,
Sind ihrer doch so viel, so viel
In unermessnen Weiten 1
Und wenn du* mir ein Küsschen schenkst,
Wirst ärmer du zur Stunde?
Viel mehr, viel mehr wohl als du denkst,
Ich mein', es blühn unendlich viel
Auf deinem süssen Munde!
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Ich liebe meine Schäferin.
dem, der weit von hohen Dingen
Den Fuss stellt auf der Einfalt Bahn;
Wer seinen Mut zu hoch will schwingen,
Der stösst gar leichtlich oben an.
Ein jeder tobe seinen Sinn,
Ich Hebe meine Schäferin.
Ein hohes Schloss wird von den Schlägen
Des starken Donners mehr berührt;
Wer weit will, fallt oft ans den Wegen
Una wira aurcn seinen otoiz verlunrt.
Ein jeder lobe seinen Sinn,
Ich liebe meine Schäferin.
Auf grosser See sind grosse Wellen,
Viel Klippen, Sturm und harter Wind;
Wer klug ist, bleibet bei den Quellen,
Die in den grünen Wäldern sind.
Ein jeder lobet seinen Sinn,
Ich liebe meine Schäferin.
Hat Phyllis gleich nicht Gold und Schätze,
So hat sie doch, was mir gefällt;
Womit ich mein Gemüt ergetze,
Wird nicht gekauft um Gut und Geld.
Ein jeder lobe seinen Sinn,
Ich hebe meine Schäferin.
»•
Man steht bei reicher Leute Pforte
Sehr oft, und kömmt doch selten ein;
Bei ihr bedarf es nicht der Worte:
Was ihr ist, ist nicht minder mein.
Ein jeder lobe seinen Sinn,
Ich liebe meine Schäferin.
Ist sie gleich nicht von hohem Stande,
So ist sie dennoch aus der Welt:
Hat sie gleich keinen Sitz im Lande,
Sie selbst ist mir ein weites Feld.
Ein jeder lobe seinen Sinn,
Ich Üebe meine Schäferin.
Martin Opiu ron Beberfeld.
(1607-1«*.)
75
Wir hatten uns freilich nicht bestellt.
"y^?ir hatten uns freilich nicht bestellt,
Doch hättest du kommen können,
Ich konnte dir doch in aller Welt
Nicht Ort und Stunde nennen.
Auch ist es so traulich, ohne Wort
Und Zeichen sich verstehen,
Du weisst ja die Zeit und kennet den Ort,
Wo wir uns sonst gesehen.
Es war ja so hold und lieblich auch,
Zu plaudern mit Worten und Blicken,
Du fragst doch nicht etwa nach Sitt* und Brauch,
Und ob sich's werde schicken?
Ei, sollen ein gutes Paar wir sein,
So müssen wir gut uns verstehen,
So stelle dich immer freundlich ein,
Geh9 ich, um dich zu sehen!
August Wolf.
Rothaarig ist mein Schätzelein.
J^othaarig ist mein Schätzelein,
Rothaarig wie ein Fuchs,
Und Zähne hat's wie Elfenbein
Und Augen wie ein Luchs.
Und Wangen wie ein Rosenblatt
Und Lippen wie 'ne Kirsch',
Und wenn es ausgeschlafen hat,
So schreitet's wie ein Hirsch.
Im Köpfchen sitzt ihm ein Kobold,
Ein Grübchen in dem Kinn,
Ein Herzchen hat es klar wie Gold
Und kreuzfidelen Sinn.
Wie Silberglöcklein spricht*« und lachr/s,
Wie eine Lerche singt's,
Und Tanzen kann's und Knickse macht's,
Und wie ein' Heuschreck' springt's.
76
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Und lieben thut's mich, Zapperlot I
Das weiss, was lieben heisst,
Und küsst es mich, — Schockschwerenot!
Ich denk1 manchmal, es beisst.
Doch weiter kriegt ihr nichts heraus,
Und fragt ihr früh und spat,
Es kratzt mir sonst die Augen aus,
Wenn ich noch mehr verra?.
Juliu» Wolff.
Das Nest.
2m Weissdorn steht am Bachesrand
Mit vielen tausend Blüten,
In seinen Zweigen tief versteckt
Rotkehlchen friedlich braten.
Wenn abends auf dem Weg zur Stadt
Ich dort vorüber gehe,
Neid' ich sie um ihr trautes Nest
Und ihre junge Ehe.
Und deiner denk* ich, treues Lieb,
Mit thränenschwerem Leide,
Weil ich zu arm bin, um zu bau'n
Ein Nest auch für uns beide.
Heriberts Ton Poschinger.
Mir ist es gleich I
Jen weiss, dass deine Liebe
Verkäuflich ist;
Ich weiss, dass dir der Reichste
Der Liebste ist;
Ich weiss, dass diese schaumenden Extasen
Erheuchelt sind,
Dass sie nur künstlich deinen Leib durchrasen,
Mein bleiches Kind;
Ich weiss, dass dieses trauraverlor'ne Flüstern,
Dass dieser liebesirre, heisse Blick
Ein wohlgeübtes und ein oft erprobtes
Komödienstück;
Und dennoch fühl' ich mich an deinem Busen
Beglückt und reich;
Ob Wahrheit oder Lüge diese Liebe,
Mir ist es gleich 1
Felix
1**
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Ein getreues Herze.
JJifl getreues Herze wissen
Hat des höchsten Schatzes Preis;
Der ist selig zu begrüssen,
Der ein treues Herze weiss.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze,
Denn ich weiss ein treues Herze.
Läuft das Glück wohl auch zu Zeiten
Anders als man will und meint,
Ein getreues Herz hilft streiten
Wider alles was ist feind.
Mir ist wohl u. s. w.
Gunst die kehrt sich nach dem Glücke,
Gold und Reichtum, das zerstäubt,
Schönheit lässt uns bald zurücke,
Ein getreues Herze bleibt.
Mir ist wohl u. s. w.
Paul Flemming.
Das Lied von den lieben, süssen Mädeln.
j^un höret, was der Weise spricht
Zu euren dicken Schädeln:
Verachtet mir die Mädeln nicht,
Die lieben, süssen Mädeln!
Ein bisschen Liebe braucht der Mensch
In seiner schwierigen Lage,
Ob sie nun treu, ob wetterwendisch,
Kommt dabei nicht in Frage.
Der Herrgott ist kein Staatsanwalt,
Noch weniger «in Philister.
Wenn einer Durst hat, trinkt er halt,
Und wenn ihn hungert, isst er.
Die Wirtschaft waV doch auch zu toll,
Wenn's etwa so sein müsste:
Die Welt von süssen Mädeln voll,
Und keiner, der sie küsste!
Die Nacht, die hält den Atem an,
Löscht leis all ihre Kerzen,
Nimmt irgendwo ein seliger Mann
Sein Mädel sich zu Herzen.
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Und wenn die süsse reine Maid
Dem stürmischen Verlangen
Die ganze junge Herrlichkeit
Hingiebt in wehem Bangen,
Dann tropft von Gottes Auge sacht
Ein goldnes Sternschnuppflämmchen,
Indes in seinen Bart er lacht:
»Gesegne's dir, mein Lammchen lt
Der Herrgott findet seine Freud1
Am Kosen und am Küssen«
Der Herrgott und die Dichtersleut*,
Die doch auch leben müssen 1
Ein Dichter, der nicht küssen kann,
Weil ihm die Mädeln fehlen,
Was muss solch arm bresthafter Mann
Sich mit dem Dichten quälen M
Die Liebe leiht der Leier Schwung.
Beschwinge dich, Gelichter!
So lang das Herz noch jung, jung, jung,
So lange bleibt ihr Dichterl
Und ob die Liebe sieben Tag',
Ob sieben Jahr* sie währe,
Heisst de, so oft sie kommen mag,
Willkommen, froh der Ehre.
Ergreift das Glück, wo es sich schenkt
In lieblichem Umdrängen,
Und wer ein liebes Mädel kränkt,
Den sollte man gleich hängen!
Drum höret, was der Weise spricht
Zu euren dicken Schädeln:
Verachtet nur die Mädeln nicht,
Die lieben, süssen Mädeln.
♦
Verhalten.
(JVl ein Vogel schreit im Käfig heut wie toll,
Ich weiss nicht, was sein Schrei bedeuten soll.
Er schreit so gell, als fordre er mit Macht,
Was sonst der Frühling immer ihm gebracht.
Er lockt ein Weibchen, ruft so voller Gier:
0 komm — o komm — o komm — o komm zu mir!
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Und sitzt er hinter Stäben hier auch fest —
Er träumt doch stets von seinem warmen Nest.
Kali
»IM
Und Öffne ich ein wenig nur das Thor,
So drängt sein schlanker Leib sich schon hervor.
Er schreit nach Liebe — es ist Frühlingszeit,
Es peinigt mich, wie er so hilflos schreit.
Ich weiss es wohl, wie bitter weh es thut,
Wenn man ersticken muss verhaltne Gluti
Du sollst es nicht, schon ist das Fenster auf,
Nein, lass nur deinem Triebe freien Lauf!
Voll Hast entriegle ich sein kleines Haus:
Grüss mir die Liebe! — Husch — ist er hinaus!
Kart Holm.
ic-
Eile der Liebe.
£Jch, Liebste, lass uns eilen,
So lang* es Zeit;
Es schadet das Verweilen
Uns beiderseit.
Der edlen Schönheit Gaben
Fliehn Fuss für Fuss,
Dass alles, was wir haben,
Verschwinden muss.
Der Wangen Zier verbleichet,
Das Haar wird greis,
Der Augen Feuer weichet,
Die Brunst wird Eis.
Das Mündlein von Korallen
Wird ungestalt,
Die Hände auch verfallen,
Und du wirst alt.
Drum lass uns jetzt gemessen
Der Jugend Frucht,
Bevor wir folgen müssen
Der Jahre Flucht!
Nach Martin Opitz von Boberfcld.
(1597-1639.)
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Die Pilger.
^^ir sind die Pilger treuer Liebe,
Wir gehn zu ihrem Tempel, still
Zu flehn um Dauer unsrer Triebe:
Wer ist, der mit uns gehen will?
Der Weg ist weit, und viel zu streiten
Mit vielen Feinden haben wir;
O möchten Ritter uns begleiten
Der treuen liebe bis zur Thürl
O stände sie den Pilgern offen,
O kämen wir gesund hinein 1
Erhörung haben wir zu hoffen,
Die Göttin soll erbittlich sein!
Joh. Ludw. Wilh. Gleim.
Sehnsucht.
"^?as hab* ich, gutes Mädchen l
Als jenes kleine Feld
Um dein geliebtes Stadtchen,
Mir eine ganze Welt?
Der andern acht1 ich wenig,
Da traur* ich wie verbannt I
Dein König ist mein König,
Dein Land mein Vaterland.
■
Die ersten grünen Haine
Sind dort, wo Liebchen geht;
Die Luft ist hier erst reine,
Die sich um sie gedreht.
O wann begrQss1 ich wieder
Dein Stadtchen, meine Welt,
Und höre Lerchenlieder
Auf deinem kleinen Feld?
Und sehe Morgenschimmer
Bei dir und hellen Tag?
O denke nur, dass immer,
In jedem Glockenschlag
Des Wiedersehns Minute
Durch meine Seele schallt,
Weil ach, in deinem Blute
Mein eignes Leben wallt l
Jolu Georg Jacob i.
(1740-&U.)
ei
Mein frommes Mädchen
(^y^ein frommes Mädchen ängstigt sich,
Wenn ich zu viel verlange.
Die Angst der Armen macht, dass ich
Von Herzen mit erbange.
Schwebt unversucht alsdann vor mir
Der Wollust süsse Angel,
So härmt sie sich noch ärger schier
Und wähnet Liebesmangel.
So, hier und dort gebracht in Drang,
Ersticken unsre Freuden.
O Liebe, löse diesen Zwang
An einem von uns beiden!
Gieb, dass sie mich an Herz und Sinn
Zum Heiligen bekehre,
Wo nicht, dass sie als Sünderin
Des Sünders Wunsch erhöre 1
G. A. Bürger.
Ein Steckbrief.
Jch sende einen Steckbrief aus
Nach Jungfer Rosamunde.
Zehn Taler kriegt, wer mir von ihr
Gebracht die erste Kunde.
Sie hat zwei braune Aeugelein,
Ein stumpfes, keckes Naschen;
Als ich zum letzten mal sie sah,
Da trug sie rosa Höschen;
Da trug sie einen Unterrock
Aus chinagelber Seide,
Und vorn war ein Champagnerfleck
Auf ihrem Morgenkleide.
Und trefft ihr wo ein Mädel an,
Das küssen kann wie keine,
So greift rasch zu und bringt sie mir,
Denn das, das ist die Meine.
83
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So send1 ich diesen Steckbrief au*
Nach Jungfer Rosamunde ;
Zehn Taler kriegt, wer mir von ihr
Gebracht die erste Kunde!
Leo Heller.
Paraphrase.
y^är* ich der Fürst von Samarkand,
Ich schenkt1 dir alle meine Kroneo,
Viel Edelstein und goldnen Tand,
Um deine Liebe dir zu lohnen U
Und dunkelbrauner Sklaven Schar
Sollt* dich in goldner Sänfte tragen
Und ihren Dienst dir bringen dar
Nach deinem Wunsche und Behagen.
Doch ferne liegt uns Samarkand
In jener Glut erfüllten Zone, —
Auch leer von Gold ist meine Hand,
Und niemals trug ich eine Krone 1
Rosette.
£Jn Rosettens Blicken hangend,
Schmachtend, seufzend und verlangend,
Fleh* ich mit vergebner Müh:
Kannst du ewig meinen Klagen,
Meinen Thränen dich versagen?
Lohnst du meine Treue nie?
Aber immer unbeweglich
Hört das kalte Mädchen taglich
Meine Seufzer an und spricht:
Hoffnung nährt allein die Liebe!
Glaub1, ich teilte deine Triebe,
Wünscht' ich ihre Dauer nicht!
Heinr. Christian Boie.
(1744-1801.)
K3
Silvia ist ein Dieb.
£)o bist du nun, mein Lieb,
Ein offenbarer Dieb:
Ich finde hier mein Herz in deinen Händen.
Wohin damit? Wohin?
Ach, dass ich mir nun selbst gestohlen binl
Wohlan, du musst mich vierfach wieder geben,
Ich klag* auf Leib und Leben.
Ich ruf und schrei: »Ein Dieb, ein Dieb ist dal
Halt auf, halt auf! Es ist die Silvia!«
Kaspar Ziegler.
(1821-1600.)
Dirnenlied.
£)er erste, der küsste mein wildes Haar,
Das war wie schwarze Schlangen,
Er wand sich's jubelnd um den Hais:
»Du Hexe, du hast mich gefangen 1«
Doch als ich die zitternde Seele enthüllt,
Da lacht* er: »Dein Haar ist so reich, so wild,
Was soll mir die arme Seele?«
Der zweite küsste den roten Mund,
Das war wie weisse Flammen;
Der Abend sank, — der Morgen kam,
Wir blieben küssend beisammen,
Doch als ich die blasse Seele ihm bot,
Da rief er: »Dein Mund ist so rot, so rotl
Was soll mir die blasse Seele?!«
•
•»I
1
rr.
küsste den Busen mir heiss,
Der war wie Maienblüten so weiss;
Er küsste mich, dass es schmerzte,
Ach, wie er mich drückte und herzte 1
Doch als ich die zuckende Seele ihm wies —
Da stöhnt1 er: »Dein Leib ist so süss, so süss,
Lass', lass' mich weiter küssen 11«
Da hab ich geweint und dann — gelacht,
Dann hab1 ich den vierten toll gemacht;
Nun küss1 ich jeden auf sein Geheiss,
Mein Haar ist schwarz — mein Leib ist weiss,
Mein Mund ist jung, so rot, so rotl —
Und meine arme Seele tot 11 —
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Ich weiss, —
Jch weiss, du bist entstiegen
Des Mondes eisigem Pfühl;
Durch deine Adern fliegen
Und wiegen
Lichtwellen bleich und kühl.
Ich habe mit dir Erbarmen,
Erbarmen auch mit mir.
Du wirst in meinen Armen
Erwarmen, —
Ich werde kalt bei dir.
Felix Dörmian.
Kusslied.
(Erneuert.)
j^Jirgends hin als auf den Mund:
Da sinkt's in des Herzens Grund;
Nicht zu frei, nicht zu gezwungen,
Nicht mit allzu trägen Zungen.
Nicht zu wenig, nicht zu viel:
Beides wird sonst Kinderspiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise:
Nur im Mass ist rechte Weise.
Nicht zu hart und nicht zu weich,
Bald zugleich, bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle,
Nicht stets auf die gleiche Stelle.
Halb gebissen, halb gehaucht,
Halb die Lippen eingetaucht,
Nicht ohn' Unterschied der Zeiten,
Mehr allein denn vor den Leuten.
Küsse nun ein Jedermann,
Wie er weiss, will, soll und kann!
Ich nur und die Liebste wissen,
Wie wir uns recht sollen küssen.
Paul Fleming.
(1Ö0Ö-1W0.)
r
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Das bist dut
^eine Bündensch warzen Haare
Locken wie zu heissen Nächten,
Und ich möchte meine Arme
Um den jungen Leib dir flechten.
Schimmern noch so keusch und heilig
Deine engeiweissen Brüste,
Mir verrät ihr unruhvolles
Wogen zehrende Gelüste.
Zwar dein Bück ist sehr madonnen,
Doch es kichern glühe Funken
In ihm auf. Geheimer Wonnen
Abglanz, die du schon getrunken.
Pflückst wohl gern die roten Beeren,
Wenn der Strauch sie gerade beut,
Und es giebt für ein Begehren
Deiner Liebe — kein Verwehren l
Morgen weisst du nichts von heutM
Kurt Holm.
Als ob es sein müsst'.
ie Blumen waren im Lenz erwacht
Und standen wie Bräute in höchster Pracht
Die Bienen haben sie abgeküsst,
Sie hielten fein still, als ob es sein müssf .
Ein Vöglein sass einsam auf dem Ast,
Da kam geflogen in wilder Hast
Ein andres Vöglein und hat es geküsst,
Es hielt fein still, als ob es sein müsst'.
Die Schaf rin schritt durch Wiesen und Wald,
Ein Jägersmann folgte der Holden bald
Und hat sie umfasst, und hat sie geküsst,
Sie hielt fein still, als ob es sein müsst* .
Da dachte ich mir: das muss wohl so sein,
Ein Narr ist, der da wandert allein,
Und habe mein Liebchen geherzt und geküsst,
Auch das hielt fein still, als ob es sein müsst1.
.Armin Werherr. .
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Möcht' dir gefallen.
W?enn ich die Flut wär*,
Möchf ich dir winken,
Auf dass du, durstig,
Kämst, mich zu trinken.
War' ich die Rose,
Möcht1 ich dich stechen,
Damit du Lust hast,
Mich drum zu brechen!
War* ich das Vöglein,
Laut würd* ich singen,
Dass mich zu fangen,
Du legtest Schiingen!
War* ich der Rasen,
Bückt1 ich mich nieder,
Auf mir zu betten
Weich deine Glieder!
Doch da ich gar nichts
Bin von dem allen,
Möcht9 ich nur eines:
4
Dir — recht gefallen!
Sidonie Grünwald-Zerkowitz.
Ein Ewachen.
Jen lag ihm am Herzen die letzte Nacht —
O Mutter, hütr1 ich an dich gedacht!
Verschliesst euch, Augen, vor diesem Tag,
Dass euch die Sonne nicht sehen mag.
Euch, gute Schwestern, dir und dir
Gehör1 ich nimmer und ihr nichts mir.
Die alten Gassen, die sind es noch
Und kennen mich nimmer, und bin es doch,
Und schreien mich an und sagen: »Neinlc —
O hülle, du Nacht, vor Nacht mich ein.
Und wenn ich die Höchste im Lande wär1,
Ich bin meiner Mutter Kind nicht mehr.
Joh. Georg Fischer
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Dir glänzen Rügen und Wangen glühheiss.
ir glänzen Augen und Wangen glühheiss,
Die Haut und Zähne schimmern blühweiss,
Doch schwarz wie die Hölle ist dein Herz,
Voll Tücke, Falschheit und losem Scherz.
Und doch mich der eine Wunsch nur entflammt,
In diese Hölle zu sein verdammt.
Ich hätte nach keinem Himmel Begehr,
Wenn ich so ein serger Teufel wär\
Anain Werbern
Ist das Glück der Liebe;
Alles, was der Himmel schuf,
Fühlet ihre Triebe.
Wenn umher der Käfer irrt,
Sucht er sich ein Weibchen,
Wenn ein Tauber einsam girrt,
Locket er sein Täubchen.
Blumen Öffnen ihre Brust
Lauen Abendwinden;
Epheu schlinget sich mit Lust
Um bemooste Linden;
Liebemurmelnd eilt der Bach,
Unter den Gebüschen,
Einem andern Bache nach,
Sich mit ihm zu mischen«
Liebe tönt der Sänger Heer
Von den Zweigen nieder;
Weibchen flattern um sie her,
Sträuben das Gefieder,
Locken, schmachten und entfliehn
Schamhaft zu Gesträuchen,
Wo, mit zärtlichem Bemühn,
Männchen sie erreichen.
Beruf zur Liebe.
nser süssester Beruf
ÖS
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Seelen, die der Himmel schuf,
Fähig edler Triebe,
Folgt dem süssesten Beruf,
Schmeckt das Glück der liebet
Sie nur kann euch freudenreich
Diese Wallfahrt machen;
Sie nur führet lächelnd euch
Zu dem schwarzen Nachen.
Friedr. Wilh. Gotter.
(1746-17M.)
Fatum.
Und sträubst du dich, mein Lieb zu sein,
So soll mich das nicht kränken;
Ich weiss, du musst doch nächtens mein
Im Fiebertraum gedenken.
Und hältst du auch ein andres Weib
Und küsst auch fremde Wangen,
Du liebst doch nur den einen Leib,
Den niemals du umfangen.
Und nehme ich dein Herzblut hin -r-
Du kannst nicht widerstreben.
Du fühlst, dass ich dein Schicksal bin — —
Und du mein Leben I
Frida Spandow.
0 dass ich einmal noch —
Q dass ich einmal noch
Dich wiedersähet
Ich trüge Not und Schmach
In deiner Nähe.
Grau gehn die Tage hin
In dumpfem Frieden,
Seit jener Sommernacht,
Da du geschieden. . . .
O ging* mir Heim und Herd
In Rauch und Flammen,
Und dürft* ich betteln gehn —
Mit dir zusammen.
Maidv Koch
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Lied.
Jch hab mir ein Märchen erdacht
Aus einem einzigen Blick . . .
Und eine einzige Nacht
Verwehte all mein Glück ...
Ich träumte den seligsten Traum
Von Liebe, die nimmer vergeht . . .
Ein Hauch — ich fühlte ihn kaum -
Da war er schon verweht.
Maidy Koch
Du schaust so gross und fragend.
J}u schaust so gross und fragend
Noch in die Welt hinein,
Ein holdes Rätsel scheint noch
Das Leben dir zu sein.
O dürft1 ich dir es lösen
Und dir es machen kund
Mit tausend heissen Küssen
Auf deinem roten Mund/
Wenn ich zwei Flügel hätt'.
^^?enn ich zwei Flügel hätt9,
Meinst, ich würd' reisen 1
Adlergleich ziehn in bedächtigen Kreisen?
Glaubst, ich entflöge dir — husch! — aus dem Bau?
Bist mir ein argwöhnisch Ding, du, — schau, schau!
Mitten in Freud und Leid
Mag nüVs behagen,
Dich in den Armen, was sollt* ich erjagen?
Bin ja kein flatterhaft thörichter Knab',
Wenn ich zwei Flügel hätt*, — schnitt* ich sie ab!
AKrcd
r
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flmors Klage.
Sonst, wenn mir L Bogen
Goldne Pfeile flogen,
Acht wie heiss und wahr
Liebte sich ein Paar!
Noch sind alle Herzen
Rasch zu Minnescherzen;
Aber laulich, kalt,
Treulos, o wie bald!
Mich ergreift Entsetzen.
Menschen! Euch ergetzen,
Unstät von Natur,
Meine Flügel nur.
Joh. Chr. Fricdr. Hauff.
(1761-1828.)
i
Qieb achtl
£Jnsre Freundschaft ist ein Brücklein
Ohne Brüstung, schmal und schwank —
Drunter stürzt der Liebe Wildbach,
Drein manch Herz vom Brücklein sank . . .!
Angstvoll reich' ich dir die Hände;
Gieb nun acht auf jeden Schritt 1
Trägt das Brücklein dich, trägt/s mich auch;
Fällst hinein du, — fall' ich mit
Sidonie Grünwald-Zerkowits.
Zur Rosenzeit.
]^)ie Liebe bleibt wie Rosen immer neu,
Ob ihre Blüte morgen auch vorbei
Und wir von gestern keiner uns erinnern.
Die Lieb* ist voll wie einer Rose Schoss,
Woraus sich hundert Blätter ringen los,
Und hundert andre glühen noch im Innern.
Die Lieb' ist feurig wie ein Rosenbiatt,
Das seine Flammen angezündet hat
Am ersten Morgenstrahl der Hhnmclsrose*
91
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Die Lieb' ist himmlisch, wie ein Bild genau
Vom Himmelsrund in jedem Tröpfchen Tau
Die Rose trägt in ihrem tiefen Schosse«
Die Lieb' ist süss wie würz'ger Rosenduft,
Der unsichtbar beseelt die warme Luft
Und trunken macht die honigdurstJgen Bienen.
Doch Lieb' ist kurz auch wie der Rose Tag,
Der schneller endet als der süsse Schlag
Der Nachtigall, die sie beweint im Grünen.
Wolfgang Menzel.
(1798-1873)
f
Der Geliebten.
2)o wisst einmal, ich bin verliebt,
Und zwar in so ein Kind,
Das mir erst Lust zu leben giebt,
So schwer die Zeiten sind.
Sein Kuss ist meiner Seele Kraft
Und hat an süsser Glut
Fast aller Schönen Eigenschaft,
Nur nicht den Wankelmut.
Es schwächt mir weder Geist noch Leib«
Was denen sonst geschieht,
Die Amors stiller Zeitvertreib
Am Narrenseile zieht:
Es redet mir in Lust und Leid
So klug als freundlich ein,
Und las st mich in der nächsten Zeit
Des Unsterns Meister sein.
Ach Hoffnung I Ach du Engelsbild,
Du meiner Güter Rest!
Ach komm und bleib mein starker Schild,
Da alles schlägt und presst!
Komm, flicht uns unsern Hochzeitschmuck
Von deinem Wintergrün!
Der Tod, sonst nichts ist stark genug
Ihn wieder abzuziehn.
Joh. Christian Günther.
(169&-1728)
92
»
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Sie.
Jhr Wuchs ist nymphenhaft und schlank,
Ihr Auge biau, und stolx ihr Gang;
Es bückt so freundlich ihr Gesicht, —
Und wenn sie lächelt, wenn sie spricht,
Ist lauter Huld und Anmut sie:
Doch ihren Namen nenn' ich niel
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Als ich sie sah und wiedersah;
Mir war so weh, mir war so wohl,
Bis plötzlich eine Stimme scholl:
Verwegner, rette dich und flieh 1
Doch ihren Namen nenn* ich nie.
Ich wollte flieh' n, ich wollte fort;
Wohin, wohin? Ach, hier und dort,
Und fern und nah, und dort und hier,
Folgt ihres Bildes Zauber mir,
Tönt ihres Namens Melodie:
Doch ihren Namen nenn' ich niel
Heinr. Aug. Ottokar Rcichard
<Gefc 17M.)
Diese schönen Qliedermassen —
Diese schönen Gliedennassen
Kolossaler Weiblichkeit
Sind jetzt ohne Widerstreit
Meinen Wünschen überlassen 1
War' ich, leidenschaftentzügelt,
Eigenkräftig ihr genaht,
Ich bereute solche Tat!
Ja, sie hätte mich geprügelt.
Welcher Busen, Hals und Kehle
(Höher seh ich nicht genau).
Eh' ich ihr mich anvertrau,
Gott empfehl' ich meine Seele.
Heinrich Heine.
93
Digiti
feil hat sie Rettich und Rapunzeln.
Peil hat sie Rettich und Rapunzeln,
Das alte Weib, ich seh' ihr zu,
Ich sehe unter ihren Runzeln
Die Schönheit — sie war schön wie du.
Die Alte bläst ins Kohlenbecken,
Es sprüh' n die Funken, und sie lacht:
Die kleinen Flammengeister wecken
Erinn'rung mancher Liebesnacht.
Sie seufzt, ihr rotes Aug* wird trüber,
Es zittern ihre alten Knie' —
O Klara, gehn wir rasch vorüber,
Sonst denk' ich: du wirst einst wie sie.
Eduard Grisebach.
In Ewigkeit.
(Aus der Cantate: »Die verliebte Geduld«.;
^is die schwere Zunge stammelt,
Bis mich ein gedrungnes Haus
Zu der Väter Beinen sammelt,
Sprech ich deinen Namen aus;
Deine Schönheit, dein Gemüte,
Deine Tugend, deine Güte
Soll mit mir zu Grabe gehn.
Dich nur nochmals zu umfangen,
Will ich, wenn die Welt vergangen,
Wieder rüstig auferstehn.
Joh. Christian Günther.
(1696-1728.)
Lied.
Jch zog mir einen Falken,
Wohl langer als ein Jahr.
Ihr wisst, wie zahm und sittig
Der schöne Vogel war.
94
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Als ich ihm sein Gefieder
Mit Golde reich umwand,
Hub er sich in die Wolken
Und flog in fernes Land.
Mein Falkl Ich sah dich wieder,
Stolz war dein Flug und hoch.
Dü führst an deinem Fusse
Den seid'nen Riemen noch,
Und Gold um dein Gefieder?
Doch mich vermeidest du.
Gott sende jedem Herzen
Sein holdes Liebchen zul
Bewegt ist meine Seele,
Mein Auge thränenvoll,
Dass ich von meiner Schönen
Und Guten scheiden soll.
Verleumder, die mich trennten,
Euch stürze Gott in Leid!
Gott lohne, wer mich aussöhnt,
Mit Lieb' und Seligkeit!
Nach dem von Kürenberf.
(ia. Jahrh.)
Konzert.
fyjitten aus der Menge im Saal,
Uniformen und Roben,
Schiesst deiner Augen Segenstrahl
Nach oben.
Ringsum schaukeln und wogen dicht
Federn, Frisuren, Maschen;
Kaum vermag ich dein süss Gesicht
Zu haschen.
Heimlich tauschen wir Blick um Blick,
* Lockende, züngelnde Flammen. —
Lachend kuppelt uns Frau Musik
Zusammen!
Arthur von Wallpach.
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■
Hochzeitlich Lied.
Jjass Akaziendüfte schaukeln,
Rosen durch die Fenster gaukeln,
Blötenfee — das bist nun dul
Deine buchenroten Locken
Läuten mir wie Märchenglocken,
Und die weiten Thäler locken . •
Komm, mein Kind, wir zieh'n zur Ruh.
In das Land der blassen Farben
Zieh'n wir ein . . und Purpurgarben
Fächeln stille Flammen zu;
Horch, schon zittern weiche Lieder,
Mond enthüllt sein Schneegfieder —
Fieberheiss die reifen Glieder,
Zieh'n wir, Hand in Hand, zur Ruh,
Leise Scham, so schüchtern gleitend,
Lichte Rosenflügel spreitend,
Deckt die Aeuglein, deckt dich zu;
Klingt's im Park von Zymbeln, Zinken,
Will durchs Fenster Venus winken, —
Müssen Band und Seide sinken . .
Komm, mein Kind, wir zieh'n zur Ruh.
Anton Lindner
Komm, falsche Dirnel
p^omm, falsche Dirne, lass dich küssen l
So falsch du bist, — du bist doch süss;
Dein Mund hat all an sich gerissen
Den Honig aus dem Paradies.
Ich herze dich, und sollte hassen;
Ich hasse dich, doch ach, wie mild!
Ich sollte dich auf ewig lassen,
Und fasse dich, so wild, so wild!
Und ist in alle diese Wonnen
Mein Leben und mein Geist getaucht — ■
Was mir dein Herz für Qual ersonnen,
Ist alles in den Wind gehaucht!
Fried. Daumer.
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Der Wunsch.
u holder Gott der süssen Lust auf Erden,
Der schönsten Göttin schöner Sohn!
Komm, lehre mich die Kunst geliebt zu werden;
Die leichte Kunst zu lieben weiss ich schon.
Komm ebenfalls und bilde Phyllis Lachen,
Cythere, gib ihr Unterricht;
Denn Phyllis weiss die Kunst, verliebt zu machen;
Die leichte Kunst zu lieben weiss sie nicht.
Qprödes, knospenscheues Mädchen,
Könnt' ich einmal noch dich küssen
Scheu wie einst, da du errötet,
Hab1 auch selbst erröten müssen!
Die gesenkte braune Wimper
Hielt den süssen Groll zusammen,
Hielt die zage Glut verborgen,
Deines Busens erste Flammen.
Könnt1 ich einmal noch beklommen,
Reinen Herzens so dich schauen,
Da ich reuevoll und bangend
Hing an deinen Augenbrauen!
Was ich gierig je genossen,
Trüben Lebens wilde Lüste,
Gab' ich hin für jenes Zagen,
Da ich scheu zuerst dich küsste.
Fried r. von Hagedorn
(1708-1754.)
Ein Sehnen.
Otto Erich Hartleben.
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ÜNTE IilEDER.
»Ulli«
Sie.
Qjeduld ist nötig, mit ihr zu gehn:
Wo was ist, das muss sie sehn;
Da geht kein Bünder durch die Stadt,
Dem sie nicht nachzutrauern hat
Ein Wagen im Trab, ein bellender Hund!
Da strahlt sie, da steht sie mit offenem
Und wo eine Katze am Kellerloch hockt,
»Tidietzl Komm Pussl« Da wird gelockt.
Begegnen wir gar dem »hohen Gast«,
Zerreisst sie mir den Aermel fast;
Und baden sich wo Spatzen im Dreck,
Spatzen! Da kommt sie garnicht vom Fleck.
Und erst ein Begräbnis mit Musik!
Da hält sie kein Kanonenstrick,
Da drängt sie sich durch mit Puff und Schub,
Es ist ein unglaublicher Gassenbub!
Leo Sternberg.
Der Ehe-Hasser.
jjehweiget mir vom Frauen -Nehmen,
Es ist lauter Ungemach:
Geld verthuen, wiegen, grämen,
Einmal Juchl und drei Mal Acht
Ist sie reich, so will sie rechten,
Ist sie arm, wer schafft dann Brod?
Ist sie jung, so will sie fechten,
Ist sie alt, so ist's der Tod.
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Ich will doch nicht, dass man sage,
Dass ich nicht recht männlich bin,
Weü ich mich des Weib's entschlage;
Buhlen, buhlen ist mein Sinn;
Heute die, die and're morgen,
Das ist eine Lust für mich;
Brauch für keine so zu sorgen.
Jede sorgt schon selbst für sich.
Denkt, was kosten Kasten, Kisten,
Hochzeit, Taufe, Teller, Rost!
Mägde, die uns kochen müssten!
Denket, was der Hauszins kost!
Was die Betten, Tische, Bänke,
Kannen, Handtuch, Heizung, Licht
Stühle, Schüsseln, Küchenschranke i
Und was kost die Kleidung nicht l
Wer wird sich denn so betrüben ?!
Ich will bleiben, wer ich bin;
Ich will keine herzlich lieben —
Buhlen, buhlen ist mein Sinnl
Buhlen ist mir honig-süsse,
Buhlen ist es, was ich thu,
Und verbuhr ich schon die Füsse,
So behaltf ich doch die Schuh!
Nach Georg Greflinger.
<ti«n.)
Gassenhauer.
^iele schelten, dass mein Lied,
Nach bekannten Weisen,
Immer hin und wieder zieht.
Wollen drum das arme Lieü
Gassenhauer heissen.
Liedlein, Liedlein, Liedlein kling'
Nach bekannten Weisen!
Durch die Gassen haut sich schwer,
Nach bekannten Weisen,
Solch ein Lied; denn kreuz und quer
Kommen viele Gegner her,
Die zurück es weisen.
Liedlein, Liedlein, Liedlein kling
Nach bekannten Weisen!
357989a
Aber hat sich's Bahn gemacht,
Nach bekannten Weisen,
Schwirrt es fort bei Tag and Nacht J
Freut sich herzlich und verlacht
Neid, auf lusr'gen Reisen l
Liedlein, Liedlein, Liedlein kling"1
Nach bekannten Weisen!
Karl Holtet
Unbefangen.
Jen bin ein Mädchen, fein und jung,
Und bin gottlob noch frei;
Ich weiss nichts von Romanenschwung
Und hass' Empfindelei.
Leicht fliesst mein Blut« Ich liebe Scherz,
Ich liebe Sang und Tanz.
Mein Reichtum ist ein frohes Herz,
Mein Schmuck ein Blumenkranz.
Ich schlage nicht aus Evens Art,
Leichtglaubig, eitel, schwach;
Und Neugier, liebe Neugier, ward
Mein Erbteil siebenfach.
Auch flieh9 ich nicht der Männer Spur.
Mir sagte die Mama:
Wir armen Mädchen wären nur
Um ihretwillen da.
Drum schleicht in meinen schlichten Sinn
Kein blöder Stolz sich ein.
Wohl mir, dass ich ein Mädchen bin!
Lasst Andre Engel seinl
Fricdr. Wilh* Götter
(1745-17»)
Warnung.
Qjravitätisch einen Storch
Seh ich dort spazieren,
Mädchen blicken halbverschämt,
Möchten gern sich zieren.
100
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Holde Kinder, hütet euch,
Ihm ist nicht zu trauen,
Eh' ihr noch es überlegt,
Werdet ihr am Frauen.
Ad. Pichl«.
Nota benel
or mir Flaschen flüss'gen Goldes —
Nota bene: Wein vom Rhein,
Und dazu ein Kind, ein holdes —
Nota bene, welches mein:
Bin ich froh, ein Epikur —
Nota bene: heute nur.
Heut! Das Morgen bringt ja Sorgen —
Nota bene: dem, der sorgt;
Fehlt mir Geld, werd ich rxuVs borgen —
Nota bene, wenn man borgt
Glücklich machen lieb1 und Wein —
Nota bene: sie allein.
Will mit dem Geschick nicht handein —
Nota benel heda! halt!
Doch zur Scheuche darf s nie wandeln
Meines Liebchens Huldgestalt.
Schönheit ist mir Lebensbrot —
Nota bene: bis zum Tod.
fjes Frühlings erstes Ahnen
Zieht leise durch mein Gemüt,
Seh ich auf dem alten Pfade
Den ersten Strauch erblüht.
Sie sind so kahl die Bäume,
Es ist so schwarz das Land.
Zwei Krähen dort auf der Eiche,
Die haben mich wiedererkannt.
Und sie fliegen vorbei und krächzen
Und spotten, dass ich allein.
Denn selber die Krähen und Raben,
Sie wollen zu zweien sein.
C. M. Bellman.
Krähenspott.
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Zweierlei.
^es Morgens tat sie sehr empört,
Als ihren schönen, weissen Arm
Entblösst zu sehen ich begehrt,
Und grollte mir in bittrem Harm.
Des Abends kam sie dekolletiert,
Trug Nacken, Busen, Arme bloss
Und kokettierte ungeniert
In ihrer Tänzer reichem Tross.
J. Leuiser.
IT
Sie geht in aller Frühe.
j^ic geht in aller Frühe,
Noch eh' die Dämmerung schwand,
Den Weg zur Tagesmühe
Im ärmlichen Gewand.
Die dunkeln Nebel feuchten
Noch in der Strasse dicht,
Sonst sähe man beleuchten
Ein Lächeln ihr Gesicht.
Die Götter mögen wissen,
Warum sie heimlich lacht —
Es weiss es nur das Kissen,
Drauf sie geträumt heut* Nacht.
Hermann Lingg
IT
Das Lied vom welken Herzen,
S*e trug bunte Blumen im braunen Haar,
Die waren verblüht,
In ihrer jungen Brust das Herz
War welk und müd.
Wem sollte sie reichen die Blumen vom Haar?
Sie blühten nicht mehr.
Wem sollte sie geben ihr Herz, ihr Herz,
So leer — so schwer?
102
*
Digitized by Googl
War keiner, der je ihr Glück verstand,
Nicht ihren Schmers,
Da warf sie verzweifelnd in den Staub
So Blumen, so Herz.
Kurt tod Rohrscheidt.
Rm Himmelsthor.
FyTir träumt1, ich komm' ans Himmelsthor
Und finde dich, die Süsse 1
Du sassest bei dem Quell davor
Und wuschest dir die Füsse.
Du wuschest, wuschest ohne Rast
Den blendend weissen Schimmer,
Begannst mit wunderlicher Hast
Dein Werk von neuem immer.
Ich frug: »Was badest du dich hier
Mit thränennassen Wangen?«
Du sprachst: »Weil ich im Staub mit dir,
So tief im Staub gegangen.«
Conr. Ford. Meyer.
Rusforderung.
Jjjine hohe Hahnenfeder
Steck' ich auf meinen Hut!
Mein Hut hat grüne Farbe,
Mein Herz hat frischen Mut.
Was will die Hahnenfeder?
Sie ruft zum Kampf und Streit,
Sie ruft: Ich lieb' die Beste
Im Lande weit und breit!
Und kennst du eine bessere,
Und ist sie deine Wahl:
Steck* auf eine höh're Feder,
So raufen wir einmal.
Und ist dein Dirnel schöner,
So trag** zur Stadt hinein,
Zum Markte, zum Verkaufe,
Für** Dorf ist's halt zu fein I
103
Und ist dein Dirnel braver,
So fuhr' es gleich nach Rom,
Und lass es heilig sprechen,
Zur lieb' ist's halt zu fromm 1
Wilhelm Müller.
Schlummerlied für manche Schöne.
Schlummre, mein Püppchent
Was gackert im Stallt
Heute war Kranzchen,
Und morgen ist Ball.
Lebten und webten
Die Hühner wie du:
Sicher noch liess uns
Ihr Gackern in Ruh.
Schlummre, mein Püppchen! —
Am Fenster zu stehn,
Schnippchen zu schlagen,
Nach Laffen zu sehn,
Papchen zu füttern,
Und Möpschen dazu,
Braucht man bis Mittag
Erholung und Ruh.
Schlummre mein Püppchen 1
Die Mutter mag schreinl
Lasst sie das hässliche
Schmählen nicht sein:
Schön zu thun weisst du,
Die Betten sind da,
Nimm dir ein Aeffchen
Und werde Mama!
Joh. Benjamin Michaelis.
(174&-1772.)
Das Fehlende.
J)u trägst auf der Wange den Mai,
Ich trage im Herzen die Jugend,
Hab' ich Verstand für zwei,
So hast du für zwei die Tugend
104
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Was fehlt uns denn im Grand,
Dass wir so klagen und dulden?
Ich sag dirs frank und rund:
Nur hunderttausend Gulden.
Herrn. Gilm.
Der böse Keim.
Jch sah dich — ach so schlank, so wonnig,
Im rosenfarbnen Lenzgewand;
Rings lag die Welt so maiensonnig,
Und selig küsst* ich dir die Hand.
Da hat zermalmend im Gemüte
Der Qualgedanke mich erschreckt,
Dass auch in dir, du goldne Blüte,
Der Keim zur Schwiegermutter steckt
Ernst Eckstein
Wie der Thaler blankt und blinkt
ie der Thaler blankt und blinkt,
Wenn er aus der Münze springt 1
Ging er lang durch schmutzige Hände
Wird er schmutzig selbst am Ende.
Kind, du warst zu viel umgeckt,
Hast zuviel geleckt, geschleckt
Zwar, du bist wohl noch ein Thaler,
Doch ein schmutziger, kupfrigfahler.
Armin Werherr.
Bedingungsweise.
^wei Scheitel trägt sie, hochmodern,
Der Cleo gleich,
Und Augen hat sie, sapperlot —
Mir wird ganz weich!
Und dieses Füsschen, diese Hand,
Das Näschen, achl
Das allerliebste Mündchen erst —
Mir wird ganz schwach!
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Und schlank ist sie, geschmeidig wie
Ein Lilienstengel;
Sie wäre — wenn sie Mitgift hart' —
Der reine Engeil
Gisa Tacchi.
Aufmunterung,
glühende Herzen,
Lasset uns scherzen,
Singen und lieben,
Ohne Verschieben!
Lauten und Geigen
Sollen nicht schweigen l
Eilig zum Tanze 1
Pflücket vom Kranze 1
Drücket die Händel
Freut euch ohn' Endel
Labt euch mit Küssen,
Schwelgt in Genüssen 1
Spornet euch fröhlich 1
Machet euch eh' lieh 1
Lasset die Narren
Langer noch harren l
Eh'lich zu werden
Ziemt sich auf Erden.
Ledige finden
Lust nur in Sünden.
Jeder muss sterben;
Schaffet euch Erben,
Erben dem Gute,
Namen und Blute«
G. Greflinger.
(f 1077.)
Guter Rat
£)teck dir die Rose an die Brust,
Lache und tanze in junger Lust,
Lass es flattern, dein duftend Haar -
Bist ja nicht immer zwanzig Jahrl
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Streue mit reichen Händen aus
Deiner Jugend Blütenstrauss,
Lasse schäumen den goldenen Wein —
Wird ja nicht immer so köstlich seinl
Lass dir küssen den jungen Mund!
Kommt einmal deine dunkle Stund',
Wirst du wissen, wie schön es war —
Bist ja nur einmal zwanzig Jahr!
Thekla Lingen.
Junggeselle.
Jch bin ein Junggeselle —
Die Mutter sprach zu mir:
»Es flieht wie Wind und Welle
Die Liebe, sieh dich furl
Sie schafft nur Angst, sie schafft nur Pein,
Das muss
Der Liebe Art wohl sein.«
Ich sass auf meiner Schwelle,
Da kam ein schönes Kind.
»Gott grüss dich, Junggeselle!«
»»Ich danke, liebes Kind!««
Ich winkte ihr, sie kam herein,
Das muss
Der Liebe Art wohl sein.
»Ei«, rief sie, »Junggeselle,
Kennst du die liebe, wie?«
»»Ach nein, wie Wind und Weile,
Spricht Mutter, wechselt sie.««
Da lachte sie und rief nein, nein!
Das kann
Der Liebe Art nicht sein.
Sie schlang den Arm zur Stelle
Um mich und küsste mich.
Ich fühle, wie Wind und Welle
Aus dem Gedächtnis wich.
Das Herz schlug mir zum Hals hinein,
Das muss
Der Liebe Art wohl sein.
X07
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Da nahte von der Quelle
Des Nachbars Jörge sich.
Sie liess mich auf der Schwelle
Und küsßte ihn wie mich.
Ich zürnte sehr, doch fiel mir ein,
Das muss
Dar liebe Art wohl sein!
Alex. Frhr. t. Ungern-Sternbtrg.
v Klage.
J^chlaffe Lider, welke Wangen,
Graue, dünngesäte Haare
Bilden schon seit Adams Zeiten
Das Gefolg* der reifern Jahre.
Alle diese Herbsteszeichen
Will ich ohne Murren tragen;
Nur das Eine trifft mich härter
Als ein Dutzend Altersplagen:
Dass der Frauen, die mir hold sind,
Immer weniger auf Erden,
Während jetzt die Ehemänner
Immer liebenswürd'ger werden.
S. Fritz.
Brautnacht.
Jm Schlafgemach, entfernt vom Feste,
Sitzt Amor dir getreu und bebt,
Dass nicht die List mutwüTger Gäste
Des Brautbetts Frieden untergräbt.
Es blinkt mit mystisch heil'gem Schimmer
Vor ihm der Flammen blasses Gold;
Ein Weihrauchswirbel füllt das Zimmer,
Damit ihr recht geniessen sollt.
Wie schlägt dein Herz beim Schlag der Stunde,
Der deiner Gäste Lärm verjagt;
Wie glühst du nach dem schönen Munde,
Der bald verstummt und nichts versagt.
Du eilst um alles zu vollenden
Mit ihr ins Heiligtum hinein;
Das Feuer in des Wächters Händen
Wird wie ein Nachtlicht still und klein.
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Wie bebt vor deiner Küsse Menge
Ihr Busen und ihr voll Gesicht;
Zum Zittern wird nun ihre Strenge,
Denn deine Kühnheit wird rar Pflicht.
Schnell hilft dir Amor sie entkleiden,
Und ist nicht halb so schnell als du;
Dann hält er schalkhaft und bescheiden
Sich fest die beiden Augen ra.
Wolf*. Goethe.
Lied.
Phreift zum Becher und lasst das Schelten!
Die Welt ist blind . . .
Sie fragt, was die Menschen gelten,
Nicht, was sie sind.
Uns aber lasst zechen . . . und krönen
Mit Laubgewind
Die Stirnen, die noch dem Schönen
Ergeben sind!
Und bei den PosaunenstÖssen,
Die eitel Wind,
Lasst uns lachen aber Grössen,
Die keine sind!
Heinrich Leuthold
Lebensgenuss.
prüder, lasst uns fröhlich sein,
Weil der Frühling währet,
Und der Jugend Sonnenschein
Unser Laub verkläret;
Grab und Bahre warten nicht,
Wer die Rosen jetzo bricht,
Dem ist der Kranz bescheret
Rasch entstürmt der Jahre Flucht
Mit verhängtem Zügel,
Und des Schicksals Eifersucht
Leiht dem Lenze Flügel.
Brüder! trinkt, noch ist es Zeit,
Eh' der Herbstwind Blätter streut
Auf uns'res Grabes Hügel.
Wo sind jene, sagt es mir,
Die vor wenig Jahren,
Eben also, gleich wie wir,
Jung und fröhlich waren?
Ihre Leiber deckt der Sand,
Sie sind in ein fremdes Land
Aus dieser Welt gefahren«
Wer nach unsern Vätern forscht.
Mag den Kirchhof fragen:
Ihr Gebein, das langst vermorscht,
Wird ihm Antwort sagen«
Uns auch, Brüder, kann man bald,
Eh' die Morgenglocke schallt,
In uns're Gräber tragen.
Darum lasst uns fröhlich sein,
Weil der Frühling währet,
Und der Jugend Sonnenschein
Unser Laub verkläret:
Grab und Bahre warten nicht;
Wer die Rosen heute bricht,
Dem ist der Kranz bescheret
Job. Chr. Gunther.
(1696-1738.)
■
Lachtäubchen.
Jjachtäubchen sitzt hoch unterm Dach,
Ist fleissig bis zur Nacht,
Tanzt flink umher im kleinen Raum,
Blickt schlau um sich und lacht:
»Haha, haha! Hihi, nihil«
Wie auch mein Los hier fallt,
Ich hab das beste Teil erwählt,
Ich lach mich durch die Weltl
Ein einfach Futter mir genügt,
Von Erbsen und von Brot,
Und wenn ich dazu Wasser hab,
So hab ich keine Notl
»Haha, haha! Hihi, hihi!«
Kein üpp'ges Mahl mich schwellt 1
Mich plagt nicht Gicht noch Podagra,
Ich lach mich durch die Welt!
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Zuweilen nur da fühlt mein Her*
So einen kleinen Stich,
Dann ist mein Wunsch ein Täuberich,
Froh angelegt wie ich!
»Haha, haha! Hihi, hihiU
War' der mir zugesellt,
Wir beide lachten alles aus,
Die Menschen und die Welt!
Otto Hausmann.
Jeder nach seiner Rrt.
£\[ie werden Trauben süss und schwe
An Haselbüschen reifen,
Der Distelfink lernt nimmermehr
Wie eine Drossel pfeifen.
Sehnsüchtig klagt im Hollerstrauch
Das Nachtigallenmännchen,
Ich singe nach Vagantenbrauch
Beim Klapp der Deckelkännchen.
Der feilt an einer Elegie,
Der schmiedet eine Fabel,
Ich singe in die Winde, wie
Gewachsen mir der Schnabel.
Ich hab's gelernt im grünen Wald
Beim Rauschen alter Föhren,
Und wem mein Singsang nicht gefallt,
Der braucht nicht zuzuhören.
Spielmannslied.
pjerr Nachbar, riegelt die Thüren fest,
Ein Dieb steht auf der Lauer,
Herr Nachbar, dass Ihr nicht vergesst,
Euer Zeisig lockt im Bauer,
Steckt schon das krause Köpfchen raus,
Herr Nachbar, hütet Euer Haus!
Ting ting, pinkperingping,
Ein Zeisig ist ein loses Ding
Zrrrr . . .
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Im Schützenzelt ist Tanzmusik,
Hei, wie die Aeuglein blinken 1
Der Spielmann geigt sein Meisterstück,
Vergisst sogar das Trinken,
Muss immer nach der Dirne schaun,
Stünd' Heber mit ihr am Gartenzaun —
Ting ting9 pinkperingping,
Ein Zeisig ist ein loses Ding
Zrrrr • • .
»He Jungfer I« — aber die Jungfer lacht,
Schlüpft kichernd durchs Gedränge,
Durch's Hofthor in die Sommernacht,
Ins blühende Gehänge,
Das Köpfchen ward ihr gar zu warm,
Nun träumt's in einem Spielmannsarm —
Ting ting, pinkperingping,
Ein Zeisig ist ein loses Ding
Zrrrr ziul
Martin Bo eilte
Der kluge Peter.
^er Peter sass im Sonnenschein
Auf einem Stein
Und freute sich und lachte.
Was freut sich Peter nur so sehr?
Das Rätsel schien mir wahrlich schwer —
Doch er sass da und lachte.
Als ich die Neugier nicht mehr trug
Und endlich frug,
Warum er denn so lachte?
Sprach er: »Die Welt ist wunderschön 1
Und ich darf drin spazieren gehn!«
Er sah mich an und lachte«
»Ei, Peter, du hast wirklich Recht!
Das ist nicht schlecht!«
»Nicht wahr?« sprach er und lachte,
»Die Weisheit lernet Ihr erst jetzt?«
Da hab ich mich zu ihm gesetzt
Und freute mich, und lachte.
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Märzsonne.
j^Jun wandV ich über Berg und Thal,
Die Welt steht blühend offen,
Mich hat mit erstem Sonnenstrahl
Der Lenz ins Herz getroffen.
Ich höV das kleine freche Herz
Im dunkeln Brustkorb lachen,
Es weiss, es wird im grünen März
Eine selige Dummheit machen . . .
Rud. Prcsber.
Von der Freude.
2)*ge, sprach ich, holde Freude 1
Sage doch, was fliehst du so?
Hat man dich, so fliehst du wieder l
Niemals wird man deiner froh.
Danke, sprach sie, dem Verhängnis!
Alle Götter lieben mich;
Wenn ich ohne Flügel wäre,
Sie behielten mich für sich.
Joh. Nie. Göti.
(1721—1781.)
*~
Die Wahrheit.
£)ie Wahrheit hab* ich stets gesucht,
Fand sie gesprochen und gebucht.
Doch mit der Zeit schwand die Erscheinung —
Die Wahrheit war stets nichts als Meinung.
Die Wahrheit hat ihr Für und Wider,
Man hebt sie auf und wirft sie nieder.
Nur eine echte ward mir kund —
Die küsst* ich von einem Mädchenmund.
Franz Karl Ginzkey.
*•
8
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Laura.
Am Morgen nach ihrer Brautnacht.
£fin wenig blass, doch schön wie die belohnte Liebe,
Vom süssesten der Träume kaum erwacht,
Schleicht sie zum Garten; doch ist für des Morgens Pracht
Ihr schmachtend Auge noch zu trübe.
Ihr Dämon sieht ein Kind der letzten Nacht,
Ein Röschen, eilt und bringt es ihr und lacht,
Und küsset sie und spricht: „O Laura, meine liebe 1
Wann bringst Du mir ein Kind der letzten Nacht?"
Vorn an der Brust?
Macht mir kein Brösclein
Freude, noch Lust.
Trage du Dörnelein,
Trage du Hörnelein,
Die du dem Liebsten dein
Aufsetzen thust;
Trage du Höselein,
Kleiden die Beine dein
Zierlich und fein.
Rokoko.
(jutartige Naturen,
Ins Ehejoch gespannt,
Ziehn friedlich durch die Fluren
An Hymens Band.
Sie brauchen manches Jährchen
Nicht einen Peitschenhieb;
Vergebens lockt am Pärchen
Amor, der Dieb.
Fr. Wilh. Gotter.
(1746-1796)
Rns Diendl.
ragst du ein Röselein
Fr. Th. Vischer.
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Und glückte ihm doch, dem Alles
Gelingt, wo Herzen jung,
Hier wird es schlimmsten Falles
Ein Seitensprung.
Dann ziehen beide wieder,
Weil keins die Spur verlor,
Zusammen treu und bieder
Ganz wie zuvor.
Theodor Vulpinut
Unterschiede.
ie Liebste ist hellblond,
Und ich bin brünett, —
Sie wird immer schlanker,
Und ich werde fett.
Sie nascht beim Conditor,
Und ich trink a Bier, —
Ich schiebe gern Kegel,
Und sie spielt Klavier.
Ich mache gern Verse,
Und sie malt in Oel, —
Sie ist oft elegisch,
Und ich bin fidel.
Sie hüllt sich in Seide,
Doch Loden schützt mich, —
Sie schwärmt jetzt für Ibsen,
Für Scheffel bin ich.
Wir sind gar verschieden
In Sitte und Brauch
Sie gleicht mir nur darin:
Kein Geld hat sie auch!
Heinrich Schifter.
La renomm^e.
u bist einfach, du bist häuslich,
Bist in Gottesfurcht erzogen,
Was du sprichst, das hast du weislich
Wohl bedacht und wohl erwogen.
8.
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Du bist sittsam und bescheiden,
Du bist fleissig wie die Biene,
Weisst dich allerliebst zu kleiden
Und hast Schalkheit in der Miene.
Du bist schön gleich einer Rose —
So versichern alle Kenner,
Und hast eine beispiellose
Neigung für bornierte Männer.
H. von Gib*
Was fehlte.
£|ls ich sie sah zum erstenmal,
Erschien sie mir ein Englein:
Zwei weisse Flöglein fehlten blos,
Dazu ein Liliensteng'lein.
Doch als ich sie dann Öfter sah,
Erschien sie mir ein Gänschen —
Zwei weisse Flüglein fehlten blos,
Dazu ein weisses Schwänzchen.
Louii Wolff-Caatel.
Schneeflocke.
u bist eine weisse Flocke,
Ein himmelentsprungenes Kind,
Und wirbelst licht und selig —
Dahin durch Wolken und Wind.
Du bist eine weisse Flocke,
Du stirbst der Flocken Tod:
Nach kurzem Sonnengrusse
In Strassenstaub und Kot
Felix Dörtmmti.
IT
Das deutsche Mädchen.
Jhr, mit Rosen auf den Wangen,
Und die Haare goldgeschmückt I
Euer wunderstolzes Prangen,
Das nur Thoren hochentzückt,
Wert ist's meines Lobes nicht,
Wenn euch teutscher Sinn gebricht
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Hat die Göttin auch des Glückes
Fürstengüter euch beschert,
So, dass demutvollen Blickes
Alt und Jung Verehrung schwört —
Wenn euch teutscher Sinn gebricht,
Acht1 ich aller Schatze nicht
Eure höflichen Geberden,
Eure schöne Redekunst,
Ob sie laut gepriesen werden,
Sind nur Spiel und eitel Dunst,
Und besteh' n, ihr Jungfrau'n, nicht,
Wenn euch teutscher Sinn gebricht.
Käm't auch edeln Stammes wegen
Ihr den Königinnen gleich,
Dennoch wahrhaft überlegen
Bleibt ein teutsches Mädchen euch.
Hoher Stand beliebt uns nicht,
Wo der teutsche Sinn gebricht.
Heinrich Albert
(1604—1639.)
Der erste Kuss,
Vv?ie kommt es, dass ich nichts gespürt
Von jenem Hochgenüsse,
Den jeder Dichter schon besang,
Bei ihrem ersten Kusse?
Wie kommt es, dass mich nicht durchzuckt'
Ein Zittern und ein Beben,
Als sie ihr Lippenpaar gewölbt,
Den ersten Kuss zu geben?
Wie kommt's, dass ich nicht glücklich war.
Als Mund an Mund sich schmiegte?
Das kommt wohl daher, dass den Kuss
Ein — gänzlich andrer kriegte 1
Alexander MoszkowsU
Das Geheimnis.
^eckenröslein, über Nacht
Seid ihr aufgegangen,
Schaut mich freudig an und lacht
Mit verschämten Wangen.
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Ein Geheimnis, wie man spricht,
Wisst ihr zu bewahren;
Heckenröslein, plaudert nicht,
Sollt etwas erfahren.
Still, still,
Ich bin ein thöricht Mädel
Und weiss nicht, was ich will.
Kater, hast dich scheu versteckt,
Hör dich ängstlich schreien.
Dass du von der Milch geleckt,
Will ich heut verzeihen;
Krieche aus dem Winkel vor,
Schrecken aller Ratzen,
Komm, ich sag dir was ins Ohr,
Aber darfst nicht kratzen.
Still, still,
Ich bin ein thöricht Mädel
Und weiss nicht, was ich will.
Schwalbe, komm aus deinem Bau,
Will dir was erzählen,
Aber deiner Schwalbenfrau
Musst du es verhehlen.
Mein Geheimnis würde bald
Aller Welt zu eigen,
Denn die Frauen jung und alt
Wissen nicht zu schweigen.
Still, still,
Ich bin ein thöricht Mädel
Und weiss nicht, was ich will.
Rud. Baumbach.
1^
In der Sommernacht.
J^urch's offne Fenster tanzt ein Blütentraum
Von schwülen Düften her vom Lindenbaum.
Und dann dies Rauschen in dem Garten,
Das leise Atmen, bange Warten
Voll heisser rosendunkler Glut
Nach roter Lippen wildem Blut.
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Mir ist, als läge neben mir ein Weib,
In Liebe zitterte der weisse Leib,
Und aus dem wilden heissen Beben
Verspräche sie ein selig Geben,
Ihr Atem hauchte keusche Gier —
Frau Sehnsucht schläft und seufzt bei mir
Alfred Richard Meyer. .
Frühling.
^^^ie ein Traum von mir zu dir
In der Flüsterlinde;
Wie ein Traum von mir zu dir:
Spatzenlied im Winde.
Wie ein Traum von mir zu dir
Lispeln rings die Quellen;
Wie ein Traum von mir zu dir
In den Blütenzellen.
Und es schwellen Blatt und Bast,
Dürsten in den Zweigen,
Sonne quillt Von Ast zu Ast,
Und die Säfte steigen.
Und das Blut der Scholle rinnt,
Und die Wurzeln saugen;
Und Natur, fast noch ein Kind,
schon mit den Augen.
Der Rosenstrauch.
Jm Wind, den glüh'nder Sonne Hauch
Zur Ero? herabgebracht,
Wiegt sich ein blühender Rosenstrauch
Woilüstiglich zu Nacht.
Im Wind wiegt er sich her und hin
Anmutig, sacht und stumm,
Wie eine schöne Tänzerin
Vor ihrem Publikum.
Alfred Tenier«.
119
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Schusters Töchterlein.
p^ab einen Meister Schuster,
Der macht mir Stiefel gar zu eng,
Sie gehn nit an die Füsse,
Und wenn der Spann zersprang1 1
Ich Bage: »Lieber Meister,
Zu enge muss der Stiefel sein,c —
Er lacht und ruft nur: »Emma,
Tritt ein, mein Töchterlein!«
» — EU, guten Tag, Herr Doktor,«
Sagt sie und schaut mich bittend an;
— O Emma, Emmma, Emmmmmalt
Wuppl ist der rechte dran!
Drauf winkt er Tochter Anna, —
»Gäbt Ihr Euch Müh', Herr Doktor, — ging's!«
— O Anna, liebe Annnal!
Schwupp! sitzt der linke links.
Ich zahle zween Kronen
Und hüpf in wildem Schmerz nach Haus,
Mir will das Herz schier brechen,
Zieh ich die Stiefel aus«
Carl Einsam.
r
Das Schuhdrücken.
Proh sitzen wie die Götter wir,
Bei Vollgenuss und Reben.
Wer uns so sieht, der dächte: hier
Möcht1 ich wohl ewig leben!
Doch unter* n Tisch, mein Freund, geblickt,
Ob hie und da ein Schuh nicht drückt
Die Füsse geh* von A bis Z
Die Reih' hinauf, hinunter,
Ich setze meinen Kopf zur Wert*,
Nicht zweie sind darunter,
Wo, sei es noch so sehr geglückt,
Der eine Schuh nicht etwas drückt
Digitized by Google j
Ob gross, ob klein, ob arm, ob reich,
Ob Wohl-, ob Hochgeboren,
Dem Schicksal ist dies alles gleich, —
Der Mensch ist auserkoren,
Dass, wird er auf die Weit geschickt,
Der Schuh ihn immer etwas drückt
Verschreibe sie dir aus Paris,
Aus London und Manchester,
Der Schuster dennoch Fäitchen Hess, —
Und war's nur eins, mein Bester,
So klein, dass man es kaum erblickt,
Die Zeit kommt doch, wo dich es drückt.
Die Abart selbst vom Schuhe blieb
Hiervon nicht ausgenommen;
Hab* Weibchen oder Mädchen lieb,
Die Zeit wird dennoch kommen,
Wo, ist's dem Schuhe nicht geglückt,
Dich etwas der Pantoffel drückt
Erst dann, wenn man die letzten Schuh'
Uns von den Füssen ziehet,
Hat man vor ihrem Drücken Ruh,
Doch sind wir dann verblühet:
Drum, lieben Freunde, seid beglückt,
Dass alle euch der Schuh noch drückt!
ebt mir ein Mädel und gebt mir ein Geld,
Dann flieh ich hinaus in die tosende Welt
Und wenn die Wälder in Sonne stehn,
Wollen wir leise vorübergehn,
Ganz leise und sacht,
Bis die Mitternacht
Ihre weichen duftenden Hände faltet
Und in den Städten das Leben erkaltet.
Dann singt mir mein Mädel den schönsten Sang,
Der je durch die zitternde Mitternacht klang,
Und drückt mir die lechzenden Lippen zu
JJnd drückt mir die flammenden Augen zu,
Hcinr. Grünig.
(1781-184Ü.)
Ein Künstlerlied.
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So leise und sacht,
Bis der Tag erwacht,
Der uns die schimmernden Blumen breitet
Und sie zur ewigen Sonne leitet.
Adolph Donath.
Lebenslust.
Unschuldige Jugend
Dir sei es bewusst:
Nur Feinde der Tugend
Sind Feinde der Lust!
Denn Tugend und Freude
Sind ewig verwandt;
Es knüpfet sie beide
Ein himmlisches Band!
J. W. L. Gleim.
(171S-1808.)
Arn Teeticsh
j^ie sassen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.
»Die Liebe muss sein platonisch«,
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: »Ach!«
Der Domherr öffnet den Mund weit:
»Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.«
Das Fräulein lispelt: »Wieso?«
Die Gräfin spricht wehmütig:
»Die Liebe ist eine Passion!«
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herrn Baron.
Am Tische war noch ein Plätzchen,
Mein Liebchen, da hast du gefehlt;
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.
Heinrich Heine.
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Der braune Hirtenknab.
ß. «« Im weichen Waldesmoos
Ein junger brauner Hüte,
Der hat ein Mädchen auf dem Schoss,
Weiss wie die Blöt* der Myrte.
Sie trinkt mit ihm aus einem Krug
Die Milch von seinen Ziegen
Und küsst ihn drum nach jedem Zug
Mit Augen voll Vergnügen.
Ich gäbe alles, was ich hab,
Armbänder, Ring und Schleier,
War' ich der braune Hirtenknab'
Und hätr' im Aug* sein Feuer.
Herrn. Gilm.
Eilig.
fjerr Vetter und Frau Base,
Lebt wohl! Ich bin pressiert 1
Es giebt so manche Strasse,
Drauf ich noch nicht marschiert;
Die Welt hat viele Ecken,
Die Namen kenn' ich nur,
Die Eisenbahn hat Strecken,
Die ich noch nie durchfuhr;
Es harren lusr'gc Brüder,
Dass ich die Schenke find1
Ich hab1 viel Schelmenlieder,
Die noch zu singen sind;
Noch giebt's viel harte Schädel,
Die ich verkeilen müsst',
Auch blüht manch rosig Mädel,
Das ich noch nicht geküsst.
Drum macht nicht viele Worte 1
Lebt wohll Ich bin pressiert —
Am Rhein giebt's manche Sorte,
Die ich noch nicht probiert.
Mir winkt auf dieser Erden
Kein Rasten und kein Ruh'n . . ♦
Wie soll ich fertig werden?
Ich hab' xu viel zu thunl
Heinr Schäffer.
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Der Spittelleute Klagelied.
^y^^ir armen Spittelleute,
Was haben wir zu thunl
Wir müssen morgens früh aufstehn,
Und wenn wir das Gebet gesprochen,
Zwei Eimer Wasser holen gehn
Und unsre Morgensuppe kochen*
Wir armen Spittelleute,
Was haben wir zu thunl
Dann müssen wir um halber zehn
An unser Tagewerk gleich schreiten,
Und wied'rum an dem Herde stehn
Und unser Mittagsmahl bereiten.
Wir armen Spittelleute,
Was haben wir zu thunl
Kaum ist das Mahl genommen ein,
Kaum kann man sich des Schlafs erwehren,
Gleich muss man wieder munter sein.
Das Vesperbrötchen zu verzehren.
Wir armen Spittelleute,
Was haben wir zu thunl
Ist nun auch endlich das geschehn,
So wird es Abend unterdessen;
Wir möchten gern zu Bette gehn,
Und müssen noch zu Nacht erst essen.
Wir armen Spittelleute,
Was haben wir zu thunl
Gottlob, bald endigt sich die Notl
So denkt man wohl, o ja — mit nichtenl
Wir müssen nach dem Abendbrot
Erst unsre Andacht noch verrichten.
Wir armen Spittelleute,
Was haben wir zu thunl
Nun ist es doch zum Ausruhn Zeitl
O neinl wir dürfen noch nicht schlafen;
Der Spittelmeister lärmt und schreit:
Erst reinigt Teiler, Krug und Hafen!
Hcinr. Hoffmann tob Fallersleben.
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■
Mahnung.
icht wie der Tor, den man weise genannt,
Birg in der Tonne
Dich vor der Welt :
Lassv von der Sonne
Das Herz dir bescheinen,
Bleibe den Reinen
Fröhlich gesellt!
Schöpf aus des Lebens ureigenstem Quell
Reichlicher Lehren
Frischesten Trank;
Denn die Chimären,
Die schwächlichen Grillen,
Lähmen den Willen,
Machen dich krank.
Weisst du, was auch noch im Alter dir hilft,
Hilft zu der Jugend
Feurigem Schwung?
Übe die Tugend
Des Liebens im Busen
Und an den Musen
Küsse dich jung!
Justus Frey.
(1799 1878;
Seladons Rrmut,
(Gekürzt.)
Plora, meines Lebens Leben,
Sieh doch nicht auf Glanz und Pracht,
Deren keines mir gegeben,
Deren Lob bei mir verlacht:
Mir geliebt ein treuer Sinn
Und was ich wohl selber bin.
Trag ich schon nicht neue Kleider,
Ei, so mahnet mich auch nicht
Weder Schuster, weder Schneider,
Wie wohl manchem oft geschieht:
Hab ich keinen guten Hut,
So ist das darunter gut)
Georg Greilinger,
(t 1677.)
136
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Wenn die Vöglein sich gepaart.
enn die Vöglein sich gepaart,
Dürfen sie gleich nisten,
Ohne Sorg', auf welche Art
Sie sich werden fristen.
Ach, dass auch der Menschen zwei
Also könnten wohnen
Wie die Vöglein frank und frei
In den Laubeskronen 1
Brauchte mit der Liebsten ja
Nur ein kleines Nestchen,
Doch kein Nahrungszweig ist nah,
Der mir böt ein Aestchen.
Fr. RUckert
Die Ehre hüte allezeit!
(Aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt von
J. Leusser.)
j^ie Ehre hüte allezeit !
Die Armut lässt sich wenden;
Doch wer verlor der Ehre Kleid,
Dem kann man's nimmer spenden.
Mag er sich müh'n mit aller Kraft,
Sie wird ihm nimmer werden:
Die Ehre und die Jungfernschaft
Blüh'n einmal nur auf Erden.
(Von einem unbekannten Minnesänger.)
Lied eines fahrenden Schülers.
£Jerr Schmied, Herr Schmied, beschlagt mir mein Rössletn,
Und habt nVs beschlagen, so macht mir ein Schlösslein,
Ein Schlösslein so fest und ein Schlösslein so fein,
Und muss bei dem Schlösslein ein Schlüssel auch sein.
]»
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Das Schlösslein, das will ich vor*s Herze mir legen,
Und habJ ich's verschlossen mit Kreuz und mit Segen,
So werf in den See ich den Schlüssel hinein,
Darf nimmer ein Wort mehr heraus noch herein.
Denn wer eine selige Liebe will tragen,
Der darf es den alten Jungfern nicht sagen:
Die Dornen, die Disteln, die stechen gar sehr,
Doch stechen die Altjungfernzungen noch mehr.
Sie tragen* s zur Bas' hin und zur Frau Gevattern,
Bis dass es die Gans' auf dem Markte beschnattern,
Bis dass es der Entrich bered't auf dem See,
Und der Kukuk im Walde, und das thut doch weh.
Und war ich der Herrgott, so liess ich auf Erden
Zu Domen und Disteln die Klatschzungen werden;
Da fräss' sie der Esel und hatr's keine Not,
Und weinte mein Schatz sich die Augen nicht rot«
Emanucl Gcib«L
Krähenlied,
j^rei Krähen fliegen übers Feld —
Sie kreischen, dass es weithin gellt:
Kra — kra — kral
Mit seinem Schätzchen lieb und traut
Sitzt wohlig sich's im Heidekraut,
Der Himmel ist uns nah —
Kra — kra — kral
*
Drei Krähen fliegen übers Feld —
Was kümmert uns die ganze Welt?
Kra — kra — kral
Wenn das, o Kind, die Mutter wüssr*,
Dass du den Burschen hast geküsst,
Als er ins Aug* dir sah. —
Kra — kra — kral
Drei Krähen fliegen übers Feld,
Die Liebe selten Treue hält —
Kra — kra — kral
Die eine sprach: Hier ist der Ort;
Die zweite rief: Der Bursch ist fort;
Die dritte machte: kra —
Gevatter Storch ist dal
Richard Zoozmann.
IC
127
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Brennende Liebe.
J^u braune Schöne, deren Haut
Von Tropenglut geröstet,
Wie viel hab' ich dir anvertraut,
Wie hast du mich getröstet 1
Wenn ich dir heimlich — sel'ge Stund1 1
Den Gürtel abgerissen,
Wie hingst du heiss an meinem Mund
Zu schweigendem Geniessen.
Wie weich und warm dein Atem flog . .
Dein Wuchs schlank, ohne Fehle • . •
Mit nie gestilltem Durste sog
Ich mich in deine Seele.
Ein Duft des braunen Körpers schlich
Sich schmeichelnd durch die Räume;
Auf weissen Wölkchen wiegte sich
Der Genius meiner Traume.
Nun hat der Feinde blutig Heer
Die Heimat dir genommen,
Und du wirst nimmer übers Meer
Zu deinem Freunde kommen.
Der Traum von manchem Dämmertag
Liegt kalt und grau in Asche,
Und nur dein schlechtes Abbild trag
Ich seufzend in der Tasche.
Ach, schilt mir nicht die Unmoral,
Wenn laut mein Schmerz verkündigt,
Wie wir zwei Beide manchesmal
Im Kämmerlein gesündigt,
Wie oft ich vorzog deine Näh'
Dem Nektar selbst und Manna,
Du schlanke, braune — Henry Clay,
Du Tochter der Havannal
Rudolf PresUet
TT
128
Digitiz
Die Vielgeliebte
feiner Vielgeliebten gleich
Ist kein Madchen in dem Reich;
Eine bessre Beute
Macht kein Fürst; drum trag ich sie
Auf den Händen, lasse nie
Sie von meiner Seite.
Früh, eh noch der Morgen graut,
Hängt die Liebliche vertraut
Schon an meinem Munde;
O wie brennt sie heiss für mich!
Wer ist froher dann als ich
Auf dem Erdenrunde?
Dieses süsse Lippenspiel
Wird mir nimmermehr zu viel;
Und in langen Zügen
Schlürf ich gierig manche Stund*
Aus dem schön geformten Mund
Labung und Vergnügen.
Manches Silberkettchen wand
Meine pflegerische Hand,
Manches Band von Seiden
Um den schönen Hals; es muss,
Wer sie sieht, mir den Genuss
Dieser Holden neiden.
Schwirrt der Sorgen düstrer Schwann
Mir vor Augen, drückt der Harm
Meine Seele nieder:
O dann fühl1 ich ihren Wert;
Denn aus ihrem Munde kehrt
Ruh und Friede wieder.
Abends bei dem Mondenschein
Lieg1 ich oft mit ihr allein
Hingestreckt im Grase;
Manches Mädchen, jung und schön,
Rümpft dann im Vorübergehn
lieber sie die Nase.
-
129
Mancher reiche Muselmann
Schafft sich deren viele an,
Liebt sie alle treue.
Wird von einer heut beseelt,
Und am andern Morgen wählt
Er sich eine neue.
Lass, o Schicksal, sie mir nur!
Sie ist mir von der Natur
Eine süsse Gabe.
Feste, Gunst der grossen Herr'n,
Tanz und Spiel verlass ich gern,
Wenn ich sie nur habe.
Wenn man schmählich von ihr spricht,
Thu ich, als bemerkt' ich's nicht,
Ob ich's gleich begreife;
Mag sie auch verschmähet sein,
Sie bleibt dennoch immer mein: —
Meine Tabakspfeifet
Von einem Ungenannten (Ende d. 18. Jahrb.).
rossmutter rühr zum Schlot hinaus;
Wie spornte 6ie ihren Besen!
Nun treibt allein im dunkeln Haus
Das schlimmere Hexlein sein Wesen.
Sie sitzt an des Herdes züngelnder Glut
Und plaudert mit ihren Raben,
In goldiger Ringellocken Flut
Das Rosengesicht vergraben.
Dem Büttel hat sie es angetban,
Den Richter hat sie gefangen,
Behext den Küster und den Kaplan;
Nun trägt sie nach mir Verlangen.
O Mädel, lass ab; ich rate dir gut,
Lass ab, mich zu bethören;
Sonst brech ich den lachenden Uebermut;
Auch ich kann Zauber beschwören.
Die Hexe.
130
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Ich kenne Sprüche, davon dein Herz
In seinen Tiefen sich wendet,
Davon, was du begonnen im Scherz,
In bitf ren Schmerzen sich endet
Ich weiss Gesänge, deren Kraft
Wirft dich zu meinen Füssen;
Dann musst du mit Thränen der Leidenschaft
Das Lächeln der Lüge büssen.
A. Fitger«
-
Gustchen.
Jch schwör* cuVs, Herzenskönigin,
Bei meinem Bart,
Dass durch und durch ich Kenner bin
Von seltner Art
Nicht ohne trift'ge Gründe schneid*
Ich dir die Cour,
Denn manche schöne Einzelheit
Gab dir Natur.
Vor deinem Wuchs und Augenpaar
Macht jeder Front,
Und was betrifft dein Rabenhaar,
So ist es blond.
Doch was besonders mich entzückt
Gar wunderbar,
Das ist: Mit Grübchen ist geschmückt
Dein Wangenpaar.
Nun bitt* ich dich, wenn dies ich mir
Erlauben darf:
Mit diesen Grübchen kokettier*
Nicht gar so scharf!
Schon manches Mädchen hat's erlebt
Zu grosser Pein:
Wer andern solche Grübchen gräbt,
Fällt selbst hinein!
Tulius Stetten heim.
ff
4
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Hering und Rüster.
2 in Hering liebt* eine Auster
Im kühlen Meeresgrund,
Es war sein Dichten und Trachten
Ein Kuss von ihrem Mund.
Die Auster, die war spröde,
Sie blieb in ihrem Haus;
Ob der Hering sang und seufzte:
Sie schaute nicht heraus.
Nur eines Tags erschloss sich
Ihr duftig Schalenpaar,
Sie wollt* im Meeresspiegel
Beschau'n ihr Antlitz klar.
Der Hering kam geschwommen,
Steckt* seinen Kopf herein,
Und dacht1: an einem Kusse
In Ehren sich zu freu'n.
O Harting, armer Harung,
Wie schwer bist du blamiert; —
Sie schloss in Wut die Schalen,
Da war er guillotiniert.
Jetzt schwamm sein toter Leichnam
Wehmütig im grünen Meer
Und dacht: »In meinem Leben
Lieb1 ich keine Auster mehrlc
J. V. ▼« Schafft!.
Im Vorübergehn.
ßs hing eine Blüte am Baum,
So lose, so leise 1
Es kam der Wind und streifte sie kaum
Und nahm sie mit auf die Reise.
Dir hing ein Kuss am Mund,
Ich nahm ihn vermessen.
Er wurzelte in keinem Grund,
Wirst ihn wie ich vergessen I
Em il Claar
132
Wie lieb' ich es, wenn ich im Wagen.
ie lieb' ich es, wenn ich im Wagen
Allein, ihr Halstuch umgeschlagen,
Im Mund die glimmende Zigarre,
Auf meine späte Freundin harre.
Es träumt sich hübsch in diesen Kissen,
Die auch von ihren Träumen wissen,
Hübsch schaukelt's sich auf diesen Federn,
In Seidenpolstern, Juchtenledern.
Zuweilen weht, vom Wind getragen,
Musik herunter in den Wagen,
Zuweilen hau'n der Rappen Hufe
Auf des Palastes breite Stufe.
Und wenn sie kommt, schon auf der Treppe
Erkenn' ich an der Hast die Schleppe,
Die Stimme, die, noch fern der Schwelle,
Wegschickt der Fackeln falsche Helle.
Den Tritt herab! Mit einem Satze
Mir an den Hals, die Tigerkatze!
Den Mantel fort! Mit süssem Zwange
Mir um den Leib, die Königsschlange.
Wie glüh'n vom Tanz ihr Stirn und Backen,
Wie marmorähnlich perlt ihr Nacken,
Wie fliegt ihr Atem, wie im Dunkeln
Die weissen Augen auf mir funkeln!
So durch der Strassen lichte Zeile
Hinauf, hinab mit Windeseile,
So in die Nacht, die mondenhelle,
Hinein, hinaus mit Zauberschnelle!
Wahrhaftig, mir ist oft zu Sinn,
Als führ' ich durch ein Märchen hin;
Sie selbst, in Tränen und in Scherzen,
Liegt mir, ein Rätsel, auf dem Herzen.
Frau* ▼ Dittelstedt.
133
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Der Herr von Ueberall.
bist der Herr von Ueberall,
Wo Lichterglanz zu schauen,
Bei jedem Fest, auf jedem Ball,
Im Hause schöner Frauen.
Das ist der Titel, reich an Hohn,
Den mir die Leute schenken;
Doch Menschenkenner dürften schon
Gerechter mein gedenken.
Du bist der Herr von Nirgendrast,
So mfissten sie wohl sagen
Zu mir, dem ruhelosen Gast,
Dem's nirgends will behagen;
Der ewig zwischen Jagd und Flucht
Im Sonnenschein des Lebens
Nach einer einz'gen Freude sucht —
Und immerfort vergebens 1
s. FritJ.
Abgeblitzt.
as Weiblein spricht in Gnaden:
»Vielliebes Männchen du,
Ach, kauf mir dort im Laden
Die süssen, kleinen Schuh'!
Mit blitzenden Agraffen,
Höchst elegant im Bau,
Sind sie so recht geschaffen
Für deine kleine Fraul« —
Da lacht der Mann verfänglich:
»Bei deiner Schneiderin
Die Rechnung war sehr länglich;
Da schmilzt das Geld dahin 1
Weshalb denn viel verschwenden
Für solche lütje Fru?
Ich trag* sie auf den Händen,
Drum braucht sie keine SchuhU
Heiur. Schäffcr.
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Soldaten kommen.
^Jörner und Pfeifen hab' ich vernommen, —
Mutter, nimms Brod weg, Soldaten kommen!
Frieden und Ruh verscheucht ihre Näh',
Bringt unserm Städtchen nur Ach und Weh.
Schlugen die Feinde sie unaufhaltsam,
Sind sie auch gegen die Freunde gewaltsam,
Denken, alles rings auf der Welt
Wäre ihr eigen, wenn's ihnen gefällt.
Hörner und Pfeifen hab' ich vernommen, —
Mädel, nimms Herz weg, Soldaten kommen!
Gehen so stolz in der Waffen Schmuck,
Werben mit Kuss und mit Händedruck;
Wissen zu rühren und zu verführen,
Schmeicheln mit tausend Liebesschwüren.
Weh* dir, wenn du dem Schmeichler getraut,
Wirst du sein Schatz, aber nie seine Braut.
Hörner und Pfeifen hab* ich vernommen, —
Fort mit den Jungen, Soldaten kommen I
Schauen die Alten schon freudig darein,
Ach, unsre Jungen verlocket der Schein!
Seht, wie sie laufen und wie sie gaffen,
Wie sie sich freu'n an den blitzenden Waffen!
Mädel, dein Bräutigam, Mutter, dein Sohn,
Mit den Soldaten zieht er davon.
/ju Oldenburg im Tor,
Da steh ich auf der Wacht.
Schau rechts und links und vor
Und hab' auf alles acht.
Major und Kommandant
Und Hauptmann noch viel mehr
Sind mir von fern bekannt;
Schnell greif* ich ans Gewehr.
Und kommt mit Saus und Braus
Der Grossherzog heran,
So schrei ich gleich: Heraus!
Und zieh die Flinte an.
Alexis Aar.
Selbstbeherrschung.
135
Gern rief ich, geht mein Schatz
Vorüber, auch: Heraus I
Sie spitzt den Mund zum Schmatz;
Ich — schaue grade aus.
Sie knüpft am Schuh das Band
Und tut nicht sehr pressiert;
Ich — rühre nicht die Hand:
Mein Herz nur präsentiert.
Karl Aug. Mayer.
Der Ichthyosaurus.
2»s rauscht in den Schachtelhalmen,
Verdächtig leuchtet das Meer,
Da schwimmt mit Thränen im Auge
Ein Ichthyosaurus daher.
Ihn jammert der Zeiten Verderbnis,
Denn ein sehr bedenklicher Ton
War neuerlich eingerissen
In der Lias-Formation.
»Der Plesiosaurus, der alte,
Er jubelt in Saus und Braus,
Der Pterodactylus selber
Flog neulieb betrunken nach Haus
»Der Iguanodon, der Lümmel,
Wird frecher zu jeglicher Frist,
Schon hat er am hellen Tage
Die Ichthyosaura geküsst.
»Mir ahnt eine Weltkatastrophe j
So kann es ja länger nicht gehnl
Was soll aus dem Lias noch werden,
Wenn solche Dinge geschehn?«
So klagte der Ichthyosaurus,
Da ward es ihm kreidig zu Mut;
Sein letzter Seufzer verhallte
Im Qualmen und Zischen der Flut.
Digitiz
Es starb zu derselbigen Stunde
Die ganze Saurierei —
Sie kamen zu tief in die Kreide,
Da war es natürlich vorbei.
Und der uns hat gesungen
Dies petrefactische Lied,
Der fand's als fossiles Albumblatt
Auf einem Koprolith.
Victor t. Sch«ffeL
Studententraum.
£V^ir träumt', ich harr* einen Onkel
In Süd-Amerika,
Der wäre als reicher Kaufherr
Gestorben am Podagra.
Auf seinem Totenbette,
Da hätr1 er röchelnd gesagt:
»Ihr Herren, 's ist alles eitel,
Darum man sich schindet und plagt.
»Ich habe Millionen gesammelt
Und muss nun doch hinweg;
So will ich mein Geld denn vermachen
Für einen milden Zweck!
»Ich hab1 einen lieben Neffen
Im durstigen deutschen Land:
Dem sei mein grosses Vermögen
Grossmütiglich zugewandte
Doch härt* er eine Klausel
Voll frommen Sinns erdacht:
Ich müsste das Geld verzechen
In einer einzigen Nacht.
Mit glühend durstiger Kehle
Wacht1 ich vom Schlummer auf:
Ach, lebtest du, guter Onkel,
Und stürbst auch gleich darauf!
Ataris Aar.
137
Das Krokodil zu Singapur.
Jm heil' gen Teich zu Singapur
Da liegt ein altes Krokodil
Von äusserst grämlicher Natur
Und kaut an einem Lotosstiel.
Es ist ganz alt und völlig blind,
Und wenn es einmal friert des Nachts,
So weint es wie ein kleines Kind,
Doch wenn ein schöner Tag ist, lacht* s.
Hermana Lingg .
Bacchus.
Jch habe den Vater der Lieder,
Den freundlichen Bacchus gesehn.
Steh! rief er und taumelte nieder;
Der Wankende konnte nicht stehn.
Ich reichf ihm die helfenden Hände:
Ach, aber, wie war er so schwer!
Ich fiel, und da sagt' er, er fände,
Ich sei noch berauschter als er.
Der boshafte Vater der Wahrheit
Betrog sich für diesmal gewiss.
Ich sah ja mit völliger Klarheit,
Dass er nur zu Boden mich riss.
Doch, um ihn nicht Lügen zu strafen,
Und weil er sich selten betrügt:
Bin ich gleich gefallig entschlafen, —
Und eben erwach ich vergnügt 1
Johann« Charlotte Unzer.
(1723—178«.)
Das Heilserum.
(J^un ist besiegt der Menschheit Leid!
Ein Serum ward geschaffen,
Das gegen Spitz und Kater feit,
Unmöglich macht die Affen.
Es ist Bacili-Anti-Toxin
Und heisst mit Namen »Katerlin.c
O jerum, jerum, jerum,
Hoch leb* das neue Serum t
12«
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Durch Impfung oder Injection
Ward es versucht an Tieren
Triumphl Beim ersten Male schon
Liess Wirkung sich verspüren.
Ein älterer Karnickelbock
Trank schadlos 20 Gläser Grog.
O jerum, jerum, jerum.
Welch wunderbares Serum.
Und ein Kanarienvogel trank
Zehn Flaschen Assmannshäuser,
Blieb gänzlich nüchtern — Gott sei Dank —
Und sang nicht einmal leiser.
So weit war er noch bei Verstand,
Dass er den Heimweg selber fand.
O jerum, jerum, jerum 1
Das nennt man doch ein Serum!
An Menschen ward versucht alsdann
Der neue Heil-Artikel.
Sich selbst bot an manch durstfger Mann
Gern als Versuchs-Karnickel.
Ein Schreiberlein getrunken hat
Den ganzen Biervorrat der Stadt
O jerum, jerum, jerum 1
Hoch leb' das neue Serum!
Ist jetzt geimpft der Ehemann,
So kann ihm nichts passieren,
Weil nie sein Weib taxieren kann,
Was er verknackt an Bieren.
Kommt er nach Hause noch so spat,
Sein Schritt bleibt fest, die Haltung grad\
O jerum, jerum, jerum!
Hoch leb* das neue Serum!
»
Wie ist jetzt morgens frisch und klar
Der brave Forstverwalter,
Und beim Termin der Referendar,
Der Postmann auch am Schalter,
Der Lehrer ist verkatert nie,
Wie sonst gar oft am Montag früh.
O jerum, jerum, jerum!
Heü HeÜ Heil Heil Heil-Serum!
1*9
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Was ist C4 Ht 0#
In schnapsgefüllter Tonne,
Was ist das feurigste Gewächs
Aus heisser Tropensonne?
Gott Bacchus kann uns nichts mehr thun.
Trink, Bruder, trink, wir sind immun 1
O jerum, jerum, jerumt
Hoch leb das neue Serum I
Jonas.
(Aus «bor alt-Mtrmch« Keiliobr*.)
Im schwarzen Walfisch zu Ascaion
Da trank ein Mann drei Tag,
Bis dass er steif wie ein Besenstiel
Am Marmortische lag.
Im schwarzen Walfisch zu Ascaion
Da sprach der Wirt: »Halt anl
Der trinkt von meinem Bactrer-Schnaps
Mehr als er zahlen kann.«
Im schwarzen Walfisch zu Ascaion
Da bracht* der Kellner Schar
In Keilscüfift auf sechs Ziegelstein'n
Dem Gast die Rechnung dar.
Im schwarzen Walfisch zu Ascaion
Da sprach der Gast: »O wehl
Mein bares Geld ging alles drauf
lia Lamm zu Ninivehl«
Im schwarzen Walfisch zu Ascaion
Da schlug die Uhr halb vier,
Da warf der Hausknecht aus Nubierland
Den Fremden vor die Thür.
Im schwarzen Walfisch zu Ascaion
Wird kein Prophet geehrt,
Und wer vergnügt dort leben will,
Zahlt bar, was er verzehrt
Victor t. Schcffd
Digitiz
TANZLIEDER.
Vom Tanz.
Er.
Jch hasse das müssig verdriessliche Sitzen,
Und liebe das Singen und Springen zu nutzen
Für meinen Gewinn.
Sie.
Da trinken die Männer nach ihrem Belieben;
Wir wollen im Frühling im Tanzen uns üben
Mit fröhlichem Sinn.
Er.
So zieret und rühret die lieblichen Saiten,
Und lebet erfreulich in mailichen Zeiten 1
Die Jugend entflieht
Sie.
So klinget und springet mit Lachen und Scherzen;
Wir folgen zum Tanze den künstlichen Terzen,
Mit Willen bemüht.
Er.
Lasst schnarren Guitarren, und Geigen nicht schweigen!
Wir wollen den Schönen in Tönen bezeugen:
Wir beten sie an.
Sie.
Wir hüpfen und schlüpfen, wir singen und springen,
Wir wollen das Drehen wie Feen vollbringen.
Uns folge, wer kannl
Johann Wilhelm von Stubenberg.
(1631-1688.)
f
Ml
Digitiz
Tanzliedchen.
Qar sehr lieblich kommt der Maien,
Angethan das Blumenkleid,
Weisse Blüten lasst er schneien;
Eil zum lieben und zum freien
Ist es jetzt die schönste Zeit
Lasst uns drum den Reihen schlingen
Und die flinken Füsse schwingen,
Lasst mit Singen
Und mit Klingen
Unsern Gruss dem Lenze bringen 1 —
Reiche die Hand nun dem Burschen, mein Kindchen,
Kehr' dich nicht, wehr* dich nicht, zieh' nicht das
Mündchen,
Tanze und hüpfe zur mailichen Zeitl
Gar sehr lieblich bist du, Kleine,
Der entgegentanzt mein Herz;
Heb' das Röckchen, denn auf deine
Zartgeformten schlanken Beine
Kannst du stolz sein allerwärts.
Lass mich denn mit dir mich schwingen,
Lass die kleinen Füsschen springen,
Lass mit Singen
Und mit Klingen
Unsre Lust dem Lenze bringen.
Reich' mir dein Händchen, du niedliches Kindchen,
Lach' mit dem roten, dem kirschroten Mündchen,
Komm1 an die Brust mir, und komm' an mein Herz!
Gar sehr lieblich ist's, zu Zweien
In der blauen Mondespracht
Still zu freuen sich des Maien,
Wenn die Sternlein ihren Reihen
Leuchtend ziehen, glutentfacht.
Da die Sterne nun sich schwingen,
Sollst du, Liebchen, nicht mehr springen,
Sollst mit Singen
Und mit Klingen
Mir dein hüpfend Herzchen bringen.
Reich' mir dein Händchen, du reizendes Kindchen,
Reich mir dein quellendes, schwellendes Mündchen —
O du vielglänzende, lenzende Nacht l
Rieh. Zoozinann
«r
W2
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Kirchweih auf dem Dorf.
J^s mögen die gelehrten Aefflein klagen,
Ich sei ein Thor, den Liebesgrillen plagen,
Wohlan, so will ich meine Thorheit tragen
Und nichts nach aller Aefflein Weisheit fragen.
Fiedeldibum.
Eis mögen überfromme Weiblein flennen
Ob meiner Sünden, zahllos, nicht zu nennen
Vor keuschen Ohren, so vor Tugend brennen:
Niemals seht ihr mich in den Beichtstuhl rennen.
WäV mir zu dumm!
In unbussfertiger Thorheit will ich leben
Und lachend aller Reue mich begeben:
Nur du allein sollst mich gen Himmel heben
Und um den Sünder Gnadenschleier weben
In seligem Liebestanz.
Mädele, kumm! Fiedeldibum.
Michael Georg Conrad.
Dideldum.
ie Geigen spielen dideldumdum,
Dideldumdumdundeie,
Die Paare drehen im Kreis sich um,
Dideldumdumdundeie.
Es juchzt der Bursche, es lacht die Dirn1.
Eia, wie lustig ist heut1 die Kirml
Dideldumdum, dideldumdum,
Dideldumdumdundeie.
Die Bursche sind stattliche Leute all,
Dideldumdumdundeie,
Den Dirnen, den steht das Mieder drall,
Dideldumdumdundeie.
Sie halten und wiegen sich Arm in Arm,
Sie drücken und küssen und herzen sich warm.
Dideldumdum, dideldumdum,
Dideldumdumdundeie.
148
Digiti.
Und rascher geht es dideldumdum,
Dideldumdumdundeie,
Der Wein, der geht in den Köpfen um,
Dideldumdumdundeie«
Ihr Bursche und Dirnen mit jungem Blut,
Das Tanzen und Küssen, es thut nicht gut
Dideldumdum, dideldumdum,
Dideldumdumdundeie.
Fricdr« Hindersin.
Der Tanz.
flatternde Röcke und wogende Brüste,
Mühsam verborgene freche Gelüste,
In den Augen ein fiebernder Glanz:
Heissa hurra, das ist der Tanz!
Tolles Gemenge von dampfenden Leibern,
Weiber an Männern, Männer an Weibern,
Röchelndes Schnaufen, süsses Gestöhn',
Bänder und Schleifen winken und weh'n;
Und aus dem schweissbedeckten Getriebe
Schreit es so grell und brünstig nach Liebe.
Mitten im stampfenden, brausenden Tosen
Aechzen welke, zertretene Rosen
Aus dem zerfetzten, modrigen Kranz.
Heissa hurra, das ist der Tanz!
Leo Heller.
Rufforderung,
fjörst du nicht singen sie, fiedeln und schreien?
Willst du nicht springen wie ich in die Reihen?
O du, mein Mädchen schön, lass doch dein Rädchen stehn,
Lass doch dein Fädchendrehn, tanze mit mirl
144
Digitized by Google!
Aufwärts die Reih* geschwind, abwärts dann munter
Tanzen wir zwei, mein Kind, auf und hinunter;
Wenn dann ermatten wir, wirst du verstatten mir,
Dass ich im Schatten hier ruhe bei dir.
Dann unterm Fliederstrauch raub' ich, mein Schätzend.
Straubst du dich schüchtern auch, sicher ein Schmätzchc u.
Doch ohne Fährlichkeit, fern von Begehrlichkeit,
Alles mit Ehrlichkeit, wie sich's gebührt.
Lebrecht Dreves
Tanzlied.
p^linget der Flöten süsser Klang
Hell durch die Abendkühle,
Schwinget sich rasch das Thal entlang
Lustiges Tanzge wühle:
Eine nur ist's von allen hier,
Welche mein Herz kann rühren,
Meine nur ist's 1 sie winket mir,
Rasch sie zum Tanz zu führen!
Heftiger wirbeln der Schalmei'n
Schmetternde Jubellieder,
Kräftiger schliesst mein Arm sie ein,
Fest um das volle Mieder!
Sprühende Blicke locken, droh'n,
Suchen zugleich und meiden,
Glühende Küsse schweben schon
Heiss um den Mund uns Beiden.
Flimmernde Aeuglein, süss und weh,
Brennet mich fast zu Kohlen!
Schimmernde Brüstlein, weiss wie Schnee,
Habt mir das Herz gestohlen!
Prächtiger strahlt die Sonne nicht
Hoch an dem Himmelsbogen,
Mächtiger hat des Mondes Licht
Nimmer mich angezogen!
Staunende Blicke rings im Kreis!
Jünglinge schauen lüstern,
Raunende Dirnen, laut und leis',
Horch, wie sie stehen und flüstern I
Digitized by Google
Fasse du fest und halte mich,
Zärtlicher mich umschlungen,
Lasse die Wehl was kümmern dich
Neidische Lästerzungen?
Siehe, hier hält uns, plötzlich hier
Hält uns der Wald umfangen:
Fliehe mir nicht! Nicht wehre mir
Busen und Mund und Wangen!
Ferne nur hör* ich durch die Nacht
Leise Musik noch hallen,
Sterne nur über uns und sacht
Girrende Nachtigallen!
IL K. Pruts.
Tanzlied.
^)es Goldbauern Hiesel,
Dem ging es recht schlecht,
Er liebte die Liesel,
Die Liesel den Knecht.
Des Goldbauern Hiesel
Hatr* Thaler, die echt;
Er gab sie der Liesel,
Sie gab sie dem Knecht
Des Goldbauern Hiesel
Sagt, dass er sie möcht';
Da lachte die Liesel
Und küsste den Knecht
Des Goldbauern Hiesel
Hat alles verzecht,
Da Hess ihn die Liesel
Und ging zu dem Knecht
Des Goldbauern Hiesel
Ward dennoch gerächt;
So wie ihn die Liesel,
Verriet sie der Knecht
Hcinr. Leuthold.
146
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Dörpertanzweise.
en Finken des Waldes
Die Nachtigall ruft:
Vom Geigenstrich hallt es
Goldrein durch die Luft.
Ihr Zwitschrer, ihr Schreier,
Spart nur den Diskant,
Der Heini von Steyer
Ist wieder im Land.
Flickschuster in Gaden
Schwingt's Käppiein und spricht:
Der Himmel in Gnaden
Vergiss unsrer nicht.
Sohlleder wird teuer,
Bundschuh platzt am Rand,
Der Heini von Steyer
Ist wieder im Land.
Schon schwirren zur Linde,
Berückt und entzuckt,
Die lieblichen Kinder
Mit Kränzen geschmückt
Wo säumen die Freier,
Manch Herz steht im Brand,
Der Heini etc.
Der aber hebt schweigend
Die Fiedel zur Brust,
Halb brütend, halb geigend
Des Volks unbewusst.
Leis knisternd strömt Feuer
Um Saiten und Hand,
Der Heini etc.
Im Gärt lein der Nonnen
Auf blumiger Höh*
Lehnt eine am Bronnen
Und weint in den Klee.
O Gürtel, o Schleier,
O schwarzes Gewand,
Der Heini etc.
J. V. SchcffcL
ja*
147
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Tanzlied.
un wind* um deine Stirne
Den vollen Rosenkranz I
Nun schürz* dich, blanke Dirne,
Und komm' mit mir zum Tanz!
Der Mond grüsst durch die Zweige,
Die Linde schauert sacht;
Da singt und klingt die Geige
Hell jauchzend durch die Nacht.
Da springen wir den Reihen
In lustig - tollem Schritt:
Es hüpft vor Lust uns zweien
Das Herz im Takte mit.
Albert Sergel.
Galopp.
§onder Rasten
In das Hasten!
Alle Lasten
Wirf beiseitl
Bald verronnen
Ist der Bronnen
Holder Wonnen —
Brauch' die Zeit!
Wie sich
Der Minuten
Tolle Fluten
Ohne Ruh:
Nach den Spenden,
Die sie senden
Deinen Händen,
Greife zul
Nicht Besinnen
Wird's gewinnen;
Rasch Beginnen
Führt's hinaus —
Drum in's Jagen
Ohne Zagen 1
Lass dich tragen
Vom Gebraus 1
Friedrich Adler.
IT
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Bauerntanz.
Hans und <3rei
^Jacht Platz meinem Schatz
Und mir, ihr LeutM
's ist Kirmess im Dorf und Hochzeit heut
Da kommen die Mädel aus ihren Stub'n,
Da singen und springen die lustigen Bub'n:
Wille, walle, lustig alle,
Alle, alle, wille, walle l
Macht Platz meinem Schatz
Und mir, ihr LeutM
Wir zwei sind im Dorf die ersten heut!
Mein Schatz ist geputzt wie eine Prinzess,
Und ich hab' den Kopf voll lustiger Späss':
Wille, walle, lustig alle,
Alle, alle, wille, walle I
Macht Platz meinem Schatz
Und mir, ihr LeutM
Uns hat unser Liebsein noch niemals gereut
Wir zwei sind wie eins, wie eins sind wir zwei,
Und der Pfarrer sagt auch, dass es richtig so sei:
Wille, walle, lustig alle,
Alle, alle, wille, walle!
Macht Platz meinem Schatz
Und mir, ihr LeutM
Musikanten spielt auf! 's ist Kirmess heut!
Dem schmucken Gretel sein lustiger Hans
Will tanzen zuerst einen Extratanz:
Wille, walle, lustig alle,
Alle, alle, wille, wallet
Macht Platz meinem Schatz
Und mir, ihr Leur* !
's ist Kirmess im Dorf und Hochzeit heut!
Ihr Mädel, was soll das Gered und Geschau?
Die Grer/ hat 'nen Mann und der Hans eine Frau:
Wille, walle, lustig alle,
Alle, alle, wille, walle!
Theodor Vulpinut.
Reigen.
§agt mir an, was schmunzelt ihr?
Schiebt ihr's auf das Kirmessbier,
Dass ich so vor Freude krähe
Dnd auf einem Bein mich drehe?
Schurken um und uml
Kommt die schmucke Binderin
Euch denn garnicht in den Sinn,
Die mich wirft mit Haselnüssen
Und dann schreit: Ich will nicht küssen!
Nun so schert euch zum • .1
Diesen Strauss und diesen Ring
Schenkte mir das kleine Ding!
Seht, sie horcht! Komm1 her, mein Engel!
Tanz' einmal mit deinem Bengell
Dudeldidel dum!
Fiedler, fiedelt nicht so lahm;
Wir sind Braut und Bräutigam 1
Fiedelt irisch; ich mach' es richtig!
Und bestreicht den Bogen tüchtig
Mit Kalfonium!
Polisch muss hübsch lustig geh'n,
Dass die Röcße hinten weh'nl
Wart1, ich werd1 euch 'mal kuranzen!
Meint ihr, Trödler: Bären tanzen
Hier am Seil herum?
Heissa lustig! nun kommt her!
Unten, oben, kreuz und quer,
Lass uns Arm in Arm verschränken
Und an unsern Brauttanz denken 1
Heissa! rund herum!
Ha! wie schön das Hackbrett summt,
Und der alte Brummbass brummt!
Ha! wie dreh'n sich rings ohn' Ende
Hör1 und Hauben, Thür und Wände!
Dudeldidel, dudeldidel dum!
Dudeldidel dum dum dum!
Joh. Heinr. Vosa.
(1751-1Ä2Ä.)
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paTIREN.
Mesalliance.
j^ie war ein Mädchen von hohem Stande,
Den Namen will ich verschweigen.
Tät des Sommers, wo es chik auf dem Lande,
Im Fasching bei Hofe sich zeigen;
Doch dort, encouriert von Prinzen und Grafen,
Empfand sie nur Neigung — zum Gähnen und Schlafen,
Und trug sie auch stets die neueste Mode,
Sie langweilte sich schier dabei zu Tode.
Die einzige Freude in ihrem Leben
Schien die zu sein, täglich fünf Körbe zu geben; —
Sogar den Mucki hat sie verschmäht,
Der doch „im zweiten Teill" vom fürstlichen Gotha steht!
Da kam einmal, wie von ungefähr,
Ein ganz gewöhnlicher Kerl daher,
„Ein Dichterling" oder sonst so ein — Genie;
Den lernte sie kennen, man weiss nicht wie,
Ich glaube gar, auch irgend wo auf dem Lande,
Wo er Hauslehrer war bei zwei Rangen vom Stande.
Der hat ganz frech sie angelacht
Und, der Teufel weiss! Hokuspokus gemacht;
Und hat ihr, unf asslich! den Kopf verdreht —
Obwohl er gar nicht einmal im Gotha steht.
Natürlich bleibt so was nicht lange verborgen;
Die ganze Gesellschaft von Abend zu Morgen,
Die Anverwandten, die Eltern, die Tanten
Rastlos, ratlos durcheinander rannten.
Herrgott! War das eine richtige Rage
Bei der hohen und höchsten Cousinage!
Bis der hohe Familienrat beschloss,
Sie, umgeben vom wachsamen Tantentross,
Recht weit von jenem — jenem Herrn
In ein fernes Familienschloss zu versperrn. —
Damit ihr die dumme Caprice vergeht,
Für den Kerl, — der nicht einmal im Gotha steht.
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„Es doch nicht möglich lM — „Sie kann ihn nicht lieben!"
„Wo wäre die gute Erziehung geblieben!"
Mit weisen Gesprächen die Anverwandten,
Mit Seufzen und Salbung die guten Tanten,
Mit Seelen-Sanftmut und Herzensmilde
Bemühte sich ängstlich die gütige Gilde — —
Und preist so . . . unmerklich . . . das Klosterleben,
Unter sanften Schwestern, still, gottergeben.
„Für die Weit leider ist sie ja doch verloren.4* . . .
„Man muss sich ja schämen . . . bis über die Ohren . . ."
„Jedes Kind muss doch einseh'n, dass das nicht geht,
Mit dem Kerl, der nicht einmal im Gotha steht!44
Da fand eines Tags man im Schlosshofteiche
Die Komtesse als scheussliche Wasserleiche.
Da war erst Entsetzen und Händeringen,
Dann — musste man „seinen Schmerz bezwingen44,
Vom Teichschlamm reinwaschen das Grafenkrönchen,
Die Presse beschwichtigen mit einem Milliönchen.
War ein peinliches Hin- und Widerhuschen —
Um den schrecklichen Skandal zu vertuschen!
Nur Tante Amalie, die ruhigste der Damen,
Fasst so ihre Impressionen zusammen:
„Unbegreiflich! . . . Dass Eine ins Wasser geht,
Für einen, der nicht einmal im Gotha steht!44
Karl Freiherr von Leveuow.
Der leere Titel.
(Gott. Mus. Alm. f. 1793.)
as Kind der Finsternis und Nacht,
Die Dummheit, ward einst aufgebracht,
Dass sie auf unsrer Erde
Längst nicht geschätzt mehr werde.
Von Räch' und Zorn entbrannt
Erstieg sie den Olymp, wo sie die Götter
An hoher Mittagstafel fand.
„O Vater Zeus,44 sprach sie, „sei du der Unschuld Retterl
Ich hab* es nicht verdient, dass Stadt und Land
Mich, wie bisher gescheht, verachtet und verkannt.
Ganz wider Fug und Recht lässt man auf Assemblern
Und Gastereien mich stets an der Türe stehen.
Gibt's denn kein Mittel mehr auf Erden
Für mich, geehrt und angesehn zu werden?44
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„Die Frage," sprach der Gott, „ist einer Antwort wert.
Ihr Götter gebt mir Rat, durch welches Mittel
Wird auf der Unterwelt dies Weib geehrt?"
Minerva sprach: „Das beste Mittel,
0 Vater Zeus, ist wohl — ein leerer Titel;
Denn heutzutage will durch Schein
Das Publikum getäuscht stets sein.
Ein Weiser trägt den Stern in sich, doch diese Fratze
Wird nur bemerkt, wenn sie ihn zeigt am Latze."
Ballade vom verkauften Assessor.
Am Platze, wo Herr Wolter steht,
Zur Zeit, da schon die Kirschen reifen,
So Mitte Mai — und abends spät
Die grellen Bogenlampen strahlten,
Fahlgelb erschien der Mond vor Neid —
Die Gäste stunden auf und zahlten,
Dieweil um zehn Uhr Schlafenszeit
Nur einer schnippelt mit dem Messer
An seinem Käse noch herum,
Aus Luckenwalde ein Assessor,
Und schaut ins Bierglas stier und stumm«
Und ihm zur Seite sitzt die Gattin —
Auch aus der Gegend, wie es scheint —
Erst ehegestern nämlich natt* ihn
Des Himmels Segen ihr vereint
Allein kein taubenhaft Gebahren
Zeugt von so jungem Ehebund —
Sie sind ja Nacht und Tag gefahren,
Das bringt die Stimmung auf den Hund.
Ihn kann man etwas üppig finden,
Ihr mangelt jeder Fülle Spur;
Es unterscheidet vorn und hinten
Nur wenig sich in der Kontur.
Die Augen grau, der Mund gewöhnlich,
Kinn flüchtig und die Nase breit,
Der ganze Stil höchst unpersönlich,
Von selbstbewusster Nichtigkeit
P. F. Weddigen.
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Dagegen erl Ein Vollgermane,
Noch jeder Zoll ein Corpsstudent,
Der unentwegt hochhält die Fahne
Des, was man »höchste Güter« nennt.
Ein forscher Kerl mit sieben Schmissen,
Und, bis aufs Fettherz, kerngesund,
Der trotz enormen Hindernissen
Zwei Staatsexamina bestund 1
Harmonisch floss bisher sein Leben,
Wie ein Armeemarsch stramm dahin . • «
Nicht jeder Jüngling sieht so eben
Den Weg vor sich von Anbeginn«
Doch, ach, die Existenz hienieden
Fast nie ganz tadellos verläuft —
Auch des Assessors Seelenfrieden
Ward eines Tages jäh ersäuft
Sein alter Herr, der stets solvente,
Stiess den bewährten Usus um
Und reduziert/ des Sohnes Rente
Urplötzlich auf ein Minimum.
Und da der Staat die Assessoren
Nicht standesmässig unterhält,
Sah unser Freund sich wie verloren
In dieser rücksichtslosen Welt.
Welch Ausweg steht dem Manne offen«
Der pekuniär am Rande ist?
Nur von der Eh1 ist was zu hoffen,
Zumal wenn er vom Stande ist
So rettete der Freund auch balde
Mit kühnem Sprung sich in die Eh\
Ein Fräulein zart aus Luckenwalde
Besass das grosse Portemonnaie.
Vereinigt werden Herz und Hände,
Man kann wohl sagen: Vom Fleck weg,
Des Schwiegersohnes Aussenstände
Bereinigt durch des Vaters Check.
Die Sehnsucht nach dem Süden trieb sie,
Bis Bozen man, wie üblich, fuhr;
Postkarten viel mit Ansicht schrieb sie,
Er kneipte Bier teils, teils Natur.
IM
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Er saugt an seinem Weichselrohre
Und auch am fünften Glase schon,
Da flüstert sie an seinem Ohre:
»Nein, Otto, sieh blos die Person U
Er schaut, — dort, wo die Schatten dunkeln
Um einen Oleanderstrauch,
Sieht er vier schwarze Augen funkeln,
Vernimmt ein ruchlos Kichern auch«
Ein Mädel vom Ampezzothale,
In blütenweissem Faltenhemd
Und schwarzem Mieder, auf das schmale
Wieghüftlein keck die Faust gestemmt. —
So kokettiert die kleine Schlange
Mit einem hübschen Lieutenant,
Der streichelt ihr die braune Wange
Und löst ihr seidnes Schürzenband
Von ihrer Brust dem Schnurrbartträger
Die schönste Rose just sie reicht . . .
Wie thut ein flotter Kaiserjäger
Sich doch bei diesen Mädeln leicht!
Assessor Otto starrt erblassend,
Wie auf ein Schrecknis, auf dies Paar,
Und, die Cigarre ausgehn lassend,
Fährt er sich durch das Borstenhaar.
War's etwas länger nur gewesen,
Vor Wut bätr* er sich's ausgerauft:
Ein Mann zum Höchsten auserlesen —
Und nun um schnödes Geld verkauft!
Wie duftete die blütenschwere,
Die südlich süsse Maiennacht!
Um ihn nur gähnt die öde Leere — —
Und dies ist seine Hochzeitsnacht!
Man muss doch seiner Pflicht genügen,
Ihn schaudert, wenn er nur dran denkt!
Vermutlich wird sie Kinder kriegen,
Soviel als ihr der Himmel schenkt!
Das werden lauter Sauertöpfe,
Plattnasig wie die Frau Mama,
Philister, freudenarme Tröpfe,
Gleichwie ihr Krämer-Grosspapa!
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.Indessen auf der Ehrenleiter
Steigt er empor zur Excellenz —
Und sie verknöchert immer weiter
Mit der ihr eignen Konsequenz.
Dafür hat man sich nun geschunden,
Dafür biereifrig stets gestrebt!
Die roten Adern unterbunden —
Mit zweiunddreissig ausgelebt!
War man zur Herrlichkeit geboren,
Nicht auch wie jener Lieutenant?
Zum Rosenbrechen nicht erkoren?
Den Erdengöttern nicht verwandt?
O heil'ger Brahma! welch Entzücken
In dieser Wetechiands-Ueppigkeit
Ein süsses Weib ans Herz zu drücken,
Sei sie auch nur Bedienungsmaid 1
Heiliger Bimbam ! o wie wollt/ er ... •
Da zupft die Gattin ihn am Rock.
»Hier, Otto!« . . . unterschreiben sollt er
Der Ansichtskarten erstes Schock.
»Ach, bitte, schreib nach Posemuckel
An Tante Jettchen einen Gruss —
Weisst du nicht mehr? Die mit dem Buckel
Und mit dem etwas kurzen Fuss.
Er unterschreibt Ein blöd Gethue.
Sie lächelt dumm, er lacht gequält —
Und dann begiebt er sich zur Ruhe
Mit ihr, die er sich auserwählt
Era»t von Wol zogen.
Wer weiss.
ie Schwalben sitzen in langen Reihen
Hoch auf dem Telegraphendraht;
Sie zwitschern, als ob sie versammelt seien
Zu einem grossen Familienrat. —
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^Gefährlich und weit ist euere keise,
Der Himmel gebe euch Kraft und Mut!
Doch die grösste Gefahr, ich sag's euch leise,
Die droht euch von dem Damenhut
Die Frauen sind von zartem Gemüte,
Auch lieben sie die Vögel sehr,
Wer weiss, ihr feiert als Schmuck der Hüte
Im Frühling eure Wiederkehn«
Zum Vogelschutz.
Jjasst die kleinen Vögel singen
Und sich froh zum Himmel schwingen,
Lasst sie Nester bau'n und brüten,
Doch vertreibt sie von den Hüten 1
Schwer bestraft den Vogelfanger,
Der uns raubt die kleinen Sänger;
Wer mit Ruten sie und Netzen
Fängt, verfalle den Gesetzen.
Wer den Sängern schafft Bedrängnis,
Fort mit ihm in das Gefängnis l
Alles andre wird nichts nützen —
Strenger Richter, lass ihn sitzen 1
Doch was soll man denen sagen,
Die auf Hüten Vögel tragen,
Die, zu Lieb der argen Mode,
Schuldig sind an ihrem Tode?
Was soll mit der Maid geschehen,
Die mit Vogelhut wir sehen,
Die, um thöricht sich zu schmücken,
Uns zerstört das Lenz- Entzücken l
Gegen die verkehrte Sitte
Hilft nicht Mahnung oder Bitte,
Alles andre kann nichts nützen —
Deutscher Jüngling, lass sie sitzenl
JohaanM Trojan.
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Die Schlange.
ie sie behäbig im Fauteuil der Loge
Mit halbgeschlossnen Augenlidern liegt
Und ihr von Sättigung vergnügtes Lächeln
Durchs Antlitz fliegt 1
Die Schlange ist es auf der Fächerpalme,
Die lange um ein Opfer ausgeschaut
Und eben einen Menschen hat verschlungen
Und nun verdaut!
H«m. Gila.
IT
Börsen-Romantik.
jfyjein Liebster ist ein Börsenmann
Und nennt sich Isidor;
Wenn er es irgend machen kann,
So kommt er bei uns vor.
Er liebt mich sehr, doch das Geschäft
Versäumt er nie dabei.
Ganz sicher an der Börse trefft
Ihr ihn von eins bis zwei.
Dort mit Effekten handelt er
Und handelt schlau und kühn.
Nie hat gefallen mir so sehr
Ein Jüngling in Berlin.
Sein Name ist, so viel ich weiss,
Ein Name guten Klangs.
Mein Liebster gilt im Freundeskreis
Als Jobber ersten Rangs.
Schön ist mein Liebster, selten schön,
Die Nase fein gekrümmt.
Auch wenn die Kurse niedrig stehn,
Erscheint er nicht verstimmt
Nein, ob das Agio steigt, ob fallt,
Mich liebt er immer doch.
Noch hat er nicht das ganze Geld,
Allein er kriegt es noch.
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Für den mein Herz beständig schlägt,
Wie hab' ich ihn so gern!
Hochfein ist alles, was er trägt,
Sein Hut stets hochmodern.
Und was er denkt, das ist so hehr,
Und was er spricht, so süss.
Zwar ein klein wenig lispelt er,
Doch mir gefallt auch dies.
Noch hat er's nicht so weit gebracht,
Dass er mich könnte frei'n;
Doch wenn er glücklich Pleite macht,
Dann soll die Hochzeit sein.
Johanne« Trojan.
Frage.
£)ie reiche Frau Kommerzienrätin sass,
Die Lieblingskatze auf dem Schoss, und las
Und kniff dabei ihr Hänschen
Etwas zu derb ins Schwänzchen.
Das Tier versteht nicht Spass
Und kratzt die Herrin ins Gesicht,
Die, statt zu strafen, freundlich spricht:
I, pfui! was machst du, Kleine?
Du Schelm! kennst du denn deine
Kommerzienrätin nicht?
Richard Rooa.
Letztes Bedürfnis.
Qewinner des grossen Loses
Urplötzlich geworden war
Mein Nachbar Hersch Amseln Moses
Und sprach zum Antiquar:
»Als Mann von feinem Tone
Bin ich jetzt wie Rothschild möbliert,
Von meinem reichen Saione
Sind Gott und die Welt enchantiert
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Es kümmen gescheite Leute
Und Künstlerbagage zu mir;
Drum senden sie mir noch heute
Zwei Centner Litteratür!«
Rad. Job. Hiwch.
Die göttliche Liebe,
^Jerr Schmidt hat eine Tochter,
Herr Muller einen Sohn,
Herr Fischer stiftet Ehen
Für mäss'ge Provision.
Herr Müller giebt Zehntausend,
Herr Schmidt das Gleiche nach*
»Dürft* ich's wohl arrangieren?«
Herr Fischer eifrig sprach.
Herr Müller sagt* am Sonntag,
Herr Schmidt am Montag Ja,
Am Dienstag Muller junior
Die Jungfer Schmidt besah.
Am Mittwoch war Verlobung;
Herr Fischer bracht1 beim Schmaus
Aufs Göttliche der Liebe
Ein Hoch in Versen aus.
S. Frit«.
fr
■
Kommerzienrats sind in der Loge .
f^ommerzienrats sind in der Loge,
Wie Freitags stets um sieben Uhr.
Vorn auf der Bühne lauscht der Doge
Der Desdemone Liebesschwur.
Sie liebt den wilden Mohrenknaben,
Was ihr der Rat nicht Übel nimmt;
Die letzten Kursberichte haben
Ihn vor'm Theater mild gestimmt.
Die Tochter seufzt mit müder Miene:
»Ich kann das Mädchen nicht versteh'n.
»Ich habe jüngst auf and'rer Bühne
»Als Romeo den Kainz geseh'n.
Digitiz
»Ach, das war die von Gott geschürte,
»Die Leidenschaft zur Glut entfacht.
»Wie mich das packte, wie mich's rührte —
»Ich hab' geweint die halbe Nacht! €
Der Vater legt den Operngucker
Bedachtig lächelnd aus der Hand:
»Mein liebes Kind, ich bin kein Mucker,
»Doch über Alles — der Verstand 1
»Behüt1, das man die Kunst verachtet;
»Doch ganz entkleidet des Gedichts,
»Der Romeo als Mensch betrachtet,
»Er ist doch nichts, er hat doch nicht?!
»Er lebt wie auf dem Feld die Lilie,
»Hat nicht Geschäft noch Stand dabei;
»Und die Montecchi als Familie
»Sind auch nicht völlig einwandfrei . . .
»Wenn Shakespeare nicht in Versen schriebe,
»Wie man uns Märchen gern erzählt,
»Es wäV zum Lachen mit der Liebe,
»Der jede rechte Basis fehlt.
»Ein Schwiegersohn, der Mohrenhorden
»Entstammt, ist auch kein Wunderglück.
»Na, lieber Gott, er hat doch Orden,
»Ist General der Republik.
»Gut, er ist schwarz, doch wohlgestaltet.
»Und schliesslich glaub' : tout comme chez nous;
»Wenn er nur Cypern klug verwaltet,
»Dukaten decken Alles zu.
»Glaub' deinem welterfahr'nen Vater:
»Es steckt nichts hinter dem Gestöhn«
»Die Romeo's sind füiJs Theater,
»Und auf der Bühne — Alles schön l
»Man freut sich, wenn sie Gunst erworben
»Und keck ein hübsches Kind verführt;
»Man weint, wenn sie an Gift gestorben —
»Denn dafür ist man abonniert.
»Man nimmt als Abonnent und Leser
»Mit Dank die hübschen Verse hin,
»Doch ein verbannter Veroneser
»Als Schwiegersohn in West-Berlin — ?
»'ne Hochzeit in Lorenzo's Klause —
»Und so 'ne Ehe per Balkon —
»Nee, bleib1 mir damit bloss zu Hause,
»Das war* für mich kein Schwiegersohn!
»Ich geb' ja zu, wenn Einer schriebe,
»Wie Tante Hartert Menschen paart,
»Es fehlt in solchem Stück von Liebe
»So manche hübsche Redensart
»Doch davon, was da weltvergessen
»Die Raserei der Dichter spricht,
»Davon baut man kein Mittagessen
»Und Equipagen vollends nicht 1
»Sieh* dort den Leutnant von den Garden —
»Was? Steht ihm gut das bunte Kleid?
»Nick' zu, er scheint darauf zu warten.
»Sein Wappen stammt aus Kreuzzugszeit 1
»Den, Kindchen, werd' ich Dir besorgen,
»Der hat getobt und ausgeschnauft —
»Ich hab' der »Tante« heute Morgen
»AU* seine Wechsel abgekauft . • .€
Rudolf Pre«b«r
Beinahe gerüstet I
Qie Wintersaison hat begonnen.
Ich bin bereits equipiert
Und habe sogar meinen Magen
Auf Reh und Trüffel trainiert;
Nur eines fehlt noch zu allem,
Gott schenk* imVs in seiner Huld:
Für den ersten faden Tischherrn
Die nötige Geduld!
L. Marco.
Ruf der Höhe der Saison.
]§ieh dort die tausend Lichter glänzen 1
Dort schweben sie in holden Tänzen
Nach süsser Melodien Schall 1
Kein Löwe fehlt und keine Schöne,
Dass sie das Fest der Feste kröne:
Beim Herrn Kommerzienrat ist Ball!
1R2
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Zwar sass sein Ahne in der Bude
Dereinst als kleiner Kleiderjude,
Zwar kam sein Vater schwer zu Fall,
Er selbst — doch still und heut* kein Tadel!
Er borgt den Grossen, leiht dem Adell
Beim Herrn Kommeradenrat ist Balll
Wie ist die Rahel heut* umworben!
Ein Graf lein, in der Welt verdorben,
Umschwirrt sie mit der Worte Schwall,
Nicht kann er länger sich gedulden 1
Ihr Ruf? Je nun — doch man hat Schulden!
Beim Herrn Kommerzienrat ist Ball!
Im Konzertsaal.
^eufzend mussr1 ich jungst gedenken,
Wie einst Felix Mendelssohn es
Anmutvoll bewegtes Stabchen
Zauberquell schien jeden Tones;
Wie so ruhevoll den Künstlern
Er durch uns verborgene Zeichen
Seine Seele gab, — dem Stücke
Klare Schönheit ohnegleichen.
So modern sein Zepter neulich
Schwang ein Leiter der Konzerte,
Dass der Anblick uns die Ohren
Für die Lauscherandacht sperrte.
Denn weit minder mit dem Taktstock
Wirkt* er des Orchesters Lenkung,
Als mit seines ganzen Leibes
Kautschukmännischer Verrenkung.
Wunder nahm's, dass nicht minütlich
Er das Schweisstuch aus dem Sack riss,
Dass bei solchem Turngezappel
Keine Naht in seinem Frack riss.
Aus den Aermeln in die Logen
Rechts und links zu fliegen drohte
Je ein Arm, wenn Becken, Pauke
Schmettern sollten ihre Note.
183
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Wenn es galt ein Flüsterpiano,
Schien er, mit gespreizten Fingern
Wehrend, in die Kniee knickend,
Sich zum Zwerge zu verringern«
Dann, Fortissimos entfesselnd,
Reckt' er ängstlich hoch die Pranken,
Fast als wuchtet* er herkulisch
Auf der Sundflut Schleusenplanken«
Kurz er that, als ob er alles
Mit grotesker Sinnbild-Geste,
Statt aus Instrumenten, magisch
Aus dem eignen Leibe presste.
Willi. Jordu.
Frauentypen.
Die Herzlose.
2)ie war bedacht mit allen Gaben,
Mit Schönheit, Geist und Witz; — allein,
Wo andre ihre Herzen haben,
Da sass bei ihr ein grosser Stein.
Sie glaubte nicht an reine Neigung,
Sie leugnete der Liebe Macht,
Und über jede Gunstbezeigung
Hat unbarmherzig sie gelacht.
»Nur der«, so rief sie einst beim Plaudern,
Könnt' brechen meinen Widerstand,
Der unverzüglich, ohne Zaudern
Mir opfern würde seine Hand.«
Als tags darauf ein Jüngling, schaurig,
Mit abgehau'ner Hand erscheint,
Sagt lächelnd sie zu ihm: »Wie traurig I —
Ich habJ die andere gemein/.«
Die Gutmütige.
Jhr Gatte hat mit Schmerz gehört,
Dass sie ihn kürzlich hat betrogen;
Er ist entrüstet und empört,
Es wallen seines Zornes Wogen.
164
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Sic fleht ihn um Vergebung an
Und sagt in schüchternem Erröten:
»Ich hab* es wirklich nur gethan,
Weil er mich gar so sehr gebeten-«
Die Rufrichtige.
Verabschiedet hat sie die Gäste,
Zu Ende ist glücklich ihr Jour,
Und übrig bleibt von dem Feste
Ein einziger Leutnant nur.
Es glühen erregt seine Wangen.
Er lasst sich vor ihr aufs Knie,
Er will sie in Liebe umfangen,
Doch sie — sie schellt um Marie.
Marie ist eilig zur Stelle;
Sie nimmt sie bei Seite und spricht:
»Wenn später ich wiederum schelle,
Dann kommen sie freundlichst — nicht!«
Die Unberechenbare.
£)ie sah in ihren jungen Tagen
Zwei Werber für den Ehestand;
Sie hat den Reichen ausgeschlagen
Und gab dem Armen ihre Hand.
Sie hielt den heil'gen Schwur der Treue
Im ersten Jahre fest im Sinn,
Im zweiten — ebenso, aufs neue,
Im dritten — auch und weiterhin.
Sie blieb — ich bin kein Uebertreiber —
Sich gleich, bis sie gestorben war; —
Man sieht nur, das Geschlecht der Weiber
Ist eben unberechenbar.
Die Abergläubische.
ie litt an starkem Aberglauben;
Man mühte sich, ihn ihr zu rauben,
Und mehr als eine riet der Schönen,
Sie möge sich ihn abgewöhnen.
Allein sie sprach: »Das geht nicht gut;
Er steckt mir so in Fleisch and Blut,
Dass ich zum Beispiel meinen Mann
Am Freitag nicht betrügen kann.c
Arthur Pserhofer.
Der Spiegel.
^ort im Entree bei Excellenz
~ Häng* ich an einer Wand,
Und niemand ahnt wohl, was ich dort
Für Unterhaltung fand.
An beide Seiten hat man mir
Zwei Wandleuchter gehängt,
Damit auch jeder Gegenstand
Sich strahlend in mir fangt.
Des Freitags ist — wer weiss warum?
Bei Excellenz jour fix;
Da kommen Damen und viel Herren
Im allerhöchsten Wichs.
Der Diener nimmt die Mäntel ab,
Die Zofe hilft dabei;
Dann zupft sich jeder erst zurecht
Und treibt noch mancherlei.
Ist dieses Mancherlei besorgt,
Tret* ich erst in Aktion —
Man dreht die Leuchter vorteilhaft
Und geht zur Revision.
Herr Leutnant Kurt von Tittchentei
Sich stets vor mir erst schnauzt;
Zwei kleine Bürstchen holt er 'raus,
Die Beine stehn gespreizt.
Der Schnurrbart und das Kopfhaar wird
Nach rechts und links gepflügt.
Genug I Monocle fest! Ein Blick 1
Er geht und lacht vergnügt. —
Herr Egon Versler, Litterat
Und Dichter von Beruf,
Der jedes Jahr ein Trauerspiel
Und zehn Pfund Lyrik schuf,
l«
Digitized by Google
Herr Versler braucht geraume Zeit,
Sich gründlich zu beschau' n.
Er spuckt sich immer in die Hand
Und streicht die Augenbrau'n. —
Frau Wanda Gans von Schnattersheim,
Die macht es auch nicht schnell,
Drückt das Gebiss fest, reckt sich stolz
Und pudert lang ihr Fell.
Der Herr Assessor Biegdichrecht,
Der hat von weissem Rips
Seit Jahren einen einzigen
Salongerechten Shlips.
Mit einem schwarzen kommt er an
Und bindet sich, nicht dumm,
Vor mir mit vieler Präzision
Erst stets den weissen um, —
Comtesse Julie von Passe,
Gewachsen wie ein Schlot,
Macht sich geschwind mit einem Stift
Vor mir die Lippen rot
Und Fräulein Aenni Wendehals,
Kokett und kalt wie Eis,
Reibt sich mit ihrem Taschentuch
Rasch noch die Zähne weiss. —
Der grosse Tenorist Hochzeh,
Der eben jetzt en vogue
Und der die ganze Damenwelt
Begeistert an sich zog,
Der bringt chinesische Tusche mit
Und malt mit sichrer Hand
Ganz unbemerkt um jedes Aug*
Sich einen dunkeln Rand.
Herr Hauptmann Druff, ein schneid'ger Herr
Und riesig selbstbewusst,
Der zupft und zerrt ins beste Licht
Die Orden auf der Brust. —
So sehe ich von meiner Wand
Mehr als mir manchmal lieb —
Und wenn jour fix gewesen ist,
Ist mir mein Glas ganz trüb;
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Getrübt von Puderstaub und Fett,
Durch Hauch von jedem Wicht —
Besonders aber durch den Blick
Von manchem — Schafsgesicht. —
Doch still — ich weiss ein holdes Kind
Auch 6ie kommt zum jour fixl
So oft sie naht, sie würdigt mich
Gar niemals eines Blicks.
Und wenn auch — ich, ich sehe sie:
So lieb, so schön, so reinl —
Und war1 ich nicht bei Excellenz,
Möchr1 ich ihr Spiegel seinl —
Johannes Cotta.
Höhere Töchter.
J[Jm Büchlein zum Blättern,
Ein Liedlein zum Schmettern,
Ein Stücklein zum Klimpern,
. Zwei Aeuglein zum Wimpern,
Mit diesen vier Dingen
Muss es jeder gelingen!
Theod. Vuloinu«.
Die Hofequipage.
£Juf hohem Rosse hält voll Ruh
Der Schutzmann und schaut dem Treiben zu;
Die Menschen eilen, es humpeln vorbei
Die Rösslein der Droschkenklasse II,
Es sausen die Equipagen.
Urplötzlich hebt der Gewalt'ge die Hand,
Die Menschen stehen wie festgebannt,
Der Droschkengaul hemmt gern den Lauf,
Die elektrischen Wagen reihen sich auf,
Es halten die Equipagen.
O seht, vom Potsdamer Bahnhof heran
Im Steppschritt braust ein Rappengespann:
Das Geschirr ist reich mit Silber geschmückt,
Der Kutscherkragen mit Adlern bestickt:
Es ist eine Hofequipage.
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Und wie das Gespann voll Feuer und Mut
Vorbei braust, lüftet mancher den Hut,
Manch Mägdlein fasst in einem Kmx
Zusammen die Wonne des Augenblicks.
Es ist eine Hofequipage.
Das Grüssen hatte keinen Sinn,
Denn niemand sass im Wagen drin.
Doch war's auch ein leerer Wagen bloss,
So bleibt der Moment doch immer gross:
Es war eine Hofequipagel
.Kladderadatsch".
Philister.
Philister sind charmante Leute,
Immer die gleichen, gestern wie heute,
Immer dieselben, heute wie morgen,
Die für ihren Nachwuchs sorgen.
Philister sind charmante Leute,
Die vor fremden Thören kehren
Und im Schmutz die eigne lassen;
Andern einen Trunk verwehren,
Und am oflhen Spundloch prassen;
Flecken zählen an den andern,
Aber selbst im Schlamme wandern;
Die Unendliches mit Ellen messen,
So sie die Brille nicht vergessen;
Wenn Bastillen stürzen sollen,
Mit dem Stocke stützen wollen;
Wenn man einen Kraftgedanken
Ihnen schenkt, wie Trunkne wanken;
Vor der Wahrheit hellem Scheinen
Hinterm Sonnenschirme greinen; —
Wo Begeisr'rungsflammen brennen,
Mit der Feuerspritze rennen;
Die mit ihrer Dummheit prahlen, —
Aber . . . aber — bar bezahlen.
Ludw Pf v«
169
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Tod den Philistern I
as eben ist's, dass es euch gleich ist,
Dass euer Wille windelweich ist,
Und dass ihr schlaft am hellen Tag!
Dass ihr das Schneckenhaus nur kennet,
Dass ihr nichts Höh'res euer nennet,
Dass euch kein Zornruf wecken mag!
Wir sind im tiefsten Hass geschieden,
Viel lieber Kampf als faulen Frieden!
Tod den Philistern!
Es scheinen ehrenwerte Herren,
Die an dem alten Karren zerren,
Nun ja, sie schlugen keinen tot!
Sie schlafen nur bei ew'gen Fragen,
Und geht*8 nicht ihnen an den Kragen,
So schlafen sie bei fremder Not.
Wir sind im tiefsten Hass geschieden,
Viel lieber Kampf ab faulen Frieden!
Tod den Philistern!
Sie sammeln Schatze, nicht dem Wissen,
Kein Zweifel hat ihr Herz zerrissen,
Kein ewiges Rätsel quälet sie!
Sie essen, trinken, freien, lachen,
Und wenn sie nur Geschäfte machen,
So fragen sie nach andern nie!
Wir sind im tiefsten Hass geschieden,
Viel lieber Kampf als faulen Frieden!
Tod den Philistern 1
Sie lachen über alle Künste,
Die scheinen ihnen Nebeldünste
Und Zeitvertreib des Künstlers Thun!
Es schlägt ihr Herz so träg und trübe,
Es schlägt kaum schneller bei der Liebe,
Die Seele liebt nur träges Ruh'n.
Wir sind im tiefsten Hass geschieden,
Viel lieber Kampf als faulen Frieden!
Tod den Philistern!
170
Digitiz
Das Philisterparadies.
kjttl im Philisterparadies
Giebfs grade Wege mit gelbem Kies,
Unkraut wird nicht darin gelitten,
Die Hecken sind alle fein beschnitten,
Die Baume gleichen an Wuchs Grenadieren,
Damit man möge darunter spazieren
Im Gefühle persönlicher Sicherheit
Zu jeder anständigen Tageszeit
Am Eingang grüsst, statt Versgeschwafel,
Eine bildsaubere Warnungstafel,
Worauf Verordnungen und Strafen
Zu lesen in deutlichen Paragraphen:
Du sollst deinen Mops an der Leine führen,
Du sollst nicht etwa Lust verspüren,
Dich irgendwo ins Gras zu legen,
Oder im Tanzschritt dich zu bewegen.
Du sollst auch nur mit gestärktem Kragen
Dich unter honette Leute wagen —
Macht nichts, wenn der den Hals dir ritzt,
Wenn nur der Shlips hübsch grade sitzt.
Verboten ist Oberhaupt und allen,
Im Paradiese aufzufallen.
Civil- und Weibspersonen zumal —
Richten sich nach dem Modejournal,
Doch zeigt sich echte Gesinnung nur
In Uniform und in Montur.
Kinder, ferner, sind nur erlaubt,
Soweit das legitime Familienhaupt
Sich allseitig verbürgt für seine Sprossen.
(Natürliche Kinder sind ausgeschlossen.)
Weiters, obliegt es dem Herrn Gendarm,
Von Liebespaaren, die Arm in Arm
Betroffen werden auf einsamen Wegen,
Die Papiere (schriftlichen Elternsegen),
Sowie die Trauringe zu erfordern,
Mangelndenfails sie hinaus zu beordern.
Die vorschriftsmässige Sittlichkeit
Erheischt nach Einbruch der Dunkelheit
Reinliche Trennung der Geschlechter
Durch den zuständigen Herrn Nachtwächter
Verschlossen ist streng das Paradies
Für Malcontente und für Genies,
Doch steht es offen für jedermann,
Der seinen Stumpfsinn beweisen kann.
Ernst von WoUogen.
171
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Das Muster- Exemplar,
(\^ein alter Freund, der Rechnungsrat,
Ist doch der echte Bureaukrat!
Er brachte glücklich es so weit,
Dass er schon seit geraumer Zeit
Auch mit sich selber — wie man hört —
Nur »auf dem Dienstwege noch verkehrt
Und ist die Köchin mal gehässig,
Die Scheuerfrau nicht zuverlässig,
Das Kindermädchen liebestoll,
Vernimmt er sie zu Protokoll.
Sobald ein Rock ist auszuklopfen,
Ein Loch im Strumpfe ist zu stopfen,
Verfugt er's schriftlich jedes Mal
Und bucht dies Schriftstück im »Journal«
Die Gattin selbst, die treue, brave,
Belegte er mit Ordnungsstrafe;
Anträge, Bitten und dergleichen
Hat sie stets schriftlich einzureichen,
Und oft passiert es ihr hienieden,
Dass sie abschlägig wird beschieden. — »
Wird einst der Rat gestorben sein,
Dann richtet er sich noch so ein,
Dass man ihn ja zu Grabe trage
An einem Sonntag-Nachmittage,
Damit die dienstfreien Kollegen
Kein Stündchen schwänzen seinetwegen.
einrieb Sc^"i«fc ffc r .
Kompensationen,
Jen liebe die deutsche Gründlichkeit,
Sie kann keinen Apfel essen,
Sie wisse denn, von welchem Baum
Sein Urkern fiel vordessen.
Sie denkt und denkt, doch bis sie sich
•Das tiefe Wissen erworben —
Die Aepfel sind verfault seit lang,
Die Menschen sind gestorben.
Digitiz
»Doch« — spricht sie — »es ist besser so,
Dass die Schweine die Aepfel fressen,
Als dass wir sie selbst ohne Vorbedacht
Und ohne Nachbedacht essen.
Jetzt können wir unsern deutschen Schmerz
Doch klagen, und das ist lyrisch;
Doch zu geniessen so gradezu,
So ohne Vernunft, ist tierisch.«
Schad' ist's, dass Adam kein Deutscher war,
Er hätte so lang nicht gebissen,
Bis er die Zähne verloren hätt9 —
Wir würden von Not nichts wissen.
Drum lieb* ich die deutsche Gründlichkeit,
Die leider zu spät geboren;
Hat sie zu kurze Beine auch,
So hat sie doch lange Ohren.
Ludwig Pfau.
Ein harmloses Rätsel.
ie heisst der Mann, den Alle lieben,
Die guten Deutschen doch zumeist,
Und der doch nie etwas betrieben,
Was irgend gross und tüchtig heisst?
Mir, ich gesteh's, ist er zuwider,
Denn überall drängt er sich ein,
Lässt in den Sorgenstuhl sich nieder,
In jedem Haushalt muss er sein;
Die Kanzel hat er auch betreten,
Er exerziert, sitzt zu Gericht,
Er liest an Universitäten
Und hat im Staatsrat viel Gewicht
Schlafmütze nennt sich seine Krone;
Er hasst genialen Uebermut;
Er blinzt und lächelt nur zum Lohne,
Wenn jeder stets wie alle thut. —
Wenn einer macht mit hundert Schritten«
Was man mit einem Sprunge kann,
Das . sind ihm alte, gute Sitten,
Das sieht er sich behaglich an.
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Doch willst du grosses, eignes schaffen,
Da wird der Stumme plötzlich laut,
Er wird dich schmäh'n und dich beklaffen,
Bis allen Menschen vor dir graut»
Und willst du fassen ihn beim Kragen,
Gleich Ober dich fallt alles her,
Du wirst gescholten, wirst geschlagen,
Denn alle lieben ihn zu sehr.
Ein Kerl, so lappig und so schmächtig,
So gänzlich ohne Witz und Mark!
Und dennoch herrscht er fast allmächtig;
Wer ihn besiegt, ist löwenstark«
O lag1 er lieber doch zerschlagen,
Zerquetscht auf einer Eisenbahnt
»Wie heisst er denn?« — Ich will's euch sagen:
Es ist — der alte Schlendrian.
Friedr. v. Sollet.
(1812-184a)
Skat.
{^Jnd als an das blaue Meer ich trat,
Da standen drei Männer drinnen,
Die spielten während des Badens Skat,
Und einer schien zu gewinnen.
Der Skat dabei auf dem Wasser schwamm,
Mich aber dünkte das wundersam.
Und als ich kam in die Baumannshöhl1,
Da fand ich wider Erwarten
Drei Männer unten, bei meiner Seel',
Dasitzend über den Karten.
Die reizten einander beim Grubenlicht —
Ich ging davon, mir gefiel das nicht.
Und als ich kam auf des Faulhorns Höh',
Wohl über Klippen und Grate,
Da fand ich drei Männer im ewigen Schnee,
Die sassen schon lange beim Skate.
Der eine gab schon zum hundertsten Mal —
Da floh ich schaudernd hinab ins Thal.
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Es sitzen da im geheimen Rat
Drei strenge Richter der Toten.
Sie sollen's sein, doch sie spielen Skat,
Obgleich es Pluto verboten.
O ßagt, wohin kann der Mensch noch geh'n,
Um nicht drei Männer beim Skat zu seh'n?
Johanne« Trojan.
Kritik der Weltschöpfung.
yyenn ich der liebe Herrgott wär\
Dann möchte ich mich schämen,
Und würde noch einmal die Welt
Zu schaffen mich bequemen.
Denn wahrlich recht misslungen scheint
Sie mir in manchem Teile,
Was mich durchaus nicht Wunder nimmt,
Denk* ich der grossen Eile,
In der Gott dies sein Erstlingswerk
Vollbracht in nur sechs Tagen,
Anstatt mit seiner Schöpfung sich
Noch manches Jahr zu plagen. —
Das Welterschaffen ist wohl schwer!
Drum, wenn ich's recht betrachte,
Muss ich gestehn, dass Einzelnes
Gott nicht so übel machte.
Zu früh nur fand er alles gut
Mit selbstgefall'ger Miene.
Nicht leugnen lässt sich sein Talent,
Ihm fehlte bloss Routine.
Maximilian Bern.
Schein und Wesen.
(Morgenlandisch.)
J^er Lehrer sprach zum Schüler: Sieh1,
Mein Sohn, den Schatten dort vom Zelt,
Er gleicht dem Dasein dieser Welt,
Ist ganz so wesenlos wie sie,
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Beachte, wie ich meine Hand
Jetzt auf zum Licht der Sonne hebe
Und unter uns dem Wüstensand
Selbst mit den Fingern Schatten gebe:
Er scheint dir greifbar und bezirklich,
Allein du siehst, er ist nicht wirklich;
Denn alles Wirkliche besteht,
Derweil der Schatten schnell vergeht,
Zieh* ich die ausgestreckte Hand
Zurück ins hüllende Gewand«
Und wie der Schatten wesenlos
Ist Alles, Täuschung unsrer Sinne,
Vorstellung des Gehirnes blos,
Und nichts zu bleibendem Gewinne.
Selbst jener Glutenborn am Himmel
Und nachts die leuchtenden Gestirne,
Das ganze atmende Gewimmel
Des Weltalls lebt blos im Gehirne,
Im Schau' n des inneren Gesichts;
Wird dies vernichtet, so bleibt Nichts.
So sprach und ging der Lehrer weiter
Mit seinem grübelnden Begleiter,
Der, durch die Lehren ganz verwirrt,
Vom rechten Weg sich bald verirrt
Im endlos dürren Wüstenraum,
Wo keine Quelle und kein Baum
Im Sonnenbrande Kühlung bot.
Da fernher tauchte bräunlichrot
Ein Felsblock auf, der schmal und scharf
Gerade so viel Schatten warf,
Den Schüler vor der Glut zu schützen.
Dem Lehrer könnt* er nichts mehr nützen,
Er kam zu spät, doch fleht' er kläglich:
Mach Platz, die Glut ist unerträglich 1
Ich kann nicht weiter vor Ermatten,
Sei menschlich» teil' mit mir den Schatten!
Darauf der Schüler: Du verkehrst
Die eigene Lehre: — eben erst
Sprachst du, der Schatten sei nur scheinbar,
Nur eine Vorstellung, ein Nichts,
Ein Bild des inneren Gesichts;
Dein Wunsch ist nicht damit vereinbar;
Dir sitzt der Schatten im Gehirne,
Mir kühlt er meine glüh'nde Stirne,
Ich find' ihn wesentlich und wirklich,
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Sehr fühlbar und genau bezirklich,
Für mich ist er ein wahrer Schars.
Doch räum1 ich dir sogleich den Platz,
Wenn du gestehst, dass du geirrt
Und deine Lehre nur verwirrt
Nein — rief mit zornigem Gesicht
Der Lehrer — nein, das thu' ich nicht!
Was meine höh're Einsicht fand,
Weicht nicht dem platten Volksverstand
Der Schuler sprach: Ich warne dich,
Leicht wirst du deines Irrwahns Beutet —
Der Lehrer starb am Sonnenstich,
Der munt're Schüler lebt noch heute.
Friedr. Bodenstedt.
Theosophie.
Jch denke Gott mir, sprach die Mücke,
Vieltausendmal so gross als mich;
In ewigem Glanz, in ew'gem Glücke
Susurrend tanzt und sonnt er sich.
Kein Spinngewebe droht ihm Haft;
Selbst Meister Spatz hat mind're Kraft.
Ich bin — sagt meine Bibel — nur
Sein Ebenbild in Miniatur.
O Blasphemie! sprach da die Katze:
Gott- Vater ist wie tausend Leu'n
Mit Stahlgebiss und Eisentatze,
Und maut er, schallt's wie Sturmesdräun;
Selbst wenn er selig ruhend schnurrt,
Erdröhnt's, wie wenn der Donner murrt
Ich bin - — sagt meine Bibel — nur
Sein Ebenbild in Miniatur.
O Blasphemie 1 sprach da der Weise,
Der Denker Mensch: die Hand des Herrn
Hält liebend alle Welt im Gleise,
Sie fuhrt den Wurm und lenkt den Stern.
Wie ich als Kinderstubenheld
Treibt er's im Grossen in der Welt.
Ich bin — sagt meine Bibel — nur
Sein Ebenbild in Miniatur.
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O Blasphemie t sprach da im Chore
Der Himmel; doch der Riesenschall,
In meinem staubgebornen Ohre
Fand er nur schwachen Widerhall.
Myriaden Sonnen im Gedräng,
Sie sangen alle den Refrain:
Ich bin — sagt meine Bibel — nur
Sein Ebenbild in Miniatur.
in dürres Weib, gewohnt ihr Leben
Im Elend und im Schmutz zu waten,
Verkauft sich an der Grossstadt Grenze
An trunkne Männer und Soldaten.
Der Bursche, den sie halb aus Liebe
Und halb zum Schutz sich musste wählen,
Geht abends heimlich mit dem Messer
Zur Stadt zu rauben und zu stehlen.
Die Angst, Begierde und das Elend
Sind riesenhaft die drei Gewalten,
Die trotz des Zanks und trotz der Prügel
Die beiden stets zusammenhalten.
Der Abschaum der Kultur, der schönen,
Die man verficht mit kühner Stirne,
Geniessen sie des Lebens Fusel,
Am Abgrund wandelnd — Dieb und Dirne
Auf weichen, weissen Kissen dehnt sich
Ein Weibchen noch im Morgenkleide
Und zeigt kokett das schlanke Beinchen
Im Strumpf aus glänzend schwarzer Seide.
Der Mann ist fort, auch der Geliebte,
Den solche Frauen haben müssen;
Sie aber schwelgt im Geist schon wieder
In unerhörten Hochgenüssen.
A. 7'ngn
Dieb und Dirne.
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Sie nimmt Besuche an, und lächelnd
Gewährt sie auch die tollsten Sachen,
Nur darf man später nicht vergessen,
Ein reich* Geschenk dafür zu machen.
Der Gatte muss den Luxus schaffen,
Bedürfnis ist er ihnen beiden,
D'rum muss er wuchern, unterschlagen
Und muss die rechten Wege meiden.
Die Frau betrügt ihn täglich, stündlich,
Wie er die Leute muss betrügen,
Und so „gemessen" sie das Leben
Stets lächelnd mit verzerrten Zügen.
Die Angst, Begierde und die Habsucht
Sind riesenhaft die drei Gewalten,
Die trotz des Zanks und trotz der Lügen
Die beiden „treu" zusammenhalten.
Dasselbe wie dort in der Gosse,
Trotz Seidenkleid und Glühlichtbirne,
Der Rahmen anders, doch im Innern
Das gleiche Pärchen — Dieb und Dirne.
Robert Eysler.
1?
Die Modepuppe.
(Gekürzt.)
o zierlich wie ein Marzipanfigürchen,
So niedlich, reizend, schmiegsam und charmant,
Adrett, exakt, so trippelt wie am Schnürchen
Durchs Leben die Prinzessin aus Tragant.
Doch hinter diesen Marzipan-Allüren
Liegt eine Katze, lüstig und voll Glut,
Die Phantasieen spinnt, die auszuführen
Das frechste Dämchen hätte nicht den Mut.
Das Surren dieser Katze kann man hören
Oft im Salon beim Flirt mit dem Galan,
Doch sucht sie nur die Männer zu betören;
Mehr will sie nicht — damit ist's abgetan.
12*
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Denn Leidenschaft ist nichts für ihresgleichen,
Es reizt sie stets nur die verbotene Frucht,
Sie schnuppert dran, sie will sie nicht erreichen
Und hat noch nie zu knuspern dran versucht.
Sie hat den Gatten niemals noch betrogen,
Sie ist der Tugend Bild, das nur so strahlt,
Von Anstandsfirnis glänzend überzogen
Und — was die Hauptsach ist — famos gemalt.
Es wird ihr leicht von Sünde frei zu bleiben
(Schon weil dies oftmals der Figur nicht frommt);
Nur etwas könnte sie zum Treubruch treiben:
Wenn offiziell er in die Mode kommt.
Robert Eyslcr.
Frauenlogik
P^rauensinn ist wohl zu beugen,
— Ist der Mann ein Mann und schlau —
Aber nicht zu überzeugen:
Logik gibt's für keine Frau;
Sie kennt keine andern Schlüsse,
Als Krämpfe, Tränen und Küsse.
Friedr. Bodenstedt.
Guter Rat.
(jieb ihren wahren Namen immer
In deiner Fabel ihren Helden;
Wagst du es nicht, ergeht's dir schlimmer:
Zu deinem Eselbilde melden
Sich gleich ein Dutzend graue Toren —
»Das sind ja meine langen Ohren!«
Ruft jeder, »dieses grässlich grimme
Gebreie ist ja meine Stimme 1
Der Esel bin ich! Obgleich nicht genannt,
Erkennt mich doch mein Vaterland,
Mein Vaterland Germania!
Der Esel bin ich! I-A! I-AU —
»
Hast einen Dummkopf schonen wollen,
Und zwölfe sind es, die dir grollen.
Heinrich Heine.
1?
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Höchste Autorität.
^as Lieschen, unsres Nachbars Kind,
Ist klug wie selten Kinder sind;
Doch Sonntagsruh' und Polizei,
Die waren ihr noch einerlei,
Bis jungst ereilt den Vater hat
Ein recht gestrenges Strafmandat,
Weil er verkauft so mancherlei
Am Sonntag, als zehn Uhr — vorbei. —
Nachdenklich steht zur Kirchenzeit
Sie hinter den Gardinen heut1,
Die alle Waren streng verhüllt,
Auf dass die Sonntagsruh1 erfüllt
Sie starrt auf einen grünen Baum,
Und ganz begeistert, wie im Traum,
Fragt sie: »Sagt, wer lässt wachsen nur
Die Bäume draussen auf der Flur?c
»Der liebe Gott! mein liebes KindU
Doch Lieschen, ängstlich und geschwind,
Fragt weiter: »Ist's beim Herrgott Brauch,
Dass er*s lässt wachsen Sonntags auch?«
»Gewiss, mein Kindl Ganz ohne Frage,
Er lässt es wachsen alle Tage!«
Doch Lieschen lacht: »Wer Euch das glaubt!
Hat das der Schutzmann denn erlaubt?«
L. Marco.
Die öffentliche Meinung,
J^)u Zwitterwesen mit dem Januskopfe,
Bald unbestechlich, edel, keusch und zart;
3ald ähnelnd dem vertierten, blöden Tropfe,
Der nimmer ahnt, wie Geist sich offenbart!
Heut bist ein Riese du, der falscher Grösse
Das Schwert zerbricht und Brünne, Schild und Helm
Und morgen liegst in krüppelhafter Blosse
Schweifwedelnd du im Staub vor einem Schelm.
Du bist ein Herrscher, wunderbar geboren,
Und unsichtbar regierst du Stadt und Land;
Noch selten hast du eine Schlacht verloren,
Und deine Feinde haben harten Stand.
16 i
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Und doch ein Feigling bist du, der den Schwindel,
Der frech sich spreizt, nicht anzutasten wagt!
Wenn dich, den Fetischdiener, das Gesindel
Nur keck bedroht, so duckst du dich verzagt.
Hier gehst du blind vorbei dem scharfen Denker,
Dein Fussfall dort der feilen Dirne gilt;
Heut hebst den Helden du und Schlachtenlenker,
Und morgen einen Affen auf den Schild.
Querköpfiges Scheusal! deinem Lob und Tadel
Trotz1 ich, und spotte deines Regiments! —
So deklamierte voll Gesinnungsadel
Der neue Kandidat des Parlaments.
Drauf ging er hin und streute der Vereinung
Der Wähler aus 6ein Kompromiss-Konfekt;
Und am Altar der öffentlichen Meinung
Geopfert lag des Braven Intellekt
Gerhard von Amyntor
Publikum,
as Publikum, das ist ein Mann,
Der alles weiss und garnichts kann;
Das Publikum, das ist ein Weib,
Das nichts verlangt als Zeitvertreib«
Das Publikum, das ist ein Kind,
Heut1 so und morgen so gesinnt;
Das Publikum ist eine Magd,
Die stets ob ihrer Herrschaft klagt;
Das Publikum, das ist ein Knecht,
Der, was sein Herr thut, findet recht;
Das Publikum sind alle Leur9,
Drum ist es dumm und auch gescheit.
Ich hoffe, das nimmt keiner krumm,
Denn einer ist kein Publikum.
Ludw. Robert.
^ (1779-1S32L)
Publikum.
^as Publikum ist eine einfache Frau,
Bourgeoishaft, eitel und wichtig,
Und folgt man, wenn sie spricht, genau»
So spricht sie nicht 'mal richtig.
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-
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Eine einfache Frau, doch rosig und frisch,
Und ihre Juwelen blitzen,
Und sie lacht und führt einen guten Tisch,
Und es möchte sie jeder besitzen.
Theodor Fontane.
Kritikaster,
^a hast du was und freust dich dran,
Meinst du, damit sei's abgethan?
Pass1 aufl du bist noch nicht am Schluss,
Musst hören erst den Kritikus.
Der kommt dir ungebeten ins Haus,
Misst deine Freud' mit dem Ellmass aus,
Wiegt auf der Goldwag* haar und scharf,
Wie sehr dein Herz bewundern darf;
Oder rechnet dir gar mathematisch vor,
Was massen du ein rechter Thor,
Dich zu ergötzen an solchem Schund,
Dass du erschrickst im Herzensgrund
Und dir fürnimmst mit teurem Schwur,
Mit seiner hohen Erlaubnis nur
Inskünftig wieder erbaut zu sein. —
So macht er dich gebildet fein,
Dass du mit Zweifel nur und Grauen
Noch wagst, das Schöne anzuschauen.
Das nenn1 ich einen christlichen Wandeil
Nur Eines int mich bei dem Handel,
Nur Eines kann ich nicht unterscheiden —
Wer der grösste Narr ist von euch beiden.
Ludwig Pfau.
Recensenten.
jßläulich breitet sich der See bis zum Firmamente;
Meine Seele dehnt sich weit mit dem Elemente.
Alten Zeiten sinn1 ich nach, längst verrauschter Fabel —
Eine Ente schwimmt herbei mit profanem Schnabel.
Fängt das Tier zu schnattern an : »Zwar der See ist bläulich,
Aber in der Tiefe haust Wurm und Schnecke gräulich.
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Ist es nicht ein gross Verdienst, so den Teich zu säubern r
Und es lohnt die Arbeit sich gleich an unsera Leibern.«
Ja du bist ein kluges Tier, Muhme Schnatter-Ente,
Wirst von fremden Fehlern dick, bist ein Recensente.
Könnte diese man, wie dich, rupfen, braten, fressen,
Was die Kerle fett gemacht, wollt' ich gern vergessen!
Richard Leander.
Die Naive.
sprach: „Ich möchte erfahren,
Wer war denn der herrliche Mann,
Mit dem im Theater waren
Die Schwestern Auerhahn?"
Ihr Nachbar bei Tische erklärte,
Entsprechend der Wirklichkeit:
„Der Bruder war es, Verehrte,
Ich kenn* ihn seit längerer Zeit."
Sie sagte: „Sie werden sich schneiden,
Ich fall* Ihnen nicht hinein —
Es kann ja doch nicht von beiden
Der Bruder gewesen sein."
Arthur Pserhofer.
Die Frage.
(Gött. Mus. Alm. 1781.)
Jn Strassburg stieg ein Kavalier
Aufs Münster : Blitz, wie hoch ! mir grauet,
Sprach er zum Türmer, sag* er mir,
Herr Landsmann, ward es hier gebauet?
Pfcffcl.
Spindelmanns Recension der Qegend.
jNJäher muss ich jetzt betrachten
Diese Gegend durch das Glas;
Sie ist nicht ganz zu verachten,
Nur die Fern' ist allzublass.
im
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jene Burg auf steiler Höhe
Nenn' ich abgeschmackt und dumm,
Meinem Auge thut sie wehe,
Wie der Fluss, der gänzlich krumm.
Jene Mühl' in wüsten Klüften
Giebt mir gar zu rohen Schall,
Aber ein gesundes Duften
Weht aus ihrem Eselsstall.
Dass hier Schlüsselblumen stehen,
Hä«* ich das nur eh* gewusst!
Muss sie schnell zu pflücken gehen,
Denn sie dienen meiner Brust.
Kräuter, die zwar farbig blühen,
Doch zu Thee nicht dienlich sind,
Doch nicht brauchbar sind zu Brühen,
Ueberlass* ich gern dem Wind.
Juitinui Kern«.
Urteil.
L)er Frühling kam zum Kritikaster
Und bat um sein Urteil. — Der sann und sann,
Endlich an seine Brille fasst* er,
Rückte sie, blähte sich und begann:
»Ihr seid noch jung . . der Mut ist zu loben . •
Die Form . . hm . . nicht übel . . die Leidenschaft glüht . .
Nur seid ihr zu . . wild, müsst zu Ende erst toben:
Vielleicht, dass dann euch der Lorbeer blüht . .1«
— »Ich dank* euch, ' mein lieber Herr Magister,
Doch das will mir garnicht in den Sinn!
Ihr macht mich wahrhaftig nicht zum Philister —
Dann bleib' ich der Stümper, der ich binl«
Leonhard Wetzlar.
las
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Irrtum.
^ie Halben und die Zahmen,
Die Krüppel und die Lahmen,
Sie hinken zum Parnass!
Am Quell sie niedersinken —
So wähnen sie — — und trinken
Aus einem Regenfasst
Talent.
^alent hiess einst in alter Zeit
Von Gott verlieh'ne Fähigkeit
Drauf ward Talent
Ein Kompliment,
Und das verlangt heut Jedermann,
Der schmieren oder klimpern kann.
E. Fr. Ludw. Robert.
(177»- 1832.)
f
Guter Rat,
(Einem »angebenden« Dichter.)
plannst du auch mit Engelszungen singen,
Die Philister bleiben unbewegt,
Wenn dich nicht auf ihren breiten Schwingen
Zu den Wolken die Reklame trägt 1
Statt zu plagen dich mit Folianten,
Träumend in das Abendbrot zu schau* n,
Lern, o Freund, vom Pillenfabrikanten,
Opernsänger oder Cirkusclownl
Keinen Deut ja hilft dir alle Rührung,
Hilft dir deiner Strophen kühnster Schwung; —
Mehr Furore macht schon die Entführung
Einer Millionärin, schön und jung.
Auch ein Press-Skandälchen ist nicht ohne,
Ganz besonders folgt drauf ein Duell;
Wunder wirkt oft eine blaue Bohne,
Einem Kritikus gebrannt aufs Fell«
186
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Doch das Beste bleibt, das Höchstreelle
Trink1 ein Cyankalifl aschchen aus,
Spring* hinab die Niagarafalle
Oder stirb als Narr im Irrenhaus 1
Deinen Namen nennt, ganz ohne Frage,
Schleunigst jedes Winkeiblattchen dann,
Und du bist zum mindesten drei Tage
Was du wolltest: ein berühmter Mann.
Einwirkung der Dichtkunst auf das Portemonnaie,
Jn Monaco die Rouletten,
Auf dem Rennplatz hohe Wetten
Sind nur für die Reichen da,
Sammlungen sich anzulegen,
Alpen-Klettersport zu pflegen,
Höllisch teuer wird es jal
Auf der Treibjagd ohne Zweifel
Manches Goldstück geht zum Teufel
Mit der grössten Eleganz;
Und als kostspielig zu tadeln
Ist sogar das liebe Radeln,
Dieser Sport des kleinen Mann's.
Erst die Abzahlung in Raten,
Dann ein Berg von Strafmandaten!
Hundert Thaler zahlt man wohl
Für des Arztes Honorare,
Für die Apotheker- Ware,
Für Kompressen und Karbol.
Ist's kein Absturz in den Steinbruch,
Kommt doch wohl ein kleiner Beinbruch
Oefters bei dem Radler vor«
Heut macht Muskelzerrung Sorgen,
Knochenhaut-Entzündung morgen — »
Futsch geht langsam der Humor.
Und mit steigendem Verdrusse
Sieht der Mensch am Jahresschlüsse
Seine Kostenrechnung an;
Schauernd, trauernd, traumverloren,
Kratzt sich hinter beiden Ohren
Mancher brave Strampelmann.
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Wie viel bill'ger ist das Dichten!
Jede Konkurrenz vernichten
Wird es auf der Erde hier.
50 Pfg. Barauslagen
In 360 Tagen
Reichen aus für Schreib-Papiert
Wer, bei den Penaten weilend,
Selbstgeleimte V feilend,
Seinen Durst nach Schönheit stillt,
Der werwichst kein Geld in Bieren,
Braucht im Skat nichts zu verlieren,
Seine Kasse wächst und schwillt
Kein frivoler Kater-Einfall
Schadigt ihn durch einen Reinfall,
Bringt um das Ersparte ihn.
Wenn die Andern klagen, weinen,
Sieht man ihn mit Kassenscheinen
Schwer bepackt zur Sparbank zieh'n.
Heinr. Schaffe!.
Ruf einen verhungerten Dichter,
1^)0 war es dir bescheret,
Du lebtest kummervoll,
Du hast dich aufgezehret,
Recht wie ein Dichter solL
Das gab die Pieride
An deiner Wiege kund,
Sic weihte dir zum Uede,
Zu andrem nicht, den Mund.
Die Mutter starb dir frühe;
Man sah an dem Verlust,
Dass dir kein Heil erblühe
Von einer ird'schen Brust.
Die Welt mit ihren Schätzen,
Mit allem Ueberfluss
Soll nur dein Auge letzen;
Für andre der Genuss!
Der Frühling war dein Leben,
Die Blüte war dein Traum;
Ein andrer presst die Reben,
Ein andrer leert den Baum.
Da hast an manchem Tage
Den Wasserkrug gestürzt,
Indes man Festgelage
Mit deinem Lied gewürzt.
Du warst schon hier verkläret
Und wenig mehr als Geist,
Nun bist du heimgekehret,
Wo man Ambrosia speist.
Zu Grab getragen .werde,
Was einem Leichnam gleicht 1
Du drücktest nicht die Erde,
Sei dir die Erde leicht 1
ang war die Nacht. Ich schlief mit nichten;
Mir raubt mein Trauerspiel die Ruh.
Noch gilt's den fünften Akt zu dichten —
Auroral meine Morgenschuhl
Der Held muss selbstverständlich sterben,
Doch überlebt ihn die Idee.
Mit kräfVgen Tinten will ich färben l —
Auroral einen Schluck Kaffee!
Glück auf 1 Drei kalte Leichen liegen
Dahingestreckt vom tragischen Todl —
Schon zehn Uhr? Wie die Stunden fliegen 1
Schnell, Fraul ein kleines Schinkenbrot t
Die Feder schwirrt, die Verse klingen;
Jetzt ein Effekt-Tableau zum Schluss . . .
Das muss, das muss Erfolg errringenl — ■
Auroral einen Fidibus I
Den bunten Vorhang hör1 ich rauschen,
Ich sehe, wie von Akt zu Akt
Die Hörer atemloser lauschen —
Das packt, ihr Leute, gelt, das paktt
L. Uhland.
Der fünfte Rkt.
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In Thränen schwimmen die Gesichter,
Ein toller Beifallssturm erschallt,
Man ruft berauscht den kühnen Dichter — -
»Komm, Mannt sonst wird die Suppe kaltl«
Edwin Bonnann.
Hoch einmall
(Lied einer Modegröise.)
Einst rauschten wilde Frühlingswetter
Durch dieses Herz voll Ungestüm —
Heut schreib' ich für Famüienblätter
Histörchen auf von »ihr« und »ihm«.
Einst träumt* ich kühn von heissen Siegen
Von Leidenschaft, die fehlt und irrt, —
Heut sorg1 ich nur, dass »sie sich kriegen«
Und die Moral gerettet wird.
Einst Gast im Gatten, drin die Schlange,
Grell den Erkenntnisbaum umschlingt,
Spazier1 ich nun im Thal schon lange,
Wo noch der Storch die Kinder bringt.
Ich schwärme brav mit Fritz und Kätchen;
Dass Liebe sündigt — ahn' ich kaum
Und leg* dem bleichsuchtblassen Mädchen
Sein Büchlein unteren Weihnachtsbaum.
Einst stürmt1 ich keuchend mit Titanen
Der Götter Burg in Sturm und Not,
Heut roll' ich hin auf glatten Bahnen
Und bin ein guter Patriot.
Mein Hirn wirft eine hübsche Rente,
Ich lobe Staat und Unterricht;
Und dass man wo was bessern könnte
An dieser Welt — ich ahn' es nicht.
Nennst du mich, strahlen die Gesichter;
Ich werd* gekauft, gelobt, besucht;
Ich bin ein »erster deutscher Dichter«,
Als solcher am Parnass gebucht . . .
Nur — wenn mich Siebzehnjähr'ge preisen
Und alte Weiber jubeln laut,
Ist nuVs, ich müsst* zusammenschmeissen,
Was ich in dreissig Jahr'n gebaut;
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Ein Echo von verwehten Stürmen,
Ein Feuerxorn reisst mich davon —
O Gott, ich mö'cht1 noch einmal türmen
Den Ossa auf den Pelionl
Möcht* ein von Hass und Neid Zerraufter,
Bei kargem Brot und schlechtem Wein
Ein ganz Verfluchter, Ungekaufter
In einem kalten Stübchen seinl
Rad. Preiber.
Consilium Medicum.
au«.)
Prau Poesie war krank,
Verwitwet schon seit manchem Jahr,
Wuchs scheinbar stündlich die Gefahr.
Die Stirne heiss,
Die Zunge weiss,
Die Haut bald Frost und bald in Sch weiss;
Im ganzen Leib ein schmerzlich Jucken,
Von Krämpfen alle Nerven zucken,
Obschon noch rüstig und nicht alt,
Schien nah des Todes Nachtgewalt.
Doktores kamen von allen Seiten,
Die erst sich begrüssen und dann bestreiten;
Hippokratisch, homöopathisch,
Allopathisch, hydropathisch,
Antipathisch,
Philosophisch gebrüstet,
Historisch gerüstet,
Dogmatisch, kritisch,
Klassisch, britisch;
Schreiben Rezepte in langen Zeilen.
Umsonst, — die Kranke war nicht zu heilen 1
■
Da kam ein Bader vom Land herein,
Besieht die Kranke beim Tagesschein,
Erforscht den Puls, die Zunge auch,
Befühlt die Weichen und den Bauch;
Zuletzt hebt er mit Lachen an:
»Die Wissenschaft hier wenig kann,
Der guten Dame fehlt ein Mannlc
Frans Grillparxer.
IM
Unsterblichkeit
Unsterblichkeit? — Gewiss! Da kann ich dienen!
Ich hübe Proben hier von jeder Art,
Salon-Berühmtheit 1 — die empfehl* ich Ihnen,
Von leichter Qualität, doch farbenzart.
Von besserem Stoff sind diese beiden Sorten:
Saison-Unsterblichkeit und Zeitungsruhm 1
Gar feine Muster mit Reklameborten,
Und das Dessin ist unser Eigentum —
Hier ist 'ne andre, aber schwere Ware,
Ist teuer und hat kaum ein Publikum:
Das ist Unsterblichkeit für mehrere Jahre;
Der kleine Vorrai setzt nur schwer sich um.
Saison! — Das gehtl — Das lass* ich mir gefallen!
Das trägt sich schön und kleidet Jeden gut;
D'rum ist die Sorte auch beliebt bei Allen —
Sie glauben gar nicht, was ein Muster thut —
Wie? — Echte war's, mein Herr, um die Sie baten?
Die halt* ich nicht, denn sie verkauft sich schlecht;
Wenn Sie die suchen, Herr, da möcht* ich raten,
Sie machen sie sich selbst, dann ist sie echt!
Friedrieh August Leo.
Satans List.
J3n> Luthers geistgewalr'ge Waffen
Die neue Zeit der Welt geschaffen,
Geschah's, dass Satan zur Erde kam.
Und als in Augenschein er nahm
So Burg und Dorf, so Stadt und Land,
Er freudig viele Sünde fand . . •
Nun kam er einst in eine Stadt,
Daselb9t vernahm er gross Gechrei,
Die Leute riefen: Grosses sei
Erfunden, das nichts Gleiches hat.
Und als er hinschaut*, sah er bald:
Ein Mann, gar würdig von Gestalt,
Verstand das Wort ins Buch zu bannen,
Das tausendfach es zog von dannen.
Hans Gutenberg, so hiess der hehre,
Des deutschen Namens schönste Ehre«
Nun braucht nicht mehr in enger Zelle
Der Mönch die Jahre durch zu sitzen,
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Nicht langsam malend mehr zu schwitzen,
Und selber zu des Aermsten Schwelle
Dringt rasch des Geistes frische Welle.
Darob war Satan sehr betrübt
Und nattf gern Gegenlist geübt . . .
Er sann viel' Jahre schwer und tie*;
Nach langem Sinnen aber rief
Er lustig: »Ha! Das ist nicht schief!
Ich schlag* sie mit den eig*nen Waffen,
Die grübelnden Erfinder-Laffen l
Ich mach1 durch ihre eig'ne Kunst
Ihnen einen grossen Dunst;
Ich will sie dadurch ganz verwirren,
Dass ihre Köpfe grausig schwirren, c
Und sieh! Mit höllischer Begleitung
Schuf er im Nu: Die erste Zeitung!
Max Hoffmann.
Das unheimliche Wesen.
Jn mannigfaltiger Gestalt
Treibt heimtückisch sein Wesen
Ein Ungetüm, von dem im Brehm
Und Häckel nichts zu lesen.
Ganz harmlos ist es äusserlich,
Obwohl es reich an Mängeln;
Mit ihm verglichen ähneln selbst
Die Raubtiere noch Engeln.
Oft scheint es zahm . . doch trau1 ihm nicht!
Denn — heuchelt es auch Treue,
Urplötzlich wieder überfallt
Es grundlos dich aufs neue.
Es freut sich, wenn dir was misslingt,
Und hat Erfolg dein Streben,
Dann knurrt es, brächte gerne dich
Um jedes Glück im Leben.
Es gönnt dir nichts auf weiter Welt,
Nicht Ehre und nicht Habe, —
Verfolgt geheim mit seinem Hass
Dich bis zu deinem Grabe.
IS
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Ja, selbst bei deinem Nekrolog
Wird oft sein Neid noch rege.
Dag unheimliche Wesen heisst —
Recht treuherzig: Kollege.
Maximilian Bern.
Der alte Streber an seinen Sohn.
^^as bürgt dem Menschen das Gedeih' n
Im Steeplechase des Lebens?
Das ist die edle Kunst allein
Des »unentwegten« Strebens.
(Natürlich nach realem Ziel;
Das andre gilt wie Pappenstiel
Im Süden wie im Norden
Dem edlen Streberorden 1)
Ob du bezopfter Mandarin.
Ob preussischer Assessor,
Ob du ein Glied in Russlands »Tschin «,
Ob deutscher Kunstprofessor: — *
In jedem Stand und jedem Reich
Bleibt das Recept probat und gleich,
Mein Sohn, um hier auf Erden
Geehrt und satt zu werden.
Vor allem sei dein Rückgrat nicht
Gleich Lineal und Tischbein 1
Geschmeidigkeit ist erste Pflicht;
Vom Kautschuk drum und Fischbein
Zu biegen und zu beugen lern'
Dich vor den vorgesetzten Herren,
Nicht minder vor den »Massen«,
Willst du dich wählen lassen«
Bedenke stets, wer du auch seist:
Gar leicht scheint zu gescheit man,
Wenn man verrät zu vielen Geist,
Drum kommt damit nicht weit man.
Denn besser als das klügste Wort
Hilft oft die dümmste Phrase fort,
Was schliesslich sehr erklärlich; —
Ein — Lamm scheint nie gefahrlich.
1W
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kassierst du einen Rüffel ein,
Verbeug' dich höchst verbindlich;
©n rechter Dummkopf zeigt allein
Nach oben sich emfindlich.
Drum bleibt er ewig subaltem
Und titeUos und ohne Stern,
Indes der: Lebenskluge
Emporfcriecltf wie im Fluge.
Bist du erst oben, dann» mein Sohn,
Kannst du dich revanchieren,
Mit Grobheit und mit gitfgem Hohn
Plebejer kujonieren.
Für alles, was dein Stolz einst litt,
Erquickst du dich durch manchen Tritt
Nach abwärts von der Leiter;
Drum strebe weiter, weiter!
Aschermittwoch.
treu* Asche auf dein Haupt, du blonde Schöne!
Noch hebt erregt vom letzten wilden Tanze
Dein Busen sich, noch strahlt im feuchten Glänze
Bacchantscher Lust dein Blick, auf deinem Munde
Brennen die Küsse noch der tollen Stunde.
Da mischt sich in der Geigen sturmisch Locken
Schon dumpf der Klang der frommen Kirchenglocken,
Und jäh verstummen die Sirenentöne —
Streu' Asche auf dein Haupt, du blonde Schöne!
Die Welt ist falsch* Du kannst ja noch nicht fassen,
Dass jene, die dort sittsam durch die Strassen-
Zur Kirche geh'nf vor wenigen Minuten
Im wilden Taumel dir am, Herzen ruhten.
Nun beten sie, dass, wenn die guten Sitten,
Das Seelenheil durch sünd'ge Lust gelitten,
Der Himmel doch das sündige Fleisch versöhne —
Streu* Asche auf dein Haupt, du blonde Schöne!
Die Welt ist feig, denn sie wird alt und prüde,
Weil Jugendkraft und Jugendlust verglühte,
Nicht mehr wie einst zu Aphroditens Tagen
Kann sie die Schönheit unverhüllt ertragen.
13*
1%
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Was einst Begeisfrung schuf, weckt heute Grauen,
Verstohlen nur darf Schönheit uns erbauen.
Die Lüge herrscht und will, dass man sie kröne —
Streu1 Asche auf dein Haupt, du blonde Schöne I
Die Welt ist schlecht Sieh1, wie im finstern Schweigen
Die Frommen, die Gerechten auf dich zeigen.
Sie fluchen dir, du Qpp'ges Kind der Sünde.
Die Flitter weg! Ein Trauerkleid geschwinde.
In strenge Falten leg' die heitern Züge,
Und kannst du beten nicht, nun denn, so lüge
Und heuchle Reu', dass keiner dich verhöhne —
Sreu' Asche auf dein Haupt, du blonde Schöne 1
Gesellschaft.
^iner im feinsten Westen,
Viel Diamanten-Glanz,
Es nippten vom Schönsten und Besten
Die Lippen der Haute-Finanz.
Satt strahlte aus allen Mienen
Die runde Zufriedenheit —
Und mitten zwischen ihnen
Sass meine Wenigkeit.
Ich hatte der Dame des Hauses
Mein kleines Buch dediziert,
s Drin ich viel Wirres und Krauses
Zusammenfabuliert.
„Ach bitte lesen, lesen I"
Bat man mich nach dem Dessert.
Ich machte ein wenig Wesen,
D ann nahm ich das Büchlein her.
Ich las, man war begeistert,
Ein zweites, ein drittes Gedicht,
Dann hab* ich mich bemeistert:
„Meine Damen, genug! mehr nicht 1"
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Des freundlichen Hausherrn bejahrte
Rundliche Schwiegermama,
Die einst an Mitgift nicht sparte,
Sass tief ergriffen da.
Was ich gelesen, gedichtet,
Das rührte auch sie, wie mir schien.
Zum Danke hält sie sich verpflichtet,
Mich ins Gespräch zu ziehn.
Sie naht mir, erregt sich fächelnd,
— O Macht der Poesie! —
Und fragt mich, verständnisvoll lächelnd :
„Was für ein Geschäft haben Sie?41
Gustav Hochstetten
r
Eines.
u verlachst die Tagesmode?
Du verachtest ihren Sold?
Narr! Es geht die Kunst nach Brote,
Und die Schönheit geht nach Gold.
Tanze vor der Bundeslade,
Knixe vor dem Weltidol,
Räuchre gut und zeig' die Wade,
Sei servil und sei frivol!
Und es wird die Welt dich krönen,
Wird dir Rang und Ruhm verleih'n,
Und du wirst dich rasch gewöhnen,
Vor dir selbst ein Lump zu sein.
Wilh. Jensen.
Der Mond als Liebespostillon.
undert nicht euch, lieben Leute,
Wenn ich gar so langsam schreite;
Ach, ich bleicher Junggeselle
Kann nicht schneller von der Stelle.
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Denket nur, was Ich *u tragefl,
Ach, es ist nicht auszusagen 1
Tausend Briefe, Grüsse, Fragen
Und Millionen Seufzerklagen.
Ruhig ziehen lässt mich keiner,
Alles schleppen soll ich einer;
Wo ich komme, meiner warten
Hundert schon m Habs und Garten.
Hat mir vor dem Weiterziehen
Eine Wolke Schutz geliehen,
Um ein wenig nur zu rasten,
Gleich erhalt1 ich neue Lasten:
»Ihr und ihm viel hundert Grüsse U
»Ihr und ihm ach, tausend Küsse 1«
»Er soll ewig mein gedenken!«
»Sie soll ganz ihr Herz mir schenken 1«
So geschieht's seit ew*gen Zeiten,
Seit aus liebe ich begleiten
Muss die jungfräuliche Erde, —
Wahrlich, bald mir zur Beschwerde.
Selbst aus Liebe nachtzuwandern
Und noch Bote sein den andern:
Nein, da wundert nicht euch, Leute,
Wenn ich bleich und langsam schreitet
Witold Leo.
Hinter den Kulissen.
J^er Saal erstrahlt im Lichterglanz,
Die Herrschaft hat jour fix mit Tanz. •
Zum Schlüsselloch schleicht's Zöfchen sacht
Und lauscht hinein in all die Pracht.
Sie seufzt; ihr Herze wird so schwer:
„Wenn ich doch auch ein Fräulein wär I
Wie sie sich fein und zierlich drehn,
Wie ihre lichten Kleider wehn!
So fein-gemessen lächeln sie,
So kühl und vornehm fächeln siel" —
Sie meint, sie spürt die Kühle noch,
Die zu ihr strömt durchs Schlüsselloch.
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Da schallen Schritte hinter ihr, —
Das ist ihr Schatz, der Grenadier!
Der nimmt sie um die Mitte rund
Und küsst sie mitten auf den Mund. —
Da geht's ihr glühend durch den Sinn :
„Gottlob, dass ich kein „Fräulein" bini" —
Otto Kindt.
Rrme Natur!
ie »süsse, heilige Natur«,
Die Künstlern einst so schön erschienen,
Ist nun entwertet; Stümpern nur
Kann heut* sie noch zum Vorbild dienen.
Entwickelt haben sich zu dritt
Die Malerei, Musik und Dichtung;
Doch die Natur, de hielt nicht Schritt
Und blieb getreu der alten Richtung.
In Form und Farbenton blamiert
Sie Tag für Tag sich drum abscheulich;
Die Bäume sind nicht stylisiert,
Die Schatten nicht genügend bläulich,
Die Wolken viel zu wenig bunt,
Die Berge völlig falsch gestaltet;
Was sie erzeugt, ist Kitsch und Schund,
In Stoff und Kolorit veraltet.
Oft thut mir die Natur recht leidl
Die arme ist schon ganz marode,
Lernt nichts von Künstlern neuer Zeit
Und kommt missachtet aus der Mode.
Maximilian Bern.
Der Floh und der Riese.
£Juf einem Riesen sass ein Floh,
Der wurde nimmer herzlich froh;
Wie er auch saugte Zug um Zug,
Es war dem Schlingel nie genug.
199
4
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Der Riese hatte dichtes Fell,
In das der kleine Springgesell
Nicht immer konnte nach Belieben
Den leckerhaften Rüssel schieben;
Doch wenn's gelang, dann mit Behagen
That er in Hast gar wackre Züge
Und füllte gierig seinen Magen.
Gesättigt hub er an zu lästern:
»Mein Wohlgefühl ist frevle Lügel
Was sorg* ich heute mich wie gestern,
Zu fristen dieses Daseins Not?
Am besten war* ich nie geboren,
Denn all mein Mühen ist verloren;
Man quält sich doch nur für den — Tod.
Fluch dem unselig blinden Willen,
Dem unvernünftigen Schöpfungsdrang,
Der, seine Müsse auszufüllen,
Mich und den Kerl, drauf ich schmarotze,
Gesundem Denken just zum Trotze
Zu dieses Lebens Posse zwang!
Der Unsinn hat uns nur erschaffen,
Und sinnlos vegetiert die Zunft
Der Menschen, Vögel, Fische, Affen;
Nur ich, der Floh, bin mit Vernunft
Begabt und seh* bei ihrem Schein
Des Weltprinzipes Irrwahn einlc
So schmählt er oft Doch einmal traf
Herr Pulex eine gute Stelle
Und füllte mit der süssen Welle
Des Blutes sich sein Wänstlein brav;
Doch als er sich recht toll und voll
Gesoffen, wie's ein Floh nicht soll,
Da folgte Uebelkeit der Lust,
Und an des guten Riesen Brust
Hat er sich krampfhaft angeklammert,
Sein Irren reuevoll bejammert
Und sich mit seinem Intellekt
Zur ewigen Ruhe ausgestreckt.
Er starb als seines Vaters Sohn
An einer — Indigestion,
Der Riese unsre Erde ist;
Der Floh darauf — der Pessimist.
Gerhard v. Amyntor.
?00
Das verzweifelte Flaschenkind.
»Es krampft sich in Titanen weh das Hers,
Vom Daseinsekel angepackt, rusammen.«
H. Conradi
lieg1 ich nun und schrei mich matt,
Keine MenschenseeF erwacht.
Wie ist das Leben so schaal und leer!
Ich hab' es mir anders gedacht
Man hat mich getauft, ich weiss nicht wie,
Man hat mich geimpft sogar,
Obgleich ich gegen das Taufen sowohl
Wie gegen das Impfen war.
Drei silberne Löffel, die sind mein,
All mein Vermögen bis jetzt.
Wer weiss aber, wo die heut schon sind —
Sie sind gewiss schon versetzt 1
Nur Milch bekomm1 ich und nichts als Milch,
Ich mag sie schon gar nicht mehr.
Keine Abwechslung im Ernährungsgang,
Niemals der kleinste Likör l
Nur Milch, nur Milch und nichts als Milch,
Niemals ein and'res Getränk 1
Und die Masern steh'n mir auch noch bevor,
Mich schaudert, wenn ich dran denk!
Und dieselbe Umgebung, blöd1 und stumpf,
Glotzt Tag für Tag mich an.
Davon laufen möcht' ichl Wehe mir,
Dass ich noch nicht laufen kann!
Das Leben ist, ich merk'
Ein ewiges Einerlei:
Man wird nass und wird
O wär* erst alles vorbei!
es schon,
wieder trocken gelegt
Johannes Trojan.
201
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Der Gimpel, pfeifend sein gelerntes Lied.
Er hängt im Sonnenschein dort an der Mauer,
Er hat es gut und gar nichts fallt ihm sauer,
Er ist zufrieden, wie man deutlich sieht
Das ist die Kunst 1 Sie führt zu hohen Ehren:
Man hat das kleine Tier bezahlt mit Gold.
Kann man die Nachtigall wohl Lieder lehren?
Man kann es nicht 1 Drum soll den Gimpel ehren,
Wer wahrer Kunstvollendung Beifall zollt 1
Nun leiert er sein Lied, der brave Gimpel,
Wie er's gelernt hat, alle Tage her,
Pfeift seine Melodie so rein und simpel,
Dass alles jauchzt: »Wie schön singt unser Gimpel
Das Liedchen doch: ,Wenn ich ein Vöglein wärN
£jr sagte jüngst, ich wäre nur
Ein ganz unwissend Kind,
Das nie gefragt, was die Natur
Und Gott in Wahrheit sind«
Er sprach so schön, so bildervoll
Und gab mir auch ein Buch,
In dem ich fleissig lesen soll,
Sei's auch nur zum Versuch.
Ich las und las; mir ward davon
Ganz wunderlich zuletzt:
Der liebe Herrgott wurde schon
Im Eingang abgesetzt:
»Es ist kein Gott, der denkt, der wie
Ein Künstler wirkt und schafft,
Was Gott ich nenne, ist nur die
Im Stoff latente Kräfte
Als ich im Walde diese Stell'
Mit lauter Stimme las,
Sprang von den Buchenwipfeln schnell
Der Sonnenschein ins Gras.
SeideL
Er sagte jüngst.
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fcr lacht, als er aufe nasse Moos
Mit Silberzehen tritt —
Und alle Blätter brechen los
Und lachen herzlich mit.
Ich schlug beschämt ob diesem Spott
Das Buch unwillig m —
Und seitdem hat der liebe Gott
Von meiner Sehe Ruh'.
H. GKltn.
Entwkklungsgrenze.
^Jicht schreckt mehr die moderne Frau
Der schwierigste Beruf des Mannes I
Was immer einer leisten mag,
Das echte Ueberweib auch kann esl
Bald gibt es keine Wissenschaft
Und keine Tätigkeit auf Erden,
In der die Mitbewerberin
Gefährlich nicht beginnt zu werden
Jurisprudenz und Medizin,
Astronomie selbst und so weiter
Sind ihr bequehie Sprossen nur
An geistiger Entwicklungsleiter. —
Wer sagt's voraus, wie weit sie noch
Uns als Rivalin überflügelt,
Wenn Mitleid mit dem schwachen Mann
Nicht rechtzeitig ihr Streben zügeh?!
Erlernt sie alles dochl . . . nur nicht
Das einfachste von allen Dingen:
Vom Wagen einer Strassenbahn
Korrekt nachvorne abzuspringen.
Maximilian Bern.
VC
203
Ruferstehung.
Jm freundlichen Heiligen-Geist-Spital,
Da lagen im reinlichen Totensaal
Zwei Männer von Nummer Zehn und Sieben;
Die waren unter dem Messer geblieben,
Das ihnen das Gedärme zerstückt.
Die Operation war gut geglückt;
Ein schwieriger Eingriff ohne gleichen,
Wie's der Professor selbst gewusst.
Dann kam das Fieber, der Blutverlust —
Na, und jetzt waren's Leichen.
Der von Nummer Zehn war ein alter Baron;
Trug noch um die bläulichen Lippen den Hohn,
Mit dem er der Welt von oben herab
Im Leben die Meinung zu wissen gab.
Die Nasenflügel blähten sich hohl,
Als röch* er im Tod noch das viele Carbol
Und misse peinlich in dieser Luft
Ein Spürchen französischen Fliederduft,
Mit dem, eh* er sich ins Himmelbett legte,
Sein Konrad zu parfümieren pflegte.
Sein Bart war nicht mehr recht frisch in der Farbe;
Quer über dem Auge die Säbelnarbe,
Die, vom Rotspon begossen, so dunkel geblüht,
War eingesunken und abgeglüht
Und an den Schläfen die Silberfädchen,
An denen die lustigen kleinen Mädchen
Ihn nach dem Souperchen so gerne gezupft,
Die waren von kaltem Schweiss betupft.
In sonsten lag ein seltsamer Frieden
Auf weisser Stirn. So schien er fast
In einer Gesellschaft, die sonst er gemieden,
Ein stiller, doch ein zufriedener Gast.
Nur an des Nachthemds gesticktem Kragen,
Wie's ziemt einem Enkel aus stolzem Stamm
Ruhmvoller Helden aus Kreuzzugstagen:
Die Krone über dem Monogramm!
Auf dem Nachbarbett ein Diätar,
Dem sauber das Kinn gebunden war.
Die Hände ums Kruzifix gedreht,
Im Hemdlein, grob und oft genäht,
Die Beine unter dem Tuch, dem glatten,
Mager und schwunglos wie Eichenlatten.
Die Wangen gefallen, die Augen hohl,
204
Di
So lag er da. Dem Aermsten war wohl.
Er hart* im Ringen nach Brot und Segen
Sein Lebtag nicht so ruhig gelegen
Und schien nach hartem und herbem Tun
Gewillt, sich in Ewigkeit auszuruh'n.
Und dass im dämmernden jungen Tag
Im Nebenbett ein Reichsfreiherr lag,
Das war ihm wirklich zum ersten Mal
Total egal.
Die Uhr schlug acht. Auf den Korridoren
Begannen die Studios schon zu rumoren;
Mit dem alten Diener der Anatomie
Spassten die künftigen Medici.
Noch fröhlich von gestrigen Gelagen
Taten sie höchst verfängliche Fragen,
Kamen dann mit dem Alten herein
Und besahen gemütlich das stille Gebein.
Taten prüfend die Laken verschieben —
Einer war mager, und einer war fett;
Lagen so friedlich Bett an Bett
„Nummer Zehn" und „Nummer Sieben". . .
Es kam der Professor: „Meine Herr'n,
Die Operation ist trefflich geglückt,
Auch war ich vom Heilverlaufe entzückt.
Sind beide gestorben. Da wüsste man gern,
Was in diesem Körper die Kräfte gemindert
Und die vorschriftsmässige Heilung verhindert."
So sprach der Treffliche ohne gleichen
Und liess sich die zierlichen Messer reichen,
Mit denen in ihrer sterblichen Blosse
Die geistverlassenen Erdenklösse,
Bevor sie wieder fahren zur Erden,
Noch wissenschaftlich durchstöbert werden;
Auf dass man kann zu der Menschheit Segen
Mit neuen lateinischen Namen belegen,
Was noch zum Trotz aller Menschenlist
Seltsamerweise unheilbar ist.
Das Tote wird das Lebende lehren,
Kadaver-Weisheit, nicht zu umgeh'n —
So schnitten und spalteten Messer und Scheren
„Nummer Sieben" und „Nummer Zehn".
Und als geöffnet der Diätar,
Erwies sich's, dass Krankheitsart und Gefahr
Zwar von der Wissenschaft nicht gebannt,
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Doch vom Professor mit Scbartsian erkannt
„Der Schüttelfrost und die nächüichen Schweisse,
So wahr ich ein Professor heisse,
des Recurreosspiriils
Und dann die bedeutende Schwellung der Mü» — •
Ein Stümper, wer diese Zeichen verkennt:
Am Hungertyphus starb der Patient T
Mit diesen Worten bog sich zur Seite
Der Professor und legte die Eingeweide
Des sanft entschlafenen Diätars
(Ein schrumplig ärmliches Päckchen war's)
In eine Schüssel mit sorglosen Händen,
Um dann sich zum Baron zu wenden»
Beim Schneiden hat er durch die Zähne gepfiffen:
„Die edlen Organe sind angegriffen.
Der Rotspon, der Sekt in offener Schale,
Die Cate-Chantants und die Balllokale,
Die Weiber raffiniertester Sorten,
Die Trüffelpasteten und schweren Importen,
Das Nächtedurchwachen, das Zechen und Lieben,
Hat diesen Körper allmählich zerrieben,
Bis sehr begreiflicher Weise zuletzt
Das Herz seine Tätigkeit ausgesetzt."
Mit diesen Worten bog sich zur Seite
Der Professor und legte die Eingeweide
Des Reichsfreiherrn — ein Zufall war's —
Zu dem Leibesinhalt des Diätars.
Die sich nun, schillernd in blutigen Krusten,
In einer Schüssel vertragen mussten.
So lag das Herz, das in Lust geglüht,
Von Sekt und prickelnden Weibern entfacht^
Dicht bei dem andern, das kummermüd'
Vom Hungertyphus zum Stillstand gebracht . . .
Und als dann kam der Totenschjein,
Da packten die Diener die beiden ein
Und gaben jedem unter dem Schnitt
Ein Päcklein Eingeweide mit,
Ohne zu prüfen erst hin und her,
Welches das Herz eines jeden war';
Wenn nur ein jeder wieder gefüllt war
Und in die üblichen Tücher gehüllt war,
Und der Pfarrer sein Wörttein sprach, —
Keiner schaut ja im Brustkorb nacht
Der Baron fuhr Schnellpost zur Hölle,
Weil er als leidiger Junggeselle
Oft in schlechten Häusern gewohnt
Und nur selten die Tugend geschont.
Dahingegen der D i ä t a r
Wandelt' auf Wegen sternenklar
Mit der Engel Empfehlung versehen
Ueber die himmlischen Wolkenhöhen.
Petrus grüsst' mit dem HeiTgenschein,
Trat zur Seite und Hess ihn herein.
Seltsam, der Kömmling (es hiess, er sei schüchtern,
Aeusserst moralisch und immer nüchtern!)
Wollt* Sankt Peter zu seinem Entsetzen
Irdische Mikoschwitze versetzen,
Schuf unter den Engeln ein grosses Gequieks
Und macht der heü'gen Cäcilie „Kieks".
Und als er die heil'ge Veronica
In frommer Erbauung wandeln sah,
Hat er ihr — ob Ihr das glauben mögt —
Keck seinen Arm um die Taille gelegt
Und geflüstert : „Was soll nu das Zimpern und Zieren,
Kleine Krabbe, komm', geh'n wir soupieren!"
Petrus, als er den Schaden gewahrt,
Rauft sich wütend den silbernen Bart:
„Nein, wie soll ich des Schlüsselamts walten
Und hier oben die Ordnung halten,
Wenn da unter den Wolken die
In der Berliner Anatomie
Biedermännern, die aufersteh'n,
Durch Nachlässigkeit und übles Verseh'n,
Durch Schleuderarbeit und Uebereilen
Das falsche Herz in den Brustkorb keilen!"
Das hörte der Teufel und seufzte und sprach :
„Ach ja, Sankt Peter, das führ ich dir nach.
Bei mir zum Exempel ist jetzt ein Baron,
Der verdirbt in der Hölle den ganzen Ton.
Ich hart* mich gefreut auf den leckern Braten;
Jetzt sitzt er da und gibt uns zu raten
Knackmandeln für Kinder und Rösselsprünge
Und andere ähnlich erbauliche Dinge
Und erzählt Geschichtchen für Gross und Klein
Aus dem Evangelischen Jüngling?verei n."
Rudolf Presber,
ao7
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Das Fest im Kuhstall.
(1828)
j5ent mir doch die blanken Rinder,
Wie sie steh'n in vollem Glanz!
Reich geschmückt wie Christtags-Kinder,
Kopf und Nacken ziert der Kranz.
Herren geh'n herum und Frauen,
Fein von Sitten und Gewand:
Und um Ohr und Hörner krauen
Sie mit schmeichelnd weicher Hand,
Sonst von Rohen nur misshandelt
Und geplagt von Magd und Knecht:
Hat die Welt sich so verwandelt?
Ward der Mensch mit eins gerecht? —
Armes Volk! du hebst den Nacken,
Und es wächst dir neu der Mut?
Morgen wird man neu dich placken,
Heut ist man zum Scherz dir gut.
Wenn nicht eigne Lust sie triebe,
Deine lockte sie wohl nie;
Armes Volk! Nicht deine Liebe,
Deine Milch verlangen sie.
Der Besuch der Qräfin.
3enötel so draussen wie drinnen welch' Leben!
Im Pfarrhof flog Teller und Tuch!
Die gnädige Gräfin Hess melden soeben,
Sie komme zum Mittagsbesuch.
Frau Pfarrer hielt Rat mit der Tochter Luise;
Galt's doch, an so wichtigem Tag
Zu zeigen an Speisen, Gedeck und Service,
Was Küche und Keller vermag.
Abstaubte den Saal man, die Prachtkonterfeie
Der Vorfahr'n, altfränkisch und steif:
Hochwürd'ge mit Bibeln, Matronen voll Weihe,
Geschnürten Korsetts und im Reif.
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Der Hausherr trug heut* seine schönste Perücke,
Frau Pfarrer ihr Seidengewand,
Luise vom besten — dass sie auch sich schmücke l —
Was nur in der Truhe sich fand.
Da endlich erschien an dem Gitter vor'm Hause
Die Gräfin mitsamt der Komtess —
Der Pfarrer empfing sie im nobelsten Flause,
Devot zwar, voll Würde indes.
Vergnügten Gesichts knixten tief auf der Treppe
Frau Pfarrer und Tochter bereits,
Sich bückend, als wollten sie küssen die Schleppe
Des aristokratischen Kleids,
Den Saal nun betraten die vornehmen Gäste;
Der Pfarrer beschrieb voller Glut
Die Ehre, die man durch dies Fest aller Feste
Dem Haus zu erweisen geruht,
Drauf wurde die Herrschaft zur Tafel geleitet,
Die unter der Last brach — so schien's.
Herablassend hat sich die Gräfin verbreitet,
Zuviel sei es hier des Bemüh'ns,
Der Pfarrerin Kochkunst, wie lobte sie diese,
Das Essen in jeglichem Punkt,
Dann neckte sie taktlos, doch gnädig Luise
Mit des Hauses gelehrtem Adjunkt
Die Finger Komtesschens, wie Schnee zum Erblinden,
Sie lösten vom Küchlein ein Stück
Des Flügels zur Spende dem Hündchen, Belinden —
Sie selbst wies fast alles zurück.
Die Gäste sah'n stehen den Hauspotentaten
(Mit Blicken sich sendend Rapport),
Wie, Schweiss auf der Stirn, er, das Messer im Braten,
Sich bückte bei jeglichem Wort.
Dann reichte Frau Pfarrer mit herzlichem Nötigen
Die Schüsseln herum, die gehäuft,
Die rötlichen Erdbeeren, die leckeren Brötchen —
Der Segen des Herrn, wie er träuftl
Spritzkuchen und Pontac sind auch nicht zu tadeln:
So gab es hier manchen Genuss;
Die Herrschaft sass aber zuletzt wie auf Nadeln,
Doch da war der Mahlzeit Beschluss.
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Auf Vaters Gehelss kam nun hastig gesprungen
Ein Rudel, tiefbräunlich und feist;
Drauf gnädig Gefragt nach den Namen der Jungen -
Und Antworten tölpisch und dreist.
Frau Pfarrer, die Arme gekreuzt, ganz behäbig,
Sie rühmte in Tönen so weich
Der Tochter Talente, im Lobe freigebig,
Als käme Luisen nichts gleich.
Die mustert indes der Komtess Toilette,
Die Spitzen und Schleifen am Kleid,
Erwägend, wie gern sie die Herrlichkeit hätte,
Den Freundinnen allen zum Neid.
Zuletzt gab's Kaffee aus altmodischer Kanne
— Geschenk des Hochsel' gen! — Im Ton
Der Parentarion hielt der Pfarrer dem Manne,
Dem trefflichen, einen Sermon.
Er pries ihn als Heros, wie Gott ihn nur schicke
Und man ihn nicht wieder hier trifft,
Vergass auch nicht, dass er die Rede brav spicke
Mit Stellen der heiligen Schrift
Nachseufzte geziemend die Gräfin dem Toten,
Zog schnell aus der Tasche ihr Tuch,
Sprach gnädig davon, das9 man viel ihr geboten, —
Und fort ging der hohe Besuch.
Geleit gab der Pfarrer der Herrschaft als Rittet«
Frau Pfarrer und Tochter jedoch,
Sie knixten am Thor, und sie knixten am Gitter
Und knixen und knixen wohl noch I
Anna Maria Lenngren.
Internationale Raufefei.
(UM)
Jch sah einen Rudel Gassenbuben,
Wie kaum entschlüpft aus des Lehrers Stuben,
Die warfen sich mit Ballen von Schnee
Und lachten, that's Einem im Fallen weh.
Sie waren mit Ekelnamen nicht faul
Und streckten die Zunge aus dem MauL
»Ei«, dacht' ich in meinem Sinne, *ei,
Und so was duldet die Polizei?«
Da gewahrt' ich Gold in ihren Haaren
TTnd sah erst, dass es — Könige wäreil.
Frau GriHpamr.
*
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Dte1 Rtnflctif
ȣj[ch, wie ungemein poetisch
Die Ruinen auf den Höh'nU
Fräulein, Sie sind sehr ästhetisch;
Ja, Ruinen, die sind schön,
Und das Fräulein — drob geschmeichelt
Fährt in der Ekstase fort,
Während sie den Bulldog streichelt,
»Wie poetisch ist es dortlc
»Grüner Wald^ das eVge Leben,
Immer sprossend, immer jung,
Und der greise Stein daneben:
Träumende Erinnerung U
»Epheu schlingt sich um die Blosse*
Will sie grün erhalten noch;
O du Bild zerfalTner Grösse,
Wie poetisch bist du dochU
Fräulein, Sie sind sehr ästhetisch;
Sie emi jfinden schön und wahr,
Und Sie sagen's so pathetisch,
Dass es selber mir wird klar.
Ja, ich sehe: auf den Höhen
Sind nur noch Ruinen da!
Wo die alten Zwinger stehen,
Rauscht der Wald Hallelujah!
In die Burgen der Tyrannen
Drang der Geist zerstörend ein,
Trieb die Räuberbrut von danneil,
Warf hinunter Stein auf Stein.
Heil'ger Geist, du eta'ge Dreiheit,
Gott im Menschen, habe Dankt
Auf den Bergen schon ist Freiheit,
Herrscht im Thal auch noch der Zwang!
Heiser schreien dort die Raben
Um den Schutt der Tyrannei:
Ihre Knochen sind begraben,
Und der Geist, der Geist ist frei!
zu
Ja, mein Fräulein, gottvertrauend
Schau1 ich auf die stolzen Höh'nl
Hochpoetisch, herzerbauend
Sind Ruinen, — wunderschön 1
Wunderschön die düstren Mienen
Durch das grüne LaubgewindM
Doch das schönste an Ruinen
Ist. dass sie Ruinen sind!
Adolf
Der Rdelige.
j^ieser Mann mit wicht'ger Miene,
Einen Orden auf der Brust,
Trägt die Nase hoch und rümpft sie
Ueber die gemeine Lust.
Wie sie plaudern rings und lachen*
Er bleibt immer ernst und stumm;
Er hat zweiunddreissig Ahnen
Und ist ungeheuer di
IMMII
Weiter ist er nichts hienieden;
Doch ist sein Verdienst nicht
m
3
[7
Wird er auch ein Ahne sein.
Moderner Dichterling.
in glühend heisser Sommertag.
Der Jüngling im blühenden Grase lag
Im goldenen Sonnenschein.
Da war ein Blühen, ein heisses Weben,
Alles durchglüht von verlangendem Leben,
Von Lebenskraft und Ueberfluss,
Von üppiger Schönheit und tollem Genuss.
Der Jüngling selber blühend und rot,
Schrieb in sein Buch ein Lied — vom Tod !
Alice Bercnd.
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Der Backfisch.
K ichernd
Und wispernd,
Geheimnisse flüsternd,
Vor Lachen erstickend,
Verlegen sich drückend,
Vor Neugierde zitternd,
Unpassendes witternd,
In Liebesgram härmend,
Für Lehrer schwärmend,
Immer schleckend und naschend, —
Mit Notentaschen,
Mit langem Zopf
Am zappligen Kopf,
Bestrebt, zu probieren
Das Kokettieren,
Ganz ohne Sorgen
Für heut oder morgen
Und zehnmal klüger als Mama,
Schwupp — so steht der Backfisch da.
qus Gottes Herzen ist die Welt entsprungen,
Als seiner Liebe, seiner Huld Erscheinung I
So spricht die Katze, wenn ihr Fang gelungen —
Die Maus doch ist nicht ganz der gleichen Meinung.
Zwar täglich kommt ein frommes Buch heraus,
Doch nirgends fand ich widerlegt die Maus.
Alice Bercnd.
Fromme Bücher.
Hieronymus Lorm.
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VaoaBUNt>ENLIBfiE.R.
Bettlerlied.
j^etracht' ich auch jedes Geschäft in der Welt,
^ Ich weiss mir kein besser* s als betteln;
Da kann ich bequem und so wie nuVs gefallt,
Das Leben, die Tage verzetteln;
Den Bettler nenn' ich den freiesten Mann,
Der nichts besitzt, nichts verlieren kann.
Die Arbeit, äh jeder Vernünftige scheut,
Die heiss' ich vom Halse mir bleiben;
Der Gott, der dem Sperling sein Futter streut,
Lässt mich's wie die Sperlinge treiben:
Sie fliegen und flattern munter und frei,
Hungern ein bischen — und leben dabei
Und eigentlich treib* ich, was jeglicher thut;
Es betteln die ehrlichsten Leute;
Doch hat nicht jeder den seligen Mut,
Zu sorgen bot immer für heute;
Betrachtet das Treiben der Menschen nur recht —
Es ist mir ein völliges Bettlergeschlecht
Der bettelt um Reichtum, um Ehren und Macht,
Und jener um gnädige Worte;
Der Liebende lauert in schweigsamer Nacht
Und bettelt sich ein in die Pforte;
Es quält sich der Künstler am Musenaltar,
Erbettelt sich Beifall von thörichter Schar,
Das hilflose Kind, eh1 es sprechen noch kann,
Es bettelt mit Mien1 und Geberde,
Damit es dereinst als völliger Mann,
Ein völliger Bettler auch werde;
Schenk* diesem die Erde, so weit sie bewohnt,
Er will noch die Sterne und will noch den Mond!
214
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Ich aber will fürder mit fröhlichem Sinn
Durch's Leben als Bettier nur schleichen;
Demütig reich' ich die Mütze dir hin,
Und seh' ich den glücklichen Reichen,
So denk' ich mir lächelnd: Du Stolzer, nur zu!
Ein Bettelmann bist doch am Ende auch du.
Ed. v. Bauernfeld.
Der Vagabund.
£)taubig <tie Stiefel und schmutzig der Rock,
Drunter die Bluse zerrissen,
In den Händen den Knotenstock
Und mit leichtem Gewissen,
Frage mich keiner, warum ich mich so
Treibe umher auf der Strassen,
Ohne Gewerbe und ohne Geld,
Durstig über die Massen.
Liebeslust und Liebesverdruss,
Habe sie beide erfahren,
Aelter ward ich, doch klüger nicht,
Reicher allein an Jahren.
Ziehe ich nun von Stadt zu Stadt,
Auf dem Rücken den Ranzen,
Acht9 ich das ganze Lumpenpack
Mehr nicht als Ratten und Wanzen.
Eines doch hielt ich am Wege fest,
Was mir ein Schreiber verzählet,
Der ohne Amt, mit Sack und mit Pack
Lange mit mir sich gequälet:
Lumpen, das sind die Menschen all1,
Wie sie auf Erden wandern.
Offen sagt es der Vagabund,
Leise sagen's die andern.
Friedrich v Hindersin.
215
Ich schleiche meine Strassen —
Jch schleiche meine Strassen
Mit müdem Fuss einher,
Sie dehnt sich ohne Massen,
Das Ranzel wird mir schwer.
Doch hab* ich drin geborgen
Kein Silber und kein Gold,
Nur meine stillen Sorgen
Hab' ich darein gerollt.
Ob mir der Himmel blaue,
Ob ich im Nebel geh' —
Ich weiss nicht, was ich schaue
Nur, dass ich dich nicht 6eh'l
Wilh. Gräfin Wickenburg- Alma*y.
Vagantenfrühling.
Ecce gratum
Et optatum
Vcr reducit gaudial
f^olde Triebe,
Lust und Liebe
Sind im Lenzeshauch entfacht.
Bunt zu schauen
Flur und Auen,
Und die helle Sonne lacht!
Weg drum, was uns traurig macht 1
Winters Wüten
Wich den Bluten,
Wiederkehrt des Sommers Pracht I
Flocken, Schlössen
Und Genossen
Flohen fort ins Nebelland.
Lenz, der Knabe,
Findet Labe,
Wachsend an des Sommers Hand.
Wer da noch kein Liebchen fand,
Um zu herzen
Und zu scherzen,
Ist nicht richtig bei Verstand!
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Jubelnd dürfen
Wonnen schlürfen,
Honigsüsse Seligkeit,
Tapfre Knaben,
Die sich haben
Treu Kupidos Dienst geweiht I —
Venus wÜl es; seid bereit,
Froh zu siegen
Und zu liegen,
Eine Helena zur Seit!
Theodor Vulpiuus.
Der Wanderlump.
^[un fahrt mir alle aus dem Sinn
Mit Klagen und mit Quälen,
Ihr bringt nicht Trost mir, noch Gewinn,
Will and'res mir erwählen.
Nun werd' ich nichts mehr als ein Lump
Voll Wanderlust und Leben;
Aus eurem Moderbrunnen pump*
Ich niemals Saft der Reben!
Vergass ich heut in dem Revier
Die Welt mit ihren Wegen,
Grüsst aus dem Becher doppelt mir
Die ganze Welt entgegen.
Und wandr* ich ein in jenes Thal,
Bin ich zu Haus auch drüben,
Find' ich nur Wein und Liederschall
Und Mädchen so wie hüben.
Ja scheltet mich, ihr klugen Herren
Mit hochgelahrten Nasen 1
Ich gönne eure Weisheit gern
Den alten Muhmen und Basen.
Ich sag's euch grade ins Gesicht:
Ihr seid zerfressene Bücher
Und riechet doch die Weisheit nicht,
Ihr hoch wohlweisen Riecher!
217
Die freie Welt ist nun mein Hau«!
Gegrüsst an meiner Schwelle;
Wer mit mir ziehet ein und aus,
Er sei mein Lustgeselle.
Ein echter Lump zieh' ich herum,
Und scheint euch das geringe,
So scheer* ich mich den Teufel (Trum
Und wand're frei und singe 1
Otto Roa nette.
Landstreicher.
^^[ein Weib und ich, wir zieh'n daher
So leicht wie lose Blätter,
Uns macht kein Gut Sorg1 und Beschwer,
Kein Wind und auch kein Wetter.
Wir haben keine fahr'nde Hab1,
Kein ganzes Kleid im Bündel,
Die Strassen zieji'n wir auf und ab,
Wir sind halt nur Gesindel 1
Giebt uns der Wirt auf Borg fcein Pier,
So borgt uns doch die Quelle,
Und hungert uns, so stebjen wir
Das Schaf mitsamt <Jem Felle.
Was kümmert's mich, wenn mir das Weib
Entgegen bringt ein Kindel,
Es war ein schöner Zeitvertreib9
Wir betteln halt die Windeil
Sperrt auch der Amtmann ans dann ein,
Lässt uns schon wieder laufen;
Wir wärmen uns im Sonnenschein,
Den braucht man nicht zu kaufen.
So geht's jahraus, so geht's jahrein,
Und kommt dann unser Sandel,
Ei was, sie graben uns schon ein,
Sind wir auch nur Gesindel 1
*1»
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Vagantenlied.
j^Jun ist mir alles einerlei,
Geht es empor, geht's abwärts wieder!
Und geht es gar nicht, streck1 ich mich
Am Sp-assenrand zum Sterben nieder.
Der Morgen findet mich dann tot
Wie manchen Vogel auf der Halde,
Wie manches Wild, gestorben nachts
Vereinsamt, hilflos, tief im Walde.
Und streift der erste Frübrotschein
Die Wangen mir, «iie leichenfahlen,
Dann schimmern sie, als freut' ich mich.
Erlöst zu sein von meinen Qualen.
Maximilian Bern
» » ■
Begegnung.
»Herr Postillon, ei, nehmt mich mitl«
Drjn sass ein braunes Kind allem.
Nun fuhren traulich sie zu zwei'n.
Er sprach, er habe (las Glück gesucht,
Doch sei das Glück noch auf der Flucht;
Sie sprach, nun sei auch die Mutter tot,
Da suche sie jetzt als Magd ihr Brot.
Wie kurz die Fahrt 1 Das Posthorn klang,
Der Bursche sich aus dem Wagen schwang.
Sie sind einander nimmer begegnet,
Doch jedes hat still das andre gesegnet
Paul Barsch.
Mit den Schwalten.
Jch zog mit den Schwalben einst fort von hier,
Nun kommen die Schwalben zurück mit mir.
Sie finden die heimischen Giebel und Bogen — -
Mein Haus ist verfallen, mein Glück ist verflogen«
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Zerfetrt sind die Schuh' und zerrissen das Kleid,
Meine Liebste, die hat einen andern gefreit,
Sie tanzte mit Fiedel und Klarinett*
In ein behäbiges Bürgerbett.
Da bleibt mir wohl nichts als Weitergehen
Und nicht mehr nach Dächern und Schwalben seh'
Meine Augen, die brennen und dQrfen's nit schau1!
Wie die sich schnäbeln und Nester bau'n • • .
Georg BuMe-Palma
Vagabunden.
£Juf staubiger Strasse fanden
Sich beide von ungefähr;
Er kam aus welschen Landen,
Sie kam von Norden her.
Er war ein leichter Geselle,
Sie war ein lockres Blut;
Sie küssten sich auf der Stelle
Als wären sie längst sich gut.
Zigeuner mit Zimbeln und Geigen
Kamen des Wegs heran;
Die spielten den Hochzeitsreigen
Auf blumigem Wiesenplan.
Den Rest der Flasche tranken
Sie fröhlich miteinand,
Und weiter sah man wanken
Das Pärlein Hand in Hand.
Nur wenig beide sich fragen,
Sie fanden leicht ihr Glück,
Und frohgemeinsam trugen
Sie Lust und Missgeschick.
Einst in ein Dorf
m
IST31
V*
Im hohen Korne munter
Harrte die Liebste sein.
Sie harrte bis zum Morgen
Hungernd auf den Genoss.
Und er — er sass geborgen,
Sass hinter Riegel und Schloss.
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Sie frug an allen Toren,
Sucht* ihn von Ort zu Ort. .
Er blieb für sie verloren,
Und einsam zog sie fort.
Und als der Vogel entflogen,
Da fing der Büttel sie.
Denselben Weg sie zogen
Und fanden sich doch nie.
Paul Barsch.
*•
Meid.
j^till hockt vor seiner Schwelle
Ein müder Bauersmann,
Ein wandernder Geselle
Blickt ihn neidisch an.
„Ach, wer's doch auch so hätte 1"
Er denkt es wehmutvoll,
„Noch winkt mir keine Stätte,
Wo ich heut rasten soll."
Der Bauer in seinem Grolle
Sinnt: „Schlecht ist das bestellt.
Ich quäl' mich an der Scholle,
Der Lump besitzt die Welt!"
Paul Barsch.
Zigeunerliebe.
Sag*, wo ist der Durst, der Hunger,
Kälte, Wind und alle Nöte,.
Küss9 ich deine runden Brüste,
Glutentbrannt, in Flammenröte?
Deine runden, süssen Brüste,
Deine Lippen, Hals und Glieder, —
Und ich bin ganz lebenstrunken,
Und mein Blut jauchzt Schelmenlieder«
Sieh, in deines Leibes Schönheit
Zieh ich ein als stolzer Krieger —
Hier mein Reich, hier meine Stacke 1
Königin, empfang den Sieger!
Micha«! G*org Conrad.
Vagabundenlieder.
I.
as fragst du den Mann
Nach Heimat und Haus?
Er hat sie nicht —
Du horchest nach Vater
Und Mutter ihn au*,
Er kennt nicht.
Was fragst du den Mann
Nach Kind und nach Weib?
Er klagt doch nicht,
Dass sie ihn verliess
Mit Seele und Leib
Um einen Wicht . . .
Was fragst du den Mann
Nach seinem Gott?
Er suchte Licht! —
Warum blieb es dunkel
In Elend and Spott?
Er weiss es nifcht. — —
2.
Musikantenvolk ist da
Mit der Harr' und Fiedel,
Und das kleine Mädel singt
Hüstelnd nfcch ein Liedel.
Kamen weit vom Süden her,
Eine ganze Bande,
Starben alle, bis auf drei,
In dem kalten Lande • . •
Spielen in der Schenke auf
Heut* vor grossen Herren,
Die vom Musikantenvolk
Lied um Lied begehren.
Manchem Zecher naht das Kind,
Der da lärmt und kreischet,
Rauh giebt er den kargen Lohn,
Den es schüchtern heischet.
Und im Winkel sitzt es nun,
Ueberzahlt die Gabe,
Grollt und weint in sich hinein:
»Lag1 auch ich im Gräbel« . . .
Ad« Chriitta.
Wiener Kappetbuben.
Burgmusiki . . . • In hellen Haufen
Seht das Volk zusammenlaufen,
Klingen ihre Weisen flott,
Und voran den Musikanten
Ziehen ihre Leibtrabanten:
Wiener Strizzi und Falott
Konfiscierliches Gelichter!
Viel verwegene Gesichter,
Schief die Mütze auf dem Haupt,
Schief im Munde qualmt der Stummel,
Den sie auf dem Strasscnbummel
Sich vom Pflaster aufgeklaubt.
Abends lärmen die Halunken
In verdächtigen Spelunken,
Stören rings die Schlafesruh',
Und wer's Nachtquartier bezogen,
Deckt sich mit dem Brückenbogen
Oder mit dem Himmel zu.
Ohne Geld und ohne Fundus
Lebt Lumpaci-vagabundus
Sorglos seine Tage hin;
Wiener Blut ist's und ein rechtes,
Denn der Ahnherr des Geschlechtes
Ist der liebe Augustin!
Keiner eine Mtenscheuperle,
Aber wahre Teufelskerle,
Wenn es was zu wagen gilt —
Als es einst in Wälschland krachte,
Keiner da sich lang bedachte,
Rannten all1 ins Schlachtgefild.
Hei! die Wiener Kappelbuben,
Als sie an zu fechten hüben
Tapfer in Radetzkys Reih'n,
Lustig ging's da, wie zum Prater,
Und der alte Heldenvater
Schmunzelnd rief sein »Bravoc drein!
Wie sie da die Feinde gerbten
Und den wälschen Boden färbten
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Mit dem Wiener Blute rot! —
Jeder hat sich brav getummelt;
Manches Leben, das verbummelt,
Endete im Heldentod.
Heimgekehrt vom fremden Lande,
Wieder zog die Lotterbande
Mit der Burgmusik herum,
Pfiffen wieder frisch und munter —
Nein, der Wiener geht nicht unter,
Nicht einmal im Lumpentuml
Alkrecht Graf Widnnborg.
not
£Jll euer girrendes Herzeleid
Thut lange nicht so weh
Wie Winterkälte im dünnen Kleid,
Die blossen Fasse im Schnee.
All eure romantische Seelennot
Schafft nicht so herbe Pein,
Wie ohne Dach und ohne Brot
Sich betten auf einen Stein.
Ada Christen.
Wanderschaft.
Erster Wanderer:
ohin so trüb, o Freund am Wanderstab?
Zweiter Wanderer:
Ein wenig durch die Welt und dann ins Grab.
Erster Wanderer:
Denselben Weg hab* ich ja auch zu machen.
Zweiter Wanderer:
Doch ist ein Unterschied: ich kann nicht lachen.
Martin Gr »iL
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flbsynth.
(^yjein Lieben, Träumen, Grollen,
Ist früchtelos verrauscht.
Wenn meine Segel schwollen,
Hat sie der Sturm gebauscht;
Gewaltig klingt sein Gellen
Im Takelwerk, den Raa'n,
Mein Schifflein will zerschellen —
Ei nu — was geht's mich an?
Es starb das heil'ge Feuer,
Das auf dem Mast gesprüht:
Die Hand verliess das Steuer —
Sie war wohl allzumüd.
Sie sucht nicht mehr durch Sunde
Die klippenfreie Bahn . . .
Sie hebt das Glas zum Munde —
Ei nu — wen geht's was an?
Und hab' ich nie besessen,
Was je mein Herz begehrt —
Du Taumeltrunk Vergessen,
Du bleibst mir immer wert!
In dir versenkt zur Stunde
Sei, was man mir gethan . . •
Ihr sagt, ich geh' zu Grunde?
Ei nu — was geht's euch an?
J. J. Darid.
Lumpenhochzeit.
Jn der alten Heideschenke
Zittern heute Diel und Decke,
Reichlich fliessen die Getränke,
Dass der Braten besser schmecke«
Hochzeit hat die rote Jule
Mit Hansjörg, dem Pferdediebe, —
Sitzen auf bekränztem Stuhle,
Schon beseelt von Grog und Liebe«
Jules Bräut'gam ist ein hag'rer,
Rings gefürchteter Geselle,
Seine Gäste: Wegelag'rer,
Fürchten sämtlich sehr das Helle.
Diese Hochzeit kam der Bande
Just zu frechem Spiel gelegen;
Im gestohTnen Messgewande
Sprach der Erzschelm Schnipps den Segen.
Holla! braune Betteljungen,
Flöten lasst und Fiedeln tönen!
Hei! da drehten sich und Schwüngen
Schwarze Bursche, wilde Schönen.
Auch der Bräut'gam wirbelt seine
Dralle Braut durch Flur und Stube —
Fussgetrampel und nicht feine
Scherze full'n die Mördergrube.
Draussen plötzlich tönt ein Pfeifen • • •
Schrecken malt die Aneesichter:
Kreischend nach den Bandeln greifen
Sieht man rasch das Diebsgelichter.
»Die Gensdarmen kommen! — munter!« —
Und ein Fluchen war's und Toben —
Stolpernd ging es drauf und drunter,
Eh' sie auseinander stoben.
Schnapphans griff nach seiner Tasche,
Puff zum Rock und Krack zum Hute,
Lene nach der Branntweinflasche —
Hansjörg schwang sich auf die Stute
Und liess seine Braut im Stiche,
Um bequemer zu verschwinden! —
Doch die kennt die Strich1 und Schliche
Und wird ihn schon wiederfinden!
Berliner Zigeuner.
im Titel schmücket meinen Namen,
Kein Orden meinen Rock befleckt,
Und hinter Schurzen hoher Damen
Hab' ich mich niemals noch gesteckt
Vier Treppen hoch bin ich geboren,
Hab' oft in gleicher Höh' gehaust,
Ich hab' gehungert und gefroren
Und war verludert und verlaust
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Nie fand ich Schutz und Gunst bei Mächt* gen,
Sah kaum von fern die grosse Welt,
Oft mussf bei Mutter Grün ich nacht* gen —
Zur Miete fehlte mir das Geld.
So that ich frech die Welt durchstreifen
Und fasste ihren tiefsten Sinn —
Nur kann und kann ich's nicht begreifen,
Dass ich trotzdem kein Dichter bin.
Conrad Albord.
Wiener Früchtel.
j^Jur der freut sich des Lebens recht,
Der lebt von heut* auf morgen,
Ist niemands Herr und niemands Knecht
Und hat für nichts zu sorgen!
Ich nenne nichts auf Erden mein
Und schleppe keine Bürde —
Der grösste Lump von Wien zu sein,
Ist alle meine Würde.
Ich brauche weder Bett noch Schrank,
Kein Nest und keine Nische,
Ich wohne auf der Wirtshausbank
Und schlafe unterem Tische.
Albrecht Grmf Wickenborg,
Zigeunergluck
glüht die Welt so mondlichüoh,
Und meine Geige jubelt froh,
Mein Herz brennt so.
Sie ruft und bittet durch die Nacht,
Da sind zwei Schwarzaugen aufgewacht,
Ein Mündlein lacht
Es fliegt ein süsser Duft vom Rain.
Mich ladet die Au im Sternblumenschein
Zum Lager ein • • •
•
Und schlaf ich hinter dem Heckenzaun,
Da huscht zu mir das Dirnlein braun
Im Nächtegrau'n.
16*
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Ich winde dem Dunkelgelock den Kranz;
Die Blattlein sind von Sternenglanz
Versilbert ganz.
Ich habe Rosen zu Ketten gereiht,
Die leg* ich reich um Nacken und Kleid
Der armen Maid.
Da sagt sie leis': »Mein Wildgesell,
Die Nacht ist warm, die Nacht ist hell,
Mein Blut geht schnell, t
Und schauernd sinkt sie an mich hin —
Da fliegt mir ein altes Lied durch den Sinn:
Dass ich König bin!
Mein Tag ist arm, die Nächte reich —
Zwei Arme sind mein Himmelreich,
So heimlich weich.
• -
Was thur'g, dass ich Tages betteln muss,
Wenn solches Kosen, solcher Kusf
Der Nächte Schluss?!
Sie schaut mich mit goldnen Augen an —
Da ist's um allen bögen Wahn
Und Leid gethan.
*
Es wachen die Sterne am Wolkensaum,
Und leise sinkt von Hecke und Baum
Ein Blütenflaum . . .
Nun ruhe, von Knospen und Mondschein bedeckt,
Bis der Tag mit frühem Wind dich neckt
Und mein Kuss dich weckt . . .
Alberta toü Puttkmmer.
Zigeuner.
Mutter, die braune Zigeunerin,
Die führte mich an der Hand,
Sie schritt wie eine Königin
So stolz im Bettlergewand.
Als ich einmal sie fragte,
Wer denn mein Vater sei,
Da seufzte sie und sagte:
»Sieh, dort zieht er vorbei lc
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Ünd als ich nach der Seite
Die Blicke wandt1 geschwind,
Sah ich, wie auf der Heide
Hinstrich der Morgenwind.
Hei, ist der Wind mein Vater,
So singe ich sein Lied!
Ein windig Büblein hat er,
Das mit ihm weiter zieht.
Meine Mutter sass verlassen
Und weinte im Heidekraut,
Sie hat mir auf den Strassen
Vergebens nachgeschaut.
Heinr. von Reder.
Die Kunstreiterin.
JJs zittert schon die Bretterwand,
Trompetenlärm erschallt.
Ein Bube glättet rasch den Sand,
He hopp! — die Peitsche knallt.
Da jagt herein auf schwarzem Ross
Ein Weib mit keckem Gruss,
Den braunen Arm und Nacken bloss,
Entblösst den braunen Fuss.
Die Kastagnetten klappern wild,
Es dröhnt das Tamburin,
Wie ein belebtes Bronzebild
Tanzt die Zigeunerin.
He hopp! — der heisse Tanz ist aus,
Sie gleitet rasch zur Erd';
Mit wildem Sprung ins dünne Haus
Eüt hastig Weib und Pferd.
Im Zelt hockt sie auf Samt und Stroh,
Legt Karten in die Rund,
Sie ist nicht traurig — ist nicht froh,
Peitscht gähnend Ross und Hund . . .
Ada Christen.
P29
Zicjeunerlied.
{Jeber die Heide braust der Wind,
Hoiho! der säubert die Haare,
Wenn ich mit Pack und Weib und Kind
Kreuzquer darüber fahre.
Meine Hann1, das lahme Luder, schläft,
Der andere hilft drücken,
Der derbe dritte aber heult
Meiner Alten auf dem Rücken.
Die zieht mit mir und schimpft mit mir
Vor dieser verfluchten Karre,
So keuchen wir durch Moor und Wind
Zur nächsten fetten Pfarre.
Da blasen wir uns die Hände, puh,
Und werden mal wieder heiter,
Und betteln was in Topf und Pfann'
Und lumpen halt so weiter.
Frits Lienhard.
Lied des Zigeunerknaben.
fyJehV braune Mutter ist eine Hex',
Kann zaubern und Karten schlagen;
Mein brauner Vater schweigt und geigt,
Ich muss die Trommel tragen.
Mein klein braun Brüderlein läuft noch nicht,
Auf dem Rücken trägt es die Mutter,
Da schaut es aus seinem Sack heraus;
Ich bettle zusamtn' ihm das Futter.
Mein klein braun Schwesterlein tanzt herum,
Wenn die Fiedel streicht der Vater;
Mein klein braun Aefflein hat roten Rock,
Wir spielen zusammen Theater.
Mein klein braun Aefflein sollen sie nicht
Um all' ihre Pfennige haben;
Ich glaub', es allein auf der ganzen Welt
Hat lieb mich armen Knaben 1
Theodor Vulpinus-
230
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Engagiert.
Thor herein, zum Thor hinaus
In die Welt, die blühende, weite,
Ein Rumpelkarren das Heimathaus,
Ein lachend Glück zur Seite.
Und hat der gnädige Himmel nicht
Uns Glanz und Gut gegeben,
Ein Narr, der sich den Kopf zerbricht,
Wir tanzen hin durchs Leben 1
Die Geige rauscht, es wogt und ringt
Der Tonflut brandende Welle,
Maruschka, horch 1 Die Luft erklingt,
Drauss wartet dein Geselle 1
Und ist es kein Schloss, so sei's der Wald,
Der Himmel hängt voll von Kerzen;
An deinem Busen lässt sich bald
Ein goldener Reif verschmerzen.
Das Feuer loht, die Fackel glüht,
He Spielmann, unter die Linde!
Ein Tanz, ein Tanz, eh' die Rosen verblüht,
Die Blätter zerstäubt im Windel
Martin Boelitx.
Haltlos.
^^Joderne Zigeuner,
Wüste Gesellen,
Vagabunden des Lebens,
Die ringen
Und wandern
Und suchen . . .
Doch immer vergebens 1
Einsame
Grosse Kinder
Mit halbem Wissen,
Todkrankem Herzen,
Und immer hinaus,
Immer weiter 1
Nach aussen keck,
Nach innen verjammert,
Den Rücken zerschlagen von der Hand,
An die sie vertrauend sich geklammert!
231
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Fragen.
P^at sich je das grosse Ganze
Meines Schicksals angenommen?
Ist mir aus des Lebens Tanze
Je ein Freadenstrahl erglommen?
Hat die Menschheit hold und sinnig
Mich in ihren Kranz gewunden?
Gab's ein Herz, das warm und innig
Meine Seele durchempfunden?
Wenn ich strebte, wenn ich wagte,
Mochte mich die Welt belohnen?
Wenn ich trauerte, verzagte,
Mich ermuntern oder schonen?
Starrten, die mir That empfohlen,
Nicht zur That hinauf wie Laffen?
Die mich schmähten unverholen,
Haben sie gewirkt, geschaffen?
Wenn ich zu verschmachten meinte,
Lud ein Prasser mich zu Tische?
Wenn ich vor Altären weinte,
Sprang ein Engel aus der Nische?
Wenn ich d'rum entfremdet wandle
Zwischen Schatten, unter Trümmern,
Und dem Teufel mich verhandle
Hat sich jemand d'rum zu kümmern?
Fercher von Steinwand.
Gassenjungenlieder,
i.
HöV mal, Mädel! — Was rennst denn so?
Hast du's so eilig? — Ich bin ja froh,
Endlich ein Weibsbild zu kapern!
Frohsinn hab* ich und junges Blut,
Kräftige Muskeln und stürmenden Mut —
An einem freilich wird's hapern:
232
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Ich hab' keinen Groschen im Portemonnnaie —
Da siehst? es ist leer — • Ach herjehmineh!
Bin ich ein struppiger Bengell —
Ei was — du lächelst? Du giebst mir 'nen Schmatz? —
Da, nimm meinen Arm, mein teuerster Schatz!
Trotz Schminke bist du ein Engeil
2.
Ja, ja, ihr habt Recht; mir fehlt die Moral.
Ich treib' mich umher auf den Strassen,
Rede mit Dirnen — o welcher Skandal 1
Und lumpe über die Massen!
Und doch — versprach ich niemals den Ring,
Um schneller zum Ziele zu kommen;
Nie schlau ich der Freunde Gattinnen fing,
Wie ihr, ihr — Braven und Frommen 1
Ich habe kein Weib, dem die Ehe ich brach,
Ich betrüg* nicht die eigenen Kinder —
Ich bin ja ein Lump — doch gemacht gemach 1
Vor euch bin ich wahrlich kein Sünderl
3.
Hinter den Gärten auf düsterem Weg
Wollen wir schleichen;
Kann uns doch dort durch die Dunkelheit
Kein Blick erreichen 1
Komm, Liebchen 1
Küssen und scherzen können wir da
In Seelenruh;
Bäume und Sträucher, Sterne und Mond
Gucken nur zul
Komm, Liebchen 1
Musst ja erst morgens zu hause sein —
Wir haben ja Zeit! —
Keine, die bei mir in dunkler Nacht,
Hat's je bereut 1
Komm, Liebchen I
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4.
Hee, sag* mal, Mieze, was hast du denn heu»':
Du stinkst ja mit einmal zehn Meilen weit
Nach Patchouli — unausstehlich!
Und den seidenen Rock und die pikfeine Taille!
Eli sag3 mal blos, du kleine Canaille,
Seit wann schwimmst in Gold du so selig?
Ach so 1? — hat vielleicht der ddVge Herr Graf,
Den gestern Mittag ich mit dir traf,
Dich für so viel Mammon erhandelt?
Ich nehm's dir nicht Übel: man braucht ja Geld!
Doch dass dir dieser Dummkopf gefallt — 1
Nee, Mieze, hast du dich verwandelt 1
5.
»Du läufst ja wie ein Schmutzfink herum —
So zerlumpt; — man muss sich ja schämen — c
— Ach papperlapapp! Seid nicht so dumm!
Ich werde darob mich nicht grämen!
Die Kleidung soll Schutz gegen Regen und Schnee
Und Hagel und Kälte gewähren —
In Julihitze könnt* ich getrost
Den ganzen Humbug entbehren!
Ihr freilich wandelt in Keuschheit und Frack
Excellent in Reinheit und Feinheit;
Da drin im Herzen sitzt euch jedoch
Schmutz, Lumperei und Gemeinheit!
Waaas? — Ach verflucht 1 Der Gendarm! — Papiere?
Wo sind die denn blos? — Ich hab' sie nicht hier;
Ich hol' sie schnell! —
»Flausen! Ich arretiere
Siel Marrsch 1 Los!
— — Sie können wohl nicht dafür ?c
Ach lassen Sie sich doch gleich morgen begraben!
Wenn ich nicht mal in der freien Natur
Kampieren soll können im Strassengraben,
Dann pfeif ich auf die ganze Kultur!
Leonhard Wetzlar.
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^^-^ ^5^^^=^ *^^m j£Z±
Moderne Pöbeln
Meer -Pflicht
^chlammbedeckt und tangbezogen
Schwamm ein junges Seepferd schnell
Durch die aufgeregten Wogen;
Denn im Meer war KriegsappelL
Alle grossen, alle kleinen
Fische und was stammverwandt
Mussten punktlich stets erscheinen,
Selbst wenn blinder Lärm entstand.
Blass an Bauch- und Röckenkrusten
Schwamm das Seepferd ganz allein;
Alle andern Fische mussten
Langst am Sammelorte sein.
Und so war's auch. An dem Orte,
Der zu diesem Zweck bestimmt,
War versammelt zum Rapporte
Was da Flossen hat und schwimmt;
Und das Seepferd war der Letzte.
Gleich beschimpfte es der Hai,
Dass es nur so Wogen setzte:
»Das ist eine Schweinerei!
Ist Ihr Weg denn etwa weiter,
Als der Weg der andern, Sie?
So was nennt sich auch noch Reiterl
Schöne Meerkavallerie!
Seedrach — (dieser war es nämlich,
Den man zum Sergeant erkor) —
Diesen Jockey, faul und dämlich,
Nehmen Sie mal tüchtig vor!«
»Zu Befehl, Herr Oberst!« sagte
Seedrach, der das Ding verstand,
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Weil er immer Spinnen jagte;
Und zum Seepferd dann gewandt
Schnarrte er: »Sie, der den Namen
Wellenross zum Spotte trägt,
Sie vom Haus der Popo tarnen,
Der die Eier selber legt,
Hartgesott'ner Schwanzverdreher,
Sie einjähriger Wassergaul,
Kommen Sie gefalligst näher,
Aber halten Sie das Maullc
Und das Seepferd stand mit Beben
Und entsetztem Augenpaar,
Weil ihm im civilen Leben
Fremd der Bilderreichtum war.
Doch schon riss aus solchem Sinnen
Es der Seedrach: »Sie, habt Achtl
Wenn wir mit dem Drill beginnen,
Wird gefalligst nicht gedacht
Erst den Schwanz herabgeschlagen!
Hoch den Kopfl Den Bauch herein)
Alles muss da sozusagen
Front und eine Linie sein.«
Und dieweil der Seedrach fluchte,
Blieb das arme Seepferd stumm
Und versuchte und versuchte
Grad' zu biegen, was da krumm.
Doch umsonst! Die harten Glieder
Blieben krumm so wie zuvor,
Und es fuhren immer wieder
Bauch heraus und Schwanz empor,
Bis der Seedrach tief verdrossen
Die Geduld verlor. »Hierher!
Kerl, er würde krumm geschlossen,
Wenn er nicht so krumm schon wär\
Aber wartM Ich bieg1 ihn grade!«
Sagte es und that es auch,
Bog dem Seepferd ohne Gnade
Schwanz herab, herein den Bauch.
Doch da knirschte es und krachte,
Und dann gab es einen Schrei,
Und noch eh' es jemand dachte,
War das Seepferd — knacks — entzwei.
Erst bestürzt und ohne Worte
Sah der Seedrach, was geschehen.
Um gefasst dann zum Rapporte
Zu Herrn Oberst Hai zu geh'n.
236
Und er meldete: »Zerbrochen
Ist der krumme Civiiist,
Was doch sonst nach vielen Wochen
Unterrichts erst möglich ist.« —
Peinlich war von dem Berichte
Hai berührt; dann sprach er fest:
»Steht im Tangblatt die Geschichte,
Giebfs für Sie zwei Tag* Arrest!«
Friedr. Werner van Oesterau
Der Hase und die Katze.
ine Katze und ein älterer Hase
Wanderten einst die gleiche Strasse.
Bald schlössen Freundschaft im grünen Revier
Der Hase und das Katzentier,
Und es beschlossen die wackeren beiden,
Vereint zu tragen der Wanderschaft Leiden.
So sind sie denn an ein Wirtshaus geraten,
Dran hing ein Schild: „Frischer Hasenbraten!"
Kaum hatten die beiden dieses gelesen,
Hui! Ist da der Hase am Laufen gewesen!
Zehn Spannen nahm er mit jedem Satze!
Aber erst die Katzel
Gustav Hochstetter.
Motten.
»^^as nur dadrinnen der Graukopf macht?
Er blättert bis tief in die spate Nacht
In alten Büchern hin und her,
Als ob drin was zu finden war9«
Ei siehl er ist ja nicht zu Haus,
Heut spür1 ich sein Geheimnis aus.«
Ein Spätzlein pieptfs und fliegt hinein;
Da liegen Bücher gross und klein;
Er wählt das gross te mit Bedacht
Und hat an's Blättern sich gemacht.
»Vergilbt Papier und arg befleckt 1
Möchf wissen, wo der Wert da steckt
23-;
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Doch haltl« — Sein kluges Aeuglein blitzt,
Er hat sein Schnäblein flink gespitzt.
»Zwei Motten 1 und wie gross und feist U
Begierig hat er sie verspeist
Und piept: »Wer hätte das gedacht:
Dass der auch Jagd auf Motten macht«
JuL Sturm.
Der kranke Löwe.
JJs lag der gnädige Löwe krank.
In seiner Höhle war grosser Stank.
Sich zu zerstreu'n Hess seine Gnaden
Die Tiere zum Besuche laden.
Des Kämmerers Ruf erging an drei:
An den Esel, den Bock und Fuchsen dabei;
Die hätten sich gern der Ehr1 enthoben,
So ward der Esel vorgeschoben,
Der zitternd trat in die Höhle ein. —
Da lag der König im Dämmerschein.
Der spricht, indem die heisse Gier
Aus seinen Feueraugen blinkt:
«Freund Baldwyn, sag', wie riecht es hier?« —
»Herr König«, schnuppert der Esel, »es stinkt!«
Das Eselein, der Wahrheit beflissen,
Ward fÖr sein keckes Wort zerrissen. —
Kam drauf der Bock gehüpft, vor Graus
Stehn ihm die Augen beim Kopf heraus.
»Mein Böcklein, sprich, wie riecht es dir?« —
»Herr König wie Bisam duftet es mir.«
Der Schmeichler war nichts Besseres wert:
Ihm ward sein Inn'res herausgekehrt —
Nun kam der Fuchs auf leisen Sohlen,
Was wird Herr Reineke sich holen?
»Mein guter Fuchs, du treue Seele,
Sprich doch, wie riecht's in meiner Höhle?«
Der Reinhard niest: »Ich kann's nicht sagen,
Mich thut ein arger Schnupfen plagen.«
Der König schweigt, beisst in die Lippe
Und reicht ihm eine Eselsrippe:
»Da nimm und iss, du kluger Mann,
Ich sch's, du bist kein heuriger Hase;
Wer den Geruch verleugnen kann,
Der hat die allerfeinste Nase.«
Eduard tob Bauernfcld.
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Der alte und der junge Hase.
er junge Has' zum alten spricht:
„Ich muss den Menschen loben,
Er ist im Grund so übel nicht,
Ich habe davon Proben.
Den Fuchs, der unser Volk bedroht,
Den hat er heut gefangen;
Ich sah den Räuber mausetot
In einer Falle hangen.
Ein freies Leben führen wir
Fortan in Klee und Kresse.
Auf, lohnen wir dem Menschentier
Mit einer Dankadresse!"
Der Alte spricht: „Du liebe Not!
Den Menschen kenn* ich besser.
Ich weiss ein Lied vom Hasenschrot,
Von Topf und Küchenmesser.
Es fängt der Mensch mit Witz und List
Den roten Schelm im Eisen,
Denn, wenn der Fuchs die Hasen frisst,
Kann sie der Mensch nicht speisen."
Rudolf Baumbach.
Diplomatischer Rat.
2 in Marder frass die Hühner gern,
Doch wusst* er nicht, wie sie erhaschen;
Er fragt den Fuchs, 'nen alten Herrn,
Dem Steifheit schon verbot das Naschen.
Der sagt ihm: „Freund, der Rat ist alt,
Was hilft zu zögern, brauch Gewalt!" —
Der Marder stürmt in vollem Lauf,
Die Hühner aber flattern auf,
Die einen gackernd, kreischend jene,
Gerade in des Fuchses Zähne,
Der gegenüber lauernd lag
Und mühlos hielt den Erntetag.
Wenn du nach Hühnern lüstern bist,
Frag* keinen, der sie selbst gern frisst!
Franz Grillparzer.
239
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Sprachenkampf.
Zu Aesops Zeiten sprachen die Tiere,
Die Bildung der Menschen ward so die ihre;
Da fiel ihnen aber mit einmal ein,
Die Stammesart sollte das Höchste sein.
Ich will wieder brummen sprach der Bär,
Zu heulen war des Wolfs Begehr,
Mich lüstets, zu blöcken, sagte das Schaf,
Nur Einer, der bellt, schien dem Hunde brav.
Da wurden sie wieder allmählich Tiere
Und ihre Bildung der Bestien ihre.
Eran* Grillparcer.
Die Wachtel und ihre Kinder,
^5 och wallte das goldene Weizenfeld
Und baute der Wachtel ein Wohngezelt
Sie flog einst früh in Geschäften aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.
Da rief der Kindlein zitternde Schar:
Ach, Mutter, wir schweben in grosser Gefahr 1
Der Herr dieses Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann
Der Weizen ist reif, die Mahd muss geschehen,
Geh, bitte die Nachbarn, ihn morgen zu mäh'n.
O, sagte die Wachtel, dann hat es noch Zeit!
Nicht flugs sind die Nachbarn zu Diensten bereit
Drauf flog sie des folgenden Tages aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.
Da rief der Kindlein zitternde Schar:
Ach, Mutter, wir schweben in neuer Gefahr 1
Der Herr dieses Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann:
Uns Hessen die treulosen Nachbarn im Stiehl
Geh rings nun zu unsern Verwandten und sprich:
Wollt ihr meinen Vater recht wohlgemut seh'n,
So helfet ihm morgen sein Weizenfeld mäh'nl
O, sagte die Wachtel, dann hat es noch Zeitl
Nicht flugs ist die Sippschaft zur Hilfe bereit.
Drauf flog sie des folgenden Tages aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.
J40
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Da rief der Kindlein zitternde Schar:
Ach, Mutter, wir schweben in höchster Gefahr!
Der Herr dieses Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann:
Uns Hessen auch unsre Verwandten im Stich;
Ich rechne nun einzig auf dich und auf mich*
Wir wollen, wann morgen die Hähne kräh'n,
Selbander uns rüsten, den Weizen zu mäh'n.
Ja, sagte die Wachtel, nun ist's an der Zeitl
Macht schnell euch, ihr Kinder, zum Abzug bereit;
Wer Nachbarn und Vettern die Arbeit vertraut,
Dem wird ein Schloss in die Luft gebaut;
Doch unter dem Streben der eigenen Hand
Erblüht ihm des Werkes vollendeter Stand. —
Die Wachtel entfloh mit den Kleinen geschwind,
Und über die Stoppeln ging tags drauf der Wind.
A. F. E. Langbein.
^ (17S&-1836)
In's Reine,
Jm Hahnserail war gross Geschrei,
Es wurde viel gesprochen,
Die junge Henne härV die Treu
Dem alten Hahn gebrochen!
»Nein, was zu toll ist, ist zu tollte
Rief laut der Schwestern eine
Und pusst*, dass jede Feder schwoll,
Und schimpfte Stein und Beine.
»Das ruchlose Geschöpf! — die Schand'l
Wir alle sind beleidigt! —
Wo gab's 'ne Henne wohl im Land,
Die solche Sünd1 verteidigt?
Die alte Frömmigkeit stirbt aus? —
Grau'nhafte Frevelthaten !
O Sittlichkeit im Hühnerhaus,
Wo bist du hingeraten ?c —
Sie drangen auf die Aermste ein,
Begannen zu versabeln
Das hübsche Ding, fast kurz und klein,
Mit ihren scharfen Schnäbeln.
ti
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Hoch flog der Schmutz auf dort und hier
Staub gab's auf allen Gassen,
Kein gutes Federchen ward ihr
Am ganzen Leib gelassen. —
Der alte, lacherliche Hahn
Stand still auf einem Beine
Und sah sich dumm die Sache an,
Wie alles kam in's Reine.
Otto IIäu imana.
Vogelscheuche.
Jjjs steht ein Mönch im Felde,
Ist nur ein Mönchshabit.
Die Stange schwankt im Winde,
Die Kutte dreht sich mit.
Wartl denkt der fromme Bauer,
So schützen wir die Saat;
Die Spatzen respektieren
Den geistlichen Ornat.
Die Spatzen denken: Mönchlein,
Dein Beispiel fehlte noch!
Ei, säst denn du und erntest?
Und Gott ernährt dich doch!
Paul Heys*.
Elleng rosse.
^ie Pappel spricht zum Bäumchen:
»Was machst du dich so breit
Mit den geringen Pnaumchen?«
Es sagt: Ich bin erfreut,
Dasa ich nicht blos ein Holz,
Nicht eine leere Stange I —
»Was !c ruft die Pappel stolz,
»Ich bin zwar eine Stange,
Doch eine lange, langete
A. E. Fröhlich.
(1794-1866.)
243
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■
Duelle.
y^wei Ochsen disputierten sich
Auf einem Hofe fürchterlich.
Sie waren beide zornigen Blutes,
Und in der Hitze des Disputes
Hat einer von ihnen, zornentbrannt,
Den andern einen Esel genannt.
Da »Esel« ein Tusch ist bei den Ochsen,
So mussten die beiden John Bulle sich boxen.
Auf selbigem Hofe zur selbigen Zeit
Gerieten auch zwei Esel in Streit,
Und heftig stritten die beiden Langohren,
Bis einer so sehr die Geduld verloren,
Dass er ein wildes I-A ausstiess
Und den andern einen Ochsen hiessl
Ihr wisst, ein Esel fühlt sich tuschiert,
Wenn man ihn Ochse tituliert.
Ein Zweikampf folgte, die beiden stiessen
Sich mit den Köpfen, mit den Füssen,
Gaben sich manchen Tritt in den Podex,
Wie es gebietet der Ehre Kodex.
Und die Moral? Ich glaub', es giebt Fälle,
Wo unvermeidlich sind die Duelle;
Es muss sich schlagen der Student,
Den man einen dummen Jungen nennt.
Hcinr. Heine.
Rcncontre.
^er junge Fox trat auf der Gasse
Dem alten Pintscher auf den Fuss.
Der wurde wütend. »Herr, ich lasse
Mir nicht gefallen solchen Grass!«
»Dann aus dem Wege 1« »Was?l Sie wagen,
Mich zu beschimpfen obendrein ?1
Mein Herr, da müssen wir uns schlagen 1«
»Es wird mir ein Vergnügen sein!«
Zum Walde gingJs auf stillen Wegen«
Auf Tod und Leben ein Duell.
Der Pintscher war bald unterlegen
Und starb mit traurigem Gebell.
Der Sieger aber lief geschwinde
Zur Stadt und klopft' bei Pintschers an.
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»Aeh! Gut, dass ich Sie, Gnäd'ge, finde 1
Duell. Ich Sieger. Tot Ihr Mannte
Die Witwe jammerte und klagte;
Doch sprach der Fox ihr Trost und Mut,
Bis sie zuletzt geröhrt ihm sagte:
»Ach lieber Fox, Sie sind so gut!«
Tags drauf in den Journalen wehten
Die Partezetteln schwarz auf grau:
— »Um stilles Beileid wird gebeten. €
(Und unterzeichnet:) »Fox und Frau«.
Friedr. Werner yan Ocsteren.
Spatz und Spätzin.
£Juf dem Dache sitzt der Spatz,
Und die Spätzin sitzt daneben.
Und er spricht zu seinem Schatz:
»Küsse mich, mein holdes Leben!
Bald nun wird der Kirschbaum blühn,
Frühlingszeit ist so vergnüglich;
Ach, wie lieb' ich junges Grün
Und die Erbsen ganz vorzüglich U
Spricht die Spätzin: »Teurer Mann,
Denken wir der neuen Pflichten,
Fangen wir noch heute an,
Uns ein Nestchen einzurichten tc
Spricht der Spatz: »Das Nesterbau'n,
Eierbrüten, Junge futtern
Und dem Mann den Kopf zu krau'n -
Liegt den Weibern ob und Müttern.«
Spricht die Spätzin: »Du Barbarl
Soll ich bei der Arbeit schwitzen,
Und du willst nur immerdar
Zwitschern und herumstibitzen?«
Spricht der Spatz: »Ich will dich hier
Mit zwei Worten kurz berichten:
Für den Spatz ist das Pläsir,
Für die Spätzin sind die Pflichten l
Karl Maytr
24«
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Zwei Qänse.
y^ur weissen Gans sprach einst vertraulich eine graue:
Lass uns spazieren geh'n nach jener grünen Aue,
Dort thun wir beide uns im jungen Grase gütlich,
Denn in Gesellschaft gakt es sich doch gar gemütlich.
»Nein«, sprach die weisse Gans, »da muss ich refusieren.
Mit meines Gleichen nur geh' ich am Tag spazieren,
Vertraulichkeit mit dir gereichte nur zur Schande,
Zwar bin ich eine Gans, doch eine Gans von Stande.«
Jul. Sturm.
IT
Qleichnis.
J^reund," sprachen sie, „wie du es treibst,
Kommst du bei Lebzeit nie in Mode!
Du sinnst und dichtest, ringst und schreibst
Und hungerst dich dabei zu Tode.
Die andern füllen Sack und Pack,
Du bleibst ein Bettler unter ihnen.
Begreife doch den Zeitgeschmack!
Lehr deine Muse Geld verdienen!"
„Meint ihr? Einst war bei aller Not
Ein schönes Kind mir Trost im Leide,
Die zahlte einst das Mittagbrot
Aus ihrem Beutel für uns beide;
Das nahm mein armer Stolz gar schwer!
Es war so gut gemeint im Grunde.
Ich aber liebte sie nicht mehr
Vor Scham und Groll seit dieser Stunde!
Die Kunst ist nun mein Lieb und Licht. —
Lasst doch die andern ruhig prassen!
Ich mag mein Mittagbrot mir nicht
Von der Geliebten zahlen lassen 1"
Frieda Schanz.
Versorgung.
JJingesperrt beim alten Pferd,
Das im Radlauf wohlgelehrt,
Stampft ein Kriegsross voll Verlangen,
In dem Siegeszug zu prangen.
245
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»Sei nicht thörichtU sagt der Gaul,
»Hast* s ja ruhig hier und lug*,
Hängt das Heu dir nicht ins Maul?
Giebt's nicht Hafer überg'nug?
Einzig hier wohnt wahres Glück;
Glaub es mir und meinen Jahren!
Täglich hab' ich das erfahren.«
Und das Ross spricht stolz zurück:
»Was hast du denn für Erfahrung:
Nichts denn Kreislauf, Schlaf und Nahrung U
Abraham Em an« Fröhlich.
Spinne und das Podagra.
^as Podagra und eine Spinne,
Geführt von ihrem Eigensinne,
Entschlossen sich, die Welt zu seh'n,
Und Abenteuern nachzugeh'n.
Sie trafen unterwegs sich an
Und grüssten sich, da sie sich satfn,
So leicht, so artig und galant,
Als hätten sie sich längst gekannt.
Ich dächte, sprach das Podagra,
Wir setzten nach dem Dorfe da
Zusammen unsre Reise fort
Es scheint ein wohlgelegner Ort,
Und sind Madam so müd' als ich,
So wird uns beiden, sicherlich 1
Jedwede Herberg*, gross und klein,
Auf diese Nacht willkommen sein.
Der Spinne war das eben recht:
Sie kamen an das Dorf. Geschwächt,
Hinfallig, kraftlos und halb lahm
Erlag das Podagra und nahm
Sobald als möglich, voll Begier,
Beim ersten Bauer das Quartier.
Die Spinne hielt sich für gescheiter
Und nahm den "Weg noch etwas weiter
Bis zu des Edelmannes Haus;
Hier wählt sie einen Saal sich aus,
In welchem man mit grosser Pracht
Ein Gastmahl just zurecht gemacht.
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Sogleich nahm sie nach ihrem Witz
Vom Fensterrahmen rasch Besitz;
Hub an, mit emsigem Bestreben
Viel ihrer Fäden anzukleben:
Doch eh* ihr Netz noch fertig war,
Nimmt eine Stubenmagd es wahr,
Die mit dem Besen drüber fahrt
Und unbarmherzig es zerstört.
Die Spinne hub von neuem an
Zu weben, wie sie erst gethan;
Da ward der Saal voll Herr'n und Damen,
Mit denen viel Lakaien kamen.
Ein naseweiser Bursche sah
Der Spinne Netz und rief: »Sieh dal
Was machst du hierPc und stiess sogleich
Den Hut quer durch ihr Fadenreich.
Die Spinne Hess sich's nicht verdriessen
Und heftete mit muntern Fussen
Ihr hangend halb zerstörtes Nest
Zum drittenmal am Fenster fest*
Da trat ein junges Fräulein her,
Das sah am Fenster ungefähr
Die Spinne hangen und schrie laut:
»Achl Herr Baron, mir graut, mir graut!«
Und wies mit Schrecken auf die Spinne.
Kaum ward der Herr Baron sie inne,
So zog er wie ein Held den Degen,
Fing an im Netz herum zu fegen,
So dass mit Not die Spinn' entkam
Und aus dem Saal den Abschied nahm.
Dem Podagra ging's auch fast so,
Es ward der Herberg' wenig froh.
Nachdem es lang genug gesessen,
Sprach es: »Ich möchtf ein wenig essenU
Der Bauer brachte trocken Brot,
Zum Trunk dazu kalt Wasser bot;
Dies waren nach so langen Reisen
Fürs Podagra sehr schlechte Speisen.
Es ass nicht viel, trank kaum dazu
Und sprach betrübt: »Bringt mich zur Ruh\«
Da wies der Bauer ihm zum Bette
Gar eine harte Lagerstätte,
Worauf ein wenig Stroh nur lag.
Hier wälzte es sich, bis der Tag
■
247
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Im Osten an zu grauen fing,
Und seufzend es von dannen ging.
Es traf die Spinne wieder an,
Die auch kein Auge zugethan,
Und alle beide klagten sich,
Wie elend und wie jämmerlich
Sie beiderseits die vor*ge Nacht
In Furcht und Sorgen zugebracht.
Ich seh' wohl, wo der Knoten sitzt,
Sprach drauf das Podagra. Dir nützt
Zum Aufenthalte kein Palast;
So wie ich niemals Ruh' und Rast
Bei schlechten Bauern finden kann.
Drum geh du zu dem armen Mann,
Und ich will deine Junker seh'n,
So soll das Ding wohl besser geh'n.
Dies waren beide wohl zufrieden,
Und beide gingen nun verschieden
Den Weg, so wie der Abend kam.
Das Podagra, voll Hoffnung, nahm
Zum Schloss des Junkers seinen Gang;
Und mit welch freudigem Empfang
Ward es von ihm nicht aufgenommen!
Kaum sah er es gehinket kommen,
So nahm er's höflich bei der Hand,
Führt's in sein Zimmer; drinnen stand
Ein Sofa mit viel weichen Kissen,
Davon legt er ihm drei zu Füssen
Und sprach: »Ihr Gnaden fordern dreist,
Was Ihrem Gaurn9 willkommen heisst.«
Drauf rief er seine Diener her;
Da ward der Tisch nicht einmal leer
Von Thee und Kaffee und Orsade,
Von Schokolad* und Limonade.
Alsdann ward von der Schüsseln Menge
Die grosse Tafel fast zu enge;
Denn alles, was die Schmause weit
Für echte Leckerbissen hält,
War so im Ueberflusse da,
Als war' es in Hammonia.
Die Weine, ja wer kann die zahlen?
Gewissl hier durfte keiner fehlen,
24«
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Vom Franzwein bis zum Vin de Cap;
Sodass das Podagra sogar
Satt bis zum höchsten Ekel war. —
Die Spinne trat zum armen Mann
Indes auch ihre Wallfahrt an.
Sie fand bei ihm ein freies Leben,
Fing an zu haspeln zu weben
Nach Herzenslust mit Füssen, Händen
An Thören Fenstern, Balken, Wänden,
Und machte sich manch schönes Netz
Nach ihres Eigensinns Gesetz:
Rund, mit viel Strahlen, krumm und schief,
Gleich, ungleich, seltsam, flach und tief.
So herrschte sie im ganzen Haus,
Und niemand stört' und trieb sie aus.
Als drauf die beiden Wanderer
Nach kurzer Zeit von ungefähr
Sich wiedersah'n, da rühmten beide,
Mit welcher wahren Lust und Freude
Ihr Leben nun versüsset sei.
Jedwedes blieb der Herberg* treu;
Vergnügen war auf beiden Seiten,
Und so wohnt noch zu unsern Zeiten
Die Spinne bei dem Armen gern,
Das Podagra bei grossen Herr'n.
Fr. Wilh. Zacbariä.
(1726-1777)
Der alte Rar.
]<Jin alter Aar flog mit geschwächter Schwinge
Durch niedres Holz.
Da wurden rings die Kräh'n und Krachzerlinge,
Die Eulen, stolz.
»Er fliegt doch höher nicht, als wir vermögen
Die Bahn zu ziehnl
Es fehlt, fürwahr, ein wenig nur, so flögen
Wir über ihn 1«
Der Aar vernahm's und sprach mit bitterm Hohne:
»Von meinem Schwung
In lichten Raum blieb mir zum ew'gen Lohne
Erinnerung 1
249 y
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Die trägst mich noch empor auf Geistesflügen
In Sonnennäh'n,
Die euer Flug in seinen niedern Zögen
Niemals gesehnt
In meinem Auge flammt des Lichts ein Funken,
Das dort ich trank;
Ich hab der Sonne Licht und Luft getrunken,
Ihr Staub und Stank !c —
Da blinzelten die Eulen eine Stunde
Ihm hinter her,
Da flatterten die Krähen in der Runde
Und krächzten sehr. —
Theod. Vulpiniw.
Die Fledermaus.
X^ie Fledermaus rief: O Wiesel!
Vor Aengsten ergreift mich ein FrieseL
Dein bin ich kein würdiger Schmaus,
Ich bin ja nicht Vogel, nur — Maus.
Grossmfltig sagte das Wiesel:
Die Mausart, wahrlich, ist neu;
Doch hab' ich kein Herz von Kieseil
Und liesi die Fledermaus freL
Die Fledermaus rief: O Schuhu,
Verschone mich, edelster Uhu!
Dein bin ich kein würdiger Schmaus,
Ich bin ja ein Vogel, nicht Maus.
Ei, sprach der Tyrann der Mäuse,
Die Vogelart ist mir neu;
Doch entflieg aus unserem Kreisel
Und Hess die Fledermaus frei.
Die Fledermaus rief: O Katze!
Lass ab von mir seltenstem Schatze,
Dem Adler dien* ich zum Schmaus:
Zugleich bin ich Vogel und Maus. —
Nein, Prahler, du sollst mir verderben,
Nicht umsonst hab1 ich dich erzielt 1
Auch möge jeder so sterben,
Der zweierlei Rollen spielt!
Joh. Ch. Friedr. Haug.
(17»-1829.)
250
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Eigene Grösse.
p^och auf dem Kirchendach das Gras —
Der allerhöchste Baum ist das.
Es hebt die Hälmlein, reckt den Schaft
Und weit in alle Lande gafft;
Und spricht zum Eichbaum: Liebes Kind,
Nimm dich nur ja in acht beim Wind,
Und sieh auf mich; ich zittre nicht,
Wenn alles um mich biegt und bricht.
Was sich nicht selber hält, muss purzeln;
Es geht nichts über tiefe Wurzeini
Richard Leander.
Der Kater.
JJin Kater lebte lange Zeit
Zufrieden in der Ehe,
Bis ihn die Ungenügsamkeit
Erfasst mit ihrem Wehe.
Er halt sein Leben für gering
Und sich für ein verächtlich Ding
Und martert Weib und Kinder.
Der Kätzin geht gar tief der Schmerz
Des Gatten zu Gemüte,
Sie drückt ihn weinend an das Herz
Und spricht mit Lieb' und Güte:
Dort geht die Sonn* im Himmelsblau,
Die mächtigste, die grösste Frau,
Geh* hin, um sie zu werben.
Der Kater geht von Hof und Haus
Und neigt sich vor der Sonne:
Allmächtig bist du, teilest aus
Auf Erden Licht und Wonne.
Die Sonne fallt ihm schnell ins Wort:
Nein, mächtiger ist die Wolke dort,
Die kann mich ja verdunkeln.
Der Kater spricht zum Wolkenschiff,
Das eben Anker löste
Von einem hohen Felsenriff:
Halt an, du bist das Grösste 1
Die Wolke, ein geschmeichelt Kind,
Errötet leicht und seufzt: Der Wind,
Der mich vertreibt, ist grösser«
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Der Kater läuft dem Winde zu
Und wirft sich ihm zu Füssen:
Der Stärkste auf der Welt bist du,
Lass mich als Knecht dich grüssen. —
Der Stärkste ich? In meinem Lauf
Hält mich die kleinste Mauer auf
Und bricht mir meine Flügel.
Der Kater preist die Mauerkron'
Nun Königin der Starke;
Die Mauer aber zürnt: Mein Sohn,
Du spottest, wie ich merke —
Ist stärker doch als ich die Maus,
Die nagt mich an und höhlt mich aus,
Bis ich zusammenbreche.
Der Kater sucht nun auf die Maus
Und spricht vor ihrer Höhle:
Du bist die Grösste — komm' heraus,
Das ich mich dir vermähle.
Das Mäuschen steht ganz zitternd da:
Mein Gott, ich bin das Kleinste ja,
Das Grösste bist du selber.
Der Kater kehrt nun schnell zurück
Zu seinem kleinen Kreise —
Die Gattin fragt: Hast du das Glück
Gefunden auf der Reise?
Jawohl, spricht er, 's ist alles Trug,
Ein jeder sei sich selbst genug,
Und jeder ist der Grösste.
Hira v. Gilt*.
tialensee.
J^ieweil der Mai zu blühn begann,
Verschloss ein junger Malersmann
Am Nachmittag sein Atelier
Und fuhr hinaus nach Halensee.
Die Frühlingsluft schwellt seine Lungen,
Er hat ein frohes Lied gesungen,
Durchgondelte die klaren Wogen
Des Sees, auf dem die Schwäne zogen,
Und als um Sonnenuntergang
Ihm Tanzmusik entgegen klang,
Da ging — das tun wir Alle mal — •
Der Maler in ein Tanzlokal.
252
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Viel Jugend sah er dort sich drängen.
Es wiegten sich nach frohen Klängen
Die niedlichen Berliner Pflanzen . . .
Herrjeh! Die Mädel können tanzen 1
Ja, die verstehn's und sind dabei I
Meist tanzen sie zu zwei und zwei,
Erst wenige mit ihrem Schatz . . .
Der Maler sucht sich einen Platz
So recht weit hinten in der Eck*,
Und dann schaut er aus dem Versteck
All dem Getriebe und Getu'
Mit teilnahmsvollem Auge zu.
„Und welche von den Mägdelein,"
Denkt er, „soll nun die Meine sein?
„Die Blonde mit der blauen Bluse?
„Nicht schlank genug für meine Muse! . . .
„Die Schwarze mit der roten Taille?
„Zwar schlank — doch gar zu sehr Kanaille! . . .
„Vielleicht die Kleine dort in weiss?
„Die ist zu wild, sie tanzt so heisst . . .
„Da drüben die Brünette? Nein, —
„Zu schön! Das könnt* gefährlich sein! . .
Und also prüfend, wägend, wählend,
Mit Fragen sich und Zweifeln quälend,
Sitzt er gar lange in Gedanken . . .
Bis von den Runden und den Schlanken,
Die er so prüfend wägt und misst,
Nicht eine mehr zu haben ist,
Weil so von Schlanken wie von Runden
Nun jede einen Schatz gefunden,
So dass allein und trist zum Schluss
Der Maler heimwärts wandern muss.
Nun glaub* ich fast, dass ihr nicht wisst,
Warum dies eine Fabel ist.
Jedoch, Herr Leser, nimm mal an,
Du selber seist der Malersmann,
Und setze für das Tanzlokal
Dies ganze irdische Jammertal . . .
Dann denke nach und schweige still,
Dann weisst du, was ich sagen will;
Dann weisst du, wie viel Schönes schon
In deinem Leben dir entfloh'n,
Weil du zu lange überlegt hast,
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Zu viel bedacht, zu viel erwägt hast . . .
Drum — : wenn das Glück dir wieder winkt,
Nur schnell ihm nach, eh' es versinkt!
Dann denk' an unsern Maler du
Und fasse an und greife zu,
Damit es dir nicht wieder geh*
Wie unserm Freund in Halensee. ,
Gustav Hochsteuer.
Die Spinnen und die Fliegen.
Jn einem Schlösschen, das verlassen
Und darum halb verfallen stand,
Herbergten in den öden Räumen
Viel Dutzend Spinnen an der Wand.
Gesundheit halber aber mochte
Der letzte der Insassen hier
Zerbrochene Scheiben nicht vertragen
Und flickte alles mit Papier.
Er schnitt dadurch den vielen Spinnen
Der Nahrung Zufuhr gründlich ab,
Von aussen kam nicht eine Fliege,
Wie es bald innen keine gab.
Die netze webende Gemeinde,
Die wusste nicht, wie ihr geschah,
Und war nach langem, grimmen Fasten
Dem bittern Hungertode nah.
Da ward für den, der Kraft noch fühlte,
Die Selbsterhaltung zum Gesetz,
Er lud beim Schwächern sich zu Gaste
Und frass ihn auf im eignen Netz.
Doch als zu höchst die Not gestiegen,
Da fügte sich, dass vor dem Schloss
Ein muntrer Knab' vorbeigezogen,
Den lange Weile just verdross.
Er raffte Kiesel auf vom Wege
Und nahm die Fenster sich zum Ziel,
Nur wenig heile Scheiben blieben
Nach diesem ritterlichen SpieL
254
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Und durch die Lücken schwärmten Fliegen
In Hülle und in Fülle ein,
Die Spinnen sagten: Gottes Güte
Regierte sichtbarlich den Stein l
Sie falteten die Vorderbeine
Und dankten ihm, der alle nährt,
Und haben dann mit frommen Sinnen
Die Fliegen reinlich aufgezehrt
Doch meinte deren Schwann hinwieder —
Der rings bestrickt vom Tod sich fand —
Die Scheiben habe ausgebrochen
Der Satan mit selbsteigner Hand.
Entging den grimmen Stricken eine,
Durch Gottes Huld hielt sie sich frei,
Und ward sie dennoch aufgefressen,
So meint* sie, dass es Prüfung sei.
Das gilt von Fliegen und von Spinnen,
Die an Vernunft nicht überreich;
Doch sind wir klugen Menschen ihnen,
Gottlob, in keinem Punkte gleich.
Ludwig Anzeagruber.
Das Infusorium.
^^ar einst ein Infusorium —
Es war das grösste um und um
In seinem Wassertropfen,
Es sass und dacht*: »Wer gleichet mir?
Was bin ich für ein riesig Tierl
Ich bin so gross 1 — soweit man sieht,
Erschaut man meinesgleichen nicht 1«
Kam eine Maus an diesen Ort —
Die hatte Durst und trank sofort
Den ganzen Wassertropfen
Mit samt den Infusorien all —
Fünf hundertausend auf einmal.
Gar mancher Mensch ist solch ein Thor
*
Wie dieses brave Infusor!
Heinrich Seidel.
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Beim Spiele.
J^Js sassen Hund und Schaf und Bock
An ihrem Stammtisch beim Tarok.
Der Bock gewann fast jedes Spiel.
Das ward den andern Zwei'n zu viel.
Der Hund sprach bellend: »Wau! Wir warten
Die ganze Zeit auf gute Karten.
Man könnte aus dem Felle springen!
Das geht nicht zu mit rechten Dingen. c
Und blökend gab das Schaf ihm recht
Der Bock ward rot. »Das ist nicht schlecht t
Wollt ihr mich da des Schwindels zeih'n?
Ihr Herren, das ist hundsgemein 1«
Da knurrt der Hund: »Herr Bock, gebt achtl
Dies letzte Wort war unbedacht,
War einfach schafsdumm, unerwogen.
Hab* ich gesagt, dass Sie betrogen?«
Jetzt blökt das Schaf: »Verehrter Hund,
Ihr greift mich an ganz ohne Grund«
Was ihr da sagtet grad' von »dumm«, —
Das macht mich vor Entrüstung stumm.« —
Es knurrt der Hund; das Schaf blickt weise;
Bock meckert in den Bart ganz leise.
Sie spielen weiter. — »Rotl Ich spiele!«
— — Ja, Ehrenmänner giebt es viele. — —
Friedr. Werner Ten Oesterta.
Das Johanniswürmchen.
^ in Johanniswürmchen sass,
Seines Demantscheins
Unbewusst, im weichen Gras
Eines Bardenhains.
Leise schlich aus faulem Moos
Sich ein Ungetüm,
Eine Kröte, her und schoss
All ihr Gift nach ihm.
Ach! was hab1 ich dir gethan?
Rief der Wurm ihr zu.
Ei, fuhr ihn das Untier an,
Warum glänzest du!
G. C Pfcffd.
(17Ä-1Ä».)
25«
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Erziehungsresultate.
(^Jeckernd strich den langen Bart
Vater Ziegenbock und sagte:
»Söhne, glaubt, dass ich mich hart,
Als ich jung, um's Futter plagte!
Tage ohne Klee und Gras
Waren da beinahe Regel.
Ekler Abfall war mein Frass
Und der Hirt ein grober Flegel.
Gott sei Dank) die Zeit verrann!
Ach, ihr wisst es gar nicht, Knaben,
Was es heisst: von Jugend an
Gute Streu und Futter haben U
Wie das Meckern weise klang 1
Und der alte Bock ging fressen«
Seine Söhne, predigtbang,
Machten sich davon indessen;
Und ein freches Böcklein lacht:
»Kinder, wenn wir uns vermählen
Und zu Vätern es gebracht,
Werden wir das auch erzählen U
Friedr. Werner van Öfteren.
Tempora mutantur.
£)tand ein Rosenstrauch im Mai
Blühend an sonniger Halde,
Flog ein lustiger Fink herbei
Aus dem schattigen Walde.
Und der lustige Finke sprach:
»Lass, o Rose, mich wohnen
Unter deinem Blätterdach,
Will's nach Kräften dir lohnen.
Will dich preisen mit süssem Sang,
Selig durch deine Minne —
Will dir dienen mein Leben lang,
Schöne Frau Königinne! — «
Sprach die Rose: »Ein Finkenhahn
Soll mich nicht bethören,
Wenn du wärest der Goldfasan,
Möchtf ich vielleicht dich erhören.
17
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Aber zwischen uns beiden liegt
Eine gewaltige Schranke,
Und kein Finke darüber fliegt; —
Nein — mein Herr, — ich danke, c —
Kehrte der Finke zurück zum Wald»
Dachte nicht weiter an Minne,
Pfiff und sang, da kam ihm bald
Röslein aus dem Sinne.
Als der Winter kam ins Land,
Fand er auf jenem Flecke,
Wo im Frühling die Rose stand,
Eine dornige Hecke;
Hingen nur wenige Blättlein dran«
Welk und halb erfroren —
Wartend auf den Goldfasan,
Hat sie die Blüte verloren.
Als die Hecke den Finken erkannt,
Rief sie mit einer Verbeugung:
»Zog dich endlich aus fernem Land
Heim deine erste Neigung?
Komm, mein Trauter, uns trennt fortan
Keine hemmende Schranke — «
Sah sie der Fink bedenklich an,
Sprach: »Mein Fräulein — ich danke !c —
Rudolf Baumbach.
Der Hund aus der Pfennigschenke.
ßs ging, was Ernstes zu bestellen,
Ein Wandrer seinen stillen Gang,
Als auf ihn los ein Hund, mit Bellen
Und Rasseln vieler Halsbandschellen,
Aus einer Pfennigschenke sprang.
Er, ohne Stock und Stein zu heben,
Noch sonst sich mit ihm abzugeben,
Hob ruhig weiter Fuss und Stab,
Und Kliffklaff Hess vom Lärmen ab.
Des Wegs kam auch mit Rohr und Degen,
Flink, wohlgemut, keck und verwegen,
253
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Ein Herrchen Krauskopf her spaziert.
Kliffklaff setzt an, und hoch tuschiert
Hält von dem Hunde sich das Herrchen.
Und Herrchen Krauskopf ist ein Närrchen;
Fängt mit dem Klaffer Händel an,
Greift fix nach Steinen in die Runde
Und schleudert, was er schleudern kann,
Und flucht und prügelt nach dem Hunde«
Der Köter knirscht in jeden Stein,
Zerrt bald an meines Herrchens Rocke,
Bald an dem Degen, bald am Stocke,
Beisst endlich gar ihm in das Bein,
Und bellt so wütig, dass mit Haufen
Die Nachbarn alle, gross und klein,
Zu Fenstern und zu Thüren laufen.
Die Buben klatschen und juchhein
Und hetzen gar noch obendrein.
Nun fing sichs Herrchen an zu schämen,
Umsonst so sehr sich abzumühn.
Er musste sachte sich bequemen,
Um dem Hailoh sich zu entziehn,
Wohl furbass seinen Weg zu nehmen
Und einzustecken Hohn und Schmach.
Denn alle Strassenbuben gafften
Und alle Klaffkonsorten klafften
Noch weit zum Dorf hinaus ihm nach«
Dies Fabelchen führt Gold im Munde:
Weicht aus dem Recensentenhunde !
G. A. Bürger.
(1748— im)
259
17'
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Sinngedichte.
Falter und Rosen.
j^prach eine wilde Ros* am Zaun:
Bei mir waren alle Falter traun
Und alle Bienen und Immen
Mit ihren süssen Stimmen.
Sprach eine andre wilde Ros':
Nur einem bot ich meinen Schoss,
Einem jungen Schmetterlinge;
Vor ihm sind alle geringe.
Am Tag darauf war keine mehr,
Die Falter trieben hin und her
Fern von den blätterlosen:
Sie dachten an junge Rosen.
Martin Greif.
Die Eintagsfliege. .
Jm Jahr des Heils, am achten Mai,
Ward sie geboren früh um drei.
Die Kinder-, Schul- und Jugendzeit,
Bis zur voilkomm'nen Mündigkeit,
Beanspruchten zwei volle Stunden.
Kaum war sie reif zum Flug befunden,
Begann nach allgemeiner Mode
Bei ihr die Sturm- und Drangperiode;
Die währte, bis es zehn Uhr war.
Die Sonne schien so warm und klar
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Und weckte ihre Liebesglut:
Sie wirbelte in toller Wut
Durch Wiesen, Felder, Wald und Flur
Bis gegen ein -dreiviertel Uhr
Und hat dabei den Keim gegeben
Zu manchem neuen Eintagsleben.
Um zwei Uhr trat schon Ruhe ein; —
Den Schwestern, welche erst um neun,
Geboren, gab sie gute Lehren
Und kam zu Würden und zu Ehren.
Das währte bis um fünf — darnach
Ward sie allmählich altersschwach.
Voll war die siebente Stunde kaumf
Da fiel sie tot herab vom Baum —
Und hat in diesem Tag erfahren,
Was unsereins mit siebzig Jahren.
Alois Wohlmuth.
Der Fakir.
JjJ in Fakir, der mit seiner Kette
Den Satan selbst gefesselt hätte,
Lag ausgestreckt auf seinem Bauch
Und Hess, die Sünder zu erbauen,
Sich nach dem alten Ordensbrauch
Bis auf das Blut mit Ruten hauen.
Der Pöbel sah den Wundermann
Mit heiligem Erstaunen an.
Ihr Götter, hört er einen sagen,
Welch eine Selbstverläugnung ! — „Was?"
Versetzt der Schwärmer: „Glaubt ihr das?
Kein Fakir lässt umsonst sich schlagen.
Geduld 1 Das Blättchen wendet sich:
Der Tod verwandelt euch in Pferde,
Und wehe dem, auf welchem ich
Im Paradiese reiten werde I"
G. C. Pfeflfel.
(1736-1809)
2<1
Des Sultans Dank.
y^um Sultan Murad sprach sein Grossvezieri
»Herr, diese Schale, schillernd wie Opal,
— Gewähr dem Knecht die Gnade — bring ich dir
Als Wundergabe für dein Königsmahl.
Gelobt sei Allah, der mich würdig fand,
Dass ich dies Zauberwerk für dich erstand.
Ein Derwisch der es mir zum Kaufe bot,
Verriet mir, wie geheimnisvoll es wirkt 1
Dies seltsame Gefass wird feuerrot,
Wenn nur ein Stäubchen Gift die Speise birgtc
Der Sultan schweigt, und düster wird sein Blick.
Dann schreit er auf: »Was soll dies Zauberstück?
Hinweg damit! Du willst mein Diener sein
Und bringst mir täppisch jauchzend einen Hort,
Der ewig warnen soll vor feigem Mord,
Und flösst des Argwohns dunkles Gift mir ein?
Vor meinem Thron zerschmettre den Opal,
Und frei von stumpfer Angst schreit9 ich zum MahlU
Emil Faktor.
Das Schiff.
J[Js schwimmt ein Schiff auf hoher See,
Sein Segel ist so weiss wie Schnee.
In blauer Ferne zieht's vorbei,
Es ragt so kühn, es fährt so frei.
So einsam schwebt es durch das Meer.
Die Oede lauert rings umher.
Von wannen kommt's und welches Ziel
Verfolgt sein wanderfroher Kiel? —
Wie lange pflügt es schon die Flut? —
Wann kommt die Zeit, in der es ruht? —
Wie vielen Stürmen trotzt* es schon? —
Wie vielen spricht's noch ferner Hohn? —
Kehrt es zurück ins Heimatland?
Besucht es einen fremden Strand? —
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Es fährt, es fährt. Mein Auge sieht
Es kleiner stets, je mehr es flieht.
Da — wo der Himmel küsst das Meer,
Versinkt es nun. Die See ist leer.
Mein Auge sucht vom Felsenriff
Noch immer das versunkne Schiff.
Mir kommt's wie eine Seele vor,
Die sich ins Weltenall verlor.
Frans Karl Ginzkey.
Der Vogel Storrebein.
j^Jein, nein, Herr Vogel Storrebein.
Ich mach' nicht auf, es kann nicht sein!
Verschont uns endlich, denn wir haben
Genug bereits von euern Gaben;
Die Zeit ist schwer, knapp ist das Brot,
Fast leiden wir schon selber Not!
Da schnarrt der Vogel Storrebein:
Was ihr da sagt, das ist nicht fein.
Ich bring* bloss eine Ansichtssendung;
Habt ihr für diese nicht Verwendung,
So nehm ich das gelungene Stück
Ganz ohne weiters gern zurück 1
Voll Neugier öffnet ihm die Frau —
Und aus des Kindes Augen blau
Geht ihr ins Herz ein froher Schimmer:
Ei, schön Willkomm, dich lass ich nimmer!
Herr Storrebein, der dieses sah,
Der schnarrte nur: »ich wussr1 es ja!«
Jotef Willornitzer.
'J53
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Der Gärtner und der Schmetterling.
£-Jch gönne mir das Gluck, mein Leben frei zu enden l
So bat ein Schmetterling in seines Fängers Händen,
Noch wenig Tage sind zum Fliegen mir erlaubt,
Was hilft die Grausamkeit, die mir auch diese raubt?
Du weisst, der Blumen Schmuck wird nicht durch mich ver-
sehret,
Ein unvermisster Saft ist alles, was mich nähret.
»Dein Flehen bringt mich nicht zu unbedachter Huld,c
Sagt ihm der Gärtner drauf, »stirb jetzt für alte Schuld;
Wollt' ich der Raupe That dem Schmetterling vergeben,
So wird sie hundertfach in deinen Jungen leben. c
Auch bei der Bess'rung Schein befiehlt des Bösen Tod
Das Uebel, das er that, und mehr noch, das er droht.
Abraham Gotthelf Kästner.
(i7i»-iaoo.)
Das Gelöbnis.
^^?ill mir die Mädchen aus dem Sinne schlagen
Gelobt* ich mir. Doch als der Abend kam,
War's Aphrodite, die im Fackelwagen,
Von Rosenduft und blauem Tau getragen,
Herniederflog und mich beim Arme nahm:
Die sanfte Welt, in die ich Rosen streute,
Hat dein Gelöbnis wie ein Fluch entweiht I
Doch will ich wachen, bis dein Herz bereute —
Sieh' hin, die Nacht ist voller Wunder heute,
Und Schauer schweben, meinem Wink bereit . . .
Ich sah umher . . . Da stand in schwarzen Floren
Das bleiche Leid vor meinem weissen Haus.
Da kam ein Lied, wie Geigenton zu hören:
Man trug, umrauscht von tiefen Trauerchören,
Auf schwarzer Bahre mich zum Tor hinaus.
Und dunkle Mönche, nächst dem Brückenbogen,
Flüsterten leise in die laue Nacht:
Ein fromm Gelübde, seiner Brust entflogen,
Hat ihm der Frauen holde Gunst entzogen I
Das hat ein Bluten in sein Herz gebracht . . .
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Die Chöre klangen. Und voran dem Zuge
Auf Flammenhengsten ritt der Rache-Gott.
Fern sang die Orgel ihre Geisterfuge . . .
Doch auf die Bahre, wie im Falterfluge,
Schwang leise gleitend sich der Mädchen Spott:
Er hat gezweifelt 1 Hat mit weisen Dingen
Den Tag verträumt! Und in des Wissens Qual
Liess er das Glück im Tanz vorüberklingen,
Liess uns, die Mädchen, in den Hütten singen
Und suchte sich ein Eremitental.
Die Rache kam! Denn mit dem warmen Strahle
Der Frauenhuld, die seinem Herzen schwand,
Starb alles Blühen, wie mit einem Male,
Und alles, alles, was sein Herz im Tale,
Einst mit den Göttern und dem All verband!
Ihn rührte nicht mehr das geweihte Schäumen,
Das aus der Scholle rings den Lenz gebar;
Ein Fremdling schritt er in entseelten Räumen
Und fühlte nicht mehr, dass sein Herz den Bäumen,
Den Kindern, Tieren einst verschwistert war.
Das grosse Staunen, das ihn einst bezwungen,
Als seine Seele mit den Kindern litt,
Seit jener Stunde war es stumm verklungen,
Die Bäume schwiegen, die ihm einst gesungen,
Die Tiere mieden seinen kalten Schritt.
Der Götter Atem, der ihn einst umfangen,
Als er noch Pfade zu den Müttern fand,
Blieb nun verweht in alten Wipfeln hangen;
Er aber siechte mit verhärmten Wangen
Und welkem Herzen, bis es träge stand.
Im letzten Frösteln aber rief er leise
Ein Vöglein an, das ihm von Liebe sang:
Dank, Vöglein, Dank für Aphroditens Weise,
Ich lebte nicht der schönen Frau zum Preise,
Da fror im Herzen mir der weiche Klang.
Nehmt meinen Leib, gebt ihn dem Flammenmeere,
Das schönste Mädchen schichte Scheit auf Scheit!
Zur Sühne sei's! Denn ich vergass die Lehre,
Die göttliche, dass uns vom Geist der Schwere
Nur sanfter Frauen edle Huld befreit!
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Ja, sie beflügeln unser armes Leben,
Ihr Hauch gibt Schwingen, gibt uns Takt und Schall!
Sie bringen uns ein Auf- und Niederschweben,
Ein feines Klingen und ein leises Beben . . .
Denn Frauen sind wie Melodie im A 1 11
Die Schauer schwanden. Es begann zu tagen.
Das Spiel verhuschte, als der Morgen kam,
Und Aphrodite auf bereiftem Wagen,
Von Rosenduft und blauem Tau getragen,
Zum zweiten Male mich beim Arme nahm.
Die sanfte Welt — sprach sie madonnenmilde —
Hat dein Gelöbnis wie ein Fluch entweiht.
Doch sahst du jetzt im nächtlichen Gefilde
Ein drohend Schicksal wie im Spiegelbilde . . .
Bist du vom Geist der Schwere nun befreit?
Ich schwieg . . und schwieg . . und bin ins Knie gesunken.
Und weinend, weinend sah ich Venus an.
Das war ein Knistern wie von tausend Funken . . .
Der Himmel schien von gelbem Weine trunken —
Und düftestreuend flog sie leis hinan.
Anton Lindner,
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ßOGIHLES.
Die arme Else.
ie Mutter spricht: „Lieb Else mein,
Du musst nicht lange wählen;
Man lebt sich ineinander ein,
Auch ohne Liebesquälen ;
Manch Eine nahm schon ihren Mann,
Dass sie nicht sitzen bliebe,
Und dünkte sich im Himmel dann,
Und — alles ohne Liebe."
Jung-Else hört's und schloss das Band,
Das ew'ge, am Altäre,
Es nahm zur Nacht des Gatten Hand
Den Kranz aus ihrem Haare;
Ihr war zu Sinn, als ob der Tod
Zur Opferbank sie triebe,
Sie gab ihr alles, nach — Gebot,
Und — alles ohne Liebe.
Der Mann ist schlecht; er liebt das Spiel
Und guten Trunk nicht minder,
Sein Weib zu Hause weint zu viel,
Und ewig schrei'n die Kinder;
Spät kommt er heim, er kost, er — schlägt,
Nachgiebig jedem Triebe,
Sie trägt's, wie nur die Liebe trägt,
Und — alles ohne Liebe.
Sie wünscht sich oft, es wär' vorbei,
Wenn nicht die Kinder wären,
So aber sucht sie immer neu,
Den Gatten zu bekehren;
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Sie schmeichelt ihm, und ob er dann
Auch kalt beiseit* sie schiebe,
Sie nennt ihn „ihren liebsten Mann",
Und — alles ohne Liebe.
Theodor Fontane.
Zwei Frauen,
Jch sah auf der Strasse ein armes Weib,
Krankheit im Gesicht und Lumpen am Leib,
Ein Kind an der Hand, des Elends Bild. —
„Du Arme, o bleib*
Und sag*, was dir fehlt I" so fragt* ich sie mild.
Sie sah ins Gesicht mir, wild und bleich:
„Warum bin ich arm, und warum bist du reich?
Ei hätt* ich wie du mein gutes Brot,
Dann würden sogleich
Die mageren Wangen rund und rot!
Ja, müsst* ich nicht betteln, wie ich es tu*,
Und trüg' ich seidene Kleider wie du,
Dann säh* auch ich dem Elend hier
Gelassen zu
Und braucht* nicht zu reden, du Reiche, mit dirl
Da der Bub* ist geboren in Sünd* und Schand*,
Seinen Vater, den hat er nie gekannt.
Nun wächst er in Schmach und Elend heran,
Zieht mit mir durchs Land
Und wird sein Lebtag kein ehrlicher Mann.
Ja, das Kind, das ist meine schwerste Not,
Es quält den ganzen Tag mich um Brot,
Und so schlepp' ich die Last mit mir herum —
0 Iäg' es nur tot,
Dann wären die hungrigen Lippen doch stumm!
Umsonst hab' ich ehrliche Arbeit gesucht,
Nur Spott und Hunger, das war die Frucht —
Der Tag, da die Mutter geboren mich,
Der sei verflucht!
Wer ist noch so arm und so elend wie ich!?'*
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— — Mir aber rannen die Tränen herab,
Weil ich ein eigenes Kind nicht hab',
Einst hatt* ich eins, doch lange ist's her,
Jetzt liegt es im Grab . . .
Ach, wenn ich die arme Frau doch wär'l
Ernst Zitelinann.
Die Wasserleiche.
^Jm Landwehrkanal ein Menschenhaufen,
Aus weiter Grossstadt zusammengelaufen,
Und schrilles Geschrei — verworrene Rufel —
Auf der nassen untersten Treppenstufe
Schlammüberzogenes Steingeviert
Das Auge der müssigen Gaffer stiert
Mit dem teilnahmlosen, widrigen Blick
Der feilen Neugier an fremdem Geschick.
Da unten aber, dem Wasser entrissen,
Die dürftigen Kleider zerlumpt und zerschlissen,
Von dem stinkigen, dumpfen Gewässer durchnetzt,
Von gierigen Fischen zerfressen, zerfetzt,
Das Antlitz gedunsen und grün und blass,
Die Haare durchzogen von Schlamm und Gras,
Liegt starr ein armes Menschenkind,
Ein Menschenkind, wie wir alle sind.
Wie einst sie gewesen,
Ich kann es nicht seh'n —
Mein Gott, im Verwesen
Ist niemand schön!
Ob Elend sie in den Tod getrieben,
Ob Schwäche der Seele, ob sündiges Lieben,
Was schert mich das; ich seh', wie fest
Die Hand sie auf das Herz gepresst,
Seh* nur, wie diese Hand geballt,
Die Nägel in das Fleisch gekrallt;
Da weiss ich genug 1 Solch Zeichen schreibt
Das Schicksal nur, das zum Tode treibt,
Wenn nach marternden, qualvollen Kampfesstunden
Die letzte Hoffnung dem Menschen geschwunden. —
Ich seh' erschüttert auf das Weib,
Auf den unförmig wassergedunsenen Leib
Und denke : „du Aermste, gepeitscht und gehetzt,
Dein ganzes Leben vom Glücke gemieden,
Im Tode nun endlich hast du erst jetzt
Den langersehnten Frieden Frieden." —
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Und neben mir Frau Schulze spricht:
„Ersäufen, nee, det tu1 ick mir nicht,
Ick verjifte mir lieber stille zu Haus,
Da seh* ick nich nachher so eklig aus."
Nun wird die Leiche beiseite geschafft.
Es fallen im Pöbel, der teilnamlos gafft,
Viel Witzworte, grausam-gemeine.
Ein Bursche, des seltenen Schauspiels froh,
Ein Schusterjunge, pfeift frech und roh:
„Fischerin, du kleine I"
Friedrich Brauminn..
Strassenszene.
Jn grellem Taglärm, und in enger Strasse,
Wie aus Morästen ekler Schuld entstiegen,
Sah ich ein trunknes Weib, dem Volk zum Spassc,
An einer schmutz'gen Mauer sinnlos liegen.
Ein zitternd Kind dabei; — die Stirn, die blasse,
Wollt* sich beschützend an die Mutter schmiegen.
Es jauchzte rings das Volk; — ich sah die Gasse
Den Heirgenschein der Liebe überfliegen . . .
Alberta v. Puttkamer.
Gesegnete Mahlzeit
^er Teufel sass auf einem Stein
Und nahm sein zweites Frühstück ein.
Zum Anfang langt* er tapfer zu
Bei einem Jesuitenragout,
Ass dann Pasteten, die geschickt
Mit unnützen Gigerln ausgeschmückt
Als Braten speist' er hinterher
Einen nichtsthuenden Millionär,
Der lag in einem Börsensalat,
War einst geheimer Kommerzienrat '
Pfuschmediziner als Konfekt,
Aufsichtsräte, wie das schmeckt I
270
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Und beim Champagner schloss er später
Als Käsestange mit einem Verräter.
Grossmütterlein sass still in Ruh'
Und sab dem lieben Sohne zu,
Und freute sich und sprach: »Ja, ja,
Lass (üVs nur schmecken, es ist ja dalc
August Sturm.
„Es war halt wieder ni*."
(Ein Aschermittwoch-Stimmungsbild.)
£)ie letzte Ballnacht ist vorbei. —
Auf dem alten Kanapee
Sitzt fröstelnd die Mutter, und gierig schlürft
Sie schmatzend den heissen Kaffee.
Es wälzt der Vater schläfrig noch
Im Bette sich und gähnt, —
Dje Tochter stumm und trüb' und dumpf
A n's Fensterbrett sich lehnt.
An ihrem längst verblühten Reiz
Das dreissigste Jahr schon nagt. —
Mit müden Augen schaut sie zu,
Wie's draussen langsam tagt.
Die Mutter löffelt die Tasse leer;
Dann vorwurfsvollen Blick's
Zur Tochter sie hinüberschielt:
»Es war halt wieder nixl«
Der Alte brummt in seinen Bart:
»Bald reisst mir die Gedulde
Die Mutter drauf: »Daran ist nur
Das blöde Zieren schuld«.
Sie spreizt sich ja, die dumme Gans,
Wie'n Backfisch mit lange Zöpf , —
Weisst nicht, was du uns schuldig bist,
Du undankbares Geschöpft?«
Die Tochter lächelt müd\ — Man hat
Ihr das schon oft gesagt. —
Und dumpf und trübe schaut sie zu,
Wie'« draussen langsam tagt
Julius Scha Ilmberg er
271
Frau Josephin',
Prau Josephin', Frau Josephin',
Was macht dein lieber Mann?
Der jagt im nahen Branntweinhaus
Zur Tasche seinen Lohn heraus
Und sauft
Und sauft
Und sauft, so viel er kann.
Frau Josephin', Frau Josephin',
Was macht dein Töchterlein?
Die treibt sich in der Stadt herum
Und schaut sich flink nach Arbeit um
Und bringt
Und bringt
Und bringt uns Geld herein.
Frau Josephin', Frau Josephin*,
Sag' an, was machst denn du?
Ich nehme einen festen Strick
Und lege ihn um mein Genick
Und zieh'
Und zieh*
Und zieh' die Schlinge zu.
Frau Josephin', Frau Josephin',
Und kehrt dein Mann nach Haus?
Dann hat ein Ende alle Not,
Dann fürcht' ich nichts, dann bin ich tot
Und halt'
Und halt'
Und halt' die Prügel aus.
Frau Josephin', Frau Josephin',
Und kommt die Tochter 'ran?
Die opfert ihre letzten Mark
Und kauft der Mutter einen Sarg
Und zahlt
Und zahlt
Und zahlt den Herrn Kaplan . . .
I«eo Heller.
272
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Rbendlicht.
£Jm Waldesrande ging ein armes Weib,
Das jüngste Kind lag an der matten Brust,
Und an der rechten Hand hielt sie das andre.
Das jauchzte auf in kindlich heller Lust,
Als durch die Baumeskronen golden glänzte
Das Abendlicht der Sonne und den Pfad
Mit einem lichten, letzten Strahl beschien,
In den der Fuss des armen Kindes trat.
Da Hess es schnell die Hand der Mutter los
Und beugte nieder sich, den hellen Schein
Mit seinen Händchen zu erfassen. Doch
Die Mutter sprach: »Komm weiterl Lass das sein!
Das da — ist nicht für uns!« — und zog es auf.
Und weiter schritten sie, indes zur Rüste
Die Sonne ging, aufflammend heiss und fahl.
Des Weibes abgehärmte Zöge küsste,
Die toten Augen lind ihr letzter Strahl.
John Henry Mackajr.
Der (Seiger.
Jjocken und Busenbänder weh'n!
Von Wangen und von Stirnen
Strömt heisser Duftl Im Kreise dreh'n
Die Burschen sich und Dirnen 1
Die laute Freude macht sich breit,
Geberden werden deutlich;
Die Burschen sind voll Zärtlichkeit,
Die Dirnen lächeln bräutlich,
Die Schüchternheit, die zage, weicht,
Der Taumel herrscht, der kecke 1
Nur der Eine, der die Geige streicht,
Sitzt stille in der Ecke.
Das blickt und lacht so jugendfroh
In wirbelndem Entzücken!
Das ist ein Jauchzen und ein Hallohl
Ein Küssen und ein Drücken!
u
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Mit aller Scheu ist aufgeräumt!
Wie sie sich fassen und schwenken I
Der Becher des Lebens überschäumt I
Wer wird sich da bedenken II
Frisch 1 Ehe die Stunde vorüberschleicht,
Und ausgewirbelt der Reigen 1
Nur der Eine, der die Geige streicht,
Sitzt immer in eisigem Schweigen.
In seinem gedankenstillen Gesicht
Sorgen geschrieben stehen;
Es ist, als sah er die Menschen nicht,
Die nach seinem Takte sich drehen;
Er schürt mit seiner Kunst die Glut
Im Busen, im sündentiefen,
Er reizt und lockt zu heller Wut
Begierden, die heimlich schliefen;
Die Dirne schreit, der Bursche erbleicht!
Meiser und Augen blitzen!
Nur der Eine, der die Geige streicht,
Bleibt immer im Winkel sitzen.
So sitzt er nun seit langem schon
Im öden Bann der Pflichten.
Und er ist doch die Hauptperson,
Nach der sich alle richten.
Er ist nicht eben ein übler Mann;
Viel schmachtende Blicke fliegen!
Ihn aber sieht keine der Dirnen an,
Die nach seinen Tönen sich wiegen!
Mancher Mund wird zum Kusse gereicht,
Manche Wange wird weich gestreichelt
Nur dem Einen, der die Geige streicht,
Hat noch keine der Dirnen geschmeichelt
Nur zuweilen, wenn man rasten muss,
Und die Humpen überfli essen,
Da lässt man von dem Ueberfluss
Auch ihn sein Teilchen geniessen!
Mit Grossmannsmienen reicht man wohl
Ein Glas, sein Spiel zu lohnen.
Am Musikantentischchen soll
Heut auch mal Freude wohnen!!
Da merken wohl die Dirnen leicht
Hei seinem linkischen Neigen,
Dass der Eine, der die Geige streicht,
Recht müde geworden beim Geigen.
Und wenn man ihn dann einen Meister nennt,
Was ist ihm dran gelegen?!
Nur Fluch für ihn ward sein Talent,
Und höchstens andern ein Segen.
Er wollte, er wüsste keinen Ton
Auf seiner Fiedel zu geigen 1
Dann wäre er weiter im Leben schon)
Dann tanzte er selber im Reigen!
Dann würde die AUerschönste vielleicht
An seiner Seite kauern;
Und den Einen, der die Geige streicht,
Würde er nur bedauern.
Marx Möller.
Der Zuchthäusler.
£)er Vater sitzt im Zuchthaus langst,
Spinnt Wolle viele Jahre —
Die Mutter legte im Spital
Man kürzlich auf die Bahre —
Die Tochter sucht sich im Bordell
Ein lustig Heim zu gründen —
Und nur der Sohn, der blieb bis jetzt
So ziemlich frei von Sünden*
Doch gestern trat zum Alten hin
Der Wärter beim Spazieren
Und sprach: »Na, Claus, zu Euerm Sohn
Könnt Ihr Euch gratulieren —
Denn wegen Mord und Einbruch hat
Man endlich ihn gefangen —
Schlimm steht die Sache, Euer Sohn
Wird sicher drum gehangen. c
Da lacht der Alte lustig auf:
»Nun ist mir wohl zu Mute,
Er blieb doch Fleisch von meinem Fleisch
Und Blut von meinem Blute- c
Im Bureau.
)^er einst die Krone flotter Burschen war,
Der Keckste in der übermüt'gen Schar,
Dem keiner gleichkam, der sie alle schlug
Auf der Mensur wie bei gefülltem Krug,
Dem selbst die Starken zu gefallen strebten,
Vor dem Philister zitterten und bebten
Wie Espenlaub, tiess er von fern sich schau'n, —
Vor dem, wenn er nur zuckte mit den Brau'n,
Der Manichäer voll Entsetzen floh:
Der sitzt jetzt vor den Akten im Bureau,
Wo er nicht mehr als jeder andre gilt,
Und vor ihm steht sein strenger Chef und schilt
Sein Chef! Ein Männlein, um mit einem Hauch
Es wegzublasen wie Cigarrenrauch l
Ein Tropf, der nie die Klinge hat geführt,
Niemals gewusst, was sich auf Tusch gebührt,
Der leise sich, von Weiberhand gegängelt,
Durchs Leben hat und in das Amt geschlängelt,
Ein Mensch, der nie als Zecher sonder Wank
Aus Hörnern Bier in ganzen Litern trank!
Und solch ein Wicht, solch ein erbärmlich Wesen
Nimmt es heraus sich, ihm den Text zu lesen,
Ihn abzukanzeln, zu ermahnen ihn!
Weit ist führwahr die Anmassung gediehen
In unsrer Zeit, und täglich treibt sie's Bunter.
Welt, du erlebst dies und du gehst nicht unter?
Kann der Gescholtne wirklich das ertragen?
Soll er den Tadler nicht zu Boden schlagen,
Ihn schütteln, bis er auseinander fallt,
Der so wie so nur schwach zusammenhält?
Zum mindesten für diese Lästerungen
Ihm aufzubrummen einen dummen Jungen,
Dafür, dass er dergleichen sich erfrecht,
War* doch nicht mehr als billig nur und recht!
Indes — — indes — — ein wenig tiefer neigt
Den Kopf er auf die Akten, schluckt und — schweigt
Johanne« Trojan.
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Lied der Enterbten.
^y^ein Vater war ein Trunkenbold,
Er schlug mich, dass ich betteln solh
Mir blieb zum Trost die Mutter nur;
Die Mutter, die Mutter war eine Huri
Hab' nie ein sauber Kleid gehabt,
Kein guter Bissen mich hat gelabt;
Für mich sind nicht die zehn Gebot;
Das erste, was ich stahl, war — Brotl
Sie haben mich zur Schul gebracht,
Der Lehrer hat mich gering geacht\
Sie wollten nicht sitzen neben mir;
Ich schien mir selbst ein unrein Tier!
Ich lief durchs Land auf blutiger Sohl,
Und war ich satt, so wars mir wohl.
Mein Rock in hundert Fetzen hing,
Als mich der Büttel im Dorfe fing.
Weiss nicht mehr, wanns zuerst geschah,
Dass ich dem Richter ins Auge sah.
Ich log ihn an, er schalt mich aus;
Sie steckten mich ins Besserungshaus.
Ein bischen Lieb und Sonnenschein
Hätten mir Retter können sein!
Ach Gott, man war mir ungelind
Und nannte mich ein Teufelskind!
Das war ich auch! Sie hatten Recht,
Und aus dem Kinde ward sein Knecht!
Die Hölle lacht mir im Gesicht,
Wenn aus der Scheuer die Lohe bricht 1
Ich hass' das Volk in Stadt und Land:
Doch klebt kein Blut an meiner Hand,
Und heut erst hab ich, wie zum Trost,
Ein kleines Bettelkind gekost. —
Wir sind enterbt auf weiter Welt
Wie Laub, das von den Bäumen fallt!
Wir welken schnell im Sonnenbrand,
Der Sturmwind jagt uns durch das Land!
277
Begrabt mich lebend, schliesst mich ein,
So ist doch eine Zeile mein!
So will ich grübeln in enger Haft,
Wozu Gott Meinesgleichen schafft?
In Bibel und Gesangbuch still
Sonntags ich buchstabieren will
Und warten, ob mirs wiederfahrt,
Dass Einer kommt, der mich bekehrt!
Theodor Vulpinus.
Die böse Qrethe.
£)er Vater tot, die Mutter tot —
Wer hilft mir in der Not?
Nicht eine Seele kennt mich noch —
Und leben muss ich dochl
Mein gold'nes Kreuzchen hier —
Wer giebt mir 'was dafür?
»Arbeitel« der Herr Pfarrer spricht;
Doch Arbeit giebt es nicht
Ich bin gegangen Tag um Tag:
Ist keiner, der mich mag?
Die fleissigen Hände hier —
Wer giebt mir 'was dafür?
Ich hab* die ganze letzte Nacht
Gebetet und gewacht.
Heut über Tag war's bitter kalt . • .
Ich wollt', ich stürbe bald.
Denn so . . . wem liegt an mir?
Wer giebt mir 'was dafür?
Nun sitz ich da so still und stumm —
Mir geht im Kopf 'was um.
Das Restchen Kerze flackert sehr —
Ich hab' kein and'res mehr . . .
Thu ich's, so thu ich's mir —
Wer giebt mir 'was dafür?
Da kommt der Hans, der liebe Hans, ~
Er holt mich ab zum Tanz.
278
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Es ist nicht gut, es ist nicht schön,
Ich sollt* nicht mit ihm geh'n.
Doch bleib ich einsam hier —
Wer giebt mir 'was dafür?
Um Mitternacht — der Tanz ist aus —
Er geht mit mir nach Haus.
Nehm' ich ihn mit in's Stübchen ein?
Ach nein, das darf nicht sein,
Doch weis' ich ihm die Thür* —
Wer giebt mir 'was dafür?
Ja, Du bist schön, und ich bin jung,
Und das ist mir genung.
Die Welt ist schlecht, und ich bin schlecht.
Und es geschieht nach Recht.
Wer dankt mein Leben mir?
Wer giebt mir 'was dafür?
Max Bernstein.
Der alte Steinschläger.
Jen sitze hier am Wege
Und breche Stein um Stein,
Und höre des Hammers Schläge —
Wann wird's der letzte sein?
Grau ist mein Haar, zerzaust mein Bart,
Verschlissen mein Gewand,
Mein Antlitz gefurcht und wetterhart,
Und schwielig meine Hand.
Doch klopf ich wie es mir beliebt,
Der freieste Mann im Reich;
Und wenn Erinn'rung mich betrübt,
Schlag* ich, dass hell der Funken stiebt,
Und denke, unter meinem Streich
Zerschell' manch steinern Herz.
Und feine Frau und feiner Mann,
Die gehen fein bei SeitM
Sie sieht mich bangen Auges an
Und mein verschimmelt Kleid.
27*
Was kümmert ihr mich, schöne Frau?
Bedarf nicht euer Geld;
Mir neigt sich der Baum in ganzer Schau,
Mein ist die weite Welt.
Auch ich besass einst Kind und Weib —
Für Armut und für Not
War ach zu zart ihr süsser Leib,
Drum sind sie längst schon tot
Ich aber sitz* am Wege
Und breche Stein um Stein
Und höre des Hammers Schläge —
Wann wird's der letzte sein?
Sie war so lieb und war so gut,
Und manchem reichen Mann
Stand nach ihr der verliebte Mut,
Doch sie sah keinen an.
Ich hatte wenig Geld, doch war
Von Liedern voll mein Sinn;
Treu warb ich um sie manches Jahr,
Da sprach sie: »Nimm mich hinU
Wir zogen ins Gebirge — ol
Lieb', Freiheit, Einsamkeit 1
Ein herrlich Jahr gar schnell entfloh,
Da kam die böse Zeit.
Das Geld ging aus, und ob ich auch
Um Brot warb überall:
»Taugt nicht für unsern ernsten Brauche —
So hiess es alle Mal.
Vor bittrer Not starb mir mein Kind,
Mein Weib vor Leid und Qual.
Still sass ich am Grabe, und nur der Wind
Stöhnte und schrie zu Thal.
Er schrie und stöhnte: »Komm mit, komm mit,
Was ist's, das noch dich hält?c
Da rüstet1 ich den Fuss und schritt
Still durch die weite Welt
Und sitz' nun hier am Wege
Und breche Stein um Stein,
Und höre des Hammers Schläge —
Wann wird's der letzte sein?
Richard Ham«L
flrmenball.
j^er Saal erglänzt in hellem Kerzenschein,
Am Eingang steht: »Ein Ballfest für die Armen«.
Der Schwärm der Gäste wogt in bunten Reih'n,
Der Reichtum xeigt sich heute voll Erbarmen.
Von allen heischt man heute Menschlichkeit,
Sie alle wollen Not und Elend mildern;
Von Diamanten leuchtet jed' Geschmeid,
Es glänzt der Prunk von stolzen Ahnenschildern.
Da tritt in Lumpen und vom Hunger fahl
Ein Bettler ein. Schnell nahen die Gendarmen
Und weisen rauh und barsch ihn aus dem Saal —
Am Eingang steht; »Ein Ballfest für die Armen!«
Frans Xaver Seid!.
Mene Tekel.
§itr*ge Mienen, weisse Schminke,
Greller Diamantenglanz,
Halb verhüllte üpp'ge Glieder
Und ein vornehm-freier Tanz,
Tief gesenkte keusche Augen,
Auf den Lippen lockern Scherz
Und französisch-seichte Phrasen,
In der Brust ein leeres Herz;
Schlaffe Züge, welke Lippen
Näselnd läppisch-träger Ton,
Pferd' und Hunde ihre ganze
Wissenschaft und Passion.
Und das lebt so geistverachtend,
Selbstgenügsam sorglos hin,
Flammt auch auf den gold'nen Wänden:
Mene tekel upharsinl
Ada Christen.
281 V
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Die Uhr.
Jm Cafe am Potsdamerplatz,
Wo die Menschen vorüberfluten,
Wo sich staut die treibende Menge,
Sitze ich oft, seitab vom Gedränge,
Wärme mich in den Sonnengluten,
Lasse die Blicke hinübergleiten,
Sehe die Mädel vorüberschreiten,
Sei es allein auf flüchtigen Sohlen,
Sei es heimlicherweise, verstohlen,
Wenn sie erwarten den Freund, den Schatz
An der Normaluhr zum Stelldichein
Schräg gegenüber im Sonnenschein
Blinkt das Zifferblatt über den Platz
Sass ich dort oft wohl eine Stunde,
Blickte träumend rings in die Runde:
Immer wenn es ein Viertel war,
Traf sich dort drüben ein liebendes Paar.
Und so ging es die Viertel fort,
Als gäbe es gar keinen anderen Ort,
Zu treffen sich in der Riesenstadt,
Als das einzige Zifferblatt!
So gegen 7 erschien dann immer
Ein kleines, niedliches Frauenzimmer,
Ein blutjunges, frisches, herziges Ding.
Trippelnd auf und nieder sie ging,
Aeugte verschämt nach allen Seiten.
Immer scheu im Vorüberschreiten
Sah sie zur Uhr, bis endlich er kam
Und sie am Arme mit sich nahm.
Er war gross und schlank von Gestalt,
Zwanzig und etliche Jahre alt.
Blonder Schnurrbart und blondes Haar:
Es war ein hübsches, ein stattliches Paar.
Das erste Mal, als ich sie gesehen,
Blieben sie eine Weile stehen:
Förmlich war er zu ihr und gemessen,
Hatte zu grüssen auch nicht vergessen I
Langsam darauf davon sie schritten,
Nebeneinander nicht eingehenkt,
Seite nicht an Seite gedrängt,
Als ginge die Mutter in ihrer Mitten!
Doch mit der Zeit ward er vertraut,
Hat ihr keck in die Augen geschaut,
Grüsste sie kaum, nahm sie gleich beim Arm,
Tauchten unter im Menschensch warm 1
War er zuerst ganz pünktlich erschienen,
Wartete bald sie mit finsteren Mienen 1
Einmal kam er gar erst halb acht;
Immer noch hielt sie drüben die Wacht I
Er sagte etwas sie sprach kein Wort:
Stumm schritten sie dann des Weges fort
Und endlich einmal, als es acht schon gar,
Er immer noch nicht gekommen war!
Da schlich sie davon. Hinüberzuspähn
Blieb auf dem Trottoir sie neben mir stehn.
Sie wischte die Wange mit zitternder Hand,
Das Wasser ihr in den Augen stand.
Dann sah ich noch zweimal sie wiederkommen,
Zwar hat er sie immer noch mit sich genommen,
Doch gingen sie ernst, von einander weit,
Wie ich sie gesehn in der ersten Zeit,
Als ob zwischen ihnen, in ihrer Mitte,
Die Reue mahnend und trennend schritte 1
Und eines Tages, all ich wieder sass
Bei der Tasse Kaffee und die Zeitung las,
Der Zeiger drüben auf sieben stand:
Den Platz an der Uhr ich verlassen fand«
Das war vor zwei Jahren, und wieder heute
Sitze ich hier am gewohnten Platz,
Begucke die Wagen, besehe die Leute,
Lasse die Blicke hinübergleiten,
Sehe die Mädel vorüberschreiten,
Sei es allein auf flüchtigen Sohlen,
Sei es nur heimlicherweise, verstohlen,
Wenn sie erwarten den Freund, den Schätzt
Wie ich drüben das Zifferblatt sehe,
Denke ich an das blutjunge Ding,
Das dort wartend und trippelnd ging,
Das dem Manne am Arme hing.
Mir wird um's Herz ganz weich und wehe.
Ich warme mich in dem Sonnenge flirr,
Ich schaue hinein in das Wagengewirr,
In all das bunte Abendgeschwärm,
Das Tramwaygeklingel, den Strassenlärm!
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Da plötzlich kommt ein Dogcart gerollt,
Und Beifall hat mein Auge gezollt
Dem schnittigen Gaul, der davor gespannt.
Ich schütze mich gegen das Licht mit der Hand:
Potztausend wie chicl Eine Dame lenkt
Das flotte Gespann wo in aller Welt
Sah ich den Kopf ihr »Heh« laut gellt!
Scharf um die Ecke hat sie geschwenkt. .
Da fallt es mir ein mich tauschte das Kleid
Und das glitzernde, glänzende Ohrengeschmeid.
Das gepuderte, leicht geschminkte Gesicht
Eine Dame! Nein, so trägt die sich nichi!
Im Strassengetriebe der Dogcart verschwand
Ich starrte ihm lange nach, unverwandt
Die Lichter brannten, und es ward Nacht,
Mir war es, als habe mich angelacht
Das Zifferblatt drüben, erleuchtet matt:
Der Kuppler der grossen Riesenstadt!
Mir war es, als grinste die Uhr mich an:
Glaubst Du denn, dass ich dafür was kann?
Georg Freiherr ron Ompteda
Mach der Redoute.
Schon war der Osten rosig rot
Vom Sonnenlicht umwoben,
Da habe ich nach süsser Rast
Vom Lager mich erhoben,
•
Das Mädel schlief, die Lippen nur
Zuckten, als ob ich's küsste —
In tiefen Atemzögen hob
Und senkte sich die Büste.
Dann «ah ich mich im Zimmer um,
Schien drinnen zwar sehr reinlich,
Nur was die Ordnung anbelangt,
Gerad1 nicht allzu peinlich.
In allen Eicken türmte sich
Ein Trödelkram, ein bunter —
Ein Stiefelchen lag auf dem Tisch,
Das Spkzenröckchen drunter.
Vergebens spähte ich umher,
Ob nicht ein Buch ich fände —
Fand nichts, als auf dem Putztisch nur
Zwei abgegriffene Bände.
Auf einem stand von müder Hand
»Die Mutter ihrer Hana.c
Das war das neue Testament —
Das and're — Zola's »Nana*«
Georg Schaumberg.
Im Straf hause,
^^[ich trieb's trotz einem heimlich stillen Grauen
Hinein ins Strafhaus, das am Strome lag,
Um die Gefangnen und ihr Thun zu schauen.
Es war im Herbst und golden klar der Tag.
Ich wies am Thor den Pass; der Riegel klirrte.
Da stand ich nun in einem langen Gang,
Den raschen Flugs mein Auge scheu durchirrte.
Es folgte Thür auf Thür die Wand entlang.
Die erste wurde mir jetzt aufgeschlossen:
In eine Schreinerwerkstatt fiel mein Blick,
Darin ein Schwärm Gefangner unverdrossen
, Die flinken Hände rührte mit Geschick.
Ich suchte zu erforschen ihre Mienen
Und blickte jedem tief ins Angesicht;
Allein, so seltsam sie mir auch erschienen,
Verbrecher las ich doch aus ihnen nicht.
In sich versenkt, wie völlig fremd dem Leben,
Und ohne jeden Blitz der Leidenschaft,
Mit stiller Fassung ihrem Los ergeben,
Dem immer gleichen Tagslauf ihrer Haft,
Dabei noch bartlos, kahl das Haupt geschoren,
Sah'n sie, dem Kleid zu Trotz, wie Mönche aus.
Die selbst die Abgeschiedenheit erkoren,
Die Sunde fliehend und das Weltgebraus.
Es gab mir der Direktor das Geleite.
Da fiel mir's auf: that er nur einen Schritt,
Rührt1 er sich noch so leis an meiner Seite,
So war's, als zuckte jeder Sträfling mit.
Griff er nach etwas, um es mir zu zeigen,
Gleich sprangen alle dienstbereit herbei;
Doch sah er keinen an und wies mit Schweigen
Sic wieder fort, als ob's nicht recht ihm sei.
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Und weiter ging's. Gewerbe um Gewerbe
Fand ich geübt und blickte kurz hinein;
Dass keiner bratend innerlich verderbe,
Sollt* ihm ein Schirm die röst'ge Arbeit sein.
Wir kamen, mir zum Staunen, gar am Ende
In eine Schmiede: hell die Glut entfacht,
Und lauter Lärm, geschäftig alle Hände;
Nur waren hier sie doppelt stark bewacht,
Damit die Hammerschwinger sich nicht irren
Und, von dem Drang nach Freiheit jäh erfasst,
Mit Wucht die Waffe lassen niederschwirren,
Zu brechen ihrer eignen Ketten Last.
Jetzt waren in den Hofraum wir getreten,
Da — welch ein lieblich Bild erschloss sich mir!
Er war bepflanzt mit Rasen, Blumenbeeten,
Und alles prangte rings in farb'ger Zier.
So sah ich hier gepflegt nun auch das Schöne;
Jedwedem Sträfling war gewährt die Gunst,
Dass er des Schaffens nimmer sich entwöhne,
Zu üben seine früh erlernte Kunst. — —
Der Boden stieg bergan gemach; von oben
Vermocht* ich in die Fernen auszuschauen: '
Da glänzten Bergeshäupter, duftumwoben,
Und schimmernd floss der Strom durch grüne Au'n
Die ganze Landschaft lag mir herrlich offen,
Als wie verklärt im lichten Sonnenbrand;
Ich stand bewegt, im Innersten getroffen,
Bis ich zu dem Direktor mich gewandt:
»Was sollten die Gefangnen hier vermissen,
Wie sehnten sie sich in die Not zurück,
War* eins nur nicht: das nagende Gewissen,
Und gäb's nur ohne Freiheit je ein Glück 1«
»So ist's 1 Doch wer am schwersten wohl von alle-
in diesen Mauern hinlebt Jahr um Jahr?
»Ich bin'sl« sprach jener, »dem das Los gefallen,
Zu walten über der Verlornen Schar.
Sie sah'n, mit welcher kühlen Handbewegung
Ich früher die Gefangnen abgewehrt,
Wie unzugänglich jeder Herzensregung,
Als hätr1 ich mit Aussätzigen verkehrt
So mussr* ich seinl Ich darf mich nicht erweichen;
Greift einer mir ans Herz auch noch so sehr,
Verriet* ich ihm's nur mit dem kleinsten Zeichen,
Ich säte Zwietracht, und er büssr* es schwer.
Ihn träfe noch zu allen seinen Bürden
Der lauernden Genossen Neid und Hass,
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Indes sie gegen mich zu Heuchlern würden,
Mir hündisch schmeichelnd ohne Unterlass.
Wie drangt mich's oft, den Bessern anzusprechen,
Dem die Vergangenheit und Gegenwart
Mit spitzem Stachel in die Seele stechen;
Doch muss ich lieblos scheinen, kalt und hart.
Nur wenn die Stunde kommt für Den und Jenen,
Wo ich ihm's endlich künden kann: Zieh' fortl
Dann darf das langverschlossne Herz sich dehnen
Und überquellen warm im Freundeswort.
Ich geb' ihm, was er sich erwarb durch Jahre,
Und geb* ihm Liebe, die er lang entbehrt;
Mich zwingt nichts mehr, dass ich mit Worten spare,
Ich sag* ihm's: Du warst gut und bist mir wertl
Da seh1 ich ihn froh zitternd vor mir stehen,
Wie mir die Augen feucht, die Pulse glühn:
Leb' wohll Was hinter dir, lass untergehen,
Und mög* ein neues Dasein dir erblühn!«
Das Elend.
JJfnd als kein Geld mehr war im Schrein,
Trat rasch das blasse Elend ein
Und hockte lauernd voller Gier
Sich auf die Dielen nah* der Tür.
Da sagt der kranke Mann zum Sohn:
„Geh, Franz, und jag* das Ding davon I4'
Das Elend aber kichernd spricht:
„Schlag immer zu, mich triffst du nicht!"
Und als der Knabe ihm gedroht,
Nahm es ihm fort das letzte Brot;
Er schrie vor Hunger auf im Schmerz,
Da griff das Elend ihm ans Herz.
Die Mutter ruft der Mann voll Graus:
„Versuches, treib du das Ding hinaus I4*
Das Elend aber kichernd spricht:
„Schlag immer zu, mich triffst du nicht!4'
Und als das Weib dem Elend nah,
Sie vor dem Haus das Wasser sah;
Das Elend bot ihr Strick und Stein
Und wies den Weg ihr: „Da hinein!44
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1
Da stöhnt der Mann der Tochter zu:
„Geh, Grete, nun versucht auch du!"
Das Elend, diesmal grinsend spricht's:
„Komm immer her, ich tu* dir nichts!'*
Und als die Maid zum Elend kam,
Das Elend seid'ne Kleider nahm
Und zog sie an dem Mägdelein
Und führte sie zur Stadt hinein
Und gab ihr Geld und Glanz und Pracht.
Das blonde Gretel kreischt und lacht!
Das Elend aber spricht zu ihr:
„Lach* nicht zu früh, ich bleib* bei d i r !"
Leo Heller.
ff
Ein Balg.
ie alte Frau hat ein hartes Gesicht,
Doch kluge, sanfte Augen,
Die wenig mehr beim Pfenniglicht
Und nicht zum Weinen taugen.
Sie war ein Balg . . . Als Findelkind
Verlassner als die Armen,
Bat weder Herren noch Gesind
Um Futter und Erbarmen.
Sie griff fest zu und schaffte stramm
Wie ehrbar-ernste Leute;
Dass nie sie Unverdientes nahm,
Erfreut das Weib noch heute.
Sie zeigt auch jetzt mit Bauernstolz
Erdarbte Talerscheine:
„Die sind mein unverbranntes Holz,
Meine ungetrunkenen Weine . . .
Die sind mein ungegessnes Brod,
Auf jedem steht geschrieben:
Ein Alter ohne Schand' und Not . . .
Und was mir Gott schuldig geblieben."
Ada Christen.
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Berliner Nachtstück.
^ie Sommernacht ist hell und klar,
Vom Himmel leuchtet der Sterne Schar.
Die Leipzigerstrasse in leichtem Trab
Rollt eine offene Droschke hinab.
Erster Klasse 1 Sie führt vom Cafe
Einen Herrn der Hautevolee;
Geld- oder Ahnenadel; Baron,
Graf oder Kommerzienratssohn.
Ihm ruht eine schöne Dirne im Arm,
Er presst sie an sich wollustwarm — — —
Da — — Fackelschein vor*m Herrenhaus,
Arbeiter bessern das Pflaster aus;
Sie mühen sich eifrig die ganze Nacht,
Fertig zu sein, wenn der Tag erwacht
In dem Mädchen regt sich das Mitleid mit ihnen,
Sie spricht zum Begleiter mit bittenden Mienen;
»Gelt, Schatz? du wirst irriVs nicht verdenken?
Gieb mir doch 'was, es den Leuten zu schenken!*
Er zieht die Börse, er giebt ihr Geld.
»Halten, Kutscheric die Droschke hält
»Hei ihr Leute, nehmt dies hier,
Trinkt auf mein Wohl ein paar Schoppen Bierl«
Die richten sich auf; der Fackel Licht
Bestrahlt eines Greises durchfurchtes Gesicht
» Vater U — — » Luise U Weiter kein Wort
»Fahren Sie, Kutscher!« Die Droschke rollt fort
Entfallen ist aus des Mädchens Hand
Die Münze, als sie den Vater erkannt
Der sucht das Geldstück beim Fackelschein,
Und seufzend steckt er's schliesslich ein.
ML Odern.
Mein Machbar.
£Jn jedem Abend, wenn die späte Stunde
Die müden Glieder in den Schlummer lockt,
Und ich im Vorgefühl der süssen Ruhe
Das Buch gesättigt aus den Händen lege,
Fängt über mir ein störendes Konzert an.
Es gleiten Finger über das Pianino,
Und sonder Zweifel ungeschickte Fingen
Bald hör' ich eine Scala, wie ein Schüler
Beim Unterrichte sie nicht schlechter spielt,
Bald eine Melodie aus irgend einer
Uralten Oper oder Operette, —
Das alles unterbrochen oft durch Pausen,
Die nicht im Notenblatte stehen mögen,
Durch falsche Griffe, die in wilder Hast
Sofort noch einmal falsch gegriffen werden —
Kurz, ich bin selbst nicht sonderlich empfindlich,
Kein streng geübter Kenner der Musik,
Doch nehmt die Zeit, die Ruhbedürftigkeit,
Und denkt dazu das unberufne Spiel:
Und dann vergebt mir nicht, wenn ich am Ende
Voll Aerger nach dem Konzertierer forsche,
Die unbequemen Klänge abzuthun.
Und was vernahm ich? Ein bejahrter Mann,
Ein dürftiger, ist mein Pianospieler.
Den ganzen Tag geht er dem Handwerk nach,
Und abends, wenn die Kinder eingeschlafen,
Für die er all1 die schweren Sorgen trägt,
Uebt er Piano.
Lacht mich aus darum.
Mir traten ein paar Thränen in die Augen,
Mitfühlend las ich in des Mannes Herz.
Er kann nicht spielen, und er wird's nicht können,
Zu steif ist seine Hand, sein Ohr zu stumpf, —
Ihr kennt das Sprüchlein wohl von Hans und Hänschen
Und dennoch lässt er*s nicht Ihm ist das Spiel
Die einzige Sprosse, die aus Not und Kummer
Des Öden Lebens ihn nach oben leitet,
Die einzige. Und die barmherzige Kunst,
Sie, aller Segenspender edelste,
Stösst ihn auch ohne Trost nicht aus dem Tempel,
Der gläubig drin der Seele Heilung sucht
Aus falschen Griffen, aus verfehlten Takten
Giesst sie dem Lechzenden Befriedigung
In die geängstigte, gequälte Brust . . .
Spiel' immerzu, du armer alter Mann!
Du störst nicht, nein. Melodisch klingt um mich
Die edle Weihe eines Menschenherzens.
Friedrich Adler.
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Der kranke Schreiber,
>Qo,i sprach mein Arzt, »so kannst du nicht genesen
Du schriebst dich siech und hast dich krank gelesen.
Umwogt von Aktenstaub und schwüler Luft:
Ein einziges Mittel nur kann dich noch heilen,
Du darfst an diesem Pult nicht länger weilen,
Du musst hinaus aus deiner dumpfen Gruft, c
»Hinaus! hinaus! — und wer sorgt für die Meinen,
Wer bricht, mein Weib, das Brot dir und den Kleinen,
Hält diese Hand auch einen Tag nur Rast?« —
Er seufzte tief und griff zum neuen Bogen
Und schrieb, den Blick mit Thränenflor umzogen,
Dann wieder eifrig fort in Fieberhast.
Und sah im Geist sein Weib, das ohne Klagen
Der Armut Jammer treu mit ihm getragen,
Und schrieb und schrieb und hat nicht Rast gefunden,
Bis ihm die Nacht die Feder sanft entwunden
Und nun sein Tagewerk vollendet war.
So trieb er's noch geduldig viele Wochen,
Da endlich war das treue Herz gebrochen,
Sie legten in das Grab den müden Mann.
Ein schlichter Stein, der ärmlichste von allen,
Nennt seinen Namen nur, doch dass gefallen
Ein Held mit ihm, zeigt keine Schrift euch an.
Julia» Sturm.
Die beiden Töchter.
^^an hatte begraben den reichen Mann,
Die Tochter, die weinte zuhause.
Da brachte der Diener, gewohnten Brauchs,
Die Tasse zum Vesperschmause.
Sie sass auf dem Divan, beim warmen Kamin
Und weinte ins seidene Kissen.
Sie schob mit Ekel die Tasse fort
Und ass keinen einzigen Bissen.
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Indessen ist draussen ein Bettlerkind
Auf den Marmorfliesen gesessen.
Es hatte, dass gestern sein Vater starb,
Vor Hunger und Kälte vergessen.
»Klippklapp, klippklapp !« macht der Fuss.
Von dem Keller bis zum Dach
Sind die Holzpantoffeln wach,
Treppen auf und Treppen ab
Klingt's, bald langsam, bald im Trapp:
»Klippklapp!« —
Morgenlied und Abendgruss! —
Schuh* hat keiner hier am Fussl
Armut herrscht hier im Revier!
's macht dem Herrgott wohl Plaisir,
Treibt uns Not treppauf treppab l —
»Klippklapp!«
Morgenlied und Abendgruss I —
Oft geht nackt auch unser Fuss!
Haben dann auf dieser Welt
Nicht für Holzpantoffeln Geld!
Auch dem Magen geht's dann knapp 1 —
Vorwärts! — Hunger bringt in Trabi
»Klippklapp!«
Morgenlied und Abendgruss! —
Wenn einst müde wird der Fuss,
Alt und schlottrig die Gestalt,
Rückt der Tod an mit Gewalt.
Schlagt den Sargesdeckel zu!
Arme Seel' hat endlich Ruh!
»Klippklapp!«
Franz Karl Ginzkcy.
Otto Hausmann.
Ruf totem Qeteise.
j^Jenschen giebt's, die durch Nomengesetz,
Fremde Schuld oder eigene Thaten
Aus verkehrreichem Schienennetz
Auf ein totes Geleise geraten.
Ihnen vorüber ziehn in die Welt
Tausende auf die Jagd nach dem Glücke;
Sie nur wie angekettet halt
Unthätig, hilflos des Schicksals Tücke! —
Eingeschränkt, verbleiben getrennt
Sie für immer von allen Wegen,
Wo der treibende Ehrgeiz entbrennt,
Zielbewusst stolze Kräfte sich regen.
Von venehrender Sehnsucht gequält,
Mitzustürmen ins Freie, ins Weite,
Sterben auch die ihr Leben verfehlt
Unbeachtet, einsam ... bei Seite.
Des Dichters Muse.
£)ie war so schön — er war nur ein Poet,
Ein unbekannter, darbender Prolet,
Nach Schönheit und nach Weibesliebe hungernd.
Und als er sprach: »Komm, ich bedarf des Weibes,«
Da kam sie zu ihm, willig, süssen Leibes,
Bereit sein armes Dichterlos zu teilen.
Sie war ihm alles — Magd zugleich und Muse,
Am Tage Magd, in dürftig schlechter Bluse,
Und Muse nachts, in göttlich nackter Schöne.
Der Rausch, der glühend ihren Leib durchbebte,
In seiner Dichtung zündend weiterlebte,
Und in die kahle Kammer trat der — Ruhm,
Er ging von ihr, da er sie nicht mehr brauchte;
Im Strom der Grossstadt bald sie untertauchte,
Die einst des armen Dichters Muse war.
Und aus der Welt von Adel und Moneten
Als Gattin dem gefeierten Poeten
Folgt stolz ein schönes Kind vor den Altar.
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Einst, Arm in Arm mit seiner Gattin gehend,
Sah er an einer Ecke, zitternd stehend
Ein Weib, mit grellen Lumpen schlecht verhüllt.
Das starrte lang1 nach ihm mit heissem Blicke,
Und seine junge Frau, in bangem Glücke,
Sprach: »Liebster, sag* was will das arme Weib?«
Er küsste sie auf ihre Unschuldsürne:
»Sieh fort, mein Lieb, das ist nur eine Dirne,
Ist der Verlornen eine, die man flieht!
Adele Schreiber
Das Konfirmationskleid.
Jn Nordberlin, im Hinterhaus vier Treppen,
wohnt ein Student Er war nicht reich; doch
arm,
blutarm war seine Wirtin, eine Witwe.
Die sass in ihrem düstern Hinterstübchen,
und vor ihr stand bekümmert ihre Tochter,
das bleiche, hübsche, vierzehnjähr'ge Gretchen.
Sie stand vor ihr, als wäiJ sie schuldbewusst,
und Hess das Köpfchen hängen; ihre Mutter
schalt auf sie ein mit ihrer harten Stimme:
^Ein neues Kleid 1 Zur Konfirmation l
Für'n lieben Gottl Was? — Frag doch mal den
Pastor,
ob denn auch die, die nicht mal so viel Geld
bekamen, um in einem ganzen Kleide
des Sonntags in die Kirche gehn zu können,
ob denn aach die an Gott noch glauben müssten!
Geh, frag ihn . . aber bitt mich nicht um Geld
Und Kleider . . freu dich, wenn du nicht ver-
hungerst . . .«
Und weinend wendet Gretchen sich zur Thür.
Da kommt ihr ein Gedanke. »Mutter«, ruft sie,
»ich will den Herrn Doktor bitten — Mutter 1
Was lachst du?« — »Das ist recht! Nur zu!
Es mass ja doch mal kommen. Geh nur hin I« —
»Ich glaube, Mutter, dass er*s thut« — »Gewiss j
Er wäre ja ein Narr, wenn er sich zierte!«
Und wieder lacht sie bitter höhnisch auf.
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Ein Bangen vor der Mutter fasst das Kind.
Es geht hinaus und leise, schüchtern klopft es
an des Studenten Thür. »Herein!« Und zagend,
errötend überschreitet sie die Schwelle:
sie hat noch nicht gebettelt —
»Gretchent Du? —
So komm doch näher, Kind • . was giebt es denn ?
Was hast du denn? O sieh — du hast geweint!
Gieb mir die Hand: wer hat dir was gethan?« —
Und freundlich fasst er ihre Hand und schaut
in ihre grossen braunen Augen. Flehend,
doch ohne Scheu sind sie auf ihn gerichtet.
Und langsam sagt sie: »Nächsten Sonntag schon . .
am Ostersonntag werd ich eingesegnet . .
und alle kommen hin in schwarzen Kleidern . •
in neuen schwarzen Kleidern . . aber ich • .
ich bat die Mutter . . . Ach, wir sind so arm!«
Von jähem Mitleid mit sich selbst bewältigt,
bricht sie aufs neu in heisse Thränen aus,
und, wie nach Tröstung suchend, fasst sie fester
die Hand des jungen Mannes.
»Gretchen 1 Komm :
sei still!« Und ihre linke Hand, mit der
sie ihre Thränen trocknet, zieht er sanft
herab. — »Ich schenk es dir, das schwarze Kleid 1«
Dann aber stösst er sie fast rauh von sich:
»Ich habe noch zu thun . . . Komm! Sei gescheit!
Lass meine Hand ... Ich habe noch zu thun . . .«
Am Ostermontag früh — es war bald drei —
kam der Student, der heut im Kreis der Freunde
das Fest, wie sichs gebührt, gefeiert hatte,
vergnügt und aufgeräumt nach Hause.
Tastend sucht er auf seinem Nachttisch nach dem
Feuer.
Er streicht ein Zündholz an — »Was?«
Alsogleich
lässt er es wieder fallen. »Was war das?« —
's ist wieder dunkel. »Bin ich denn bezecht?«
Und wiederum streicht er ein Zündholz an.
Doch diesmal zittert seine Hand. Er sieht
nicht auf das Bett, bevor die Kerze nicht
brennt — »Himmel 1«
Auf dem offnen Bette liegt
in festem Schlafe Gretchen: noch geschmückt,
wie sie es Gott zu Ehren that. Das Kleid
ist aufgeknöpft — in ihrem Schosse liegt
noch der verwelkte Strauss, und heitrer Friede
ruht auf dem zarten Antlitz. Halb geöffnet
sind ihre Kinderlippen, und ein Traum
spielt wie ein Blütenduft um diese Lippen • . •
Minutenlang betrachtet er dies Bild,
starr, ohne Denken. Glühend heiss fühlt er
das Blut in seinen Adern, wieder dann
spürt er ein eiskalt Schauern bis ins Mark.
Doch dann besinnt er sich und fahrt sich über
die Stirne mit der Hand und sucht zu lachen.
»Gretchen lc Sie lächelt still im Traume. »Gretchen!«
Sie fährt empor — der Friede ist gewichen,
und Schreck und Scham malt sich auf ihren Wangen.
»Mein liebes Kind, wie kommst du denn hieher?
Hast du im Zimmer dich geirrt?« — Sie halt verwirrt
ihr Kleid zusammen, senkt das Köpfchen. »Nein,«
sagt sie, »die Mutter schickte mich hierher.
Ich sollte Sie erwarten • . Ihnen danken . .
Sie hätten's so gewünscht — «
»Ich?l — Doch, jawohl . .
Ich . . wollte dich noch sehn in deinem Kleide,
ich dachte nicht . • es ist so spät geworden,
und dann, der . . der Pastor gab euch jedem doch
ein Bibelwort, — nicht wahr? Wie hiess denn deins?«
Sie knöpft an ihrem Kleide. »Selig sind,
die reines Herzens sind.« Sie sitzt und knöpft
an ihrem Kleide.
»Komm, nun geh hinüber.
Und schlafe weiter: bist gewiss recht müde.«
Er fuhrt sie an der Hand zur Thür. Da tritt
die Alte ein.
Sie lacht — verächtlich fast:
»Sie wolTn sie nicht? Auch gut. Es kommt ein
andrer . .
der andere, der immer kommt. Gut Nacht!
Wir wollten uns nicht lumpen lassen . . • Komm!« —
Und hinter ihnen fallt die Thür ins Schloss.
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Rrme Leute.
j^ei düstern Heidekiefern
Stehn spärlich magre Aehren,
An dürrem Sande saugend.
Verzweifelnd, sich zu nähren.
Da kauert ein lehmig Häuschen
Mit Dangerhaufen und Karren;
Kläglich meckert die Ziege,
Und struppige Huhnchen scharren.
Aus der Thüre humpelt ein krummer
Kleinbauer, emporxuspähen
Zur bleiern schleichenden Wolke,
Zu hungrig krächzenden Krähen.
Nur kurze Mitleidszähren
Vermag die Wolke zu schenken;
Dann schleicht sie trübe weiter,
Ohne Kraft zu tränken. —
Selber arm und traurig,
Folg* ich der weinenden Wolke
Und denk' an arme Leute
Und leide mit meinem Volke.
Die Musik der armen Leute.
er Herr Musikprofessor spricht:
»Die Drehorgeln, die dulde man nicht l
Sie sind eine Plage und ein Skandal!« —
Mein lieber Professor, nun hören Sie mal:
Ein enger Hof — kein Sonnenschein
Fällt dort das ganze Jahr hinein.
Da herrscht ein seltsam muffiger Duft,
Nach Armut riecht's und Kellerluft
Da blüht keine Blume, da grünt kein Laub,
Die Kinder spielen in Müll und Staub.
Nun kommt der Leiermann hervor
Und schleppt seinen Kasten durchs offne Thor.
Den Schunkelwalzer spielt er auf:
Da rennt es herbei in schnellem Lauf.
Bruno Will*
Da krabbeln aas ihren Höhlen heraus
Die Kinder in dem ganzen Haus,
Und über die blassen, ernsten Gesichter
Fliegt es dahin wie Sonnenlichter.
Sie tanzen und wiegen sich hin und her
Beim Schunkelwalzer — was will man mehr?
In der KellerthQr steht ein schlumpiges Weib,
Ihr hängen die Kleider um den Leib,
Den Säugling hält sie auf dem Arm,
In ein Wollentuch gewickelt warm.
Sie lässt ihn tanzen, und wie er sich regt
Und mit den magern Aermchen schlägt,
Ist über die vergrämten Wangen
Ein Strahl von Mutterfreude gegangen.
Das »Mädchen für allesc im ersten Stock,
Es fasst mit den Fingerspitzen den Rock
Und trällert den Text und dreht sich und lacht:
An den blauen Dragoner hat sie gedacht«
Er war so unbeschreiblich flott
Und tanzte den Walzer wie ein Gott
Der Leiermann hat die Blicke erhoben
Und wartet auf den Segen von oben. —
Dann kommt — das hört ja ein jeder gern:
»Einst spielt1 ich mit Zepter, Krone und Stern!«
Der arme Sc hreiber in seiner Kammer
Vergisst eine Weile den täglichen Jammer.
Er lässt die kritzelnde Feder stehn
Und seinen Blick zu den Wolken gehn,
Die über die Dächer dahingezogen.
So hoch sind einst seine Träume geflogen
Von Ruhm und Glück und Sonnenscjheinl
»O selig, o selig, ein Kind noch zu seinlt
Der Leiermann dreht seine Kurbel um,
Sein Blicke wandern ringsherum.
Ein andres Stück nun stellt er ein:
»Ich bitt* euch, lieben Vögelein Ic
Die Nähterin lässt die Maschine stehn,
Und ihre Traumgedanken gehn
Zum letzten Roman, den sie gelesen:
Wie edel ist doch der Graf gewesen,
Dass er das arme Mädchen nahm,
Obgleich es doch fast zur Enterbung kam.
Dann seufzt sie. Ach, sie weiss, wie es geht:
Die edlen Grafen sind dünne gesät!
Doch wenn auch kein Graf — wenn einer nur käme.
Den sie möchte, und der sie nähme.
Draussen schiessen die Schwalben vorbei
Sie blickt ihnen nach und summt dabei:
»Ich bitr1 euch, lieben Vögelein,
Will keins von euch mein Bote sein?!«
Der Leiermann hat die Blicke erhoben
Und wartet auf den Segen von oben,
Zieht sein Register und spielt mit Schall:
»Es braust ein Ruf wie Donnerhall 1«
In seiner Werkstatt der Schuster nun
Lässt eine Weile den Hammer ruh'n.
Er war bei Wörth und bei Sedan
Und vor Paris und Orleans.
Und wie er denkt an jene Zeit,
Wird sein Soldatenherz ihm weit;
Da klopft er mit kampfgewohnter Hand
»Mit Gott für König und Vaterland«
Gar mächtig auf das Leder ein:
»Lieb Vaterland, magst ruhig seinl«
Der Leiermann aber blickt und späht,
Damit sein Lohn ihm nicht entgeht.
Und sieh, der Segen bleibt nicht fern,
Denn Armut giebt der Armut gern.
Bald da, bald dort mit leisem Klapp,
In Papier gewickelt, fällt es herab.
Und ob der Herr Professor schreit —
Hier fühlt man nichts als Dankbarkeit,
Denn ein wenig Licht ins graue Heute
Bringt die Musik der armen Leute!
Heinrich Seidel
r
Geld verdienen.
J^orchl Auf Strassen und in Hallen
Welch ein dumpfer Ton!
Nicht wie Sang der Nachtigallen,
Nein wie bittrer Hohn.
Wie aus einem Schwärm von Bienen
Brummt's in Hütten, summt's am Thron;
Geld verdienen I Geld verdienen!
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Aua dem Schoss der Muttererde
Schallt's empor vom Schacht,
Schallt in Lüften, wo die Herde
Ward zur Alm gebracht;
Und die starken Dampfmaschinen
Fallen stampfend ein mit Macht:
Geld verdienen 1 Geld verdienen 1
Wie sie rennen, traben, laufen
Ueber Berg und Tball
Wie sie rechnen, raffen, raufen
Bis zur Herzensqual!
Und es steht auf allen Mienen,
Ob sie blühend oder fahl:
Geld verdienen 1 Geld verdienen 1
Und die teuern Ideale,
Die die Kunst ersann,
Dass sie uns vom Erdenthaie
Hebe himmelan,
Hört man gar nichts denn von ihnen?
Höchstens, wenn man dadurch kann
Geld verdienen 1 Geld verdienen 1
Laster.
^ftj ie ihr nach eurem Kleide greift,
Wenn unversehens ihr uns streift,
Als hätt' euch, sonnenlichtverführt,
Ein garstiges Insekt berührt.
Ihr habt es leicht, mit Grimm und Grau'n
Auf unsereins herab zu schau'n.
Was kümmert's euch, wem ich mich bot!
Ihr sasset warm, ihr hattet Brot,
Als ich, fünf Treppen, unterm Dach,
Den Hungerlohn zusammenstach.
Der Eltern Liebe euch umfing,
Wenn ich vor Tag zur Arbeit ging,
Den Winter durch im dünnen Kleid,
Vom Sturm gepeitscht und eingeschneit.
Hungert wie wir und steht allein!
Dann werft auf uns den ersten Stein!
Albert Sergel.
Ernste Vortrage
Nächtliche Wanderung,
er Mond kommt spät. Er glotzt mir tief
Durch's Unterholz entgegen;
Sein Antlitz rot, verstört und schief,
Als käm' er von Trunk und Schlägen.
Ich weiss, es wird durch diesen Grund
Bei Nacht nicht gern gegangen,
Seit sich der alte Vagabund
An jener Kiefer gehangen.
Dort steht sie zackig im fahlen Licht:
Ich meint', ich wär* schon weiter 1
Sie sagen, man hätte den toten Wicht
Waldauswärts zum Begleiter;
Er ginge zur Seite, schlotternd und blau,
Just wie er sich gehangen;
Der Förster sagt's und die Wurzelfrau!
— Ich wollt', er käme gegangen!
Ich weiss nicht, ob er Rede steht
Auf eines Lebendigen Fragen:
Er sollte, so lange er mit mir geht,
Von seinen Fahrten mir sagen!
Was ihn für ein Paar in die Welt gesetzt,
Was er versucht* und verübte,
Wer ihn verlockt, wer ihn gehetzt,
Und ob ihn je was liebte;
301
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Von seinem guten und bösen Glück,
Von seinem Schweifen und Wandern
In diesem Leben, und nach dem Strick —
Gott gnad' ihm! — noch im andern!
— Die Hunde bellen im Dorf fernab,
Die Nacht ist still und öde;
Die Toten schlafen ruhig im Grab,
Die Toten stehn nicht Rede.
Hugo Freiherr von Blomberg.
Letzte Beichte.
j5*e Hegt auf weissem, welchem Pfuhl,
Die fieberheissen Adern kochen,
Ihr ist's im Haupt so dumpf und schwül,
Es fliegt der Puls, die Schläfen pochen.
Ihr Leib einst straff, nun welk und schlaff,
Und bleich und abgezehrt die Wangen!
An ihrer Seele zerrt der Pfaff
Mit seines Buss-Sermones Zangen.
»Wie war dein Geist so hell besonnt,
Als du in deinem kleinen Stübel
Noch herzlich beten hast gekonnt:
O Herr, erlös' uns von dem Uebel!
Als du am Feiertag noch kamst
Voll Frömmigkeit zur Seelenbeichte
Und mit gesenkten Blicken nahmst
Das Abendmahl, das ich dir reichte!
Wie anders dann, als du geherzt
Den Buhlen zu der Seele Schaden,
Als du in frevler Lust verscherzt
Des Himmelsbraut' gams hehre Gnaden) —
Bekehre dich, noch ist es Zeit,
Doch nur zu bald ist sie vorüber!
Du stehst am Thor der Ewigkeit,
Schon wird dein Auge trüb' und trüber U
Und mühvoll hebt sie ihren Leib,
Und schmerzlich seufzt sie aus den Kissen'
»Ihr habt, o Herr, mir armem Weib
Gerührt das innerste Gewissen!
302
Verflucht der Tag, verflucht die Nacht,
Wo ich an seiner Brust berauscht war,
Wo durch gewalt*ge Liebesmacht
Mein Herz und seins wie umgetauscht war
Am Rand des Grabes habt Ihr mich
Gerettet aus dem Sundenpfuhle 1
Gestattet, heiliger Mann, dass sich
Nun auch bekehren darf mein Buhle.
Bringt mir ihn her, dass ich das Herz
Ihm ganz zerwühle und zermalme,
Bis er in tiefstem Seelenschmerz
Entsagt der Sunde wüstem Qualme lc
Und leise tritt ihr Liebster ein,
Und langsam naht er sich dem Bette.
Da ruft sie laut: »Nun bist du mein!«
Und schlingt um ihn der Arme Kette.
Die Lippen, die wie angehaucht
Von neuen Lebensgluten scheinen,
Hat heiss und brünstig sie getaucht
Voll Liebeswahnsinn in die seinen.
»Was Seligkeit? was Himmelslust?«
Ruft sie und hält ihn fest umfangen.
»Der Himmel ist an deiner Brust
Und Seligkeit an deinen Wangen!
Noch einmal küssen mussf ich dich —
Nun fahr' ich gern zur Hölle nieder!« —
Sie spricht's, und müde schliessen sich
Auf ewig ihre Augenlider.
Hennann Marggraft.
Mama.
urchs grün umrankte Fenster blickt
Die Sonne ins Gemach.
Grossmutter sitzt und nickt und strickt,
Sie nickt den ganzen Tag.
Ihr Haar ward weiss; es grub die Zeit
Viel tiefe Furchen ein.
Zu ihren Füssen tändelnd kniet
Ihr jüngstes Enkelein.
„Was nickst du denn so immerzu?"
Die kleine Unschuld spricht;
„Grossmutter 1 gar nicht schön bist du!
Dein Haar gefällt mir nicht —
303
Und überm Auge auf der Stirn
Die grosse Falte dal
Es ist Mama viel schöner doch!
Wie schön ist doch Mama!"
Grossmutter sieht den Liebling an:
„Schönheit vergehet bald!
Das Alter hat's mir angetan,
Und auch Mama wird alt!"
„Mama!?" — Des Kindes Aug' umzieht
Ein Hauch von Kümmernis —
„O nein! Mama bleibt immer schön,
Das weiss ich ganz gewiss!"
Karl SiebeL
Mutter und Sohn.
»j^Jun ist die Not geendet,
Frau Mutter, seid getrost,
Seht da, was man mir sendet
Aus München mit der Post:
Besiegelt, unterschrieben,
Ein fertiger Kontrakt!
Kein Tag mehr wird geblieben.
Noch heute eingepackt!«
Die Alte hob vom Lager
Erstaunt den Arm empor,
Ein Aermlein, welk und mager
Und zitternd wie ein Rohr;
Mit Händen will sie greifen,
Was sie nicht lesen kann:
Aus sei das wüste Streifen,
Die Ruhe gehe an.
Doch Schreck, nicht Freude spiegelt
Ihr Antlitz totenblass:
»»Dies Blatt ist schwarz gesiegelt,
Kind, was bedeutet das?««
»Welch abergläub'ger Schauer
Euch wieder einmal plagt!
Vielleicht war eben Trauer
Bei Hof dort angesagt!«
304
Wie heiss sein Herz vom Hoffen,
Sein Kopf vom Planen brennt 1
Nun sieht er endlich offen
Ein Feld für sein Talent;
Was schon sein sel'ger Vater,
Dann er umsonst begehrt,
Ein grosses Hoftheater,
Nun ist's ihm doch beschert 1
Und wie sein Glück die greise,
Schwerkranke Mutter rührt,
Die er auf jeder Reise
Getreulich mit sich führt 1
Er ist zwar nur ein Mime,
Ein leichtes Künstlerblut;
Doch was dem Sohn gezieme,
Das weiss und übt er gut
Sie faltet die Hände beide
Und spricht, ins Bett verhüllt:
»So wird, bevor ich scheide,
Auch mir ein Wunsch erfüllt,
Dass ich, den ich schon lange
Mir schmerzlich vorenthält',
Den Leib des Herrn empfange
In beiderlei Gestalt
Viel Kirchen, gross und kleine,
Und christlich alle wohl,
Doch meines Glaubens keine
Giebfs hier im Land Tirol;
Wenn hier mein Stündlein schlüge,
So sagt die Nachbarin,
Zur Kirchhofsmauer trüge
Wie ehrlos man mich hin.
Herr, thu mir solchen Schaden
An Leib und Seel' nicht an!
Herr, führe mich in Gnaden
Lebendig aus Meran!
Bis München lass mich langen
Auf meiner Leidensbahn,
Und wenn ich heimgegangen,
Nimm du dich Fritzens an!«
Der Himmel hört ihr Flehen,
Doch währt's noch ein'ge Zeit,
Eh* de von dannen gehen,
Und auch der Weg ist weit;
Indes flog das Verderben
Dem Wanderpaar voraus,
Das grosse Völkersterben
Im Bayern-Land und Haus!
Eh' sie die Stadt erreichen,
Die alle andern floh'n,
Umweht es sie wie Leichen-
Geruch von weitem schon.
Man warnt, man rät zu bleiben;
Vergebens 1 Ohne Ruh*
Und unaufhaltsam treiben
Sie selbst dem Abgrund zu.
Spat abends fuhr der Wagen
Ins Isarthor herein:
Wie ausgestorben lagen
Die hohen HäuserreüYn,
Verlassen alle Gassen,
Die sonst so lärmend sind;
Aus schwarzen Wolkenmassen
Blies seufzerschwer der Wind.
Der Sohn hat kaum die Alte
Besorgt zu Bett gebracht,
So eilt er in die kalte,
Die todesschwangre Nacht;
Er kann nicht eher schlafen,
Zur Ruh* nicht eher geh'n,
Bis dass er seinen Hafen,
Das Schauspielhaus, geseh'n.
Und als es hoch und helle
Im Mondlicht vor ihm stand,
Da küsste er die Schwelle,
Umschlang der Säulen Rand
Und rief, die Hand1 erhoben,
Durch Thränen vor sich hin:
»Ich danke dir da droben,
Dass ich am Ziele binlc
Er war es. Nachts gekommen,
Erkrankt am Morgen drauf
Und abends — fortgenommen:
Gewöhnlicher Verlauf I
An ihres Sohnes Bahre
Sass wie ein Bild aus Stein
Mit wirrem, weissem Haare
Die Alte ganz allein!
Ein Wunder ist's, zu schauen,
Wie sich mit voller Kraft
Die ärmste aller Frauen
Urplötzlich aufgerafft,
Wie sie, gestützt am Stabe
Und mehr noch am Gebet,
Von ihres Einzigen Grabe
Zum Tisch des Herren geht.
Sie lebt noch heutzutage,
Wenn das ein Leben heisst:
Ein Leiden ohne Klage,
Ein Schatten ohne Geist!
Mag's stürmen oder regnen,
Ob's Eis, ob Blüten schneit,
Im Kirchhof ihr begegnen
Kannst du zu jeder Zeit
Sie hält in ihrem Schosse
Ein welkes Blatt Papier;
Das Siegel drauf, das grossei
Das schwarze, zeigt sie dir
Und spricht mit Stolz: »Ich sitze
Hier nicht als Bettlerin;
Da drunten liegt mein Fritze,
Der Hof Schauspieler, drinlc
Frans ron Dingelttedt
Schau' ich in die tiefste Ferne . . .
^chau1 ich in die tiefste Ferne
Meiner Kinderzeit hinab,
Steigt mit Vater und mit Mutter
Auch ein Hund aus seinem Grab.
Fröhlich kommt er hergesprungen,
Frischen Muts, den Staub der Gruft,
Wie so oft den Sand der Strasse,
Von sich schüttelnd in der Luft.
S07
Mit den treuen braunen Augen
Bückt er wieder auf zu mir,
Und er scheint wie einst zu mahnna:
Geh doch nur, ich folge dir!
Denn in unsrem Hause fehlte
Es an Dienern ganz und gar.
Doch die Mutter Hess mich laufen.
Wenn er mir zur Seite war.
Besser gab auch keine Amme
Je auf ihren Schützling acht,
Und er hatte scharfre Waffen
Und gebrauchte sie mit Macht
Seine eignen Kameraden
Hielt er mit den Zähnen fern,
Und des Nachbars Katze ehrte
Ihn von selbst als ihren Herrn.
Doch wenn ich dem alten Brunnen
Spielend nahte hinterm Haus,
Bellte er mit heller Stimme
Meine Mutter gleich heraus.
Er erhielt von jedem Bissen
Seinen Teil, den ich bekam,
Und er war mir so ergeben,
Dass er selbst die Kirschen nahm.
Wie die beiden Dioscuren
Brachten wir die Tage hin,
Einer durch den andern glücklich,
Jede Stunde ein Gewinn.
Aber allzu bald nur trübte
Uns der heitre Himmel sich,
Denn er hatte einen Fehler,
Diesen, dass er wuchs wie ich.
Und an ihm erschien als Sünde,
Was an mir als Tugend galt,
Da man mich ums Wachsen lobte,
Aber ihn ums Wachsen schalt
Immer grösser ward der Hunger,
Immer kleiner ward das Brot,
Und nur einer konnte essen,
Was die Mutter beiden bot
Als ich eines Morgens fragte,
Sagte man, er wäre fort
Und entlaufen wie mein Hase,
Doch das war ein falsches Wort
Noch denselben Abend kehrte
Er zu seinem Fssund zurück,
Den zerbissnen Strick am Halse;
Doch das war ein kurzes Glück 1
Denn obgleich er mit ins Bette
Durfte, ach, ich bat so sehr,
War er morgens doch verschwunden,
Und ich sah ihn niemals mehr.
Ward er an die Eisenkette
Jetzt gelegt von seinem Herrn,
Oder fiel sein Los noch härter,
Weiss ich nicht, doch blieb er fernl
Schau' ich in die tiefste Ferne
Meiner Kinderzeit hinab,
Steigt mit Vater und mit Mutter
Auch ein Hund aus seinem Grab.
Friedrich Hebbel
Das Begräbnis.
£}uf der Gasse vorm Giebelhaus
Drängten sich gaffende Leute,
Ueber den Strom durchs Sturmgebraus
Klang das Sterbegeläute.
Es hingen halbmast, wie von Thränen erschlafft,
Die Fahnen im Regenschauer,
Der alten Hansestadt Kaufmannschaft
Trug um Daniel Ovander Trauer.
Zum erstenmal sah ein Werkeltag,
Dass auf des Schreibpults Leder
Verstaubt und still das Hauptbuch lag
Und müssig am Tintfass die Feder.
Die goldene Brille lag obenauf
In perlgesticktem Futt'rale,
Keine hagre Hand schlug die Seiten auf,
Rast hielt sie zum erstenmale.
308
Weit offen standen überall
Die Thören, die tannenbekränzten,
Und droben, im verdunkelten Saal
Die silbernen Leuchter glänzten.
Im eichenen Sarge schlief immerzu
Bei zitterndem Kerzenscheinen
Hans Daniel Ovander in tiefer Ruh',
Bewacht vom Grame der Seinen.
Er hörte nicht da draussen im Flur
Der alten Standuhr Schlagen
Und nicht mehr, wie durch den Thorweg fuhr
Zum Speicher Wagen um Wagen.
Die Ballen und Kisten schlugen schwer
Gegen die grauen Wände,
Das Rufen der Kutscher und Knechte klang her —
Er schlief, gefaltet die Hände.
Und man trug ihn, als sich der Tag gewandt,
Hinunter die breite Treppe;
Ueber Tannen und Kalmus und weissen Sand
Fegte des Bahrtuchs Schleppe.
Und hinter dem Sarge des Vaters schritt
Und gab ihm das letzte Geleite
Seine Erstgeborne, die schöne Brigitta
Im düsteren Trauerkleide.
Stelz schritt sie und finster. Einmal nur
Ihrem Auge die Thränen kamen: —
An der braunen Thüre drunten im Flur
Fehlte das Schild mit dem Namen.
Ueber Geländer und Tannengewind
Griffen tröstende Hände herüber, —
Aber schweigend schloss Daniel Ovanders Kind
Die Lider und schritt vorüber.
Es hielten die Träger sekundenlang
An der Eisenthür am Kontore;
Es grüssten den Chef zum letzten Gang
Die Schreiber und die Faktore.
Dann schwankte der Sarg in den Regen hinaus,
Die Stufen schrieen und knarrten;
»Nun geht der Herr aus seinem Haust
Sprachen, die draussen harrten.
Agnes Miegcl
S10
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Aus Sturmes Not.
Qiskalt die Nacht! Am Nordseestrand
Wütet ein Sturm Qber See und Sand
Die Brandung donnert, die Wogen rollen —
Wie Himmel und Meer mit einander grollen!
Die Fischer im Dorf, von Sorgen erfüllt,
Hören es, wie die Windsbraut brüllt,
Die wuchtig über die Dünen fegt,
Wild grimmig auf Giebel und Dächer schlägt. —
Nun dröhnt bei des Morgens Dämmerschein
Ein Kanonenschuss in das Tosen hinein.
Ein Schiff in Notl Da springen sie auf.
Alte wie Junge zum Strand im Lauf
Und sehen gescheitert, fest auf dem Riff
Ein unabbringlich verlorenes Schiff.
Das Rettungsboot klar! Hinein und fort,
Wenn's menschenmöglich, zum Schreckensort!
Doch wo ist Harro? Der Führer fehlt,
Der alle mit seinem Mute beseelt
Im nächsten Dorfe blieb er zur Nacht,
Hat auch wohl, statt zu schlafen, gewacht.
Sie können nicht warten; dort gähnt das Grab
Seeleuten wie sie — so stossen sie ab.
Sie legen sich in die Riemen mit Macht;
Die Dollen ächzen, die Planke kracht,
Die Wellen schwingen und schleudern das Boot1,
Sturzseen bringen's in grausige Not,
Dass denen am Strande das Herz erbebt
So haben noch keinen Nordwest sie erlebt
Doch die auf dem Wasser, in Stürmen erprobt,
Trotz bieten sie allem, was wider sie tobt;
Sie steuern dem Schiffe näher und nah,
Und endlich, endlich sind sie nun da,
Von denen als Retter mit Jubel begrüsst,
Denen das Leben schien eingebüsst
Das Deck überschwemmt schon, versunken das Gut,
Die Masten nur steh'n noch in steigender Flut,
Dran klammern sich die Verschlagenen und hanX
Dass ihnen die Glieder in Kälte erstan^n.
Die Fischer bergen sie Mann für Mann,
Nur Einen niemand noch retten kann;
Er selbst kann sich nicht regen mehr,
Und das Boot ist voll, ist schon zu schwer,
Liegt schon zu tief in den brechenden Well'n?
Fort müssen sie ohne den armen GeselTn.
sn
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Er sieht sie scheiden mit thranendem Blick,
Ohne Hoffnung besiegelt sein traarig1 Geschick.
Nun rückwärts ans Land! Es braust und stürmt,
Dass Woge sich Über Woge türmt.
Der Himmel ist schwarz, die See ist weiss
Von wirbelndem Schaum; es perlt der Schweiss
Auf all den Gesichtern, wetterbraun,
Die um sich Tod und Verderben schau'n.
Doch keiner verzagt und keiner erschlafft,
Sie kämpfen sich durch mit Riesenkraft;
Und wie das Boot aus der Brandung fliegt,
Da sind sie am Land und haben gesiegt. —
Da ist auch Harro; sein erstes Wort:
»Habt ihr sie alle?« »Nein, einer blieb dort;
Er hing zu hoch in den obersten Raa'n,
Wir konnten ihm nicht mit Rettung nah'n.«
»So holen wir ihnl« spricht er in Ruh.
»Unmöglich, Harro, der Sturm nimmt zu,
Wir kommen nicht ab, wir kommen nicht an,
Wir müssen preisgeben den einen Mann.«
So meinen sie alle, doch Harro spricht:
»An Bordl 's ist unsre heil'ge Pflicht l
Wer hilft?« Sie schweigen. »So fahr9 ich allein!
Da tritt auf ihn zu sein Mütterlein:
»Harro, dein Vater blieb draussen in See,
Und nimmer verwind' ich das bittere Weh;
Auch Uwe, dein Bruder, mein Jüngster fuhr aus
Und kommt nie wieder, nie wieder nach Haus,
Der brave Junge! Ich hart' ihn so lieb;
Gott weiss, wo die Flut auf den Sand ihn trieb!
Nun willst auch du noch — « »Mutter, ich mussl
Und kam1 ich aus Welter und Wogenguss
Wie Uwe, dein Liebling, nicht wieder zu Land —
Wir stehen alle, in Gottes Hand.«
Sie hält ihn, sie bittet, sie weint und fleht,
Dass er nicht, ihr letzter Hort noch, geht:
»Denk1 an mich, deine Mutter! Ich alte Frau -»
»Ja, Mutter, weisst du denn so genau,
Ob der auf dem Wrack dort todesmatt,
Nicht auch daheim eine Mutter noch hat?« . • • •
Er springt ins Boot, vier Mann ihm nach,
Für solchen Seegang zu wenig, zu schwach;
Doch fahren sie los und versuchen ihr Glück.
Dreimal wirft sie die Brandung zurück,
Dann sind sie hinüber; bald hoch und steil
Saust auf den Kamm, bald wie ein Pfeil
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Schiesst tief ins Wellenthal der Bug
Des tapfern Boots auf seinem Zug,
Verfolgt von den Blicken der Bangenden hier?
Atemlos spähen sie starr und stier.
Die fünf gelangen zum Wrack und Mast,
Noch hängt am Tauwerk oben der Gast
Harro nun entert die Wanten empor,
Holt selbst ihn herunter, der fast erfror.
Doch er lebt, und sie rudern mit ihm zurück —
Das Schwerste vom schweren Wagestück.
Sie kommen 1 Im Boote, von Gischt umblinkt,
Erhebt sich Harro am Steuer und winkt;
Und ehe der Kiel berührt den Grund,
Legt er zum Rufe die Hand an den Mund
Und schreit mit markerschütterndem Ton:
»Mutter, ich bring4 ihn! s* ist Uwe, dein Sohn!«
Julia» Wolffi.
f
Ein Brief.
(gedankenlos, mit lässig matter Hand
Kramt sie wie ordnend unter altem Tand:
Verbhchne Bänder und glanzlose Orden
Von manchem Ball, farblose Blumen, Borden,
Und nun? . . . Von starrer Seide gar ein Maskenkleid,
Des Rock zu kurz, des Leibchen jetzt zu weit.
Ist's denn so lange, dass dies Prachtgewand,
Die stolzen Glieder schmücken^ sie umspannt,
Verrauschten doppelt schnell die hellen Zeiten,
Dass jetzt sie mühsam aus dem Düster schreiten
Und sie begrüssen dumpf und duftig-schwül,
Gleich Schläfern halberwacht auf weichem Pfühl? —
Fast teilnahmslos bewegt sie nur das Haupt
Und schaut ins Leere lange, wie beraubt
Des Rückgedenkens . . . mahnt aus fernen Tagen
Auch all das Zeug mit ungewissen Fragen.
»Dahinter liegt so vieles wie ein Traum I«
So spricht sie ruhig, rührt die Lippen kaum,
Doch blähen zaghaft-langsam sich die Nüstern;
Sie saugt den Duft ein, wie nach Küssen lüstern,
Und schaut und sucht, woher die Welle schwebt,
Der Wohlgeruch, der ihr entgegenwebt . . .
313
i
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I
I
Mit einemmal, wie sie das Kleid berührt,
Mit Aug* und Fingern tastend es durchspürt,
Hört sie ein hohles Rascheln, Knistern, Krachen;
Sie sucht . . . und flüstert dann mit kühlem Lachen:
»Ei sieht ... Da in der Tasche steckt ein Brief,
Verschlossen noch . • . Die Lettern kraus und schief,
Doch deutlich ist mein Name da zu lesen.
Steckt' ich ihn ein? . . . Vergass? . . . Ist's so gewesen? . .
Gewissl ... ich war doch nur ein einzigmal
In diesem Kleid auf einem Maskenball.
Ahl! . . . aus dem Briefe . . . weht die schwüle Luft! . .
Wer gab ihn damals mir?! . . . Maiglöckchenduft??
Fastnachtende 189 .
Loge rechts 6.
»Du bist nicht schön — doch wie mit Zauberkraft
Treibt mich zu dir die herbste Leidenschaft;
Kein Wimperzucken hat es dir gestanden,
Wenn oftmals wir im Lärm der Welt uns fanden.
O, spotte nicht, weil dieser erste Brief
Auf einem Ball von Schmerzen spricht, die tie£ —
Wenn du nicht ehrlich bist, unheilbar sindl
Hab nur Geduld, ich bin kein greinend Kind,
Und du vermagst es, ernst und klug zu denken.
Hör auf dies Wort, denn es ist frei von Ranken! -
Was mir in Herz und Hirn unrastend bohrt,
Nimm nicht als Fastnachtsscherz an diesem Ort.
Du bist nicht froh — aus deinen Zügen spricht
Oft eine Trauer, die den Mut zerbricht:
Ob deiner Starrheit stumm dich anzuklagen,
Um deiner Schwermut dunklen Born zu fragen.
Doch Zorn erfasst mich immer, wenn du lachst,
Gleich andern Weibern öde Possen machst.
Du bist nicht jung — und es umweht dich kalt.
Oft, wenn du rückwärts schaust, wirst jäh du alt.
Ich würde zweifeln, sprächst du mir von Liebe,
Ich würd' vergehen, wenn ich bei dir bliebe
Und du nie sagtest, dass du mich nur liebst,
Dass kein Atom von dir du andern giebst.
Du bist nicht gutl — Doch nicht das, was du bist,
Das, was vielleicht in dir gestorben ist.
Das ist es, was ich hören will und schauen,
Das macht mich krank vor sehnsuchtsvollem Grauen,
Die Seele will ich, der die Macht entstammt,
Dass sie geheimnisvolles Leid entflammt,
814
Digitized by Googl Z
Das Mitleid l — das mich drängt, dich zu umfassen
Und nimmermehr aus meinem Ann zu lassen,
Mit dir zu fluchten in ein fernes Land,
Mit dir zu sterben fremd und unbekannt.
Werd' nur nicht müde dieses Bleigekritzels
Inmitten all des Weihrauchs, des Gewitzeis
Der alten und der knabenhaften Gecken; —
Wie findest Lust du, solchen Kram zu necken?
Erbarme dich! erkenn' den Herzensklang,
Der zu dir ruft, so wahrheitsvoll, so bangt
In jener Loge wart' ich fiebernd dein.
Ks braucht ein »Ja« nur oder nur ein »Nein« —
Die Maske, die dir schnell das Blatt wird reichen,
Sie harret nicht auf Antwort oder Zeichen.
Die Larve schützt — poch an die Logenthür,
Nimm meinen Arm, wir schreiten für und für. —
Doch kommst du nicht, so reise ich allein,
Und nichts gemahnet je dich an mein Sein;
Ich will für alle, alle Zeit dich meiden.
Dein müdes Herz sei stets bewahrt von Leiden,
Wie ich sie schweigend bis zur Stunde litt
Ob von mir — oder zu mir führt dein Schritt?!
Denk nicht an Wahnsinn, glaube an den Zug,
Der stärker ist als Satzung — Menschentrug,
Und sage dir: Er suchet meine Seelei —
O, komm mit mir, dass ich den Weg nicht fehle,
Ich baue weltfern dir ein Heimathaus,
Unseliges Weibl o komm und ruhe aus! — — — c
So schloss der Brief, sie aber sann und sann:
* Maiglöckchenduft? . . . Wer war der Mann?«
Moritura.
Sie wusste nicht, was ihr geschehen war.
Als sie erwachte, schaute sie sich um:
So fremd geworden schien das traute Heim,
Das sie, als wie ein Nest den Vogel, barg;
Und überall der Mutter frische Spur!
Da flössen immer wieder neu die Thränen;
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Das Kinderherz, es wollte nicht verstehen,
Dass nun die liebe, bleiche Hand erstarrt,
Die segnend über ihren Scheitel glitt,
Und dass sie nun allein sei, ganz allein! —
— Man sprach zu ihr: komm, raff dich auf,
Du bist so jung, du hast ein hübsch Gesicht,
Das ist der Schlüssel zu dem Glück der Frauen!
Da ging sie denn. — Sie hat kein Wort gesprochen.
Verstössen aus der Kindheit Paradies
Begann den Weg sie durch das weite Leben,
Im Traume wandelnd ohne Wandermut!
■ — Ein Weltmeer ist Berlin; sie tauchte unter.
Doch die Gefahr giebt Mut, und Arbeit stahlt
Von neuem zog ein Frieden bei ihr ein,
Wenn Frieden heisst: Dem Leben still entsagen,
Wenn Frieden heisst: Das Leben ängstlich fliehni —
— Du junges Herz, was treibt so schnell dein Blut,
Wenn neue Säfte in die Zweige steigen,
Und Frühlingsodem aus der Erde quillt?
Ihr riefen's zu die Sperlinge am Fenster:
»Der Lenz ist daU Da färbten sich die Wangen,
Da fasste sie 'insagbar ein Verlangen
Nach Glück, nach Lust, nach Leben und nach Liebe.
Der Lenz ist da! S?* liess die Nadel sinken
Und zog hinaus, wo grüne Zweige rauschen,
Wo Kinderjubel tönt, und frohe Menschen
Der Wiederhall des eignen Herzens sind.
— Da fand sie den, der ehrerbietig oft,
Wenn hie und da sich ihre Wege kreuzten,
Im Banne ihrer Anmut sie begrüsst
— Zwei Herzen schlagen schnell in gleichem Takt,
Wenn Jugend sie und heisser Glückeswille
Zusammen treibt Sie lockt ein seltsam Drängen,
Das allen Kreaturen eingepflanzt,
Ein Frühlingsgift, das durch die Pulse jagend
Die Jugend opfert und die Schönheit tötet
Und doch ist es so süss, den Trank zu nippen,
Der uns berauschend hebt zu lichten Höh'nl
Sie fühlte nicht des süssen Rausches Gift;
Ihr reines Herz vernahm ein hohes Lied,
Das Engelscharen ihr hernieder sangen. — — —
— Es war ein Sanntagmorgen, weihevoll.
Da hatte sie mit ihm die Stadt verlassen,
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Der nun erfüllte all ihr Sein und Thun.
Sie wanderten, umweht von Lindenblüten,
Dem Walde zu, der wonnig sie empfing.
Wie Kinder, die der Schule Zwang entfiohn,
Durchzogen sie die grüne Einsamkeit
Ihr Weg war, wo die Schmetterlinge flogen
Und wo der Kukuk rief. So weltenfern
Nahm sie ein dämmernd Dickicht endlich auf.
Wie herrlich schien ihr dieser Tag des Herrn!
Die Stunden rückten vor, und Mittagschwüle,
Sie senkte süsse Müdigkeit hernieder.
Da richteten sie sich ein lauschig Lager
An einem Hang und sanken bald in Schlaf.
— Von fernem Dorfe zog durch ihren Traum
Ein Glockenklang in zitternd leichten Wellen,
Und Mücken surrten lds ein Schlummerlied. —
— Als er erwachte, lag sie sanft erglüht
Und lächelnd noch in halbem Traum befangen,
Ein holdes Wesen aus der Märchenzeit 1
Und doch — wie irdisch schön in Fleisch und Blut
So lockend hatte er sie nie gesehn 1 —
Ihn bannte herrisch eine dunkle Macht.
Die eignen Pulse hört er stürmisch jagen!
Der jugendfrommen Minne milde Glut,
Sie schlug begehrend auf in loher Ramme! —
Dahin des Sonntags heilige Gefühle,
Um Gut und Böse tobte noch der Kampf
In seiner Brust. — Dann sprang er jählings auf
Und riss sie zu sich hin in toller Lust,
Sie an sich pressend, dass sein brennend Herz
Das Wogen fühlte ihres jungen Bluts.
Berauschend heisse Liebesworte raunt
Sein Mund ihr stammelnd zu, verführerisch
Wie sie nur je erdacht ein trunkner Sinn. — —
Sie bebt, sie ringt, ihr Blick wird starr und gross -
Gähnt vor ihr eines Abgrunds Finsternis?
Sie fasst nicht, was sie hört; wie giftigen Hauch
Verspürt sie es in seines Atems Wehen —
Da endete des Glückes letzte Spur!
»O Mutter, Mutter!« ringt sich endlich los
Ein gellend heisrer Schrei von ihren Lippen! — —
— Was kümmern sie der Buchen schlanke Gerten,
Die ins Gesicht ihr schlagen, was die Ranken,
Die straucheln lassen ihren flüchtigen Fuss.
Nur fort, nur fort aus diesem Waldesdämmer,
Das Sünde deckt mit der Versuchung Zaubert
Sie flieht, sie irrt, wohin? nur fort, nur fort,
Gehetzt von ihren folternden Gedanken! —
Der Tag schritt vor. Durch Feld und Sumpfgestrüppe.
Dem Wege fern, da frohe Menschen zogen,
So hastete sie weiter. Dumpfes Grollen,
Der einsam Wandernden ein ängstend Droh'n,
Verhallte fernhin aus der Stadt Getriebe. —
Schon blitzt es funkelnd auf, bald hier, bald da,
Aus grauem Dunst, der um die Türme brütet,
Als sie der letzten Strassen Zug erreicht.
Wo dieses Meer in letzten Wogen brandet,
Da wirft es eklen Abschaum an das Land.
So trieb auch hier ein lauerndes Gesindel
Sein Wesen, stets berek zu schlimmer That.
Das Madchen mit der reinen Stirn — allein —
Das schien ein guter Fund. Gemeine Gier,
Sie grinste roh aus breitgezogenem Munde,
Und wüste Worte zischten an ihr Ohr.
Begehrend streckte sich die freche Faust
Nach ihrer Schulter aus; und Fluch auf Fluch,
Als sie mit letzter, banger Kraft entfloh,
Verfolgte sie wie eine schmutzige Welle.
Da nahte Schutz« Der Wächter des Revieres
Schritt eilend nun der Zitternden entgegen.
Gerettet schien sie, — doch die Pflicht macht hart,
Und Argwohn war des Mannes harte Pflicht 1
Die Flüchtende, was führte sie hierher,
In diese Gegend und um diese Stunde?
Trieb Schuldbewußtsein de? — Er frug, — sie schwieg:
Es krampfte sich ihr Herz, da fremde Hand
Sich an die blutend frische Wunde legte.
Kein Ohr erfahre je der Seele Qual,
Die jungfräulich sie fest in sich verschloss.
Sie litt und schwieg* — Der Argwohn aber wuchs,
Und rauhe Worte bannten sie: Zur Wache!
Die Dirne werde schon gestehen müssen.
In dumpfem Sinnen schritt sie vor ihm hin. —
Von ferne tauchten auf vergangene Tage,
Die Kinderzeit, der Mutter zartes Bild,
Der Traum von jenem heissersehnten Glück,
Nach dem die Hand sie durstig ausgestreckt,
Das aber jäh zerbrach, da sie es fasste.
In wirrem Fluge drang es auf sie ein,
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Und unerträglich schwer schien ihr die Last,
Die keuchend sie auf ihren Schultern wälzte.
Ein Gang nach Golgatha! Sie wollte heim.
Ihr Heim, das lag in der krystallnen Ferne,
Da reine Liebe thront in Glanz und Licht
Das alte Lied: ein gurgelnder Kanal,
In dessen tragen angeschwollnen Wassern
Die Sonne spielt in letztem Abendgold —
Ein rascher Sprung, ein leiser Schrei, ein Fall —
Und weiter gleitet dann die braune Welle,
Und weiter grollt von fern das Menschenmeer
Wie eine Bestie, die nach Opfern sucht 1
Verdorben — gestorben.
Tfwel Tote liegen im Leichenhaus,
— Die Särge zahlt die Gemeinde, —
Ein junges Weib, ein hagerer Mann,
Der Bettler Franz, die Dirn' Susann';
Im Leben waren sie Feinde.
Sie wuchsen, Nachbarkinder, auf
Und gingen zusammen zur Schule
Und gingen zusammen zum Tisch des Herrn,
Und gingen zusammen zum Tanzplatz gern
Und wurden Buhl und Buhle.
Die Alten starben; da haben die Zwei
Sich treulos bald verlassen.
Die Dirn war schön und heiss ihr Blut,
Der Bursche stolz, ohn' Hab und Gut;
Aus Lieben wurde Hassen.
Die Dirne flog von Arm zu Arm
Und ging in seidenen Fetzen;
Der Bursch im Trunk das Leid vergass,
Bis endlich Bettlerbrot er ass,
Sich selber ein Entsetzen.
Die Dirne starb in fremdem Bett,
Der Burch am Zaun auf der Strasse. -
Nun liegen hier beisammen sie
In kahler Kammer, die sich nie
Gegrfisst mehr auf der Gasse.
Nun liegen sie, die Augen starr
Geöffnet nach der Decke;
Und langsam schaufelt und murrt dabei
Der Graubart dorten Gräber zwei
Hart an des Kirchhofs Ecke.
Th»©4or Vulpiatt*.
Die alte Jungfer.
Niemand zu Liebe, niemand zu Last,
Ist sie erloschen und verblasst.
In ihrem Stübchen sann sie und sann,
Bis ihr einsames Leben darüber verann.
Keiner hat nach ihr die Hand ausgestreckt
Und die flügelgebundene Seele erweckt.
Keiner hat in der Sommernacht
Zu seligem Weinen sie gebracht.
Und doch flogen Locken auch ihr ums Gesicht,
Und ihre Augen glänzten jung und licht.
Und doch schlug auch ihr in verschwiegener Brust
Die Sehnsucht nach Sonne und Frühlingslust.
Niemand zu Liebe, niemand zu Last,
So ist sie erloschen und verblasst.
Maria Janitscbelc
13 eitere Vorträge.
Seelenbündnis.
Jch Öffne zögernd ihren Briet
Der kleine Brief, was thut er kund?
Vielleicht nimmt es Mathilde schief;
Dass ich sie lieb* aus Herzensgrund.
Vielleicht hat sie mein Fleh'n erhört,
Vielleicht ist all mein Glück zerstört?
Ich seufzte tief,
Bevor mein Blick das Blatt durchlief. . —
Sie schreibt: »Wir wollen Freunde sein
Wie Goethe und die Frau von Steinte
Da ruf ich jubelnd: Frisch voran 1
Dem Glück will ich entgegenzieh'n«
Im Flug trägt mich die Pferdebahn
Zu meiner Göttin Tempel hin.
»Komm an mein Herz, du süsses Glückte
Ruf ich ihr zu« Sie weicht zurück
Und staunt mich an:
»Wie könnt Ihr mir so stürmisch nah'n?
Wir wollen doch nur Freunde sein
Wie Goethe und die Frau von Stein, c
Und nun erzählt sie mir genau,
Was sie gelernt im Pensionat
Vom Seelenbündnis jener Frau
Mit Goethe, dem Geheimen Rat,
Wie tadellos und einwandfrei
Der zarte Bund gewesen sei. —
»Mathilde, schau,
Was Du da sagst, ist mir zu blau.
So wird es nicht gewesen sein,
Denn Goethe, der war nicht von Stein!«
331
Da widersprach sie hochgemut,
So ging die Rede hin und her.
An Worten gab es eine Flut,
Ein weites sturmbewegtes Meer.
Es schwoll die Flut, es wuchs der Zank,
Bis blutig flammend die Sonne sank . . . .
Und kurz und gut:
Dann küssten wir uns in Liebesglut
So ganz allein im Kämmerlein
Wie Goethe und die Frau von Stein.
Herr im Hause.
Schlich der Zorn durch* s Hinterpförtchen
Auf den Zehen kaum hinaus,
Klopft es schon: »Nur auf ein Wörtchen,
Bitte, öffne mir das Haus.c
Und — wahrhaftig! auf der Gasse,
Just als wäre nichts geschehen,
Steht die Liebe. Nein, ich lasse
Ganz bestimmt sie weiter geh'n.
Hab1 ich hier nicht in der Wohnung,
Heut1 erst, offen ihr erklärt,
Dass die Nachsicht und die Schonung
Allzu lange nun gewährt?
Dass verschlossen bleiben solle
Meine Thür ihr allezeit;
Dass nach ihrer Gunst ich wolle
FQrder fragen keinen Deut?
Dass sie diese letzten Wochen
Mich gepeinigt bis aufs Mark?
Und doch wagt sie anzupochen?
Nun, das nenn' ich wirklich stark 1
Immer klopfe, immer rufe,
Narr, der je dir Antwort gab;
Auch nicht eine einz'ge Stufe
Steig ich deinethalb hinab!
Stets war ich für dich zu finden,
Rasch vergass ich jeden Groll,
Aber deine letzten Sünden —
Nein, die waren gar zu toll.
Immerdar sind wir geschieden,
Noch einmal sei dir*s gesagt;
Also geh1 und lass' in Frieden,
Den so lange du geplagt.
Doch sie schmeichelt: »Schick1 mich, Schätzchen,
Ungehört nicht von dir fort;
Nur ein Fünfminutenschwätzchen —
Und ich gehe, auf mein WortI
Ruhig bin ich und vernünftig,
Und mein Unrecht reut mich schwer;
Glaube mir, ich werde künftig
Dich erzürnen nimmermehr, c
Tritt denn einl rief ich der Liebe,
Die mich störte, unwirsch zu;
Aber mach es kurz, Verehrte,
Und dann lasse mich in Ruhl
Doch kaum steht sie auf der Schwelle,
Schliesst die Thür sie hinter sich,
Spricht: »Für alle weitern Fälle,
Die den Schlüssel fuhrt, bin ich.
Was? dich reut's, dass aufgeschlossen
Du die Thüre? Ohne mich
Kannst du leben! Narrenpossen 1
Bester Schatz, ich kenne dich!
Hat man jemals hören müssen
Von der Jugend solch ein Wort?
Aber, traun, du sollst es büssen,
Und ich bleibe, dir zum Tort
Ja ich bleibe! Ihre Rechte
Opfert nicht die schlechtste Frau,
Und die meinen, — nun ich dächte,
Sind bekannt dir sehr genau.
Drum am besten ist's, wenn gütlich
Du des Streites dich begiebst;
Sieh, du bist schon ganz gemütlich,
Und bei dir ist's — allerliebst U
Richard Leaader.
au
323
Kusshunger,
JJin messenger boy kommt ventre ä terre
Vor meine Veranda gefegt,
Springt ab und hat ein kleines Billet
In meine Hand gelegt.
»Bye, byeU der Bengel jagt wieder fort,
Und ich beschaue den Brie£
Von Abbiel — Nanu? die schreibt doch nur, wenn
Ein wirklich zwingend Motiv,
»Kommst du nikt gleik, Ick schiessen mir dot«
So lese ich konsterniert —
»Ein Cabl ein Cabc sonst mordet sie sich —
Das Mädel ist exaltiert
Mein Cab rast durch die city hin
Zur vierzigsten Strasse hinaus.
»Stop!« brüll' ich. »Two dollara, Sir.« »Yes, all rightU -
Ich springe flugs in das Haus.
Ich eile hastig von Raum zu Raum —
Im sitting-room liegt sie vergnügt
Auf einen Schaukelstuhl hingehaucht,
Der neckisch wackelt und wiegt
Die Linke halt ihre goldene Uhr,
Die Rechte — ich bin erblasst —
Die Rechte hat — mit gespanntem Hahn —
Einen kleinen Revolver umfasst.
»My sweet heart, what is the matter with you?«
Sie blickt auf die Uhr und — lacht:
»Eight minutes — famos 1 nur sswei dassu,
Dann hätt* ick mir umgebracht«
»Warum denn aber um Himmels WüTn?«
»O nix — ick sehen Dir muss!
I love you, my boy, with all my heart!
Ick hatte so Hunger auf Kussl« —
Johannes Cotta.
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Der Wftwer.
JJinst lebt* in seinem Dörfchen, arm,
Doch frisch and flink und sonder Harm,
Hans, Namens Ohnesorgen.
Kaum hatt* er von der Hand ins Maul;
*
Doch diese Hand war nimmer faul
Zum Abende vom Morgen.
Drum fand er ohne viel Gebet,
Was in der vierten Bitte steht.
Nicht lange blieb das Bett ihm leer;
Er nahm ein Weib, so flink wie er.
Nun ging's durch zwei Paar Händel
Er hatte eignen Herd, dazu
Bald eine schöne bunte Kuh;
Sein Glück schien sonder Ende:
Denn ihn erfreuten Weib und Rind
Durch manches Kalb, durch manches Kind.
Doch kurz nur stund sein Wohlfahrtsbau.
Es starb die flinke junge Frau
Im dritten Wochenbette.
Ein harter Schlag kam stracks hinzu,
Er fand die schöne bunte Kuh
Erstickt im eignen Fette.
Das war dem Armen doch zu viell
Er wuflste seines Grams kein Ziel.
Da sass er auf der Ofenbank
Mit Gott und Welt und sich im Zank,
Und greinte bittre Zähren,
Je zwei um zwei: für Seelenruh4
Der flinken Frau, der bunten Kuh. —
Die Nachbarn alle wehren
Mit Trofft und Rat der Traurigkeit
Umsonst! Sie blieb so lang wie breit
Jetzt sprach der Schulze Martin: »Freund,
Nur nicht verzagt, nur nicht gegreint 1
Wenn Gott nahm, nimm du wieder 1
Ich wüsst* ein hübsches Rundgesicht
Ei siehl Dort geht sie, irr* ich nicht,
Im roten Sonntagsmieder.
Du kennst doch Muhme Greten? Sprich!
Die wär* ja wohl ein Trost für dich.«
Hans seufzte still. Da nahm das Wort
Der Ludimoderator Kort:
»Das Grab ist allen erblich,
Was sein muss, nun das muss, Freund Hans,
Sei's Mann und Frau, sei's Kuh und Gans.
Wir alle sind ja sterbüch!
Doch, weisst du was? Mein Hannel ist
Schon mannbar über Jahresfrist c
Doch Witwer Hans schwieg immer noch,
Er seufzte, greinte fort; und doch
Umdrängten ihn die Wichte.
Der eine hatt* ein Schwesterlein,
Der zweit1 ein Mündel zu verfrePn,
Der dritte seine Nichte;
Dann Enkel, Pate, Schwägerin;
Es war wie Jahrmarkt rings um ihn.
Nun kam auch noch der Bader Tropf,
Rasierte Witwerbart und Kopf,
Und sprach: »Freund, braucht bei Zeiten 1
Ich hätte was, das hilft geschwind;
Es ist mit mir Geschwisterkind
Und heisst — Susanne Veiten.
Sie dient bei mir ums Brot statt Lohn,
Ein braves Mensch! Rasiert auch schon Ic
Da ward Hans endlich wild. Er sprang
Empor von seiner Ofenbank
Und rief: »Ihr sollt euch schämen I
Mir starb die Frau, und — seid ihr toll? —
Ist kaum ins Grab hinein: so soll
Ich schon zehn andre nehmen?
Mir starb die Kuh: doch gebet ihr
Mir auch nicht einen Schwanz dafür I«
Karl Friedrich Kretschnunn.
(17S8-18T?)
Treue!?
£Jm rauschenden Nordseestrande
Da ward die Bekanntschaft gemacht.
Da haben die Beiden im Sande
Geplaudert, gescherzt und gelacht«
Sie sprachen von Allem auf Erden
Und — von der Sonne Licht,
Sie sprachen von ihrer Liebe,
Doch von der — Ehe — nicht.
Erst in der Abschiedsstande
Da hat sie's ihm erzählt
Voll Muth zum erstenmale:
Sie sei — bereits — vermählt
Da leitest er sie so innig
Nach alter Minne Brauch
Und flüstert unbefangen:
»Mein Senats, ich bin es auch!« —
L. Marco.
's Marterl.
Jm Mühlbachgraben bei der Wehr, —
A Marterl steht daneb'n, —
Da hat mir — fünfzehn Jahr* is 's her —
Die lies ihr Jawort geb'n.
I war verliabt bis über d1 Ohr'n
Und glückli wie a Narr .....
Wie's aber dann mei Weib is wor'n,
War's mit mein Frieden gar. —
Das Marterl, das steht heut no dort,
Verwischt von Reg*n und Schnee,
Kein Mensch weiss, wer am selbig*n Ort,
Verunglückt is voreh»
Mir aber, wann i 's Marterl schau,
Giebas allemal an Riss,
Denn i, i weiss jetz ganz genau,
Wer dort verunglückt isl
Otto Sommcrstorfl.
Ein Idyll.
gie fahren zusammen im warmen Coupe -
Es war eine mollige Reise 1
Es flogen die Felder ... Im ersten Schnee
Lag rings die Welt, die weisse . . .
Er spann ein Gerede ziemlich verworren
Vom Wetter und Sommer im Bade —
Sie warf in den Schoss ihren Engelhorn
Und knabberte Lindt-Chokolade.
Er sprach poetisch vom wehenden Rauch
Und wie die Zeiten brausen —
Sie hatte 'ne Tante, die »dichtete auchc
Und wohnte in Sangerhausen.
Und als die Sonne im Westen verschwamm,
Da pries er^s in köstlichen Worten —
Sie hatte 'nen Vetter in Heiligendamm,
Der beinahe Maler geworden.
Und als er vom Fahren ins Weite sprach,
Wie nickte am Hütchen die Feder 1
Sie hatte 'nen Onkel in Offenbach,
Der reiste seit Jahren in Leder.
Die Sterne sandten vom Himmelszelt
Verwirrendes Schelmenge funkel —
Sie hatte die Heizung abgestellt.
Er schraubte die Lampe auf »dunkele.
Sie sassen so dicht, und sie sagten kein Wort,
Und sie hörten die Herzen schlagen —
Der Schaffner qualmte geschenkte »Importe
Im Dienst-Abteil mit Behagen.
Sie dachten s o viel, und sie sprachea's nicht aus,
Sie sahen die Lichtchen blinken
Vorüberfliegend am Wächterhaus —
Die Linke ruht1 in der Linken.
Die Rechte hielten sie beide steif
Und den Handschuh darauf zur Verzierung —
Am vierten Finger der glatte Reif
Trug peinliche Innen-Gravierung . . .
Bad. Prester.
Im Dialekt.
jjjs ist um Sonnwendzeit; auf allen Wiesen
Steht noch der erste hohe Blumenflor;
Die Glocken lugen aus dem Gras hervor,
Die Heckenrosen überm Wege spriessen,
Und fröhlich zieht die Herde mit Gelaut
Zur Alm in blaue, stumme Einsamkeit
828
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Das ist die Wanderzeit in Bergeshöh',
1 Und tagelang zog ich dahin im Walde
! Durchs Felsgestein und durch die duffge Halde
I Und lagerte am klaren Alpensee.
Am Berghang aber, unterm Feisenkahr,
Da lagen traut die braunen, kleinen Hatten,
Und wenn ich abends müd' vom Wandern war,
| Bin ich so gern durch ihre Thür1 geschritten«
Es sass am Herd die blonde Sennerin;
Ich aber setzte mich daneben hin;
Auf ihre Wangen fiel der Feuerschein,
Das knisterte so leis; hell klang darein
Ihr Silberlachen, wenn ich dann sie neckte
Und Almenrosen ihr ans Mieder steckte.
Bald schien von allen Bergen in der Rund'
Mir der der schönste, wo ihr Hüttlein stund.
So schien zur Forschung keiner sich zu eignen;
Ich mass den Weg und prüfte das Gestein,
Und schliesslich trat ich in die Hütte ein . . .
Ich war verliebt — das war nicht mehr zu leugnen.
Und was Poeten, die verliebt sind, thun,
Das weiss man. Ach, es Hess mich nimmer ruh'nl
Fast jeden Tag bracht9 ich ihr ein Gedicht
Und las es vor, voll Pathos das Gesicht,
Wo ich * Elisabeth c mein Lisei nannte
Und Tropen brauchte, die sie nie erkannte.
Im Anfang sass sie ganz verdutzt zur Stelle,
Dann warf sie ihren Goldzopf ins Genick
Und lachte schallend — niemals klang Kritik
So überzeugend mir und silberhelle.
Stumm ging ich weg — dann kam's mir, wie ein Licht
(Man sagt ja, dass die Liebe findig macht)
Drum dacht' ich: Fort mit dieser Tropenpracht 1
Sprich doch zu ihr, so wie sie selber spricht!
Da stellt* ich in den Stall den Pegasus,
Noch angeschirrt ä la Vigilius,
Und fing mir flugs in meinem Herzeleide
Ein schmuckes Bauernrösslein von der Weide.
Mit einem Juhschrei hab' ich's angetrieben
Und 's erste Lied — im Dialekt geschrieben« —
Als ich zur Alm kam und vom steilen Grat
Ins Felskahr stieg, den alten kühnen Pfad,
Da stand die Sennerin im Wiesengrunde
Und jauchzt' empor, die Hand am roten Munde.
Und wieder trat ich in die Hütte ein;
Mir war zu Sinn, als war' sie doppelt mein;
Dies russ'ge Dach und dies Gerät, das blanke,
Dazu dfls Nlagdlein, das gelockte, schlanke,
Der Hausaltar mit den geweihten Zweigen . . .
Als war* dies Leben nun erst ganz mein eigen.
Durch das Gebälk floss feines Sonnenlicht,
Am Herde lehnend horcht auf mein Gedicht
Die blonde Sennin — mir erschien es schlecht,
Sie aber jauchzte: »Jetzt, ja jetzt isfs recht U
Das war die Mundart, die ihr Herz gewohnt,
Und in der Mundart ward ich auch belohnt
Um meine Schulter schlang sie ihren Arm —
Das war ein Kuss, so herzig und so warm,
Wie Walderdbeeren hat der Kuss geschmeckt:
Ich spür1 ihn noch. — So lernt man Dialekt!
Karl Stieler
Der Ritter und die Nfcen.
2 wölf Ritter ritten durch den Wald
Mit Schwert und Schild und Sporen;
Sie scherzen und lachen und haben bald
Den rechten Weg verloren.
Und plötzlich sehen sie durch den Tann
Ein stilles Wasser blinken;
Sie reiten hinzu, sie halten an
Und lassen die Rösslein trinken.
Da rauscht das Schilf und schwankt und nickt,
Die Wasserlilien sich neigen,
Und aus dem See korallengeschmückt
Zwölf schöne Nixen steigen.
Die Rosse zittern und schnauben bang,
Die Ritter starren und schauen.
Da tönt bestrickender Gesang
Vom Mund der Wasserfrauen«
»O folget uns in unser Reicht
Rotwangige Erdensöhne;
Unsterblichkeit verleihen wir euch
Und ewige Jugendschöne.
Es kann ja doch die höchste Lust
Auf Erden nicht gedeihen;
Ihr findet sie an unsrer Brust,
Bei uns, den Wasserfeien.
Was euer Herz sich wünschen mag,
Ihr findet's auf dem Grunde;
Zum Augenblick wird euch ein Tag,
Das Jahr zu einer Stunde.
In unserm kühlen Aufenthalt
Erwarten euch Freuden und Wonnen,
Soviel als Nadeln ein Tannenwald
Und Tropfen zählt ein Bronnen, c —
Die Ritter hören' S, c s wallt ihr Blut,
Sie springen behend vom Pferde.
»Wir folgen euch, Nixen, in die Flut;
Fahr wohl, du staubige Erdel«
Da raschelt das Laub, und die Ritter sehn
Auf einmal einen braunen,
Dickköpfigen Waldzwerg vor sich stehn,
Darob sie aufs neue erstaunen.
Das Zwerglein hebt die Hand und spricht:
»Lasst guten Rat euch sagen:
Gehorcht den Wasserfrauen nicht,
Ihr müsster's bald beklagen.
Wahr ist es, was man euch verhiess,
Man hat euch nicht belogen;
Es liegt ein blühend Paradies
Im Schoss der blauen Wogen.
Es warten euer auf dem Grund
Viel Wonne und Vergnügen
Doch etwas hat der Nixen Mund,
Gar weislich euch verschwiegen.
Es harren eurer kampfbereit —
Erzittert, kühne Ritter,
Behaftet mit Unsterblichkeit,
Zwölf Nixenschwiegermütter.«
Rudolf Rautnb»<-L
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Güstens Brief an die im Bade weilende Herrschaft.
£5 n die Herrschaft schreib1 ich jetzt! —
Sprach's und hab* mir hingesetzt $
Doch im Tinten fasse finde
Ich nur eine trockne Rinde,
Diese weich* ich im Verlauf
Längrer Zeit mit Wasser auf.
Wie ich endlich bin bereit,
Fehlt auf einmal mir die Zeit,
Weil mein Robert, vor mir stehend,
Fort mir reisst, spazieren gehend.
In der Nacht nach Haus gekommen,
Hab' ich gleich mir vorgenommen:
Heute schreib1 ich oder nie!
Denn was thät* ich nicht für Sie.
Ruh'gen Herzens fang ich an;
Wohl mir, das ich melden kann:
Alles ist hier gut gegangen,
Seit die Ferien angefangen.
Da ich einsam hier geblieben,
Hab1 ich mir die Zeit vertrieben
Mit Geduld und mit Humor —
Uebrigens fiel hier nichts vor.
In den ganzen sieben Wochen
Ist nur einmal eingebrochen,
Mitten in der tiefen Nacht —
Ich, zum Glück, bin nicht erwacht;
Todgeängstigt hatt* ich mir
Bei das Rasseln an die Thür.
Aber, wie gesagt, ich schlief,
Währenddem die That verlief.
Andern Morgens erst inzwischen,
Als ich kam, um Staub zu wischen«
Ahnt9 ich etwas, wie ich fand,
Dass es allens offen stand.
Welch ein Anblick — man bedenket —
Als Kommoden ich und Schränke
Sah gewaltsam aufgerissen.
Was gestohlen — wer kann's wissen?
Denn mir fehlt das Inventar
Ueber das, was früher war.
Dass mir selbst nichts fortgekommen,
Hab1 sogleich ich wahrgenommen,
S 392
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Und vergnügten Angesichts
Meld1 ich: Sonst passierte nichts.
Einmal gab es einen Brand,
Der auf diese Art entstand:
Robert Schulze, mein Gefreiter —
Auf der Welt ist nicht ein zweiter,
Dieses muss vorher man wissen —
Ist des Rauchens sehr beflissen.
Neulich also raucht er auch,
Plötzlich steht er ganz in Rauch,
Weil er, wie sofort sich findet,
Die Gardinen angezündet,
Als im Elfer seiner Reden
Er ein Schwefelholz aus Schweden —
Wie ich nicht verschweigen darf —
Mit Entrüstung von sich warf.
Flammen zucken, Funken sprüh'n ■ —
Ich in grösster Angst um ihn,
Er in grösster Angst um mir,
Beide rennen nach der Thür.
Kaum, dass wir dem Qualm entronnen
Und zu trösten uns begonnen,
Horch, da saust auch schon daher —
Klinglinglingl — die Feuerwehr.
Diese löscht mit kund'ger Hand
Alles, was in Flammen stand.
Zwar verbrannt ist mancherlei,
Doch gerettet sind wir zwei,
Und kein Leben zu beklagen.
Wohl mir, dass ich dieses sagen
Kann, befriedigt und gerührt.
Uebrigens ist nichts passiert.
Einmal schlug der Blitz ins Haus,
Ich, zum grössten Glück, war aus.
Grad1 an einem Donnerstag
Fuhr* hinein ein kalter Schlag.
Was die Diebe nicht genommen,
Was in Flammen nicht verglommen,
Ist dadurch total zertrümmert,
Wie ich wahrnahm tief bekümmert.
War* ich selbst zu Haus gewesen,
Könnten dieses Sie nicht lesen,
Denn ich selbst war* auch entzwei,
So war doch ein Glück dabei
Bei den Unglücksfallen allen.
Sonst ist hier nichts vorgefallen.
Robert gut und Wetter schön —
Nun adieu 1 Auf Wiederseht 1
Klatsch -Hymnus.
Q treffliches Kaffeegekrächz,
O liebliches Geschnatter!
Herr Nachbar links, Herr Nachbar rechts,
Sehr würd'ger Herr Gevatter.
Gewärtig eures stillen Winks
Rümpft jeder stolz die Nase,
Herr Nachbar rechts, Herr Nachbar links,
Verehrteste Frau Base.
Und wisst ihr's schon? Nein, nicht ein Wort
Die Welt wird immer netter!
Herr Nachbar hier, Herr Nachbar dort,
Frau Grossmama, Herr Vetter.
So zu verletzen Sitr1 und Pflicht!
Der Don Juan! Die Xan tippe l
Wahr ist es, doch sagt's weiter nicht
Als nur der nächsten Sippe.
Ja freilich, so was — in der That —
Zwar wie man längst sie kannte —
Was sagen sie dazu, Herr Rat,
Herr Doktor und Frau Tante?
Empörend, grässlich allerdings,
Und wie sie noch sich brüstet!
Herr Nachbar rechts, Herr Nachbar links,
Sie sind mit Recht entrüstet!
Sie können lächeln, Herr Papa?
O Welt, o Zeit, o Jugend 1
Tritt's der Gesellschalt nicht zu nah
Und — ä propos — der Tugend?
Und um Sie ins Vertrau'n zu zieh'n,
Wie weit's mit ihm gediehen:
Der Frack, in dem er jüngst erschien,
Der Frack war nur geliehen.
334
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Es öffnet sich — o sonnenklar! —
Ein Sittenabgrund schaurig!
Sie wissen' s schon, Herr Kommissar?
Wie amüsant 1 — Wie traurig!
Weit lieber als die falsche Zier
Ein frommer Strassenkehrer !
Wir sind doch bess're Menschen, wir,
Nicht wahr, Herr Oberlehrer?
Ja, bessere Menschen, tugendhaft
Vom Wirbel bis zur Zehe,
Und Mut und Kraft und Leidenschaft,
Die thun uns niemals wehe.
Wir schnarchen dort, wir schnarchen hier,
Sind stets vergnügt und heiter,
Und sind wir alt, dann sterben wir
Und schnarchen ruhig weiter.
Ludwig Fulda.
Weihnächte -Wunsche.
un haben ihre Wünsche die lieben
Kinder wieder aufgeschrieben.
Die Aelteste möcht eine Puppenstube,
Pferd und Wagen erhofft sich der Bube,
Die Jüngste wünscht — sie ist noch so klein —
Kinkerlitzchen und Schnurrpfeif erei'n;
Sie wollen tausend bunte Sachen,
Die Kindern Spass und Freude machen.
Der Vater liest mit lächelndem Bangen
Die Zettel der drei, die unheimlich langen,
Und spricht: »Schier müsst ich ein Rothschild sein,
Wollt alles ich erfüllen euch drern!
Vorerst, wenn ich nuVs recht bedenke,
Möcht ich auch etwas zum Geschenke;
Ich möchte gern vom Jesusknaben
Zu Weihnacht — drei artige Kinder haben !c
■
Der Bube senkt den Kopf auf die Brust,
Auch die Aelteste fühlt sich getroffen vom Spotte -
Doch hocherfreut ruft die kleine Lotte:
»Ach jal Dann sind wir sechse justlc
Richard Zooxhhuhj.
335
Der Haifisch.
Sagt der Zottelhund Struppes zu dem Buxenmann
Schluppes:
O, wie weh, lieber Schluppes, tut mein Bauch I
Sagt der Buxenmann Schluppes zu dem Zottelhund Struppes:
Meiner auch, lieber Struppes, meiner auchl
Sagt der Zottelhund Struppes zu dem Buxenmann Schluppes:
In dem Bach, lieber Schluppes, war ein Eil
Sagt der Buxenmann Schluppes zu dem Zottelhund Struppes:
Aus dem Ei, lieber Struppes, wird ein Hai!
Sagt der Zottelhund Struppes zu dem Buxenmann Schluppes:
Wer bekam es, lieber Schluppes, in den Schlund?
Sagt der Buxenmann Schluppes zu dem Zottelhund Struppes:
Wem der Hai, lieber Struppes, guckt aus dem Mundl
Sagt der Zottelhund Struppes zu dem Buxenmann Schluppes:
Bei dir guckt nichts, lieber Schluppes, guckt's bei mir?
Sagt der Buxenmann Schluppes zu dem Zottelhund Struppes:
Bei dir auch nicht, lieber Struppes, — dummes Tier!
Leo Stcrnberg.
Kinderglaube.
Jjjin Wintertag. Im Gutzerbaum-Revier
Durchs Rauschelaub hinschreitet ein Hatschier.
Des Silberhelmes Haarbusch flockt wie Schnee,
Aus weissem Mantel blitzt das Portepee;
In blanken Knöpfen spiegelt sich der Tann,
So schreitet sporenschwer der bärt'ge Mann.
Desselben Weg** naht fern ein Kinderpaai,
Ein Reisigbündel auf zerzaustem Haar;
Die beiden stapfen lachend ihren Weg.
Da plötzlich zeigt ein Finger durchs Gehegt
Vier blaue Augen zielen durchs Geist
Vorbei an einem leeren Vogelnest;
Vier lecke Schuhlein unbeweglich steh'n,
Klein Friedel flüstert: »Hast den Mann geseh'nPt
Und immer näher kommt's, im Mantel licht,
Ein prächtiger Helm, ein Graubartangesicht.
An blanken Knöpfen zupft der Sonnenstrahl,
Die Kinder lauschen angstheiss, wangenfahl.
Vom Schreck erholt das Schwesterchen sich bald: 1
»Wie schön 1 Der liebe Gott geht durch den WaldU
Alfred Beetich««.
336
Der Mädchenwechsel.
£)a gehn sie hin, die lange Wochen
Mir schufen unermessnes Leidl
Die eine war bestimmt fürs Kochen,
Die andre galt als Stubenmaid.
Da gehn sie hin, nachdem Verderben
In meine Wirtschaft sie gesät,
Und lassen hinter lieh die Scherben,
Das TrOmmerwerk vom Hausgerät.
O, dass Ich wechseln muss schon wieder!
Und doch, wohl mir, dass ich es kannt
Ach, wüchsen nur der grausen Hyder
Nicht immer neue Häupter an.
Wie oft schon hab' ich es gesehen,
Dies Schauspiel, dass mir längst ein Graus!
Es kommen Mädchen, Mädchen gehen -
Nur der Soldat hält sich ans Haus.
Den stets ich in der Küche finde,
Seitdem ein halbes Jahr entflohen,
Er liebt, — fast halt1 ich es für Sünde —
Jetzt meine dritte Minna schon.
Die vierte wird im Feuerscheine,
Die fünfte stehn, von ihm geliebt!
Ach, dass es auch nicht eine, eine
Vollkommen zuverläss'ge giebt!
Geht hin, ihr beiden, meine Plage,
Lebt wohl, ihr meine stete Not! —
Verbittert andern ihre Tage!
Versalzet andern jetzt ihr Brot!
Ich seh1 euch ohne Kummer scheiden,
Denn Gutes habt ihr nie gethan.
Da kommen schon die neuen beiden —
Ich seh' sie ohne Hoffnung nah'n! —
Johann« Trojan.
337
Mythologische Enthüllungen.
\^?as im Olymp die alten Götter tranken,
Hab* ich voll Geist und Gründlichkeit erforscht.
Sie tranken ohne Wanken, bis sie sanken,
Denn — wie es heisst: im Anfang war der Dorscht!
Der »Nektar«, welchen hat kredenzt ihr Diener,
War unser »Meth« — wenn ich es recht versteh',
Und »Schani« hiess der Kellnerknab', der Wiener,
Wie er noch heute vorkommt im Cafe.
Und wenn ein dursfger Gott in seinem Grimme
Den leeren Masskrug hat herumgedreht,
Dann schrie er wohl mit seiner Stentorstimme
Die wohlbekannten Worte: Schani .... Methlli
Die Menschen haben dieses missverstanden;
Denn mit der Forschung war es damals mies;
Darum hat man geglaubt in allen Landen,
Dass »Schanimeth« der Götterkellner hiess.
Wer jetzt auf Bildung Anspruch glaubt zu haben,
Der nennt in seiner blumenreichen Red1 .
Die blondgelockten, schnöden Kellnerknaben
In gutem, echtem Hochdeutsch: »Ganymed«.
Henrich Schaffet
Liebes -Idyll,
Jm Park sitzt Kunigunde
Mit Eduard allein —
Am hohen Himmelsrunde
Erglänzt des Mondes Schein.
Die Blätter rings erbeben
Im linden Abendhauch —
Er spricht: »Mein teures Leben,
O sag% liebst du mich auch?«
Es duftet süss der Flieder,
So sinnberückend nah —
Sie schlägt die Augen nieder
Und flüstert »Ja, ach jal«
838
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Der Nachtigallen Schlagen
Tönt durch den stillen Park —
Er spricht nach ein'gem Zagen:
»Dann — leih' mir hundert MarkU
Sie springt in jähem Grimme
Von ihrem Sitz empor
Und spricht mit heis'rer Stimme:
»Wie kommen Sie mir vor!« ...»
Er drauf: »Warum denn grollen,
Mein Lieb, was fallt dir ein?
Sieh dort den Mond, den vollen,
Mit seinem Silberschein,
Schaust du ihm nicht voll Wonne
Ins leuchtende Gesicht? . . .
Auch er hat seine Sonne
Und — pumpt von ihr sein Licht lc
Otto Sommentorff.
Die Predigt am Magdalenentage.
Jjjin Priester predigte am Tage Magdalenen
Vom Greuel ihrer ersten Lebensart;
Doch ward nachher das Lob der Schönen
Ob ihrer Reu' und Busse nicht gespart —
Nun fuhr der Redner zu den Damen,
Die vor ihm sassen, eifernd fort:
»Wie viel sind unter euch, die mehr zu diesem Ort
Sich zu belustigen, als zu belehren kamen! —
Absonderlich ist eine unter euch,
Bei der hilft weder Droh'n noch Bitten —
An Leichtsinn und an losen Sitten
Bleibt sie vielmehr sich immer gleich 1
Wie heilig hat sie alle Jahr1
Im Beichtstuhl Besserung versprochen —
Allein wie allzubalde war
Stets dies Gelübd' gebrochen? —
Und da sie ihre Frechheit immerdar
Noch gar vermehrt — wer kann's verwehren,
Wenn wir sie öffentlich beschwören? —
Das will ich jetzt auch thun 1 — Es ist — es ist —
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Wag meint ihr? soll ich namentlich sie nennen? —
Ich sollt* es freilich wohl — doch wisst
Allein warum nicht? — Gut, ihr sollt sie kennen! —
Vielleicht bringt dies zu ihrer Pflicht
Sie noch zürück — so leid mir's thut, sie zu beschämen.
Es ist — doch — ohne Makel könnt9 ich nicht
Den Namen nur auf meine Zunge nehmen 1 —
Ich will sie drum auf andre Art der Welt
Kundmachen und an ihr das Strafamt schärfen.
Dort sitzt siel — Wie sie sich nicht stellt! —
Jetzt werd' ich mein Gebetbuch nach ihr werfen! —
Gebt acht! — Gebt acht! auf wen es fallt !c
*
Indem er nun empor mit seinem Buche fuhr,
War jede bange vor dem Falle,
Und jede bückte sich. —
»Verborbene Natur 1 —
Ich dacht1, es wäre eine nur —
Nun seh1 ich wohl — sie sind es allelc
L. F. G. ron Gdckingrk.
(1748— 1826g
Der schiefe Turm von Terlan.
(Tiroler Volkssafe.)
L)er alte Kirchturm von Terlan
Kunnt* nimmermehr gerade stahn,
Drum ward er abgetragen.
Und wenn ihr wissen wollt, warum?
Wie ward er schief, wie ward er krumm?
So hört, ich will's euch sagen:
Lang* stand er kerzengrad' in Ruh',
Und was sich trug im Dorfe zu
Erzählten ihm die Spatzen:
Von einem dies, vom andern das,
Sie wassten ja von jedem was
Zu klatschen und zu schwatzen.
Nur einmal gab es eine Maid,
Die ringsherum und weit und breit
Das schönste Kind gegolten,
Und was das grösste Wunder war,
Sie zahlte nun schon zwanzig Jahr
Und galt für unbescholten!
340
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Als ihr Geburtstag sich gejährt,
Da kam sie fromm, in sich gekehrt,
Zur Frühmess* ohne Zieren,
Da macht* der Turm der schönen Cenx
Die allertiefste Reverenz,
Um ihr zu gratulieren
O wehl o weh! Das war zu tieft
Der alte Herr blieb krumm und schief
Vor allzuviel Ekstase 1
Nun harrt er einer reinen Maid,
Die zieht ihn nach der andern Seit*,
Sonst fallt er auf die Nase.
Wohl kommt so manches Mägdelein
Und scheint gar fromm und tugendrein,
Und doch und doch — — wie schade,
Es muss halt doch ein Häklein han,
Der schiefe Kirchturm von Terlan
Wird nimmermehr gerade!
Albrecht Graf Wickenburg.
's Dirndl.
(Ia oberbayrischer Mundart)
^rob'n auf der Alm, da hockt a Herr,
Der kimmt schier bis von Preussen her,
Ausländisch schaugt er si1 scho' recht.
Deutsch kann er a bisl', aber schlecht.
»Nu, liebe Frau, möchf ich mir laben,
Kann ich ein Töpfchen Milch wohl haben?«
»»Recht gern,«« sagt d* Sennd'rin, »»wenn i's hart',
Aber koa Frau, dös bin i net.««
»I, ist an Milch hier solche Not?
Dann, Fräulein, jiebt's wohl Butterbrot?«
»»Recht gern,«« sagt's, »»wenn i nur oans hattf,
Aber koa Fräul'n bin i net««
»Na, Jungfrau, sei'n Sie nur nicht böse,
Denn jiebt*s doch wohl 'n Stückchen Käse?«
»»Recht gern,«« sagt's, »»wenn i nur oan hätr\
Aber koa Jungfrau bin i net««
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»Wie soll ich denn dies Rätsel lösen,
Wer sind Sie denn, verehrtes Wesen?«
»»Herrgott,«« sagt sie, »»ist dös a G'walt,
Wer wer1 i sein? — a Dirndl halt««
Karl Stieler.
Der Stotterer.
Thomas Hase musst' erscheinen
Bei dem Amt der Conscribiertenj
Als sie dort ihn visitierten,
Fing er an gar sehr zu weinen,
Sprechend: »He — Herr Offizier!
Ni — ni — nichts fe — fehlet mir,
Aber sto — sto — stottern thu* ich!«
Der versetzte: »Sei nur ruhig,
Denn man braucht dich nicht zum Sprechen,
Sondern nur zum Hau'n und Stechen!«
»Aber« — sagte Thomas weiter —
»Wenn vor einem Ze — Ze — Zelte
Man als Wa — Wa — Wacht mich stellte,
Und die Fei — Fei — Feindes-Reiter
Spre — spre — sprengten auf mich ein,
Könnt» ich nicht We — Werdal schreib!«
Lächelnd sprach der Offizier:
»Das thut auch nichts; glaube mir,
Wenn die Wach1 nur schreien kann,
Auf das Wort kommt's da nicht an!«
Immer starker weinte Hase,
So, dass ihm die hellen Thränen
Liefen Ober Wang* und Nase!
»Ach! ich mu — muss noch erwähnen,«
Schrie er, »se — se — setzen wir,
Ein Fei — Feind hau — haut nach mir,
Oder sch — sch — schiesst sogar,
O ich a — a — armer Narr!
Au — au — aus wäVs mi — mit mir,
Denn nicht sehne — sehne — schnell wie Ihr,
Könnt* Pa — Pa — Pardon ich schrei'nl«
J. F. CattelH.
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Was soll ich meiner Tante schenken?
Jen sitze da in tiefem Denken
Und sinne her und sinne hin —
»Was soll ich meiner Tante schenken ?t
Das geht mir immer durch den Sinn.
Was wünscht sie sich? War* ihr am Ende
Erwünscht ein grüner Papagei?
Ein Makartbild als Zier der Wände?
Ein Gummibaum? Ein Straussenei?
Wir1 ihr gedient mit einer Brille?
Mit einem Kopf des wilden Schweins?
Wünscht sie vielleicht sich in der Stille
Ein Oxhoft alten Brannteweins ?
Soll ich Schlittschuhe für sie wählen? —
Die Tante ist noch ziemlich flink 1 —
Wie? oder ist mehr zu empfehlen
Was Plastisches, gemacht aus Zink?
Würd1 ein Aquarium ihr gefallen?
Würd* sie ein Deckelglas erfreu'n?
Ach, unter diesen Dingen allen
Scheint keins das richtige mir zu sein.
Ich sitze da in tiefem Denken
Und schaue sinnend in das Glas —
Ei wasl Ich will ihr gar nichts schenken 1
Vielleicht schenkt mir die Tante was.
Johannes Trojan.
Der Spukgeist
^er alte Raubgraf war ein Schuft,
Er stak so tief in Sünden,
Dass er in seiner Väter Gruft
Nicht Ruhe konnte finden.
Er spukt umher im ganzen Schloss
Des Nachts in allen Ecken,
Die Herrschaft und der Dienertross
Vergingen schier vor Schrecken.
Da hat sich einer aufgemacht,
Ein Knappe keck und munter,
Der stieg beherzt vor Mitternacht
Ins Gruftgewölb' hinunter,
Und stellte einen — Spuknapf hin.
Da endete das Grausen,
Der Raubgraf blieb von nun ab drin
Und spukte nicht mehr draussen . . . .
Otto Sommtrttorft
Die Qänsehüterin.
Pette Gänse, gross und klein,
Watscheln auf der Wiese,
Einwärts trippelt hinterdrein
Die Zigeunerliese.
Ach, sie weint gar bitterlich,
Senkt den Kopf zur Erde!
Ja, was hilft's auch, wenn man sich
Abplagt mit der Herde!
Als sie an der grünen Heck1
Ihre Gänse zahlte,
Merkte sie — o grosser Schreckt —
Dass die schönste fehlte.
»Weshalb weinst Du!« fragt sie dort
Mild der Herr des Schlosses.
»Hu! — ein — Gans — chen ist — mir fort,
Hu ein schönes grosses 1
Welch ein Braten fest und fein,
Wäre draus zu rösten!« —
»Nun, so will ich Dir verzeihn,
Magst Dich, Kleine, trösten 1« —
»Nutzt nichts! Vater wird mich hau'n,
Denn er that befehlen,
Grad' dies Gänschen sollt1 ich schau'a
Für uns wegzustehlen!« —
Marie von Entert.
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Frühling.
Frau Mutter Erde ist schwer zu wecken,
Drei Monde liegt sie im Federbett
Und hüllt sich bequem in schneeige Decken,
Als wenn sie nichts zu sorgen hätt\
Da springt Fräulein Sonne, die treulich versehen
Die ganze Wirthschaft, eifrig heran:
Madam, ich bitte aufzustehen,
Besuch ist da, der Frühling klopft an.
Und Mütterchen gähnt mit schläfriger Miene:
O weh! muss es denn wirklich sein?
So bring mir mein Kleid, du weisst schon, das grüne,
Das mit den Blumenstickerei'n.
Kämm, aus dem Haar mir die welken Blüten,
Und streu mir Perlen ein von Thau,
Gieb um den Hals ein goldenes Kettchen
Und an den Gürtel ein Veilchen blau«
Dann führe den Gast ins feinste Zimmer
Und knix* und sage voll Höflichkeit:
Ich bitt schön, setzen Sie sich immer,
Die gnädige Frau sind gleich so weit!
Hannchen beim Pfarrer.
Q Herr, des Nachbars Valentin,
Der stahl mir gestern meinen Haber,
Er stahl — ihn mir, er stahl — mir ihn,
Es war nur eine handvoll — aber —
Am Haber hing mein kleines Huhn,
Es hat so gern an ihm geklaubt;
So hat er mir den Haber nun
Und auch mein kleines Huhn geraubt
Mein ganzes Herz hing an dem Tier,
Es war so fett und schwarz wie Kohlen,
Jetzt hat der Strolch das Hühnchen mir
Und auch — mein ganzes Herz gestohlen.
F. XL Roscgrffcr.
I
Mm Schalter.
jätend ich da jüngst an der Bahnhofskasse,
— Telegraphisch nach X ich berufen war. —
Am Schalter vor mir ein junges Paar.
»Nach München zwei Karten, erster Klasse.«
Nach München 1 In diesem Augenblick
Flog weit meine Seele wie im Traum zurück.
Und Bilder so bunt und mannigfach,
Sie wurden im Geiste mir wieder wach*
Ich sah ihn wieder, den Frühlingstag!
Wie sonnig die Stadt da vor mir lagl
Sah wieder mich durch die Propyläen
Voll Staunen und Wonne das erste Mal gehen.
Wie damals möchte ich noch einmal
Hinein in den alten Rubenssaal
Und schauen die blühenden weissen Leiber
Der prächtigen Menschen und Götterweiber,
Und Tizians erhabne Majestät,
Die noch so lebendig vor mir steht,
Samt den Lenbach, Uhde und Gabriel Max
Und dem lieben Phantasten in der Gallerie Schacks.
Wie ferne Musik umspielts jetzt mein Ohrl
Ha, die flotte Kapelle der Gardes du Corps —
Den Einzug der Gäste höV ich aufs neu
Wie am Sommerabend im Löwenbräu. —
An die Isar gepeitscht vom Frühlingssturm,
An die Frühschoppenstund' am chinesischen Turm,
Unsre lustigen Reiterkavalkaden,
Auf der Ludwigsstrasse die schmucken Paraden,
An die Bergbesteigung im Frühlingsschnee,
An die wonnigen Nächte am Starnbergersee,
An Waldesrauschen und Herdengeläute
Und tausend anderes dachte ich heute.
Auch jene Nacht fiel wieder mir ein,
Wo wir wartend standen im Fackelschein,
Wie jauchzten ihm unsere Herzen zu,
Dem herrlichen Alten von Friedrichsruh !
Wie leuchtete da ein Feuermeer
Die dkhtgefüllten Strassen einherl
Und dann vor dem festlichen Malerhaus,
Aus tausend Kehlen, welch Jubelbraus,
Und die warmen Grüsse des alten Recken,
Ein Blumenwerfen und Händestreckem.
Wie feundlich strahlte sein greises Gesicht
In unsrer Fackeln grellblutigem Licht,
Und ein Hauch aus vergangenen grossen Zeiten
Schien segnend uns alle da zu unibreiten.
Und weiter sann ich »ich bitte den Herrn
Dringend, den Eingang nicht langer zu sperren«.
Ich fuhr zusammen — verschwunden der Traum 1
Ich stand ja nur vor dem Kassenraum.
»Eins dritter Klasse nach Posemuckellc
Suchend krümmt der Beamte den Buckel
Und nimmt vom alleruntersten Bord
Die staubige Karte — die erste — fort.
Und draussen hör1 ich den Schaffner schrei1»:
»Zwei erster nach München? Bitt*, hier herein.«
Heinrich Stttmcke*
Denkst du noch . . .? v
enkst du noch an jenen einen
Wundervollen Augenblick,
Da in Lachen und in Weinen
Du mir gabst das erste Glück?
Denkst du noch an jene Stunde
Die im ersten Kuss verloht,
Die wir lebten Mund an Munde,
Augen heiss und Wangen rot? —
Denkst du noch an jene Tage,
Die wir träumten Arm in Arm?
All das Jauchzen, all die Klage,
All die Wonne, all den Harm?
Auch an jene Monde denkst du,
Die uns flohen Stunden gleich?
Ach, dein holdes Köpfchen senkst du,
Und dein kleines Herz wird weich.
Denkst auch noch an jene Jahre,
Die du bliebst mein Himmelslicht,
Schatzchen mit dem Schimmerhaare, —
Denkst du noch daran? — Ich nichtl
Monte Gftldschmklt
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„Es waren /wei Königskinder . •
em Röslein gleich im Blumentöpfchen,
So sitzt die Jungfrau festgebannt
Sie seufzet bang — das blasse Köpfchen
Neigt sich, gestützt von schmaler Hand.
Doch plötzlich hebt sich mit dem Mieder
Ihr scharfgeschnittenes Profil,
Denn wagend naht der Jüngling wieder,
Den nie sein Wagen führt zum ZieL
Und mit dem Blicke seiner Augen,
Der hoffnungslos zu wagen klagt,
Will sich ihr Blick zusammensaugen,
Der, was sie fühlt, zu sagen wagt.
Ach, würde doch der Tag erscheinen,
Da ich mit Dir enteilen dürft*!
So sagt ihr Aug9, das an dem seinen
In flüchtigem Verweilen schlürft
Jedoch in seines Auges Blitzen
Die Worte klar zu lesen sind:
Ach könnt* ich doch geruhig sitzen
An deiner Seite, süsses Kindt
So wiederholt sich oftmals täglich
Des Glückes kurzer Flammenschein;
Die beiden lieben sich unsäglich
Und können nie beisammen sein!
Auf des Geschicks ruhloses Treiben
Wirft dieses Lied ein scharfes licht:
Die Jungfrau will nicht sitzen bleiben —
Der Jüngling will's — und darf es nicht!
Wie Ahasver der Wanderjude,
So muss er schweifen hin und her.
O Jungfrau in der Tabaksbude,
O armer Tramwaykondukteur!
Josef Willomitstr.
j»
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R scharfer Zeug'n.
^elm G'richt, da ham's zum Zeug'n gesagt:
»Du warst dabei 1
Jetzt sag's, wenn hast an Hans begeg'nt?«
»»Um halbe drei.«c
»Kunnt's nit dreiviertel gewesen sein?
So sag's nur frei I
Auf dös kimmt jetzt dös ganze anl«
»»Um halbe dreilcc
»Ja, geht dei' Uhr denn so akkrat?
So b'sinn di' nurl«
»»Ja,€€ sagt der Zeug'n, »»akkrat geht's nit,
I han koa Uhrl
Mir hat mei' Lebtag neamand nie
No' koane g'schenktc«
»Wie woass'st denn na, dass's halbe war?«
»»I hab mir*s — denkt I«€
Karl Stiel«.
Von die Mohren.
In oberbayerischer Mundart.
fs alt Muatterl erzählt grad'
A G'schicht' von die Mohr'n,
Drauf luust da Kla Seppl
Und spitzt seine Ohr'n.
»De Schwarzen,€ sagt's Muatterl.
»De harn gar ka G'wand,
De laf n, wo s* san,
Glei also umanand!
Koan Janker, koa Hos'n,
Koa Hemad, koan Krog'n,
Koan Schuah un koan Stieß,
Nix siacht ma's da trag'nl«
Da schaut der klan Seppl
Und fragt in sein Sinn:
»Wo thuat dann da Mohr
Nacher 's Sacktüachel hin?«
Johann Zell er.
■
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Kindliche Unterhaltung.
In Frankfurter Mundart.
p ritzchen rief zum Fenster 'naus
Zu des Nachbars Klärche:
»Eetschl mer kriehn uff unser Haus
Doch e Bellvedeerchel«
Un des Klärche rief enuff
Neidisch zu dem Biebche:
»Eetschl mer kriehn doch aach was druffl
Eetschl und schawe Riebchel
Hat gesagt mei' Vatter doch
Ehrscht vor e paar Dag,
Dass e Hypothek er noch
Uff des Haus jetz* krägl«
er fröhlichste Knirps auf der ganzen Welt,
Der seine Sache auf nichts gestellt,
Ob alles sich dreh im Schwünge —
Der immer kalauert, singt und pfeift
Und alles verzeiht, weil er alles begreift;
Ist unser Schusterjunge!
Tagüber kauert der kleine Wicht
Im Keller bei dürftigem Sonnenlicht,
Putzt Stiefel und schalt Kartoffel.
Der Meister gerbt ihm tüchtig das Fell,
Die Meisterin schilt ihn — und Bursch und Gesell,
Die nennen ihn Stiesel und Stoffel.
•
Ein trauriges Leben — getreten, geduckt;
Und manches heimliche Thränlein schluckt
Der arme Bursche hinunter.
Sein Los ist so schwarz wie sein Lederschurz
Ein Glück, dass der Jugend Gedächtnis so kurz:
Im Nu ist sie fröhlich und munter.
Am liebsten besucht er Strass auf und ab
Die Häuser der Kunden im Dauertrab,
Da fühlt er sich neugeboren.
Friedrich Stolie.
Berliner Schusterjunge.
Auf Plätten and Dämmen, in Sonne and Luft
Ist keiner, der straflos ihn pufft und knufft
Und Haare zerzaust und Ohren!
Ein Stiefelpaar über die Schulter gehängt,
So kommt er kühn um die Ecke geschwenkt,
Die Hände im Schurzfell vergraben.
Stob blickt er, klappernd im Holzpantin,
Als wollt er fragen: »was kostet Berlin?
Und schenkt ihr's, ich wollt es nicht haben lc
Er steckt in den Mund sich hochentzückt —
»Auflese« ist es, vom Pflaster gepflückt —
Einen breiten Cigarrenstummel.
Der kohlt — doch das thut nichts, giebt es nur Rauch,
Ein Schusterjunge »kohlte ja doch auch —
Und Qualmen verschönt erst den Bummel!
Und treffen zwei Buben sich — welch eine Lustl
Da wird manch Geheimnis aus tiefster Brust
Enthüllt mit wichtigen Geberden.
Doch giebt es wo eine Rauferei, —
Um selbst mal zu hau'n, sind sie sicher dabei,
Statt vom Meister gehau'n zu werden.
Und geht es zwei Tage mal ohne Geklopf,
Und ohne Ermahnung auf Buckel und Kopf,
So ängstigt ihn diese liebe.
Dann denkt der Junge und wundert sich:
Was hat nur der Meister gegen dich?
Seit gestern keine Hiebe I
Riebard Zoozmann.
j Wenn ich bidden derfte.
^i?eil seine Dochter sich neilich verlobt,
Had klug d'r Bauer Heintze gegloobt:
' Das Scheenste, damit sei Gind ze erfrei'n
Das derfte an gennte sei Bildnis blos sein;
Drum fahrt er denn ooch mit vergniej liehen Sinn
Zun Fotografieren nach Crimmitschau hin.
Verlegen, wie's eemal nu is seine Art,
Fragd er druf den Ginstier un kratzd sich den Bart:
»Verzeih'n Se de heflichste Anfrage mir,
! Gann fotografiert ich werden wohl hier?c
8*1
i
1 , . . Digitized by Googl
»Nanu,« lachd d'r Ginstier, »ich gäb* Se mei Wort,
Da sin Se bei mir grad* ahn richdigen Ort,
Ooch schteht ganz uf Ihrer Seite de Wahl,
Ob Brustbild, ob Knieschück — mir ist es eegal —
Un winschen Sie gans sich — de ganse Figur — ,
Ich nehm1 Sie ooch so ab, befehlen Sie nur — «
D'r Bauer, der ward von den Reden gans werr
Un schtoddert zerletzt nor: »Mei gudester Herr,
Ob's Knie gommt ufs Bild, oder 's gommt druf de Brust
Das machen Se gans so nach eegener Lust«
Ooch schteh'n oder sitzen, das machd mer nich Gwal,
Wie Ihnen, so is es ooch mir gans egal,
Nor eens mechf ich bidden, mei Gudster, recht scheen
— Ich weess, Se werden mich richdig verschteh'n —
Ich mechte Se gerne — nu gäm Se hibsch Acht —
Wenn's nich gar zu grosse Miehe Sie machd,
Dass Sie mer ufs Bild — nu bassen Se uf —
Ooch noch mei Gesichde brächten mit nuf.«
i
Das Droschkenpferd.
n einer Gasse, eng und klein,
Hielt jüngst ein Droschkenmann,
Ein Schusterjunge kam des Wegs
Mit Pfeifen schnell heran.
Doch wie er vor dem Pferde steht,
Macht er urplötzlich Halt,
Ein banges Zittern überfallt
Den Jungen alsobald.
Er dreht sich rechts, er dreht sich links,
Er möchte gern vorbei,
Doch sieht er immer auf das Pferd
Mit Furcht und voller Scheu.
»I, Junge,« ruft der Kutscher laut,
»Geh ruhig deinen Strich,
Mein Jaul is gar keen böses Tier,
Loof man, er beisst dir nichlc
»Det Beissen furchte ick ja nich,«
Spricht jener alsobald,
»Ick fürchte blos man, dass der Jaul
Am Ende auf mir fallt.«
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Verteidigung.
(N^ein, nein, ich will's nicht glauben,
Weil ich es schändlich find',
Ich glaub's nicht, dass die Frauen
Bekanntlich grausam sind.
Die Frau'n, sagt man, sind freilich
Das zarte Geschlecht, indes
Sie lieben den sensationellen
Gift-, Lust- and Raubmordprozess.
Wenn noch gevierteilt würde,
So wären, um zuzuschauen,
Im weiten Auditorium
Weit über die Hälfte Frau'n.
Auch heisst es, — und jeder Dichter
In Liedern bestreiten möcht's, —
Es seien die Rabenmütter
Meist weiblichen Geschlechts.
Doch ich muss protestieren,
Galant sein ist mir Gesetz:
Die Grausamkeit der Frauen
Ist nichts als dummes Geschwätz.
Im Gegenteil, die Frauen
Sind gütiger, als man denkt:
Es hat ja schon jedem Menschen
Ein Weib das Leben geschenkt.
De blinne Schausterjung'*
In plattdeutscher Mundart.
Wo geiht mi dit? Herr Je, du mein!
Ach, Meister! Ick bün stockenblind,
Ick kann ok nich en Spirken seihnlc
De Meister smitt den Leisten weg,
Hei smitt den Spannreim in de Eck
Un löppt nah sinen Jungenchen.
»Herr Gott doch, Jung! Wo is di denn?c
»Ach, Meister! Meister! Kieken S' hier!
Ick seih de Botter up 't Brot nich mihr!«
De Meister nimmt dat Botterbrot,
Bekikt dat nipp von vorn und hinn'n:
»So slag doch Gott den Düwel dodl
Ick sülwgt kann ok kein Botter finn'n.
Na täuwU Hei geiht tau de Fru Meistern hen
Und seggt tau ehr: Wat makst du denn?
Wo is hier Botter up dat Brot?
Dor slag doch Gott den Düwel dodlc
»ls dat nich gaud fbr so en Jungen?
Ji sünd man all so Leckertungen!
Ji müggten Hus und Hof vertehren,
Un ick sali fingerdick upsmeeren.
So geiht dat noch nich lost Prahl sachtl
De Botter gellt en Grösch'ner achte
»Ih, Mutter, ward man nich glik bös,
Hest du denn nich en Beten Kes*?c
Un richtig I Sei led sick bedüdea
Und deiht den Jungen Kes* upsniden.
De Meister bringt dat Brot nu herin,
Giwwt dat den Jungen hen un fröggt,
Ob sick sin Blindheit nu hadd leggt,
Un ob hei wedder seihen künn.
»Ja, Meisteric seggt de Jung* ganz swipp,
»Ja Meister, ja! Ick seih1 so nipp,
As hadd 'ck 'ne Brrffl' up mine Näs',
Ick seih1 dat Brot all dörch den Ke&'.e
r
Da (Jnschuld'ge.
£|uf Oberndorf, da Pixner-Hias
Wird gewiss scho sechz'ge sein,
Auf amal schiasst dem alten Kramp* n
Das Heirar*n no ein.
A Diandl, frisch wia Milch und Bluat,
Hat er si ausgesucht geschwind,
A fesches Wei', und alle Jahr
Kriegt's no a kloanes Kind.
Z'lezt kimmt da Pfarra halt amol
Am Pixnerhof hinauf.
Er siacht die Bäu'rin und kennfs glei,
S' giebt wieda bald a Tauf.
354
»Du Schlankel«, sagt er d'rauf zum Hias,
»Thust di denn net schenirn?
»Jetzt tragt dei Bäu'rin, meiner Seel',
Scho's fufte Kind spazieren 1«
Da Hiasl schaut recht deppert drein,
Thuat si den Schäd'l kratz'n:
»Recht hab'ns, Herr Pfarra, s' war'n bald gnua,
»Dö vielen kloanen Fratz'n;
»Recht hab'ns, Herr Pfarra, aba schaun S',
»Was soll i than, i bitt,
»I bin halt soviel wen'g dahoam,
»Und einsperrn kan i 's Weib do nit?c
Adele Schreiber.
■
Eva.
ie Erde war nun fix im Rollen,
Und alles stand an seinem Platz,
Geschaffen eben aus dem Vollen;
Vom Aar herunter bis zum Spatz,
Vom Mastodon bis zu den Sporen,
Vom Elefanten bis zur Maus
Fühlt alles sich wie neugeboren
Und sah recht frisch und munter aus.
So tummelte sich denn im Grünen,
Was in dem Brehm beschrieben steht;
Nur Eva war noch nicht erschienen,
Sonst war die Schöpfung ganz komplet
Und um von Adam nun zu reden:
Langst auf der Erde war auch er, —
Da ging er um im Garten Eden
Wie eine Schildwach' hin und her.
Was hat er nur? Sollt ihm was fehlen?
Ihm fehlte was, man sah's ihm an.
Es schien ihn etwas sehr zu quälen,
Und hörbar seufzt er dann und wann.
Auch lacht er wohl zuweilen bitter,
Kein Zweifel ihn macht was nervös,
Auf seiner Stirn lag ein Gewitter,
Und das brach endlich also los:
»Wo bleibt sie nur? Mir wird ganz bange.
Was hält sie auf? Es ist doch toll!
Neugierig bin ich nur, wie lange
Ich hier umsonst noch warten soll.
Sie ist nicht fertig augenscheinlich.
Warum nicht fertig? Da ich doch
Langst auf dem Posten bin. Wie peinlich l
Es bringt mich zur Verzweiflung noch!
Die Zeit will gar nicht von der Stelle
Und fliesst doch sonst so eilig hin,
Das Paradies wird mir zur Hölle,
So wahr der erste Mensch ich binl«
Wie nun der Arme, schon verzagend,
Vor Zorn kaum noch sich ärgern kann,
Da kommt sie endlich freundlich fragend:
»Bin ich nicht pünktlich, lieber Mann?«
So Eva in des Edens Garten —
Seit jener Stunde aber Hess
Gar manches Weib den Gatten warten
Und meint1, sie käme sehr präcis.
Warning.
In •chwäbischer
adle, Madie, lass de warna
Vor der Liabe, höV auf mi!
Lass de net von dear umgarna,
Se ischfs helle Gift für dilc
»Muetta, i ka 's fascht net glauba,
Ganget mehr, Ui täuscht der Scheil
's Küssle geba und 's Küssle rauba,
Das ka doch koi Gift net sei!«
»Madie, i han's seil erfahra,
Koi Gift greift so schreckli a,
Und um de vor Leid z* bewahra,
Nimm der an Exempel dra!«
»Muatter, lant Ui ebbes saga,
Dui G' Schicht sieh'n i doch net ei;
Und hant Ihr des Gift vertraga,
Wird's für mi au z' stark net seil«
G. Seuficr.
Qrüssen lassen.
Jjeise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute;
Mittagsglocken-Ton erklingt
Hell von jeder Seite.
Geht ein schmucker Leutenant
Linden lang spazieren,
Röschen muss der Zufall ihm
Grad entgegen fuhren.
Leutnant, dem wie Wasser sonst
Redensblumen spriessen,
Sagt, um doch nicht stumm zu sein:
»Fraulein, soll Sie grüssen!«
»Grössen mich?« schön Röschen fragt,
Hemmend ihre Schritte,
»Wer hat meiner wohl gedacht?
Sprechen Sie, ich bitte 1«
»Fräulein«, sagt der Leutenant,
Schlenkernd seine Beine,
»Wer galant Sie grüssen lässt?
Nun denn: Heinrich Heine.«
»Heinrich Heine? Wenn ich nur
Recht verstanden habet
Heinrich Heine, werter Herr,
Ruht ja längst im Gräbel«
Seines Schnurrbarts Spitzen dreht
Leutenant gewichtig,
Und sagt dann voll Majestät:
»Fräulein, das ist richtig.
Doch er sagt in einem Lied,
Einem zarten, süssen:
Wenn Du eine Rose siehst,
Sag*, ich lass sie grüssen!« —
Emil Barthel
357
Vom Weingenie.
Viri Galilaei, quid statis aspicientec
in coelum.
Wer hat's uns kund gethan?
Der alte Galilei,
Der hat den Fund gethan.
Er hatte dreissig Jahre
Gegrübelt Tag und Nacht,
Zerwühlt sich Bart und Haare
Und nichts herausgebracht
Da sprach er eines Tages:
Nun hab* ich's gründlich satt;
Ich gehe in ein Wirtshaus,
Wo's gute Weine hat!
Die dummen Telescope,
Die widern längst mich anl
Was helfen auch die Gläser,
Draus man nicht trinken kann ? • « .
Der Wein war klar und golden,
Und sänftlich ging er ein;
Der Alte sprach: mich dünket,
Das ist Kometenwein.
Noch eine volle Flasche,
Herr Wirt, so's euch genehm;
Mit Eins kann man nicht rechnen,
Der Mensch klebt am System I
Und nach der zweiten Flasche,
Da kam ihm so was bei,
Als wenn es mit der Erde
Nicht ganz geheuer sei.
Und aber nach der dritten,
Da ward ihm völlig klar,
Wie wacklig, unbestritten,
Sein ganzer Standpunkt war.
Hinaus zur Thüre schwankt' er,
Und auf dem Markt er stund, —
Da drehte sich die Erde
Mit ihm im Kreise rund,
Und Turm und Häuser flogen, —
Da rief er jubelnd aus:
Hurrah 1 die Erde dreht sich!
Nun hab' ich's endlich 'raus!
Draus, Brüderlein, ergründet
Den Wert der Empirie,
Und wie im Wein sich kündet
Das schlummernde Geniel
Richard Leander
Ein Schul -Examen.
Jn einem Dorf in Sachsen war
Schulprüfung, wie noch jedes Jahr:
Zu des Schulmeisters Qual und Pein
Fand sich der Schulrat pünktlich ein;
Er fraget hin, er fraget her
Und fand, die Jungen wussten mehr,
Als er — sich liess vermuten,
Das stimmt ihn nur zum Guten.
Nur eins missfiel ihm in der That,
Die Kleinen sprachen alle platt,
Wie es im Dorfe grade Brauch;
So fragt er unter anderm auch:
»Du dort am Fenster, sage mir,
»Was ist denn das wohl für ein Her,
»Das an den Pfahl gebunden ist
»Und dort im Grase satt sich frisst?«
Der Knabe schaut durchs Fenster 'raus
Und ruft mit kraffger Stimme aus:
»Sie denken wohl, das weess ich nich?
»Das is' ne Zicke lc »Noch einmal, sprich,
»Sprich hochdeutsch, wenn der Rat dich fragt,
»Du hast es richtig sonst gesagt. 1« —
»Nu 's is 'ne Zickel — Wersch doch wissen,
»Se hat mich oft ins Gras geschmissen.«
»Du Nachbar mit der Zipfelmütze,
»Wie heisst du?« — »Rippel Fritze!« —
»Gut! Rippel Fritze, sag' du mir,
»Wie nennst du hochdeutsch jenes Tier?«
»'ne Zicke!« drauf wie nicht gescheit
Der kleine dicke Bengel schreit
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»Sprichst du mit Michel, eurem Knecht,
»Mein lieber Sohn, so hast du recht,
»Doch wenn der Schulrat dich thut fragen,
»Musst du es richtig hochdeutsch sagen. c
»'ne Zickel andersch weess ich's nich.€
Der Rat verbeisst das Lachen sich,
Fragt weiter, jeder bleibt dabei,
Dass das Tier eine Zicke sei.
Da stürzt in der Verzweifelung,
Der Schulmeister mit einem Sprung
Zum Fenster hin, brummt in den Bart?
»Das is ooch 'ne kuriose Art,
»Was der nur will, ich weess es dock,
»Mer han in Dorf gar keenen Bock;
»Ich lass mich nich ins Bockshorn jagen,
»Ich wüTn schunt de Antwort sagen.«
Drauf stellt er sich in Position
Und spricht: »Herr Ratl — Mit Permission l
»Sie mach'n die Kinder mäuseldratig,
»Zur Antwort bin ooch ich erbötig,
»Sie mee'n: dass mer uns recht verstehn,
»Das Tier, was mer da fressen sehn?«
»Ja!« — »Und bricht mersch ooch's Genicke, «
»'s is werklich eene Zickel« —
Ludwig Mensel
Der Ehe Bänkellied,
Qeim Sonntagskaffee reckte sich
Die Mutter und sprach feierlich
Zum Vater: „Höre, lieber Mann,
Dieweil du selbst nicht denkst daran,
So sage ich es klipp und klar,
Regine ist jetzt 20 Jahr,
Also!
„Ach", sprach der Vater weich und lind,
„Regine ist ja noch ein Kind,
Ich kann mich nicht dazu verstehen,
Sie als erwachsen anzuseh'nl
Und dann'4 — jetzt sprach er wen'ger mild —
„Die Freier wachsen doch nicht wild,
Also!"
360
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Ich weiss, dass in der schlechten Welt
'ne Heirat täglich schwerer fällt/4
Erwiderte die Mutter drauf,
„Und gerade darum pass' ich auf.
Von Meyers ist der Sohn zurück,
Man sagt er hatte grosses Glück,
Also!
Du ladest ihn noch heute ein,
Dann lass es meine Sache sein;
Regine zieht das Weisse an
Und spielt ihre Sonate dann;
Zum Kuchen, den Regine bäckt,
Spendierst du eine Flasche Sekt,
Also!"
Der Vater ging — der Meyer kam,
Alles verlief nach dem Programm.
Regine in dem weissen Kleid
Schlug das Klavier geraume Zeit,
Und auch der Kuchen und der Sekt
Haben Herrn Meyer wohlgeschmeckt,
Also!
Man sah sich oftmals wieder dann,
Zu Hause und im Restaurant,
Traf zufällig sich überall,
In den Theatern, auf dem Ball;
Auch hörte Meyer nebenbei,
Wie klug und sparsam Gine sein,
Also!
Drum, eh' zwei Wochen noch ins Land,
Warb Meyer um Regines Hand;
Sie sagte „ja44 und wurde Braut,
Sie hatte alles längst durchschaut,
Er hatte ihr auch gleich gefallen,
Er war der nett'ste noch von allen,
Also I
So kam die feierliche Feier,
Bei der Regine ward Frau Meyer,
Wo man in Wehmut schluchzen sah
Und auch in Freude die Mama,
Wo man in Carmen meterlang,
Neckisch das junge Paar besang,
Also!
361
„Nur wie Meyer möcht' ich leben,
Schöner Liebespflicht ergeben!"
Sang berauscht im Kreise man,
Bis der schöne Tag verrann,
Und als der Mond am Himmel stand,
Das junge Ehepaar verschwand,
Also!
Alice Bcrcnd.
4
Verzeichnis der dichter.
Aar, Alexis
Soldaten kommen .
Studententraum
Adler, Friedrich
Galopp ....
Mein Nachbar . .
Seite
. 135
• 137
. 148
. 289
Alberti (Albert), Heinrich
(1604— 1639)
Das deutsche Mädchen 116
Alberti, Conrad
Berliner Zigeuner .
226
Amyntor, Gerhard von
Die öffentliche Meinung 181
Der Floh und der Riese 199
Anzengruber, Ludwig
Die Spinnen und die
Fliegen 254
Barsch, Paul
Begegnung ....
Vagabunden . . .
Neid
Barthel, Emil
Grüssen lassen . . .
Bauernfeld, Ed. von
Bettlerlied ....
Der kranke Löwe. .
Baumbach, Rudolf
Nausikaa .....
Das Stelldichein . .
Liebchen ....
Jeder nach seiner Art
. 219
. 220
. 221
• 357
. 214
. 238
. 8
. 23
. 27
. in
Seite
Das Geheimnis . . .117
Der alte und der junge
Hase 239
Tempora mutantur . .257
Der Ritter und die Nixen 330
Beck, Karl
Liebst du mich?
67
Beetschen, Alfred
Wenn ich zwei Flügel hätt' 90
Kinderglaube . . . .336
Bellmann, C. M.
Nota benel . . * . .
Berend, Alice
Eine kleine Ballade .
Moderner Dichterling
Der Backfisch . . .
Der Ehe Bänkellied .
101
39
212
213
360
Bern, Maximilian
Warum? 56
Kritik der Weltschöpfung 175
Das unheimliche Wesen 193
Arme Natur! . . . .199
Entwicklungs-Grenze. . 203
Vagantenlied . . . .219
Auf totem Geleise . . 293
Bernstein, Max
Die böse Grethe
. 278
Blomberg, Hugo Frhr. von
Nächtliche Wanderung . 301
Bodenstedt, Friedrich von
Schein und Wesen . .175
Frauenlogik 180
263
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Seite
Bodman, Emanuel Frhr. v.
Die Tänzerin .... 5
Boelitz, Martin
Bai pare" .11
Hochzeit 32
Spielmannslied . . . . 1 1 1
Engagiert 231
Boie, Heinr. Christian
(1744— 1806)
Rosette 83
Bormann, Edwin
Der fünfte Akt . .
Brau mann, Friedrich
Die Wasserleiche . . .
Brennert, Hans
Das Ueberlied . . . .
Die Asphaltblume . .
Bürger, Gottfr. Aug. (1747
bis 1794)
Schön Suschen ....
Minnesold
Mein frommes Mädchen
Der Hund aus der Pfennig-
schenke
Busse-Palma, Georg
Mit den Schwalben . .
Castelli, J. F.
Der Stotterer . . .
189
269
2
30
11
66
82
258
219
342
222
224
229
Christen, Ada
Vagabundenlieder . .
Not
Die Kunstreiterin . . . ...
Haltlos 231
Mene Tekel . . . ! . 281
Ein Balg 288
Ein Brief 3x3
Claar, Emil
Im Vorübergehn . . .132
Conrad, Michael Georg
Kirchweih auf dem Dorf 143
Zigeunerliebe . . . .221
Cotta, Johannes
MusikalischeNachbarschaft 24
Der Spiegel 166
Kusshunger 324
Seite
Dach, Simon (1605 — I^S9)
Es stünde auf der Erden 49
Daudert, Ernst Wilh.
Modern 22
Daumer, Friedrich
Komm, falsche Dirne . 96
David, J. J.
Meine Nachbarin ... 40
Absynth 225
Dingelstedt, Franz von
Wanderleben .... 68
Wie lieb ich es, wenn
ich im Wagen . .
Mutter und Sohn . .
133
304
53
70
77
Dörmann, Felix
Vergeblich ....
Mein Herz ist tot. .
Mir ist es gleich!
Ich weiss 85
Schneeflocke . . . , n6
Dohm, Ernst
Das Droschkenpferd .
352
121
144
10:
Donath, Adolph
Ein Künstlerlied . . .
Dreves, Lebrecht
Aufforderung ....
Eckstein, Ernst
Der böse Keim . . .
Eichendorff, Joseph von
(1788-1857)
Die Nachtigallen . . .
Einsam, Karl
Schusters Töchterlein
Ernest, Marie von
Die Gänsehüterin ... 344
Evers, Franz
Eine Rose 74
Eysler, Robert
Dieb und Dirne . . .178
Die Modepuppe . . .179
Faktor, Emil
Der Kuss 62
Des Sultans Dank . . 263
57
120
364
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Seite
Fischer, Joh. Georg
Unergründlich .... 50
Ein Erwachen . . . . 87
Fitger, Arthur
Die Hexe 130
Theosophie 177
Flemming, Paul (1609 bis
1640)
Ein getreues Herze . . 73
Kusslied 85
Fontane, Theodor
Publikum 182
Die arme Else . . . . 267
Frey, Justus (1799 — 1878)
Mahnung 125
Fritz, S.
Unbelehrt 59
Die Kokette .... 71
Klage 108
Der Herr von Ueberall . 134
Die göttliche Liebe . .160
Fröhlich, Abrah. Eman.
(x 796—1865)
Ellengrösse 242
Versorgung 245
Fuchs, Reinhold
Guter Rat 186
Der alte Streber an seinen
Sohn 1 94
Fulda, Ludwig
Klatsch-Hymnus . . .334
Geibel, Emanuel
Lied eines fahrenden
Schülers 126
Gilm, Hermann von
Der Schmetterling . . 5
Immer heiter .... 42
Das Fehlende . . . .104
La renomm6e . . . .115
Der braune Hirtenknab . 1 23
Die Schlange . . . .158
Er sagte jüngst . . . 202
Der Kater 251
Ginzkey, Franz Karl
Die Wahrheit . . . .113
Seite
Das Schiff 262
Die beiden Töchter . .291
Glassbrenner, Adolf
Die Ruinen 211
Der Adelige . . . .212
Gleim, J. W. L. (1719
bis 1803)
Die Pilger 81
Lebenslust 122
Goeckingk, L. F. G. von
(1748— 1828)
Die Predigt am Magda-
lenentage 339
Goethe, Joh. Wolfg. von
Christel 63
Brautnacht 108
Goetz, Joh. Nie. (1721
bis 1781)
Von der Freude . . .113
Goldschmidt, Moritz
Denkst du noch? . . . 347
Gotter, Friedr.Wilh.(i746
bis 1796)
Beruf zur Liebe SS
Unbefangen 100
Laura • 114
Greflinger,Georg(f 1677)
Der Ehehasser. ... 98
Aufmunterung . . . .106
Seladons Armut . . .125
Greif, Martin
Wanderschaft . . . .224
Falter und Rosen . . . 260
Grillparzer, Franz
Consilium Medicum . .191
Das Fest im Kuhstall . 208
Internationale Rauferei . 210
Diplomatischer Rat . . 239
Sprachenkampf. . . . 240
Grisebach, Eduard
Jungfräulich 64
Feil hat sie Rettich und
Rapunzeln .... 94
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Seite
Grünig, Heinrich (1781
bis 1846)
Das Schundrücken . .120
Grünwald - Zerkowitz ,
Sidonie
Möcht dir gefallen . . 87
Gieb acht! 91
Günther, Joh. Christian
(1695— 1723)
Der Geliebten .... 92
In Ewigkeit 94
Lebensgenuss . . . .109
Hagedorn, Friedr. von
(1708— 1754)
Der Wunsch .... 97
Hamel, Richard
Der alte Steinschläger . 279
Hamerling, Robert
Die schönsten Reime . 60
Hamle, Christian von
(13. Jahrh.)
Liebeslust 52
II artleben, Otto Erich
Ein Sehnen 97
Das Konfirmationskleid . 294
Haug, Joh. Chr. Friedr.
(1761 — 1829)
Amors Klage . . . • 91
Die Fledermaus . . . 250
Hausmann, Otto
Der Scherenschleifer . . 20
Lachtäub chen . . . .110
Ins Reine 241
Klippklapp ..... 292
Hebbel, Friedrich
Schau* ich in die tiefste
Ferne 307
Heine, Heinrich
Ein Weib 19
Lied der Marketenderin 50
Diese schönen Glieder-
massen 93
Am Theetisch . . . .122
Seite
Guter Rat 180
Duelle 243
Heller, Leo
Das schuldige Fräulein . 10
Im Spital iS
Ein Steckbrief .... 81
Der Tanz 144
Frau Josephin' . . . .272
Das Elend 287
Heymel, Alfred Walter
Bestellung 38
Heyse, Paul
Siesta 72
Vogelscheuche .... 242
Hindersin, Friedrich von
Unter der Linde . . . 13
Liebesnacht 69
Krähenspott . . . .101
Dideldum 143
Der Vagabund. . . .215
Hirsch, Rud. Joh.
Letztes Bedürfnis . . . 159
Hochstetter, Gustav
Gesellschaft 196
Der Hase und die Katze 237
Halensee 252
Hoe rmann. Ludwig von
Stelldichein 53
Hoffmann, Max
Madame Potiphar ... 1
Liebesmacht ... .31
Satans List 192
Geld verdienen . . .299
Hoffmann von Fallers-
leben, Heinr.
Der Spittelleute Klagelied 124
Holm, Kurt
Verhalten 79
Das bist du? .... 86
Holtei, Karl von
Gassenhauer .... 99
Jacobi, Joh. Georg (1740
bis 18 14)
366
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>
Auftrag . .
Der Sommertag
Sehnsucht . .
Janitschek, Maria
Die alte Jungfer
Jensen, Wilhelm
Eines ....
Seite
70
, di
320
197
Jordan, Wilhelm
Im Konzertsaal . . .163
Kästner, Abrah, Gotthelf
(17 19— -1800)
Der Gärtner und der
Schmetterling . . . 264
Kerner, Justinus (1786
bis 1862)
Spindelmanns Recension
der Gegend . . . .184
Kindt, Otto
Hinter den Kulissen . .198
Moritura . . . . • »3*5
Koch, Maidy
O da ss ich einmal noch 89
Lied 90
Kopisch, August
Historie von Noah . . 28
Kre tschmann, K. F.
(1738— 1809)
Der Witwer. .... 325
Kürenberg, der von
(ca. 1 1 50)
Lied 94
Kurz, Isolde
Beichte .21
Lang, Georg
Am Kreuzweg .... 36
Langbein, A.F. E. (1759
bis 1835)
Der Kusshandel ... 25
Die Wachtel und ihre
Kinder 240
Leander, Richard
Die giftige Blume ... 6
Mein Lieb
Frühlingslied
Recensenten
Eigene Grösse .
Herr im Hause
Vom Weingeoie
Seite
52
183
251
322
358
Lenngren, Anna Maria
Der Besuch der Gräfin . 208
Leo, Friedrich August
Unsterblichkeit . . .
192
Leo, Witold
Der Mond als Liebes-
postillon 197
Leusser, J.
Geheimnis 74
Zweierlei 102
Die Ehre hüte allezeit . 126
Leuthold, Heinrich
Die Wurzel des Uebels . 66
Lied 109
Tanzlied 146
Levetzow, Karl Freiherr v.
Mesalliance 151
Lienhard, Fritz
Zigeunerlied . . . .230
Lindner, Anton
Frau Sehnsucht ... 43
Hochzeitlich Lied ... 96
Frühling 119
Das Gelöbnis .... 264
Lingen, Thekla
Guter Rat ....
106
Lingg, Hermann
Sie geht in aller Frühe. 102
Das Krokodil zu Singapur 138
Lorm, Hieronymus
Fromme Bücher . .
Ludwig, Otto
Herz im Wege.
213
52
Mackay, John Henry
Abendlicbt 273
Mahlmann, S. Aug. (1 77 1
bis 1826)
Eine gute Nacht . . .
56
367
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Seite
Marco, L.
Beinahe gerüstet . .
. 162
nucnsic rvuiornai , .
• 101
Treue
. 326
i>i u r g r a 1 1, nerinann
Letzte Beichte . . .
. 302
Marty, Maria
Aber sie lacht . . .
. IO
Mayer, Karl
Selbstbeherrschung .
Spatz und Spätzin
• 244
Mayer, Karl Leopold
Die alte Lehrerin .
21
Soldatenliedchen . .
• 29
• 50
Menzel, Wolf g. (1798 bis
1873)
Zur Rosenzeit .... 91
Menzel, Ludwig
Ein Schulexamen . . .359
Meyer, Alfred Richard
In der Sommernacht. . 118
Meyer, Conr. Ferd.
Am Himmelstor .
103
Michaelis, Joh. Benj.
(1746-1772)
Schlummerlied für manche
Schöne 104
Miegel, Agnes
Chronik 19
Das Begräbnis .... 309
Milow, Stephan
Im Strafhause .... 285
Möller, Marx
Der Geiger 278
Moszkowski, Alexander
Der erste Kuss . . .117
Müller, Wühelm
Ausforderung . . . .103
Odern, M.
Berliner Nachtstück . . 289
Oestlren, Friedr.
Werner van
Meer-Pflicht 235
Rencontre . . .
Beim Spiele . . .
Erziehungsresultate
243
25<
2S1
O m p t e d a, Georg Frhr. von
Die Uhr 28
Opitz von Boberfeld,
Martin (1597 — 1639)
Ich liebe meine Schäferin 75
Eile der Liebe .... 80
Ostini, F. v.
Ah — Bah!
. 16
Pfau, Ludwig
Der verliebte Kutscher . 65
Philister 169
Kompensationen . . .172
Kritikaster 183
Pfeffel, G. 0.(1736-1809)
Frage 184
Das Johanniswürmchen . 256
Der Fakir 261
Pichler, Adolf
Warnung 100
P o s c h i n g e r, Heriberta von
Das Nest 77
Presber, Rudolf
Die kleine Lampe . . 2
Es waren drei junge Leute 1 6
Das Hexchen .... 26
Gekrönte Liebe ... 41
Zweifel 47
Wie lange noch? ... 71
Märzsonne 113
Brennende Liebe . . .128
Kommerzienrats sind in
der Loge 160
Noch einmal! .... 190
Auferstehung .... 204
Ein Idyll 327
Prutz, Robert Ed.
Tanzlied 145
Pserhofer, Arthur
Mein Pech 48
Hunger und Durst . .61
Frauentypen . . . .164
Die Naive 184
Puttkamer, Alberta von
Eine Verlorene ... 31
368
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Seite
Zigeunerglück . . . .227
Strassenscene . . . .270
Reder, Heinr. von
Zigeuner 228
Reichard, Aug. Ottokar
(geb. 1751)
Sie 93
Reichel, Eugen
Nachtidyll 38
Rem er, Paul
Ach, wenn es nun die
Mutter wüsst' ... 54
Reuter, Fritz
Derblinne Schausterjung' 353
Robert, Ludwig (1779 bis
1832)
Publikum 182
Talent 186
Rohrscheidt, Kurt von
Das Lied vom welken
Herzen 102
Koos, Richard
Frage 159
Roquette, Otto
Der Wanderlump . . .217
Rosegger, P. K.
Hannchen beim Pfarrer . 345
Riickert, Friedrich
Wenn die Vöglein sich
gepaart 126
Salle t, Friedr. von (1812
bis 1843)
Ein harmloses Rätsel . 173
Salus, Hugo
Die Aehren 40
Schaff er, Heinrich
Konkurrenz 15
Das Herz am Rheine . 59
Unterschiede . . . .115
Eilig 123
Abgeblitzt 134
Das Heilserum. . . .138
Seite
Das Muster-Exemplar . 172
Die Einwirkung der Dicht-
kunst 187
Mythologische Enthüllun-
gen 338
Schanz, Frida
Gleichnis 245
Schaumberg, Georg
Göttin Barmherzigkeit . 14
Aschermittwoch . . 195
Der Zuchthäusler . . .275
Nach der Redoute . .284
Schaumberger, Julius
>Es war halt wieder nix!« 271
Scheffel, Victor von
Verzaubert 60
Hering und Auster . -132
Der Ichthyosaurus . .136
Jonas 140
Dörpertanzweise . . .147
Schlegel, Joh. Elias (1718
bis 1749)
Meine Liebe .... 60
Schreiber, Adele
Dirnenlied 84
Des Dichters Muse . . 293
Da Unschuld'ge . . .354
Schrutz, Demetrius
Das braune Mädel . . 44
Der Garten 53
Schultes, Carl
Das macht die Liebe . 58
Seidel, Heinrich
Der Gimpel ..... 202
Das Infusorium . . .255
Die Musik der armen
Leute 297
Seidl, Franz Xaver
Armenball 281
Sergel, Albert
Eine Verlorene . . . 19
Tanzlied 148
Laster 300
Seuffer, G.
Warning 356
369 24
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Siebel, Karl
Somraerstorff, Otto
's Marterl . .
Liebes-Idyll . .
Der Spukgeist .
Spandow, Frida
Na ja! ...
Ehefreuden
Schwüle . . .
Fatum . . .
Stein wand, Fercher
Fragen . . .
Sternberg, Leo
Sie
Der Haifisch
Stettenheim, Julius
Gustchen . .
Verteidigung
Eva ... .
von
Stieler, Karl
Dereinst . . .
Im Dialekt . .
s' Dirndl . .
A scharfer Zeugen
Storm, Theodor
Sommermittag .
Stubenberg, Joh. Wilh
von (1631 — 1688)
Vom Tanz ....
Stümcke, Heinrich
Paraphrase . . ,
Am Schalter . .
Seite
303
327
338
343
9
44
67
89
232
98
336
I3i
353
355
69
328
34i
349
13
141
83
346
Sturm, August
Der kluge Peter . . .112
Auf der Höhe der Saison 162
Tod den Philistern! . .170
Irrtum 186
Gesegnete Mahlzeit . . 270
Sturm, Julius
Motten 237
Zwei Gänse 245
Der kranke Schreiber . 291
Sydow, Max
Sommernacht .... 56
Seit«
Tacchi, Gisa
Brettl-Diva ..... 7
Rote Hexe 37
Hingebung 69
Bedingungsweise . . .105
Teniers, Alfred
Die Lieder der Fleurette 54
Rosenverkanf .... 63
Au 8 der Halbwelt . . .73
Der Rosenstrauch. . .119
Trojan, Johannes
Zum Vogelschutz . . .157
Börsen-Romantik . . .158
Skat 174
Das verzweifelte Flaschen-
kind 201
Im Bureau 276
Güstens Brief an die Herr-
schaft 332
Der Mädchenwechsel . . 337
Was soll ich meiner Tante
schenken? .... 343
Uhland, Ludwig
Auf einen verhungerten
Dichter 188
Ungenannte Autoren
Der Ungetreue .... 62
Unendlich 74
Die Ehre hüte allezeit! . 126
Die Vielgeliebte . . .129
Die Hofequipage . . .168
Frühling 345
Ungern-Sternberg, AI.
Frhr. von
Junggeselle .... 107
Unzer, Johanne Charlotte
(1722— 1782)
Bacchus 138
Uz, Joh. Peter (1720 bis
1796)
Der verlorene Amor . . 7
Vi sc her, Friedr. Th.
Ans Diendl 1 14
Voss, Joh. Heinr. (1751
bis 1826)
Reigen 150
Vulpinus, Theodor
Liebeslust 52
370
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Seite
Rokoko 114
Bauerntanz 149
Höhere Töchter .168
Vaganten frühling . . .216
Lied des Zigeunerknaben 230
Der alte Aar .... 249
Lied des Enterbten . .277
Verdorben — gestorben 319
Wallpach, Arthur von
Konzert 95
Walther von der Vogel-
weide (ca. 1170 bis
ca. 1230)
Unter den Linden ... 49
Weber, Franz
Landstreicher . . . .218
Weddigen, P. F.
Der leere Titel . . .152
Wedekind, Frank
Das arme Mädchen . . 34
Ilse 47
Welten, Oskar
Dithyrambe 55
Werherr, Armin
Als ob es sein müsste . 86
Dir glänzen Augen und
Wangen 88
Du schaust so gross und
fragend 90
Wie der Taler blankt . 105
Wer weiss 156
Wetzlar, Leonhard
Urteil 185
Gassenjungenlieder . .232
Wi c k e n b u r g, Albrecht Graf
Wäscher-Nettel. ... 4
Wiener Kappelbuhen . 223
Wiener Früchtel . . .227
Der schiefe Turin von
Terlan 340
Wickenburg-Alinasy,
Gräfin Wilh.
Illona 72
Ich schleiche meine
Strassen 216
68
297
Seite
Wieland, Chr. Martin
(I733—I8I3)
Oft
Wille, Bruno
Arme Leute ....
Willomitzer, Josef
Der Vogel Storrebein . 265
Seelenbündnis . . . .321
»Es waren zwei Königs -
kinder« 348
Wohlmuth, Alois
Die Eintagsfliege . . . 260
Wolf, August
Wir hatten uns freilich
nicht bestellt ... 76
Wolff, Julius
Rothaarig ist mein Schätze-
lein 76
Aus Sturmes Not . . .311
Wolff-Cassel, Louis
Was fehlte 116
Wolzogen, Ernst Frhr. v.
Das Laufmädel . . . 33
Madame Adele .... 45
Das Lied von den lieben
süssen Mädeln ... 78
Ballade vom verkauften
Assessor . . . . . 153
Das Philisterparadies. . 171
Zachariä, Fr. Wilh.
(1726-
Die Spinne und das Po-
dagra 246
Zeller, Johann
Von die Mohren . . . 349
Ziegler, Kaspar
(1621 — 1690)
Silvia ist ein Dieb . . 84
Zimmermann, Georg
Wenn ich bidden derfte 351
Zoozmann, Richard
Krähenlied 127
Tanzliedchen . . . .142
Lumpenhochzeit . . .225
Weihnachts- Wünsche . 335
Berliner Schusterjunge . 350
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tHans v. Weber, Vertag, Ulüncßen
1908
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czj^y ßat<j*c<w<äß<Dews<7i
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fflans v. Weber, Vertag, ffllüncßen
1908
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(7 -;
0#c/ \G<u<scc<wM<De<7fG<n
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Galante öedicßte aus der deutfäen Barockzeit
Qesammett und herausgegeben
Franz Qifef
Sechste tfuffage
tffans v. Weber, Vertag
VKüncßen
7908
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T NT ? v.i v;.
27022911
TILI*
0/»*« fterf owsdt 6c/ (?4wr Brands fetter m
Geipzig gedrudct. *Den Vordertitel zeichnete
Constantin Somojf, cft. Idenburg, den 'Rück'en-
titef CCse Qeridce, <Berfin.
Ginfiundert ßxemp/are wurden auf defit Zanders-
(Bütten gedruckt, gebunden und numeriert, <Die
in Jedem Cxempfare der Vorzugsausgabe ver»
sdSiedenen Vorsatzpapier* sind 9£anddrucüe der
Wiener Werkstätten nae/S Entwürfen des ePro»
fessor gfofmann in Wien.
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für !Hans von VKütfer
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3>ie SMdfjter ber beutf<$en ^arod^eit erfreuen fidfr
mSgefamt einer fe&r fd&ted&ten «Reputation in allen
fitteraturgefötd&ten. fdf)toütfttg, platt, gemein,
maniriert: mit folcjjen Korten tut fie bie <Sefdfjldf)t3»
fdf>reibung rafcf) ab, all$u rafdf), toUI mid& bünfen. ©e«
nrife : mit ben beften ber Sttinnefänger unb bem VoR 3*
Tiebe bergftdfjen toerben goffmannStoalbau unb feine
bt<f)terifdfjen (Benoffen bie linmittelbarfett unb 6df)Iidjjt«
fcett be3 SoneS bermiffen laffen, unb an bem fpäteren
©untrer gemeffen, mag ber rebnertfdfje Hberfd)tDang
ü>rer (Befühle oft redf)t albern erfdfjeinen. Xlnb bodf>
f>aben fie, toorauf $Kaj OonS03a(bberg 3uerft aufmerffam
gemalt f)at, eine pftd&ofogifcfje Skrtoanbtfd&aft mit ben
^rauenbienern be8 beutfd&en ßteberfrü&lingS ; unb bafc
fie in i^ren Atemübungen um Jorm unb bilbtidfjen
SUuSbrucf of)ne Stebeutung für bie fpäteren getoefen fein
fotten, toer möd&te bcS "bttympten? 9lber gan$e 3eiten
beutfcfjer fiiteratur fd&einen nur bafür getoefen 3U fein,
bafc i&re fummanfdfje <5efdfjic$te in geteerten Herfen
f paterer 3«ten abgetan toirb; nodj) fummartfd&er ge&t
bann biefeS Urteil in bie populären Ctterärgefd&id&ten,
au£ benen e3 ber fiefer Einnimmt, o$ne fic£ toeiter um
bie SBe« unb meift Verurteilten felber 3U fümmern.
7
Di
SHatt toirb in biefem ßuftti>ärb<$en eine 9lu8tDaf)l
biefer beutfd&en 33arocfgebtc*)te lefen. 9Kan toirb biet-
leid^t ifcren SQXanmSmuS ntd&t o&ne fünftferifd&en 9lei3
finben unb fiefj gar md)t barum fümmern, ob biefe
5>idf)ter ein efjrftdfjeg ©efüf)I auSbrücfen ober einen
(Sinfatt toie im Spiele formen tootten. 3ft nidf)t, to>a3
5orm unb nidf)t8 afö $oxm ift — toenn fold&eg e3
überhaupt gibt — bem e^rfid^ften (Befühle in ben
fünften öor3U3ie&en, toenn tiefet ©efüftfeS grofee <2d&t«
fceit ber ßraft mangelt, fidfj eine Jorm $u geben?
3>ie *5Uffcftc be3 Sebent, bie im <5dj)rei, im Sludf), im
©tammeln fiel) äu&ern unb un8 unmittelbar ftarf be«
einbruden, toeil fie einen 3*ifianb mit einem ent-
fjütfen, toer möchte ftdj> mit fold&em ßeben in ben Äünften
begnügen, bie ein anberS geformtes ßeben ftnb? 3>ie
(Scheit be3 ©efüftfeä attein fyrt nod& feinem ba3 ©e-
blcfjt gegeben.
3>te barodfen SHcfjter, bürgerlich meift fe&r e&ren«
toerte unb red&t folibe §erren, ergingen fidfj in bem
ßuftoälbdfjen i^rer ^oefie 3umeift tiur &öd(jft platontfdfj
mit ben 3>ortnben unb ©elimenen, bie fie ftdjj oft nur
imaginierten unb mit benen fie fidf) nur in ber
poettfd&en ßt3en3 3U SBett begaben. 9Den ärgert ber
betrug? TOaä Ijier bie ßüge oft fo ret3t>olI fd^uf,
fotlte man e8 fidfj ntdfjt einmal gefallen raffen? Unb
bann: biefe Cüge toar fo tntenfibe 9Hobe, bajj fie fdfjon
toteber eine SJBaljrljeit tourbe, bie btfbenbe #raft ber
Söaljrfjeit befam. Unb enbltdfj: man mü&te au3 ben
beiben Korten SQ&a^rfjett unb ßüge ein britteS btfben,
ba3 ben 3uftattb SHdfjterä be3eidfjnen fönnte.
8
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OTan fyit in biefe Sammlung nur £icbc3gcbicf)tc
aufgenommen, u>etl fie bie $lrt biefer S>i$ter ftärfer
3eigen, unb toeil und bie (Segenb ber Siebe Vertrauter
ift oig irgendeine anbere. Garant 3U fein, bog toar
bie gefenfd>aftlid)e SlegeT, unter ber biefe recfct grobe
3eit ftanb, toie jene frühere unter ber anbern: ber
graue 3U bienen. SHe (SpifteTn, bie geiftTi<$en ober
gar bie 9termä$rung3« unb 93egräbm£gebid)te unb bie
meiften (Epigramme mit ben rängft ftumpf geworbenen
(Spüjen — aTTeS bcß mag ungerjoben in ben s$üc$ern
rufcen, au3 beren 93eftem biefeS ßuftoärbdjen aufge-
richtet tourbe, mit bem $>id)ter Crjriftian SBeife am
(Eingang, bort, too nodj) freie gaTbe ift, mit bem
S)i(r)ter (E&riftian <Süntr)er am SJuägang, too ber SBeg
fteiT 3um ^arnafe ftrebt.
9ttünd)en, 1907.
^rattj <8lei.
9
S&rifttan ^tüi TOcife
Sfjränen ber 3ungf ernf cfcaft
6üfec3 (Bift berliebter §er3en,
6dj)to>a<$e3 TOerf3eug torfler Äraft,
SQ3erte3 3iel ber feufdjen ©d&me^en,
S)u berühmte 3un9fernföaft
ftretTicfc gefcet beine 3ier
^Urcn fd&önen 6a$en für.
Söte bie %>fen in bem SHaien
3&re Meid&e fiieblid&feü
TOcmaTS fd)öner bon fid& ftreucn,
«SUIS toenn i&re ©id&er&eit
Unberührt unb unbefteeft
in bem grünen 6tocfe ftedft,
SWfo mu& man bid) ergeben,
Weil bu feiner fremben £>anb
SHd) 3um «Raube toittft ergeben,
©onbern ba£ geliebte ^fanb
Girier ttuf> unb £eben3raft
SUn ber fü&en Jrei&eit fcaft.
S>od) toie lange !ann e3 toäfjren?
<£nbttdf) mu& bie S^genb
ShirdS) ben fd&neHen Sauf beeren
ober e$ berufet btd)
Siebe, £uft unb Ctitelfeit
3n ber Sugenb TOetteftreitt
11
Söttf man bei ben Apfelbäumen
3u ber £uft frieren gef)n,
S>arf man nidj)t bie 3*ü berfäumen,
$öann fie in ber $Hüte ftefcn,
<£f) ber (Partner nadf) ber Saat
Aud& bie 3xu<fyt gebrochen fyit.
TOandfjeS Gdf)äfc!jen trägt bie ©d&toere
©einer ^Öotte mit 93erbruS$,
Weil e8 auf beS ©d&äferS ©d&ere
(Bar 3U lange toarten mu&.
sm<m<$>e «Rofe frummt ben Stier,
Weil fie niemanb brechen toift.
©ute ^Tad&t, bu leere ©<$üffel,
0 bu fieudjjter o&ne £icf)t,
gefteS ©dfjfoS boefc o&ne ©d&rüffet,
©ute TOag unb fein <5etoid&t!
9Id&, toie too&l ift bie baran,
S)ie bei 3^ten freien fannl
12
—
<S$rlftt<m $elfc SBeife
3Iadf)ft>rung na$ bem San3C
ßufttg, U>r SHäbdfjen, bie godfoett ift au3,
SBanbert mit euren 95ebienten $inau3,
Caffet eucf) aber beileibe nicf)t fielen,
(Se^et fein leife, bie Butter bie toad&t,
Caffet bie Äerfe ein anbermaT fdfje^en,
Ratten fie Dörfer fidf) luftig gemacht.
©e&et gefcfjtoinber, if)t $mberdf)en if)r,
£eget euci) nieber unb fdftfafet barfür,
6e&et bie armen berliebeten 6d)afe,
6inb fie mcf)t trunfen? fie fte&en gar faum,
©pringet m3iDifdf)ett unb tan3et im ©dftfafe,
borgen er3ä^et ben luftigen Sraum.
©eljet unb leget eud& immer 3ur 9tu&.
gört i§r nodfj Tange ben ©tänbd&en 3U?
6e$et, bie SÖXutter, bie fegt ftdjj and Jenfter,
9TeI)met eudf) Beffer im ^inftern in Sldfjt,
SÖunfcfjet, i^r nteblid&en ©affengefpenfter,
$UIerfett8 eine geruhige SXadjjt.
13
£f)nfttan Jelis SDDeife
Wlß td& meiner SRofUiS . . .
tdf) meiner Sfcofiltö
3feuttdj an bic 6dfjür$e grieffe,
Sagte fie mir gar getot§,
3dj) toar fromm, bodfj toann idfj fdfjttefe,
©onften toär id) in ber gaut
(Ein redfjtfd&affen bofeS #raut
3a, mein Siebten, fing ic$ an,
3d& geftefj e8, toenn idf) feadfie,
S)a& fcf) t% nid&t laffen fann,
2>o$ e£ ift fo eine ©ad&e:
©tefle bctne ©cf)önJ)eit ein,
60 tottt id& nid&t lofe fein.
Uber biefeS bin tdj) bodfj
3>n bem ©d&Iafe fromm unb fttfte,
S>rum, mein (Engel, ift e$ nod&
Stein unb mein beliebter $Bifte,
©udfjft bu bie (Setoogenfjeit
93foä in meiner ^mmigfeit,
(Ei, fo fcftfaf einmal bei mir,
©onften mu& idf) e3 geftefcen,
2>a& id& niemals !ann 3U bir
Jromm unb eingesogen gefjen.
©oH td& fromm fein, meine 3**?,
. (Ei, fo fcftfaf einmal bei mir.
14
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(Sfjrifttan Acuter
SCaride auf ben Sob t&rer Jrau Butter.
3d) fyätte nid)t bermeint, bafc fie fo balb berredfte,
S>a U)r ba£ Mebebter nod) in ber (Surger ftecfte.
TOaS J>tfft3, ba8 £eben ift toie meine 3ungf ernfdjaf t :
S>urd) einen Keinen @to& ift beibeS hingerafft.
«JDer gibt mir fünftig ©etb, bie Slöcfe 3U Verbrämen,
TOo foH id^ ©trumpf unb £>emb, too bie Jontange
nehmen?
«Std) SlnbreS, Heber §err, toeil bie Jrau Butter tot,
60 gteb mir einen TOann unb fjilf mir au3 ber ^totl
15
3>aniel dafpar öon £o&enftetn
Komm braune 9ta$t . . .
Äomm, braune 9ta$t, umfülle midj mit 6d>atten
Hub betfe ben mit beiner &tyx>ax$t 311,
S>er ungeftört fi$ teil! mit (Sonnen galten
Unb im 93e3trf ber (Engel fidjer n$,
3ä, ^ilf mein 91$ ! ef) bu iu>$ tturft entföftinben,
9Mit mtfber §anb Don meiner SeeTe binben.
9Bie? §ör i$ ni$t (toittfommen, mein Verlangen I)
@d>on im Semad) mit reifer Stimme ge$n?
Jü&t i$ midf) ni$t mit Milien umfangen
Unb meinen 5U6 auf biefen (Breden fte^n,
9Bo mir (Seltnbe toirb au3 S^rdnen lachen,
9lu3 flammen <Ei3, bem 93ette gimmel ma$en?
(So ttfge nun, 0 §elbin, meine 6$mer3en,
SDirf mit bem 3To&r bie Celeste 3art^eü F)in,
2a% meine §anb mit beinern 9teid)tum f$er3en
Unb mt$ ent3Ücft beß f$öne Sal be3tel)n,
S)a fidj im Sau bie ftummen £üfte füftfen,
Unb Sag unb 9Iadf)t mit if)ren ^rben frieren.
Sitein 9Bort erftirbt, bie 6eeTe totfl entoeid&en,
91$ Tag fie bo$ in enge Gimmel eint
£a% 6$iff unb 9ttaft in beinen §afen f$rei$en
Xlnb beine §anb mir einen £eitftern feint
3>u fottft atöbafo bie eingelabnen ©aben
9tebft bofler 3tad)t ftatt ber Sfclo&nung tyxUn
16
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3>aniel (Eofpar Don ßo^cnftctn
SaUften.
%d) fann mir ntcf)t mefjr toiberftreben,
3>ie ©dfjönljett flögt mir bag ©elüften ein.
3m SßarabieS tann feiner leben
Unb o&ne $aU unb geftftritt fein.
3>etn <gbenj>fa$, mein Äinb CaUfte,
3ief)t meine ganb
2luf beinen #rei3 ber runben Trufte
Unb meinen £etb in bein gefobteS Canb.
5>er Cen3 pflegt unS in gerbft 3U retten,
S)a3 3al)r Tagt un3 nad& Blumen grüdf)te fel)n:
£a§ mtcfj bocfj aucf) nadf) beinen 3eitett
3n beinen 2lnmut£garten getyn.
Sttein grüf)fing ift ein 8u% getoefen,
2a% au3 ber ©df)oo&
9Hidf) enbltdfj reife grüdfjte lefen,
«JBie in bem ©tanb ber Unfd&uTb nacft unb bIo&.
S>u fannft ben £eib mir ntd&t berfdf)fte§en,
Söon toerdf)em bu mir fdjon ba3 §er3 entbecft
2a% unfern ©eift 3ufammenfne§en,
*2DeiT bodfj fein Äug if)tn felber fdfjmecft.
Vergrabe midfj im (Elfenbeine
«Bon greife!) unb SBIut,
3>enn toerb idj) gletdf) barin 3um ©tetne,
©o toeig id& bocfj, bafe mir e3 fanfte tut.
2 «let, SuJt»äR>«eii. 17
(Eröffne mir bcß 3>or 3um £anbe,
«JDo 3udPcr rinnt unb «BJottuft Safer r)ält;
2a% meinen $a$n am engen ©tranbe
3n betne neuerfunbne TOelt
3>u barfft btd) nicrjt, Califte, fcr)dmen:
S>a8 Feigenblatt,
3>a8 (Söa für ftdj) mußte nehmen,
3eigt unb entbecft nid)t unfre Cagerftatt.
Seftrafe mid) mit feinem Sabet,
S>ajj beine 6djoo& mein §er$e Heb gewinnt,
S)cnn ber 9ttagnet forfcrjt mit ber 9Iaber,
$3i3 er ben 3RitteI)mnft ergrunbt
<£in 6cr)dfcr)en graft in SaT unb «sUuen,
SBo ©d&atten ift:
SHein §er3e toill ba£ beine flauen,
S>rum fudj id) e3, ba too bu offen bift.
18
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E&nftian §offntann toon £>offmann«toaIbau
(SS bacfjte £e3bte . . .
G3 badete £e3bie, fie fdge gatt3 allein,
3nbem fie toof)l bertoafjrt bie ^enfter unb bte Suren,
Stodj) Heg fid^ 6t)lt>tu3 ben geilen ^ürtoi^ führen
Unb flaute burd& ein £od^ in i&r ©emacij hinein.
2luf ü)rem luden #nte lag ü)r ba£ redete Sein,
SHe §anb toar f)öd&ft bemüht, ben 6d&ul) tyr 3U3U-
fd&nüren,
<5r flaute, tote ba£ SttooS 3"U)&er ^6 3U fixten,
Unb toie (Eupibo toill mit 2uft getoieget fein.
£8 rufte e^lbiuS: toie 3ierlict) finb bie SDaben
TOit toarmem ©d^nee bebedft, mit (Elfenbein belaben!
(Er fafce felbft ben Ort, too feine ©offnung ftunb.
(£3 ladete @t)lt>iu£. ©ie fpracf): bu bift tterloren,
3um @<$mer3e bift bu bir unb mir 3ur ^ein erforen,
S)enn beine Qoffnung 5at}agar3ufd[jled&ten<8runb.
10
<&l)riftt<m £>offmann Don fjoffmanngtoalbau
3dj ciftc . . .
3cf) eifte Ceäbien au3 &ur3ti>etf 3U ertoecfen,
gUidE) 9luroren3 (Brart3 um if>r ©efidf)te ftunb,
SHe 9tofen fronten tbr bte fangen unb bcn 9Kunb,
3)urd& toeifecS (Hfenbein lieft fidfj ber §atö bebecfen.
3d& tooltte meine §anb auf tfcre Prüfte ftrecfen,
(£g tat ein naffer #uj$ tyr meine ©etfbett !unb,
WS £e8bie rief: ift beut SBerftanb gefunb,
60 fü&re feine SBrunft in meine feufdfjen gecfen.
3cij toar barob beftür3t unb flutete bem ©lücfe
Unb fu^r ben £)immel an unb feine reidfjen SBftdfe,
3d) fpracf): too «Rofen ftefjn, ba muffen dornen fein.
SÖett mtdfj benn tf)r 93efebt berjaget unb bertrieben,
60 I)ab idf) biefeä ^ort in tf)r ©emadf) gefdfjrteben:
*2luf SÖXorgenröte folgt gar feiten ©onnenfdfjein.
20
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(S&rifttan £>offmamt t>on §offmann3toatbau
<2ln Vllbanie.
% banie, gebraute beine
Unb Tag ben ßiebediüften freien 3ügef.
Wenn und ber (Sdfjnee ber 3a^re f)at befdfjnett,
(So fd&mecft fein Äug, ber £iebe toa&red ©iegeL
3m grünen SHai nur grünt ber bunte #fee,
y&banie.
Sllbanie, ber frönen 9lugen fiidf)t,
3>er £eib unb toad auf ben beliebten Spangen,
3ft nid&t für bidf), für und nur 3ugericfjt.
5>ie Slpfel, bie auf beinen Prüften prangen,
6inb unfre £uft unb füge SHnmutdfee,
SUbanie.
Sllbante, U>ad quälen tmr und t>ie(
Unb 3üd^tigen bie stieren unb bie 2enben?
9Iur frifefj getoagt bad angenehme (Spien
3ebtoebed ©lieb ift ja gemacht 3um SBenben,
Unb toenbet bodj bie 6onn fid^ in ber §ö&,
surbanie.
Stfbanie, foll benn betn toarmer ©cfcood
60 ob unb toüft unb unbebauet Hegen?
3m ^arabied, ba ging man naeft unb Mod
Unb burfte frei bie £iebedäcfer pflügen.
SMdf) Sftenfd&enfafc madf)t und bted neue TOef),
Wbame?
21
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SUIbanie, toer fann bte (Sügigfeit
3>er stoei bermifdjten ©eifter red&t entbecfen?
SD^cnn Sieb unb Cuft ein (Sffen un3 bereit,
5>a3 toieber^öft am &eften pflegt 3U f<$me<fen,
SDünfd^t nid&t bein §er3, bajj e3 babei öergel),
Wbante?
SUbante, toeil nod& ber SDottufttau
3>ie ©lieber nefct unb ba3 ffieblüte fpringet,
60 Tag bod& 311, bag auf ber 'StemtSau
Sin brunftger ©eift bir fnteenb Opfer bringet,
3>a& er öor bir in botter ^Inbad^t ftef>,
WBante !
22
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<£&rtfti<m ^offmann öon §offmann8toaIbau
3öa3 3ümft bu . . .
HO ad 3Ürnft bu, ^Toriba» fo oftne SÖtaafc unb 3^»
3)a& meine 3un9e bie (Bren3en übergangen?
3>ie ©djulb ift nid&t 3U groß, unb tat fie bir 3U bier,
^aft bu fie bann ntc&t, tote fie'Ö Derbient, gefangen?
2>od) bafc bir funbbar fei, toarum td) e8 getan,
3>afj i<$ bie 3**nge bir lieg Sd&tunb unb (Säumen lecfen:
3dfj backte, toeil fie me&r aI3 billig plaubem !ann,
6ie mochte fonft au£ ^Teib mein ßle&eSfpteT entbecfen.
23
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<£f)rifttan ^offmamt bon fjoffmannStoalbau
^rg id& bie £e3bie . . .
%t$ tcf) bie £e3bie näd&ft in ber Äammer fanb,
S>a fie fiel) übertut unb fd&räfrig angeleget,
60 fcljaut idf) eine 93ruft, bie fcfjdnre Styfel traget.
Jemals toorgebrad&t ba£ reiche 9KorgenIanb.
SHe 55ruft 30g meinen (Seift, ber fiüttoty trieb bie
§anb
3u fud&en, tocß fid& f)ier in bem 93e3irf betoeget
3>ieS f)at ber CeSbte fo großen 3«>fn erreget,
S>afc fie in f)dd&ftem ©rimm ift gegen mtdf) ent-
brannt.
Sie trieb midf) toeg Don ficfj, fie fiiefj mtdjj 3U ber Seiten,
©te &ieß mtdf) unbertoetlt au8 i&ren klugen fdfjreiten;
3$ fpradj, inbem fie mtct) au3 tfjrer Äammer ftiefc :
SHetoetf icf> atf3ufüf)n unb me&r als ftdfjg gebühret
3>ie mir öerbotne Stufyt ber Stpfer angerüfjret,
©0 ftöfct ein (Enget mtd& jeijt au£ bem ^arabieg.
24
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(S&rtfttan §offmann Don §offmann$toalbau
Vtiemanb toetg . . .
9tiemanb toeifc, tote fcfjtoer mtrS fätft,
Stammen in ber 93ruft 3U &egen
Hnb fie bennocfc bor ber SOSeN
9Iicijt an£ freie £idf)t 3U regen.
JJeuer Tagt pdf) ntd&t ber&e&Ien,
S>enn fein <Slan$ ift atf3uflar,
Hnb bie ©rut berHebter (Seelen
SÖtad&t fief) fetber offenbar.
gunbert Slugen, bie bon 9Teib
Unb bon lauter $lrgtoof)n bvtnnent
6inb auf tnid& 311 fe&n bereit,
Ob fie fc>a3 öermerfen fönnen.
9Tod& berberg idf) meine <Sdjmer3en,
5>a& man feine Junfen fieljt,
S)a bie Ciebe bodf) im §er3en
TOie ein anbrer Sfttna grüfjt.
SHefeS ift ber Ciebe Äunft:
^mor fudjjet ^infterniffen,
Hnb bon feiner ftitten Brunft
Sttufj ber &eTIe Sag ntdf)tg totffen.
93enug bricht mit U)rem ©terne
Srft bei buntfer $tacfjt herein,
5>afc bie 3arte 3ugenb Terne,
3n ber Siebe fceimttcf) fein.
25
3>rum getoöfcne bidj mein ^Xtut,
S>etne Stammen 3U öerfdjtoeigen.
2a% Don ber Verborgnen ffiftit
SDeber SZtwtb nod) SUuge 3eugen.
SZtujjt bu bid) gleid) etoaS 3^ingen,
3ft g(eid& bie SBerftellung fd)toer:
^luS ben allerfcfjtDerften SHngen
$ommt bie größte £uft oft fcer.
26
■
d&rtfttan §offtnann Don £>offmanrt§tt>aU>au
Sin (Slorinbe.
ttforinbe, fannft bu luftig ftefcen,
SOBenn einer «Rofe fcf)öne8 §auj>t
$luf Ü)rem 6tocfe muft berge&en?
9Itdj)t ettoa fcon ber $au\t geraubt,
©o fie mit Würben fönnte tragen,
6ie legen auf bie fd&dne $Jruft,
Unb mit erfrifd&tem §er$en fagen:
gier ift ein Äomgreicfc botf ßuft.
Stein nein, bu fd&auft 6eftur3t barmeber,
fiäfjt tiefe (Seufzer Don bir ge&n,
S>aS tfelnfte beiner 3<*rten ©lieber
2Ku& in bem Srauerftanbe fte&n.
SUVic flagft bu über fold&e 6ad&en,
3>ie man in allen ©arten bricht?
£a% fi$ baSfelbe traurig mad&en,
60 bir ein übel Urteil fprtd&t.
(Srfenne btd& unb Tente fennen,
3>ag too jefct $Iut unb $füte ftegt,
SQ5o alfer&anb SJegterben brennen
Unb eine faule SDu^el liegt,
<&% »erben betne 3arten fangen
Sticht ftetig SRofenftöcf e fein,
SBei ifcnen fällt fotoo&t ba3 prangen
WS bei ber SRofe 3*** unb Schein.
27
y
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-
3>rum ta% midj beine «Rofen bredfjen,
SDeil fcier nodf) 6todf unb Wüte neu,
^ld^ toeine! toerb i<$ fetten fjwecfjen,
3>a8 frif$e . <<5ra$ gibt toetfeS §eu.
Äomm, fomm, unb fo(ge metner £e&re,
SHe SBenuS f>at eg audf) getan
Unb taufenb me&rt TOaS ift bie <£&re?
(Sin ftugeS 9Ticf)t3, ein Moger SQ5al)n.
- 9
28
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(S^rtftian §offmann Don SoffmannStoalbau
Sltetn (Engel fannft bu . . .
SJIein (Enge^ fannft bu mtd) nicf)t Heben,
3ft meine $Tot bir nur ein ©aufetfpiel?
«sBerrad&eft bu benn mein betrüben
llnb $at bein ©rauf amf ein fein 3*eI?
3)u fagft 3toar öiel toon beiner ©üte,
S)odf) too ift ^rud^t?
3ft beine ©unft nur rauter 5tfüte,
60 ift bein «rennen ni<f)t3 afö OTafferfud&tt
SOBarum toiflft bu ba8 Sfcor berfdfjfte&en,
3n bem bie fiiebe (Ein3ug nehmen ftitt?
2a$ beine «runft bodfj fidler fd&teßen
Xlnb baTte meiner Regung ftitf.
3>u barfft bid& ntcfjt, mein (Enger, fdfjämen,
5>en (EF)renj>rei3
SDirb niemanb fönnen bon bir nehmen,
«SBetf icf) atfein Don biefem SKebfta^r toeig.
60 barf bie gurdfjt btd^ ntdfjt DerWenben,
toenn ber 6cfjmer3 unübertoinbttdf) fei,
3<f) toeig bereite au3 meinen gänben:
SHe ringeln reißen ni£* ent3tt>ei.
S)u toirft aTS gerben bid& begrüßen,
«Stenn etoaS 93lut
©reich ™öd>t au8 3arten Albern fliegen,
©enug: bu toei&t, baß e8 un3 fadste tut
29
SDtH bein ©etoiffen nidf)t erfdfjrecfen,
©o benf, bie 3ugenb fei in ©hit entbrannt,
TOer toirb in Reiften flammen ftedfen,
3>em eine £öfc§ung ift befannt?
(£3 toirb baS Stfter bafo berftören,
TOaS Jeuer ift,
Unb bu toirft beffer ef)ren,
SDenn in ber 5Küt bu abgefü&ret bift.
3d) toü&te nid&t, toa8 btd) follt neigen,
3>a& beiner ©d&ofc bu feine Jeler gönnft,
91$! forge nicf)t für einen 3eugen,
SDÖeil bu mein treueS Sieben fennftl
SHe Äunft fommt ber $Iatur 3U §ülfe,
#ein Slnfer ^aft',
3Öenn er gefenft im erften ©d&tffe
Unb nur Dom ©d^Iunbe nid&t toirb hingerafft.
S)rum la% bie ©tityen bon einanber,
9Iuf toeldjjen btefeS ©d^Ioß ftdfj rufjt.
S>u toei&t, idf) bin nicf)t SUejanber,
§>er alleS mit ber §itje tut.
3d& tottf beim #inbdfjen erft probieren,
SÖaS ©anftmut fei,
Hnb too er ftdf) ntd&t toirb toerfteren,
3U£bann 3erbrtdjjt ben Sroj* bie 3Radf)t ent3toei
Jortt 2a% beß toarme CtttoaS fliegen,
S)a3 idf) gefüllt unb nid&t 3U nenntn toei|,
2a% biefen 9teftar midf) umfliegen,
SHadf) mtc$ in beinen Firmen &etjjt
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S)ein Sluge fetber beget STammen
93om btojen 3>unft,
£ag unfre §i$e bodjj 3ufammen,
2Hacfj mtcf) befeelt burcl) gati3 erteilte (Sunft!
WaB fcilft mir bod& ein Wog 93erüf)ren,
SBenn td& bie SRoS Dorn ©tocf nid&t pftüdtn fott,
3>arf tdf) bie fd&nöben gdnbe 3icren
Xtnb futlen ntcf)t ba3 §er3e Doli?
Söerac^te nid&t bie attbern (Blieber,
*2BelT feinet fd&fed&t —
6inb bir bie finget mdf)t 3Uto>iber,
SQ3arum ift bir ber 5>aumen benn nld&t red&t?
31
(Sfjrtftian §offmann Don ^offmannötoalbau
SUn fitfette.
fiifette, tDtUft bu aTIe fiuft
«SUtf beiner fcf)toanenü>eidf)en 33ruft
3)er toag bertoegnen §anb berfagen,
$)a midf) bennodf) bein toarmer <Sdf)o&,
SBon öfter SÖXenfdfjfceit quitt unb fo3,
©oft bi5 an fiiebe^immel tragen?
©ebenfe, baß idf) burdfj ben #uß
S>er 'Söoftuft reinen Äberfluß
3ugreidf) bir in ba3 §er3e brücfe.
<£3 fü^rt ein jebeS ©lieb bie ©tut,
SÖBenn idf) mit beiner fiepen $Kut
3>en abgematten ©eift erquicfe.
TOirb meine ©unft nun toeiter geljn
Unb fceife ent3ü(fet bor bir fte&n,
TOtrft bu alB Stofe bid& auffcfjltefcen?
^Benn bein berftebteä ^luge Iadf)t,
3>ort in ber SBIätter ^urjmrpradfjt
(Sin perlenrunber Sau fommt fliegen.
gdf) toetg, baß bir burdfj TOarf unb 'Sein
3>a3 füge ^efen rinnet ein,
Unb bu nidfjt mefjr fannft ftifte liegen.
3>u Te^rft burdf) beiner fienben TOerf
Unb ben getoötbten Lutterberg,
3)afj icfj mtdfj tiefer foft berfugen,
32
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Sifette, rufjre bid& nur too&f,
Ob td) greid^ f)itt berfinfen foll,
3<$ totfl in biefem (Brabe ftcrbcn;
S)odfj bafj nadj einer (Stunbe ßauf
5>ie Gräfte toieber fommen auf
Unb id) fann gröfere ©unft ertoerben.
3*&ar to>etfj td&, ba& burdj gteid^e ©lut
3>u mir aufS 9Teue meinen 9Ztut
3u Jjeifcen flammen fannft beiDegen,
SDenn bu afö toie ein fanfter «Pfu&l
3>er 3arten ©lieber SHarmorftrier
Wirft unter meine §ufte legen.
£ifette, la% un3 fo toerfd&ränft
Hnb gleich ben Letten ange&enft
Seift, 6eel unb ßeben öon un3 formen.
Grfenne, tote toir finb begfiicft,
$ÖeiT e8 ber gimmel fo gefdjjidft,
S)a& toir in £ieb beifammenfitjen.
3 93UI, eufttoSlb^en. 33
(Sfjnftian §offmann Don £>offmann£toaIbau
<2ln SHeHnbe.
9ltdfjt fcfjäme btcfj, bu faubere ^Hcfinbc,
S>a§ beine 3arte <Retnftcfjfeit
S>er feuchte SQXonb bertoeift in eine 93tnbe
Unb bir ben bunten (EinfTug braut
3>er gro&e SBeK fcegt (Ebb* unb $hit,
9Da8 TOunber, toenng ber ^ttenfdfj ber ffeine tut.
S>te S&ötftd&reit bei beinen bunten ©ad&en
gat niemals beinen 6d&oo& toerfe&rt.
3Die 9ttufdf)ern fidf) burdf) ^urpur teuer madfjen,
©0 madf)t bein ©dfjnecfenbhtt bi<f) toert.
$öer liebt ein Sintenmeer tooftf nidfjt,
SBetf man bavauS #oratten3tnfen bricht?
^ur einmal bringt ba3 gan3e 3af)r un3 Steifen,
5>ein 3tfumenbufc!j bringt^ monatfidf),
3>ein «Rofenftraudf) mag nidf)t berfcetfen,
Sein 3>orn, ber fcoTt bei bir ntd&t (Stiel),
3>enn ti>a3 bie fanften Blätter mad&t,
3>a3 ift ein Sau Don ber 3o!)anm3nadf)t.
Rannet bu gretdf) nidfjt bie £enben fcurtig rühren,
£obt man bidf) bodf) im ©ttflefte&n,
3>er klugen 93Iau toirb leidf)tltdfj ftcf) öerlieren,
3>ann toirft bu fein nod& ein8 fo fdj)dn.
SItan fammelt, fpridfjt bie gan3e TOelt,
SMel beffre £?rud&t, toenn ftarfe <Bföte fällt.
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2a% mid) barum nod) feine galten galten.
(Ein Äönig nimmt ben «Rang 3toar ein,
S)ö<$ mu% er fort, toenn ftd& bte Gaffer fjxtften,
3>er (Seift muft auägeftogen fein.
^Han gef)t, tote jebermann befannt,
3>urd)g rote 9Zteer in ba8 gelobte Canb.
3*
36
—
G&nftian §offmann fcon §offmannStoaU>au
$ln ßauretten.
Baurette, bleibft bu etoig 6tein?
6oK fortbin unberfnüpfet fein
S)ein (Sngeltum unb bein (Erbarmen?
äomm fomm, unb öffne beine Gdfjoofc
Unb lag und beibe naeft unb brog
Umgeben fein mit (Seift uno Ernten l
2a% mid& auf beiner ©d&toanenbruft
3>ie ofttoerfagte SiebeSluft
gier $toifcf)en $urd)t unb 6c§am genießen.
Unb la% midj taufenb taufenb mal
9Tad(j beiner gülbnen §aare 3aW
S>te geifterretd&en ßtppen füffen.
ßafc mtd) ben 9iu8bunb betner 'sßrad&t,
S)er ©ammt unb %>fen nichtig ntad&t,
SZtit meiner fdftfecljten §aut bebedfen.
Unb toenn bu beine ßenben rü&rft
Unb beine ©djjoofc gen gimmel fuljrft,
©tdf) 3udferfü&e £uft ertoeefen.
Unb füllte burd& bie fcei&e Srunft
Unb beine $o$e (Segengunft
Sttlir audf) bie @eete gleich entfliegen,
60 ift bein 3arter ßetb bie 3*af)r,
SHe ©eele toirb bretoierter 3a$r
3>eln ^immeTrunber 93aud& umfd&fte&en.
36
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Unb toer aföbann nad& meiner 3*ü
3u Heben bid) toirb fein bereit,
linb f)ören toirb, tote idfj geftorben,
SÖirb fagen: toer alfo geliebt
Unb in bem 3arten ©d&oo&e ftirbt,
§at einen fanften Sob ertoorben.
37
(E&riftian $offmann öon §offmann§toalbau
SUS bie SBenuS . . .
bie SDenuS neuUdf) fafce
3n bem SBabe nacft unb Mo3
Unb (Euptbo auf ber (Sd&oofc
'©on bcm fiicbe^ucfer afce,
3etgte fie bem Keinen Knaben
StfleS toa3 bie grauen fcaben.
9ftarmorI)ügeI fafc er liegen,
Sömt Regierten aufgebaut;
Bptaä) 3ur ^Kutter überlaut:
Wann fterb id& bergleid&en fliegen,
S>a& nudf) aud& bie ©d&äferinnen
Unb bie 5>amen Uebgettnnnen?
33enu£ Tad^t au3 tootfem 9Hunbe
Äber if>ren Keinen 6ofcn,
3>enn fie fa& unb merfte fd&on,
3>a{j er tt>a8 babon berftunbe.
6prad): bu fjaft tooftf anbre 6ad)en,
3>ie berftebter fönnen machen.
Unterbeffen lieg fie fpielen
(Seine §anb auf ifjrer 35ruft,
3>enn fie merfte, ba& er Suft
§atte, toeiter nadfoufü&fen,
S8t3 i&r enbUcfc biefer ^eine
Kam an Üjre 3arten 9$eme.
38
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«attö er fid) an fie gefd&mieget,
<5pxaü) er: Uebe8 9ttütteriein,
SBer fyü an ba3 biefe »ein
(Sud) bie TOunbe 3ugefüget?
^Hüßt if>r SSJeiber benn auf (Srben
fo bertounbei toerben?
93enu3 fonnte nid)tS nte&r fagen
«SUS: bu fTeiner SBöfetoid&t,
$*acfe bt$, bu fottft nod) nid&t
9Tad) bergreid&en ©adfjen fragen.
SDunben, bie tum £iebe3}>fetfen
kommen, bie finb nicf>t 3U feilen.
39
Benjamin Steuftrd)
<St)Itoien.
SBaS fhid&ft bu, 6$fota, toenn meine fdjti>ar3e Qanb
Hm beuten «ufen fptelet?
(Sie toar fo toeig aI3 bu, ef> fie ber Ciebe SJranb
Unb beine 9Itacf)t gefü&Iet.
güö&t bu bog 5*uer tum in meine ©lieber ein,
60 fann ja meine §anb nidf)t ©djjnee unb TOarmor fein.
5>u fprid&ft: fie fcat Ja nidjtg 3U fud&en unb 3U tun.
©ar red^t. (£3 folt audf) bleiben.
6ie fucfjet nidjjtS aI8 bid^, fie tomnfebet Mofe 3U ru&n
Unb i&ren 6d&er3 3U treiben.
$Ba2 Urfad& ^aft bu bann, ba& bu bidfj fo beflagft,
S>a bu bod3 biefe ©unft ben gfö&en mdfjt öerfagft?
40
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^Benjamin 9Ieufird&
3>ic fdjjöne fiegbia.
fdjöne ßeSbia faß mit gefdf)ränften Jüfcen,
Jför netter Ringer toar um 6dju& unb ©trumpf
bemüht,
3d) fonnte, toaS fie fonft bodfj jebem $lug ent3ief)t,
Shtrd) einen fü^nen «lief in fttfler fiuft genießen.
3>ie 6eibe fcatte faum bem Marmor toeidfjen muffen,
ftdfj ber leiste SRocf bon t&rem £eibe fcf)teb;
S>ocf) aT3 bie fidfjre §anb bie toeijje «ruft berrtet,
5>a toarb td& unbermerfi in O&nmad&t ^ingeriffen:
3>ie klugen fanfen f)in, bie «eine tourben matt.
S>ie nacfte <5t)foia ftieg fidler in bag «ab,
wein ^luge fonnt au£ ber «erünrrung fuhren.
Itnb alfo toarb fie mir fein gan3 entbecfteS £anb;
S>o<$ &att bie bfojje «ruft mir fobter #raft ent»
toanbt —
SBaS fcürbe ©^fbiuS erft in ber 6df)oo& Verlieren!
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£>oad)tm SJeccau
$luf eineS 93eretter3 Qocfoett.
Sprtd&, toarum toollteft bu bir eine *2Dittö>e nehmen?
- 3ft feine 3ungfcr me&r, bie bid& ent3Ünben fann?
9tun, Jene pflegen ftdj) biel Teiltet 3U bequemen,
Hnb toeil bu foldjje mmmft, fo tuft bu tt>o&C baxan.
3>enn toaljrtidf) le cheval achemine* 3U reiten,
(Be^ft bu nidf)t o^nc (Srunb bei beiner Qodfoeit ein,
<E3 treibt bie «löbigfeit bie 3ungfern an bie 6eiten,
SHetoetf fie mefjrenteitö bodjj nur Raminques fein.
(Bie finb, greift man fie an, aI8 tooie chevaux qui s'arment,
SBo nidf)t le Cavecon bie Escapades geturnt,
Hnb ob par les yeux fie greiclj bie Äenner charment,
60 reiben fie boef) au£, toenn nur la gaule fommt.
3>od^ ein cheval loyal fennt aldhalb bie Seccaden,
Hnb toeil eg chatoilleux, fo mad&t'S airs reveläs.
63 ift nid&t des deux coeurs, man brauet e3 o&ne
©droben,
SDo nur ber SHeiter nidf)t gar ift ein bistourne\
3)a3, l)off idf), bift bu nidf)t; brum legä aufä arrondieren,
S>odfj rend la main bei3eit, fonft toirb cheval äbout
Hnb forbert bann toon felbft burdf) biere Courbatüren
2*on Caprioles matt bie angenehme Stafc.
3>od(j bie $at lange 3e& La langue Serpentine
3etgt noef) genugfam ^euer burdjj ebrouieren an,
Hnb glaub idf) mdf)t, bafe bir fo TangeS SReiten biene,
2113 bein Alenzan clair allevre galten fann.
SBetrad&te felber nur les actions de bouche,
SSoburd^ bein Piaffeur bir 3U Derfte^en gibt,
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Quil trfcs volontiers dans lit requis se couche,
9Do felbft aI3 im harras ü>m bie le$on belieht.
Hnb toenn man nun aud& glcidj) la seile für bidjj Ijätte,
De monter ä poil bift bu nod& me&r getoo&nt,
Seim 9Totfatt fcolte bid) nur feft ä les mollettes,
(So toirft bu bor Gefahr be£ 9ibu>urf3 (eidjjt berf d&ont
<2Ba3 bin idfj bodf) bemüht, bir des legons 3U geben 1
3>u toeigt ja nadfj ber $unft unb aud& nadf) ber 3tatur,
La main unb jebeS ©Heb 3U fenfen unb 3U &eben
Unb alfo fennft bu fc^jon Manege de Tamour.
43
©eftel)' e3 nur mein Äinb . . .
©eftefc n«r ®uti> un& töd&Ie nid&t 3U toter,
(Setotg, bu toeifeft mir bag erfte fiiebegfptel;
3>enn alä bcin füger SBtunb ein SBort bon Würfeln
fpracfc,
3>a bad&t id^ attererft ben Sad&en toetter nad&.
<£r tomrfelt gar 311 too!)I mit feiner klugen ^aar,
3d& fcort unb toufcte ntd&t, to>a£ ba8 gerebet toar.
3nbem fo bftefeft bu mtc$ gar 3U freunbltdf) an,
5>a bad&t tcJ) allererft, toie einer toürfeln fann.
Oft bieg bie SOÖürferart, too mag bog 93rettfj>iel fein?
3nbem fo fü&rteft bu mid) bei ber Qanb hinein.
<£$ rag mit ftto&r bebest, tdf) mad&t eS fanfte lo2
Unb fe||te mid& bamit auf beinen fügen ©d&ooß.
$ldfj, ba£ geliebte 53rett, bog mir ge3eigt toarb,
$Dar boppelt, runb unb 3art, tote Sftarmor toetg unb $art,
SHe klugen gaben mir ben redeten Söürfeftauf,
3>er SHunb ben beften 6tein, ben fe£t id& füffenb brauf.
S3)ie too&C fear mir babei, borauS, mein Siebten, bir,
S)enn bu, bu fud&teft felbft bie beften @jnel fcerfür:
S)icf»bacf unb Äontrapuff, 93erfe$ren, Sluäunbein,
3>ie fottten unfere Äur3» unb ßangetoetfe fein.
44
gnbem fo rufefi bu: adf) ftitfl tdf) fcore toaS!
3>ie <Jrau> ??rÄU Sftutter f ommt, fie fie^t, fie merfet ba&
^df), tote entfdjt idf) mid)! 9ldf), tote erfdfjracfeft bu!
5>a bccften toir in Sil ba3 SBrcttfpieT toieber 3U.
60 toar bog Qpiel geftört. Srag aber feinen (Brotf,
3eig mir bie Würfel nur, im Sali id& fjnelen fotf.
3^r ^ttäbd&en, lernet bieg, bie if>r mid[j fpielen fel)i:
3df) f)a& ben beften ©tein in meiner ßiebften 93rett.
45
3>u fanfteS 93anb . . .
$u fanfteä 33anb, ba8 meinen Seift beftricft
Unb meine ^rei^eit binbet,
3<fj fterbe ftetö burd& frtfd&e <8Iut eni3ünbet,
60 oft mein SUug auf beine ©d&ön&eit Wirft.
3$ Hebe bid&, nid&i toeiT bu feiben bift,
¥lod) toeil bie &unft be8 SÖeberS btdf) gefdj)tagen,
9Tein, fonbern toeil bein $ltla3 ftürbig ift,
S>afc ^tftö U)n an tyrem Änie getragen.
3$ Bfte btdjj, ba mir baS (Stüde rief,
$ton ibren 3arten ^aben,
3)ie bie Statur mit toarmem Schnee befaben,
Ob teij fcfjon feTbft in mein 93erberben lief.
3tör 5^6 ö>arb frei unb meine §anb fcerfd&ränft,
3a, toag nodfj me&r, mein §er3e fefbft gefangen.
S>ocfj freut e3 fiefj, toenn e3 an btclj gebeult
Unb toünfd&et nur, in beinern €>df)tnucf 3U prangen.
3d& fcalte bic$ bann f)d&er al§ 5>emant,
perlen unb Rubinen,
3>u mu&t be3 9Tadf)tg mir ftatt be3 iftffenä bienen,
3>e8 Sage3 trag idf) bid& an meiner §anb,
3m Sraume reb* tdfj ein3ig nur Don bir,
Unb toadf) i<$ bann, fo bift bu mein (Ergeten.
3>enn oljne bidf) unb beiner ^iltS 3***
#ann fonften nidfjtä mief) in Vergnügung fejjen.
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<£rl>in<mn Steumeifter
yRabxigal auf bie €5cfjür3enmobe.
Sie fangen toof)l redfjt artge Globen an:
SHe eine fe^t ftdf) toeß Don ©ofbe bran,
SHe anbere traget prangen,
Hnb bie 35rabanter €>pi$cnt
SHe anbre $at idf) toeift nid&t toaS bran fijjen,
S>ie nä&et fie mit U)rem ^Tanten au3,
SKe eine mad&t be3 Siebften feinen brauf.
6on tdf) bat>on mein toentg Urtetf fällen,
60 möchten fie nod& tt>ol)l 3U butben fein,
TOan nälje nur bie TOorte mit barein:
gier brunter ift ber näd&fte Wtq 3ur götten.
47
Sodann 93urcf)arb 'Ktenfe nad) ^uffa-'Rabuttn
Siebe3*9Ztajtmen.
1.
3&r, bie i^r fetter nid&t Derfte&t,
S8a£ if)r für Regung bei eudf) fügtet,
Hnb bodfj inbeffen früf) unb fpät
9ttit euren 3arten 93anben fptelet,
S)amit U)r euren 3uftanb toigt,
60 fei eud& fur3 fo oier gefd&rieben:
S>ajj Sieben ein Verlangen tft,
5>a8 nur bie Heben, bie totr Heben.
2.
(Ebelfteä (5efdfjledf)t ber (Erben,
SUIer ©d&ön&eit Äberpufe,
3)em bie ©inne 3in3bar toerben
Hnb ba3 £>er3e bienen mujj —
Siebet, bodfj ba% eure ^3fHd^t
3n ber Stille toirb getrieben,
3>enn bie Siebe ftür3t eudfj ntd&t,
$iber toofjt bie 9lrt 3U Heben,
3.
931 an f)dlt e3 inigemein für fdfjtoer,
3>a§ toaljre Siebe lä%t in £?reunbf$aft fic$ bertoanbeln,
3>od) ba3 befrembet mid& freit mef>r,
Hnb mein tdfj, bie Statur mu& to>of)t gar unred&t ^anbeln,
TOenn einer, ber ftd& lang aI3 ^xtunb fyit aufgeführt,
Sluf einmal einen Srieb bon Siebe fpürt.
48
x
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4.
3dfj bin bemüht, <£f)lorinben an$uttt\bcnt
6idf) 3U bcr 3<x1)l ber Siebenben 3U fdf)reiben,
^IHcin fie nennt e3 eine fdfjtoere Saft
Unb fpridfjt, fie fei noefj nidf)t barauf befttffen,
'©iTI aber toof)I Don mir bie begeht toiffen.
©f)torinbe, too bu Suft 3U lieben f)aft,
60 toirb fidfj fcf)on bie Siebe nidf)t entfernen.
Sldf), Hebe nnr, fo toirft bu Siebe Temen.
5.
gragft bu, toeld&e bon ben beiben unfrer Siebe me&r
genie&t,
SHe im Sieben unerfahren ober bie erfahren ift,
60 ift meine Meinung bie : beibe toerben bidfj betrügen,
"216er jene bringt me^r ^u^m, unb bie Tetjte mefjr 93er*
gnügen.
6.
TOe, ©tjftbta? bift bu benn afl^eit 3ufrieben?
Unb ffagft bu über mid) gar nidfjt?
$erft<f)erte Siebe toirb fd&fed^t unterf Rieben,
TOo man bie 3rüdf)te fidler bridfjt
3)enn foff man fidf) &er3en, fo mu§ t% audf) fdf)mer3en,
^Btt eifrig liebt, bem toirb e3 fdfjtoer.
$lcfj 6t)Ht)ia liebet midf) fdfjtoerHdf) Don §er3ent
TOarum? 6ie trauet mir 3U fe$r.
7.
m$t meine, ©ftforiS, bafc bein Sttann
Un3 in ber Siebe ftoren fantu
6ein (Eifern ift ntdf)t 3U berbammen.
4 <8lel, euftfcälbcfcen. 49
§enn er bermeljrt ber £tebe Jrud^t
Unb bringt burdf) feine <£iferfudf)t
Un3 beiberfeitS in botte flammen.
8.
Du madf)ft, bag bu toerbäd&tig bift,
3)amit bid& 3>amon nidf)t fott frebentltd) beriaffen —
$ld), brause feine fotd^e £ift
Unb liebe redfjt unb gut, to>o man bidfj nidf)t fott Raffen,
3>enn burdf) «akrbacJjt unb falfd&en ©d&ein
Crfticft bie fiiebe btctd^ in 3arten «lüten —
©ott beß Vergnügen DÖttig fein,
©o mu% ein §er3e fid& audj bor fiefj felber f)üten.
9.
2täbia, idj fott Dir fagen,
2öie e3 fommt, baß toir ftetS flagen,
Sllfo gib mir nun ©efjör:
(Einer &at ftetä ©dfjulb Don beiben
3>enn inbem örir beibe leiben,
£eibet einer immer me^r.
10.
20 er nidfjt mefcr tut,
toeß man fobert,
§egt eine ©lut,
SHe faum noef) looert.
3)0(1) burdj Regier
#ommt einer ftetS bem Stnbem für.
5a, ber erljäTt
^Bci Sieb unb Äriege
50
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3toar toof)t ba3 Jett),
3)odf) toenig 6iege,
3Öer nur bie Pflicht
Xlnb fonft ntdf)t3 rühmliches fcerridfjt.
11.
$u bilbeft bir, mein Heber ©trepfjon, ein,
bürfeft bu attein treubrüchig fein.
S>ocf) mu&t bu nicht bon beiner Stau befennen,
6ie fei auch ein 3erbrechfidfj 3>ing 3U nennen?
12.
Ob man bie Siebe gleich für einen ^Heifter fdfjätjt,
$er un3 fdfjon für ftdfj ferbft genug !ann unterrichten,
60 forbern boch babei ber ßiebe fchtoere Pflichten,
$afj bu bem anbern fagft, toa3 bidfj in flammen fefct.
13.
CK) man einanber noch recht fennt,
pflegt man fich <5ie unb (Sie 3U nennen,
SlTTem toenn totr un3 beffer fennen,
60 ift und fdf)on tt>ett mehr toergönnt;
3>enn 6ie unb 6ie Hingt 3toar galant,
S>ocfj 3>u unb 3>u ift mehr touchant.
14.
$u frageft mich, geliebtefte ßtfette,
Ob id^ btd& lieber tot al$ faffdj unb untreu hätte,
©0 nimm bie ^Intoort ein:
3d& toottte toohl mit ßuft mein Ceben für bi<h geben,
§ingegen toirft bu mir bie! Heber ohne Ceben
ohne ßiebe fein.
51
15.
2Bcnn id) ber £iebe ^rud)t bei bir genießen tDitt,
€5o fprtd)t bu: ^offe nur, e3 Heben ifcrer Diel,
5>ie bem ©erlangen felbft gemeine ©ren3en feigen,
^lun liebet jeber 3toar fo tt>ie er e3 toerftefjt,
3d) aber glaube bieg: toer niemals toeiter gebt,
3>en muß bie £iebe felbft für einen (Stümper fcfjät$en.
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11 =r
G&riftian 3*. §unolb
3>ie ©dfjoog.
3cfj bin ba8 ^rabieS, bor bem bie #eufdf)beit toadjet,
3n beffen ©egenben bte £eben3früdfjte Müljn,
SOÖo unfer £eben toirb tote Jeuer angefadfjct,
3)abei bie <3öf)ne fidfj, tote ^bam, gerne müf)n;
Sin guteS <5tlb, ba£ nur geratne Jrüd^te bringet,
(Sin ©arten, ben ber Sau ber TOottuft überfliegt,
3a, ber bie «sUnrnut Ijat, bie arte SÖelt be3tonnget,
Hnb beffen SBrumenfelb fein eigner <$lu% begie&t;
(Stn9lteer, tooCSbb unbjlut bem 9ZtonbenIaufe greifet;
(Sin foiegelgratteS (StS, too audf) ein «Riefe fallt;
(Sin §afen, ben bergnügt bie 3ucferfTott erreichet;
3)ie 6dfjure, bie tnan nur für junge 9ttänner fcäTt;
3)er £iebe «SKufterjrfajj, bie 9ttannfcf)aft au8$uübtn;
(Sin 3^n9ert toerd^er 3U, bodfj nidj)t berfdftfoffen ift;
3>ic S©af)Iftatt, too to>of)l audj) ein 6imfon ift geblieben;
$a8 <Sdf)ü$en|>au3, in bem ein jeber gerne fdf)ie&t,
Gin 33ergtoerf, toeldfjeS ©olb unb (Stlberabern $eget
(5>ie ^ünfcfjeTrute fd&rägt oft art3U heftig an);
(Sin £anb, ba£ unbefdt audfj feine Jrüd^te traget;
(Sin 9ibgrunb, too bie TOelt bie Herfen ftfd&en fann;
3)er Männer größter <Sdf)a$ liegt oft in meinem 8*$*»
S)enn ba3 Skfjältntö bin icfj etgentftdf) ba$u,
5>rum &ält bie Ciferfud^t bei mir fo fd&arfe ^Dac^e,
3>anut bemfeftigen fein 5*em&er (Singriff tu.
5)er fiiebe Slu&eftatt, bie Hegt auf meinem ©runbe,
3br 5orft, in toetd&em fie bie fd&önften 3<>bel }agl,
SHe Scanner finb babei bie beften 3äger&unbe,
53
3>enn t&r bertoegner (Seift ift immer unt>er3agt
SÖenn td& berfd&loffen bin, fo gef)t bie £uft im Ceibe,
Oft toerben gar barum bie £änber ruiniert
Hnb fjrinnen Srauerflor anftatt ber toeigen ©eibe,
TOeil meine ^Hufd^cl nicfjt ben S^ron mit perlen 3iert.
2tur eineS ärgert mid&, bajj aud) bie #tnber toiffen,
bie Otrtoad&fenen in meinem ©arten tun,
Sötte fie burdf) i&ren Sau mein SBlumenfelb begießen
Xlnb mit ber größten £uft auf biefem 93ette rufjn.
^djj fönnt idf) biefer 93rut unnü^e kleben ftillenl
(Sin SBorfd^lag fällt mir ein: tdfj totfl bemnäd&ft einmal
ungett>afd&ne£ $ttaul mit meinem SÖaffer füllen,
SBer toeig, befrei idf) mtdfj baburd^ Don meiner Qual.
S>odf) meine 93löfce Reiftet je$t micfc fttlle fd&toetgen,
3>rum f)üll icij toieber mtcf) in meine 5>ecfen ein
Xlnb toill nur nodf) mein Sun baburdf) gebilligt seigen:
SSDo Blumen follen blü&n, muß Sau unb «Regen fein.
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d&riftmn $r. £>unolb
§Uf gimmctl toeTc&en ©djmucf . . .
Mf §tmmcn toefc^en ©djmucf ber perlentoeijjen ©Heber
£ieg mtd) ber 3artc £eib an feiner Stföfce fefjnl
SHe Prüfte lagen l)ter gan3 ungetoö&nlidj fd)ön,
SHe gänbe ftufcte fie am 93aud)e &in unb toieber,
6ie fcub ba8 eine $ein 3U toafd&en auf unb nieber,
5>aft mir ba3 ^arabieä redjt offen fonnte ftefjn.
3$ fang: Simalta, lag mid) bod) $u bir ge&n,
Mein fo ©d&am al& ^oxn berfttmmen meine 2ieber.
2id) «Benug unferer 3eit! 5>u bift SHana ntd&t,
SHe in bem Brunnen gleich bog SobeSurtetf fprid^t,
5>odj fudf)t bein ftrengerSrtmm mein £eben3U Berlinden.
©o fällt 9lar3iffu3 bort in 93runnen, ben er fief)t:
SÖetf nun mein ftor$er ©eift 3U greisem 6j>iegel
60 fannft bu mid) 3ur ©traf in beinen Brunnen ftür3en.
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91. SB. im t6d>Icfiföen ^eücon'
9ln SRofetten.
Ä$ fomm bu sucferfüjje 6tunbe,
Wcß fäumcft bu? ad) fomm fjeran,
3>ag idf) aug ber «Rofetten 2ttunbe
S>er £iebe 3ulej> faugen fann,
S>a id) bon fcödfjfter SöoHuft t>o!l
SBor Ujrem ®(an3 aI3 SDacfjS 3erfd&mer3en foll.
Sxitt fje*> bu §tmmeI3&ttb ^tofette,
3)ie JinfterniS bringt fd)on herein,
5>rum u>trft bu mir in meinem 33ette
SZtein $lngelftern unb 6onne fein.
SlÜaS adjt tdf) benn ber bunüen STad&t,
SÖenn nur mein £t<#t unb (Sonne bei mir to>a<$t!
Grquitf mtdfj nun mit ^mbrafüffen,
Jüg beine SJruft 3U meiner 53ruft,
£ag alle ©Heber &eut 3erfliegen
Ston biefer fjoniggleidSjen Suft,
Unb lag ben tilienu>eigen £etb
©ein fceute nid^tö al£ meinen 3dtocttte\b.
5aH tdf)? e3 fieren fefl&ft bie SngeT
SBer taumelt ntd&t Don einem ^enuä'Srunft
3df) bin ein 9Henfdf), brum $ab icl) Sttängef
Unb fu&Ie füge 5ft$efung.
S>odf) faTI id&» aBbann fatf idfj tfog
3n beinen ^rm, mein #inb, unb 3arten Scfjoofj.
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,<5df)Ieftfd)er ^elicon*
S>er glücfHd&e ©d&o&fcunb.
flcf) $inb, toie fannft bu bodfj fo unbarmf)er3tg fein!
Wenn id^ btd& fuffen toitf, fo toetd&eft bu 3urüdfe
Unb ret&eft burd& ben SBUtj er3ürnter ^ugenbttdfe
3>en 3Jau ber fd^önften goffnung ein.
Snbeffen tut bein §unb, tt>a3 tef) nidf)t toagen barf,
Wiampo fügt fein 93XauI 3U beinern 3arten SXtunbe,
$tt gonnft Ü)m manche Suft unb angenehme 6hmbe,
Stur gegen mtd& bift bu fo fd&arf.
§at meine Siebe benn ni<f)t einen beffern ffirunb?
60K eine 93eftie mein fügeS 3^ berfjinbern?
91$, Ijalte nticfc bod& nur, um meinen Sd&mer3 3a Unbern,
3uw toenigften toie beinen §unb.
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,<3cf)leftfcf)er $cttcon'
3cfj mu& e3 to>of)l gefte&n . . .
3cf> mu§ e3 tooftf geftef>n, toerltebte (Salimene,
3>u tuft 3U Stnberung ber angenehmen ^etn,
60 i$ bir jefct gefragt, mit mir jetjt 3temltd& fdf)öne:
S>u räumeft mir bein §er3 3U meinem Säger ein,
<£3 ift ein füßer Ort. SiUein, berbuf)lte (Seele,
3dj fag e3 glatt f)erau3: (£3 fteF)t mir nun nid&t an.
d% liegen anbre fd&on in biefer 9lofenf)ö&le,
SHe Sieb unb (Eiferfudf)t ntd&t um fic$ leiben !ann.
9)or biefem Ijab tdfj bidj) 3toar oft barum gebeten,
3113 mtd& ein ftarfer Srieb 3U beinen #nteen riß,
3>a feuf3t* id&: lajj midf) einft 3U biefen SRofen treten
Unb offne meiner §anb bein fdf)öne8 ^arabieiS.
9lun aber mag tdfj ntdfjt in biefen ©arten fommen,
(£3 finb fdfjon anbre ba, bie Ijaben 3ü>eifel3o&n
SHe heften Blumen längft öom 6tocfe toeggenommen,
Hnb alfo bau icfj mir ba feinen TOollufttljron.
5>er Ort, an toelcfjem fidfj mein §er3e foH Vergnügen,
9Hu§ ftetö öerfcfjloffen fein unb mir nur offen ftefjn.
TOo anbre $Bo&nung ^aben, ba mag idfj nidfjt liegen,
2Kein ©dfjafc mu& nur allein mit mir 3U 93ette ge&n.
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========================
©ottlteb (Skamunb SortrinuS
2ln ben cif erfüdjttgen Ceanber.
£eanber, lag bie ©orgen fahren
llnb ftefte beinen Cftfer ein,
S)u fannft bie totten ©rillen fparen
llnb fold&er überhoben fein,
34 fomme bir nid&t in bie Jlanfen,
3Da£ bei&t bu bidfj mit mir f>erum?
2a% bod) bie tf)örid)ten ©ebanfen,
3>ein 9ttäbcf)en ift mir Diel 3U bumml
5>u toirft e8, 3eigten3 bie ©ebärben,
O&nfe&fbar too&l nodfj bor SDerbrufc
3u einem Saftfiäfen toerben,
3>er enblid^ gar 3erberften mug.
^d^I f)ufte nur nidf)t in bie §ögdf)en,
$Denn man 3U beinern ^Habd&en Tad&t
Unb mit if>r bann unb toann ein (S&dScfjen
SEHetDo^r bir nur 3um 6d&er3e mad&t.
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©ottticb (Sicgmunb GorbinuS
5Uuf einen unfd&ulbtgen ^TebenbuFtfer.
^uffdfjen, toifdfj bir bon bem SläSd&en
S>ocf) ben «Roij, ben man noclj fd&aut,
<£&e bu berfiebteS §ä3df)en
SHcf) bei ©t)Ibien ing äraut
3XHHft toie grogeä TOilbpret feijen.
£auf, fonft Taft id& fidf)erHcfj
SHdf) barauS mit §uuben &e$en,
©tfbia ift nid&t für bid&.
SDaS fott i&r bein gelber ©d&naber,
Süngerdjen, probier e£ bodf),
Ob bu tooftf big an ben 9tabe(
Ober ettoaS tiefer nodf)
^annft mit beinern ^atfdfjdfjen rangen,
S>odf) betfetbe 3aubre niefct!
SHein! TOie toillft bu SHetfen fangen,
3>a ber ©prenfel bir gebricht t
3rr td& ntd&t, fo Hebt ber Sudtr
SHr nod& toirfliefc am ©ebiß,
3>en no<$ nadjft bir armen (Sd&rucfer
3>er ärtfri&a&n fd&arren Heg.
<£t, toie riecht bein Aitern füge,
3>er nadf) SHutterbietje fd&mecft,
ttnb bon tyäpp unb bem ©emüfe
ItnS ben 9Iacf)fd&macf noefj entbeeft.
60
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3ft ber tyopd au3 ber STafe?
§at bie SKufcme btd) gebürft
Unb n>a£ bir im Gmnbe fajje
SItit bcm Staunten tübgefnirfd)t?
£ej>fcfj! toUIft bu 3ur 3ungfer ge&en?
©inb aucfj bcine §ö3djen rein?
£äj$t bu beute tyuppt fte&en,
3>ie jaloux barüber fein?
(5ro&eriDad)fne8 5rawen3tmmer
6pielt mit feinem Rampelmann,
3>enn bie Jungfern fud&en immer
(Einen bdrtgen (Eourttfan.
<Si, ber SUffe mu& bid) freien,
3>a& bu btefeg fdf)öne Äinb
^itfft 3U 6tecfenj>ferben ftelTen,
SHe für bi<$ 3um leiten ftnb.
61
♦
3)a im ©egenteil bie anbern
9ltu|teti nacf) bem S)orfe toanbern,
2Do man ifjren 93ater fie&t.
WU Sugenben 3U Toben,
SÖBirb nottoenbig aufgefd&oben,
S)enn e3 fehlet an ber 3*tt;
3>odfj nur etftaä 3U berühren,
Unb bie größten an3ufüf)ren,
geiget SpfTi^t unb ©dfjulbigfeit.
Äann bie 5>anfbarfeit auf (Erben
6onften (aum gefunben toerben,
?Öar fie bodf) fein größter 9tuf)m.
3ttuf$ bie Sreue fid& berfried)en,
Qatte fie bocfj 3oified^en
©reicfjfam atö fein Eigentum.
S>enn man faf)e biefeS günbd&en
TOmmermefcr ein SKertelftünbdjen
^lufeer bem getoo&nten 6dSjoof$,
S)a e3 fonnte fidler liegen
Unb beftdnbig mit Vergnügen
£eben3unterljalt genofc.
gamburgS toeftberüfjmte ©äffen
§at er neulidf) fefjen raffen,
$)a% er fdf)ön unb artig fei;
Sttefem Sewgnfö au3 ber gemt
£eget audfj bon §er3en gerne
Cüneburg fein ^otum bei.
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2lber mug tooftf auf ber (Erben
(Sttoaä angetroffen fterben,
SBetgeä Cange bauern !ann?
3oifiedf)en &at'3 erfahren,
3>enn nad) 3to>eten biertel 3#>ren
$Tafjte fein Sennin fjeran.
(Eben toarenS bretmaT fieben,
SHe tinr im Oktober fd&rieben,
er unbermutfid) ftarb
Unb fid^ in bem fdjönften ©arten,
3>te 33ertDefung 3U ertoarten,
(Eine füf)U ©ruft eroarb.
kommet alfo, if)r Charmanten
Stttt ben fpiefenben «pfatfanten
Unb besaget eure 9Tot,
6eit betrübet, tfjr ^BrüneKen,
Stebft 'SHmourS unb ^ovabcUcn:
(Euer goifie ift tot.
5 «let, öifltoäibc^n. 65
Regina SZtaria ^fitjcrtn
9luf ben Sob be8 ©d&og&üttbd&enS
9lmourettdf)en.
URan raubt mir o&ne (Sd&uFb mein £eben,
SRief Äaifer SituS, dg er ftarb;
linb Slatjeburg totrb 3eu3nt3 geben,
S)ag 9lmourettdf)en fo berbarb.
Cht SXäfd&er bleibt oft ungerod&en,
SDie gern er toaS berbotneS frigt,
3>a nur ein 33eindjen, nur ein Änodfjen,
5>a3 tf)tn ben 3arten §atö burdfjftod&en,
3>er Sob bon SHmourettcJjen tft.
3>odf) ftirb nur, ßolbeS ^mourettd^en,
6tirbf toetf e3 fo bein Sd&icffal l)eigt,
(genug, bag bidf) bein (Sterbebetten
Sticht gän3ftcfj bon ber (Erbe reigt.
6inb beine ©lieber fd&on berborben,
60 brütet bein ©ebädf)tni3 bod&,
3>enn toer ber 3>amen (Sunft ertoorben,
3ft, toenn er ftirbt, nur Ijalb geftorben:
3n t&rem §er3en lebt er nodf).
(Sin «SDibber trug einft gitfbne «JBotte,
SHe gab man für fta$ rareS au3,
9Han fd&rieb iljn in ber ©ternen SRotte,
Sttan fcing fie in ein <Söt|enf)au3.
Ö fdfjriebe bod& bie ftügfte ^eber
S)ie8 §ünbdf)en aud& ben Sternen ein,
66
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So tote ein mi3geftoj>fteg £eber
$lud) fonber 33fut unb of)n ©eäber
Un3 fon ein etotgg 5>enfmal fein.
SÖoljr un3! bie TOünfdje finb geraten!
S>er gan3e ^inbuS regt fid& fd&on!
5Han fingt bon ^mourettd&enS Säten
Sogar auf ^oftodtä Qeftfon!
9Hir aber, bem ba3 ©tücf 3utoiber,
5Hir, ber td& müfrfam reimen fann,
SHir fdpgt bie $ur$t ben ©riffet nleber,
$>enn $ter finb fo Diel Sd&toanenlieber,
2Der &ört ber ©änfe Schnattern an!
67
i
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STOittefinb-floromanbel
9ln Jleuretten.
9Ba3 quäteft bu bie Keinen SHnger
Unb fd&nürft fie in8 ©efdngntg ein?
(Ertaube bem barmr)er3gen Ringer,
2>afc er barf ir)r Ctrtöfer fein.
*2Hit ltnred)t ^aft bu fie öerbammet,
6ie fjaben bir Ja nidf)t3 getan,
$ein getfeS geur bat fie beflammet,
(Sie ger)n nodf) auf ber Unfdjulb 93af)n.
3n biefer engebrüftgen Maufe
§at fid) il)r £eben gan3 öerftetft
Unb unter ber Vermummten Traufe
9ttit ^ngft unb <5euf3ern 3ugebecft.
(Sie finb Don Sraurigfeit gefd&tDotten,
(Sie toanfen 3itternb fjin unb f)er,
Hnb toenn fie $Uem fdfjöpfen tooften,
TOie brüeft fie bann ba3 ©itter fcrjtoer.
0 la% bie fußen Srauben flauen,
2a% fie aug irjrer Detter geljn,
Srifft fie Verliebter triefe Sauen
SöaS giftS, fie reifen nodj fo fd)ön.
68
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©ottlieb eicgmunb SoröinuS
3)ct fdfjHmme Sraum.
Hai m*3) fd^rafcn, liebfte ©eele,
TOÜlft bu ntd&t 3ufricben fein,
3>ag idf) midf) am Sage quafe
Unb mein §er3 toiel taufenb spein
deinetwegen mufj ertragen?
©oft mid) nodj) ein ©dfiattenfpiel
sntit berttebten Sräumen J>fagen?
CngelSfinb! ba3 ift 3U biet!
können bodfj berfjajjte ©flaben,
SJDciT ba3 ©df)tff im Slnfer liegt,
$tet ber 9ftad^t geruhig fcfjfafen,
3d& aftein fdtfaf unbergnügt.
SUud& bie 2Tadf)t toift mief) nid&t fdf)ü$en,
3>enn mein §er3 erfährt babei,
3>a{$ e8 mufj erbärmlich fdf)tt>itjen:
Sag unb Stacht ift einerfei.
^enn ber überhäufte Kummer
kleinen fd&toad&en ©lieberreft
3a 3uTe^t in einem ©dfjlummer
^uf ba3 SBette finfen ragt —
©cJjraf id^ bodf) auf f$atofö ©teinen,
3>enn ba toirb mir bei ber SXad&t
Gtfeidf) n>a£ in bem Sraum erfechten,
2>ag ftdf) (SngeTn ähnRcf) mad&t.
69
a
3$ barf $ti>ar im gtmmel fieigen,
SÖeld^er beinen ©d&oofc umfdj)leu&i,
2DeiI bein gütige^ 93e$eugen
Stttir im Sraum bie Detter toeift,
Unb geniefee 3ucferleben,
S>a8 mir beine farge §anb
SRimmerme&r toirb toadfjenb geben,
S>enn bu bift bon 3>iamant.
Slmor lagt miclj trdumenb ftegen,
3>enn id& fe$ ber ^almen fatt
9luf ber toet&en TOa&lftatt liegen,
3>ie mein 9irm erfod&ten f)at;
Unb bei meinem fügen ©dfjlafen,
TOenn fidf) SSlaft unb Segel regt,
Säuft mein 6d^iff in beinen §afen,
S>en bie 9knu3 angelegt
3$ befd&tff bei 6turm unb 93lifcen
3>eine neuerfunbne SDelt,
S05enn bie bellen um mid& fjmijen
Unb ber ©djjaum ui3 95ette fallt,
Sanb id&, e& id& mtd&3 berfe&e,
SUn ben 3«^nfeln an,
60 ba& id& fie in ber 9tafce
§albent3Üdtt befteigen tonn.
OTenn id£) midf) mit Sräumen paare,
Jinb id& feinen TOiberftanb,
3>en t<$ oft bei Sag erfahre;
3>enn im @d&laf barf meine §anb
70
4
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STacf) ber ^urjntrmufdjel greifen,
SHe bein Ufer auSgefät,
3a, idf) mag nod) toeiter greifen,
3Deit mir aüe3 offen fte&t.
SUber ad&I toenn id& ertoad&et,
©infet mir mein fteifer Sltut,
Ob tdf) gleich im ©dfjlaf gelad&et
Unb e3 mir nod& fanfte tut,
2ä%t midf) bod& ber ©laube lefen,
3) er mir in bie §änbe fömmt,
S>a& rnicf) nur ein fd&äumid&t SOBefen
«ei ben Sräumen überfd&toemmt.
SHeine ©lieber finD gefd&tagen,
Unb ber auSgebrodfjne @d&to>et&
Stehet, ba& idf)3 faum mag fagen,
Siuf bem Selbe tropfentoetö.
3$ fann faum. bte Cenben rubren,
3>enn bie ©eifter finb ba&rn,
Unb micij au3 ben Gebern fuhren,
©eil tcf) matt unb mübe bin.
$rum fo ftelTe, ttebfte ©eele,
#ünftigl)in bein ^Hartem ein,
3>a idf) micf) am Sage quäle,
£afc bie 9Iädf)te meine fein;
©idfj am blojjjen ©dfjatten laben,
3ft ein <Si3, ba3 batt> 3erbrid&t —
©aS idfj nidfjt foll toad&enb fcaben,
Sltag idfj audj im Sraume nid&t
71
$of)ann griebrid) lieberer
9tebe einer fcf)ü>angern Softer, toeld&e auf
i&rer eigenen gottlofen Butter <Sd&oo& bie
<£ljre berloren.
Zf)t ©ternet fjelft: idfj fterb in un3udfjtt>otten Rammen
$luf meiner böfen ^Kutter adfj! t>erfTud)ter ©cfjoofe.
6ie fd&ränfet Seht unb Sein unb 9lrm um 9lrm 3U-
fammen,
6ie Raufet ©cfjanb unb 6d&imj>f unb madfjt mid^
e^renlo^ ;
3<f) mug ber 3unber fein, an bem fie ungerodfjen
S)en ©d^toefer geiler SBrunft bem Suftfer 3ünbet an,
9tun tft mein 5euer3eug mit (Stein unb ©taftf 3er-
brod&en,
2>af$ feine £iebe£f)anb redfjt Jeuer fragen fann.
^dfj, adfj, auf Ijetfe ©lut toirb ^oHifd^ «Raud&toerf
brennen,
3>er (Erbe feufdfjer <5f)r ift Un3ud[jt eingeftecftl
Sin ©artner, ber fidfj f onft Maronen gteid^ barf nennen,
§at meiner Shime 3tfüt mit Sdfjtt>efer brau beflecf t.
•SHein Äleinob ift berf djer3t, bie JJungfernfdfjaft geftorben,
SHe in ber Butter ©dfjoofe tyr ©rab gefunben fcat.
TOaS an mir ttebenStoert, ba£ aUtö ift berborben
3>urdfj meiner 9!tuiter ©dfjulb, burdfj iljre Äuppfertat.
TOag Ijat bidf) Sigertier, bidfj Seufel3f)er3 betoogen,
3u fi>fdf)en getfe ©hit an meiner feufdfjen Sruft?
(Ein ©edfjfef fjat bierietdfjt ben Minben ©e*3 betrogen,
(Sin SD3ed;fer, ber nur ©fjr bertaufdfjt mit Suljlerluft,
9Itit £uft, bie meine Sruft gan3 graufam enbRd& quäfte,
72
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Ob gCctcf) bie #ttjeiung burdj beibe Cenben lief,
Ob er gUid) taufenb Äüfc auf meine 2ippcn $ä1)Ue
Hnb ftetö: o §tmmef3bilb, o CiebeSgötHn rief.
SHe Äüffe toaren Quar, bie TOorte 3>onnerfetfe,
3>afc aTfo 9Hunb unb Of>r i&r Anteil f>alb berfludjt,
3)er Äi^ef, aCi toenn man mit einem ftumpfen ^PfeUe
3>er ^einbe toarmeä Sttut in U)ren $lbern fud&t.
9ldf) biefeS (5(eid)nid fünt mein Slug mit $eiften.3ä&ren,
3$ bin auf greife TOetg mit folgern ^feil Wefct !
9ld) bafc ber gimmef mir bodf) biefeS tooflt gemäßen,
5>a& meiner SHutter tomrb bie <5rabfd&rift aufgefegt:
„§ier Hegt ba8 SlaS, um ba£ fo (5ei3 aI3 (SetffjeU
fämpfen.
(Setoinnfucfit toar il>r $*or«, i^r 3unam* Äupplerin.
Sie Ijielt tf>r eigen Äinb be3 SBuftferS «runft 3U
bämpfen,
Hnb gab ber Softer <£&r um fünf3ig SM** f)in."
73
So&ann griebrid) Biebern
-
3>te e&elid&e spflid&t
%12 einft ein alter §err ein JungeS <2ttabdf)en freite
Unb i&m fein fd)frad)er £eib nid&tö guteS prophezeite,
6prad) er 3U i^r : mein Äinb, f ie toirb f id) ja bequemen,
Unb toirb bie eftf'ge ^flidfjt quartaltoetö t)on mir nehmen.
3&r TOiberfragen toar, ba fie ftd& !aum bebaut:
^Urein,*toie bieT Quartal, gtbtS benn in einer STad&t?
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3ot>ann ^rlebrtd) ^lieberer
3>ie fdfjöne (ä>ertraub.
$ie fdfjöne (Bertraub, fo fid& jüngft bermdftft, toottt
totffen,
SBann too&C bie befte 3«t btx fiieb $u pflegen todr;
(Ein 3>oftor faß bei i&r, ber toar fogleidf) befttffen,
$kbadf)t fi$ auf bie Jrag unb fagt ityr o&ngefdljr:
Söenn man be£ SttorgenS Jrüf) bie «Rofen benft 3U
J)flücfcn,
3ft'8 ba3 gefünbfte Gpid unb für bie Cenben gut;
3>te aber bei ber 9tadf)t ftdj) 3U ber Arbeit fd&tcfen,
(Beniesen tiefre £uft, um tx>etl e3 füger tut.
3Do$(, fagt bie junge Brau, bann fcrift tcjj fünftig forgen,
3u pflü&en in bem 93ett bie 3rü<$)t ber Jungen 3«**
93orerft, toetf e3 gefunb, 3U Jrüfc am gellen borgen
Unb toann e$ 9lbenb toirb, bann um bie 6ü&tgfetk
75
Sodann grtebrtd) SRtebem
3>er jungen Softer einfältige fragen an
bie Butter.
$ld) Butter, adf) £eanber3 Hüffen
6cf)mecft beffer al8 ber befte 6eft,
34 mochte bodf) bie Ur\ad) toiffen,
llnb toaS er tägttd& an mir leeft,
ßr greift midf) an, er fdjnürt miefj 3U,
(Er fd&toort, ba& er£ auS ßiebe tu, —
S>rum, Hebe 9ttutter, fagt, tdf) bitt,
9Ba3 meint, ti>a£ meint er too&f bamit?
(Er fefcet miefj auf feinem <5df)oo&e,
(Er u>ünfdf)t bei mir aüein 3U fein,
(Er machet meine Prüfte Moje,
(Er bruefet feine Singer brein,
(Er füffet mid&, er ftreid&ett, fpieft,
SBtö ba& er toeife nid&t too&tn füf)Ct —
3>rum, liebe 9Kutter, fagt, idj) bitt,
SDaS meint, ti>a3 meint er tooffi bamit?
(Er gibt mir Su&et, ift mir l)ott>e,
SBefie&et §änbe, $ü& unb STaf',
ob er midf) burd&gudfen tooltte
Unb feuf3t 3uCejjt, toeig ntdf)t um toa8;
(Er fagt, td& fcätt'3, unb gibt nidf>t *u!>,
3d& leugne unb er Tad&t ba3u —
S)rum, Hebe 9ftutter, fagt, tef) bitt,
3Öa8 meint, toaä meint er tooftf bamit?
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£c^t ba er aug bem ©d&taf midf) toecfte,
#rocf) er gan3 fanfte neben mid^.
60 halb er fid& ein bi3df>en ftrecfte,
60 tourbe mir gan3 ttmnberltdf).
(Sleici) tt>ar mein TOunfcf) unb mein 93egef>r:
Heber Bxeunb, fomm öfter f)er —
2) rum, liebe SHutter, fagt, t<f> bitt,
SDaS meint, toaS meint er tooltf bamit?
3>en anbern 9Ztorgen tarn er toieber,
(Er fd)ttd) fidf) ein 3ur ßammertür
Unb legte ficf) gan3 fcurtig nieber,
3$ toar bor SMluft auger mir.
Sßtein #inb, fo toaren feine SÖBorte,
3d& toifdf) bcS SItaul unb fd&nurre fort —
3>rum, Hebe Butter, fagt, idf) bitt,
^Dag meint, toaS meint er toof)t bamit?
ta &ei&t er mid& fein liebe« <5Beibe,
3$ bin fein genndfjen, er ber gafcn.
6eit geftern fpür t<$ toa3 im £eibe,
(23 flopfet tote ein gammer an.
Unb ber 2eanber fpottett nur
Unb foridfjt: ei, ei, bu arme gur!
3) rum, Uebe SHutter, fagt, id& bitt,
SODaS meint, tt>a3 meint er too^t bamit?
77
,3leuer Söorraifc'
S>er SBeiber tDofjUanbirte ^ribüegia.
3ti nachfolgende elenbe Meinte gebraut
3)urc$ t>en Ungebundenen t>on Bremen.
$er SHann foll (toenn er toilQ ge&ord&en feinem TOeibe
linb U)r me&r guteS tun, alS feinem eigenen fieibe.
(Er foH bie Arbeit tun, 3uljau8 unb auf bem £?elbe
Hnb ja ben ©dtfüffel nidf)t begehren 3U bem ©elbe,
3>er SZlann fott (toenn ft<f>8 fd&tdft) fo balb er toirb
ertaadfjen,
5To$ früfc fein brauf btbafy, bie 6tube toarm $u machen.
3>a8 TOaffer fott er balb U>r toärmen unb ingreid&«n,
SÖenn fie gett>afdf)en ift, ein toeifceS §anbtud() reiben.
(Ein 6cf)äld&en Don (Eonfect fott er bei §anben $aben,
5>amtt fie auf ben 6d&laf ftdf) toieber mög erlaben.
SDo ettoaä überWeibt, fo fann er'3 audjj genießen,
3>od& frag er toobl 3ubor, e8 modf)t fie fonft berbriefcen.
3>e§ ^benbS tollt bem 9Rann au<$ toieberum gebühren,
6le (loenn e8 U>m beliebt) inS toarme 93ett 3U fuhren.
SHe tieftet überall gebührt t&m auf3ubinben,
S>odf> ba% fie fotcfje frul) auef) möge toieber finben.
hierbei fo toirb ber $ttamt fi$ audj bequemen muffen,
3u loärmen allemal bog §auj>t« unb 6df)ufterfiffen,
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3)en SDÖdrmftetn foll er fein auf iFjre 6etie bringen,
Unb tyr, toenn fie e8 Reifet, ein «SHegenlteblein fingen.
$ege$rt fie ettoaS me^r, fo foll er fie berforgen
3u SQXitttmcHfyt fotoo&l al8 an bem lichten Sttlorgen.
SBift fie einmal 3ur Suft mit Jemanb au£fpa3ieren,
So la& er, toen fie nennt, fie bei ben gänben fuhren.
^eibt fie au£ über ^Tad&t, fo lafj er'8 audf) gefdjefjen,
6ie tolrb bodf) überall nad) ttjrem $tutjen feben.
beliebet tfcr, ein ©piel btStoeilen an3uftellen,
(£8 fei auefc, too e8 totll, mit anbztn SJunggefellen,
60 foll er fie barum ntd&t neiben ober Raffen,
SHelme&r bie Cuft tf)r &er$Itd) gerne laffen,
(£r foll, too er nur !ann, audf) 3U berfd&me^en toiffen,
'SDenn fie auf i&ren Sltunb ein guter Bxtunb totll füffen.
$Iu<$ barf fie o&ne 6df)eu mit guten JJreunben fd&er3en
Hub, too fidf)'3 fdf)t<fen toill, fieb 3ebnmal laffen b*f3«t.
6ollt aud& ber 3Hann nld&t mebr t&r gönnen fold&e
JJreuben
Unb (toaS nid&t billig ift) nodf) langer fönnen leiben,
60 foll fie allerbingS befugt fein, fi$ 3U rächen,
Unb (tote e8 t$m gefällt) ba8 Urteil felbft 3U ft>red&en.
3b* foll bergönnet fein, Ü)n totrfltdf) ab3uftrafen,
Unb fortan feine 9Tad&t tbn laffen bei fidf) fd&lafen.
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6ie mag ü)n audj bei 3Iadf)t 3U Hcf nid)t faffen raften,
Unb (toenn e£ Ü>m gefallt) brei gati3er Sage faften.
Oft ba3 SBerbred&en groß, fo neunte fie bie Gilten,
Hnb [treibe toeibttd) 3U, bte er beginnt 3U Wüten
Unb fprid)t: l)ör auf mein äinb, la% bid) bod& toteber
ftaren,
3<f) toltt nun frömmer fein unb tun nad& beinern bitten.
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Le Pansif
SJegertne unb il)r ©atan Snte.
Unter aTTen 5rauen3tmmer
3n bem beutfd&en <Srb»Sltf)en
«IBirb be8 3Iad)t8 bei <Sternenfd)immer
teilte nidfjt gaffaten gefjn,
SUIS bie getfe 93egerine,
SHe ©tubenten^toline.
SBenn bieg 3Iadf)tfidf)t nun erfd&etnet,
etetrt fidj balb bie 2i$tpu$ ein,
3>ie ba8 2idf)t 3U pu$en meinet,
Ob e3 greidfj t>on Jjreifdfj unb SBein,
Unb ba I)ärt bie arme 9ttrfe
^ie ein £amm gebulbig ftilTe,
$ügt fidf) nun tfjr £iebe3glüc!e
Jragt fie nidf)t: toer, tote unb tt>o,
6ie ift 5U>ar bom SHtttelftüdfe
SDeü befd&rien, bodf) tft8 nid&t fo,
3§re 3uttgferf($aft ift enge
3n bie Quer unb in bie Sänge.
•
hoffen! i&re £tebe8tafd)e
3ft mit nickten auSgebebnt,
^irTenfang f>at fie bie Sfofdfje
^on ßuifen fd&on entfernt,
3>eren Sropfen (f)elf mir Tacken!)
SQ3eüe Sungfern enge madfjen.
6 "Biet, euftwälöflen. 81
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3)arum bfetbet fte bodfj fdfjöne;
Ob if)r gteid^ 3um 3ettbertreib
Stenn unb toann ble SKufenfö&ne
gödfern auf bcn geilen ßeib.
6ie tadf)t nur 3U folgen hoffen
SDeil ble meiften fe&rgefd&offen.
SaufenbmaT &at fte probieret,
TOie ber 2xebtS^ampdmann
9Hit ben 3ungfern courtifieret,
S>afc fie mefcr ersähen !ann
Söon berflebten 9TecftarfTüffen,
9113 tDoty manche Leiber toiffen.
3>enno(5 Weib id& il)r getoogen,
SBeU icfj i&ren fieibeSfeim
Unb fie meinen eingefogen,
$Öerd&er atö toie 93ogefteim
Allein §er3 an ü)r §er3e Kebet,
8>a8 t&r gan3 3U eigen Tebet.
2timmerme$r tarnt unfer flater
©einer 9Itie3e günftig fein,
Unb ici) glaube, mein §err «Bater
#ann nidf)t fo ein (BräSd&en TOcin,
#ein «SUttoeib bie toelfe 'Rüben
9tt3 i<fj 35egerinen Heben.
3>enf id& Üjrer £iebe3«<£&ofen,
Qüpfi mir ber gop&eifafa
3n ben er3bertiebten §ofen,
3He i$ Don ber (Sroßmama
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3$rem roten Sdfjarladfjrodfe
SKad&en lieg beim Sitgenbode.
Sic!) bu 5feftern meiner Seele
2a% mid) burdj) ben SubuS bodf)
6ef)n in beine Setbe3$ö$re,
3n bog 3udferfü&e Codfj,
^Bo fdjjon bei fo jungen 3a§ren
SÖXand&er au8« unb ein gefahren.
SBenn bu toüfcteft, tote mi$ brennte
©einer «ttugen fcetßer &tta%
ßle&eft bu bie arme <2nte,
SHe fo qudcfet, gern einmal
3u bir in bein Sfette fteigen
Unb btdf) öon ©anft @ttp§an geigen.
9Tun idj) fte$e bor ber Sure,
2a% mid& £umj>enbettfer ein,
3>enn e3 toarten if>rer Sölere
kleben mir In fjet&er ^ein,
^Oirft bu und ntdf)t &üf>Iung gönnen,
3Hüffen toir bor (Mut üerbrennen.
6prid> ein SDörtd&en ber (Senaben
öffne auS ^8armljer3tgfett
5>en berfd&rofcnen genfterlaben,
§öre tote bte Snte fdjreit.
2a$ mtdj) in betn ß\mm^ fteigen,
3<$ »HI aud& betn fielbftücf geigen.
Le Pansif
$ln eine ©edfoigjd&rige.
6df)ämt eudf) bocij, i^r alte SItutter,
S)a& Ü)r nodj ein Unterfutter
3>er ©tubenten toottet fein,
SDenn eud& plagt bie fiiebeSpein.
§abt ifcr aTTen SBijj berloren,
3>a| iF)r einen <2kf)atj erforen,
3>er für eudf) fo reimet ftd&
WS tote SZtarS unb ^rieberidf)?
©d&icfen t>terunb3toan3ig 3a$re
©icfj 3U eurem grauen §aare
Unb ein junger frtfd&er £eib
£Jür ein alt berfd)rumpeft *5Öeib?
SQ3a£ toär ba£ für eine £iebe,
'JDenn man eine toeflfe 'Rübe
(SHe ift für (Stubenten ntd&t)
kleben fid& in3 93ette friegt.
5Udf) bu aCteS Ungeheuer,
brennt bid& nodf) ba3 fiiebeäfeuer,
<£i fo giefce #ammer»9taf}
Sn bein rau&eS ©pü&flid&tfajj.
öl bon fdf)tt>ar3em 9taudj)tabafe,
3toiebeTfaft unb germg&acfe,
S>a3 gehört für eine grau,
3>ie fd&on unterm 9Iabe[ grau.
84
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Le Pansif
Vergebliche Ungebulb.
2üa3 fragt bie 9Tot nad& unferm S>räuen?
6ie ad&tet toeber ©ptefc nod& ©dfjtoert.
Unb toenn toir nod) fo ftdglid^ freien,
?Dirb unfer SQ3unfd) bodf) ntd&t getoä&rk
€tte (dgt burcf) @euf3en unb burdf) Stöhnen
6idf) nid&t ertoeidfjen, iu>d& berföfcnen.
S>a3 Durren ift i&r no$ ber&afcter,
3>rum bleibet tooljl in Seib unb SO&efr
©ebuTb ba8 aHerbefte ^flafter
Unb bie betoäfcrtfte ^anacee.
Le Pansif
(Streit ber fünf (Sinne.
$ie ©inne Ratten einen (Streit
SBon nidfjt geringer TOidfjtigfeit.
5>enn fie tooftten gerne toiffen,
SDen bie SöenuS fönnte miffen.
3>a3 6ef)en trat 3uerft fjerfür
Hnb fprad[j: ber «Rang gebühret mir!
'SÖer midfj nid&t f)at, fielet nimmer
<£ngelfdf)öneg 5ra^en3immer.
3)a3 6df>medfen fpradfj: toa8 $ilft ba3 <Sef)n,
SDenn gar fein Äü&d&en barf gefcfje&n?
Öljne midfj toirb niemanb toiffen,
$Öie fo füge fdfjmecft baS Hüffen.
3>a3 SUed&en fagte barauf greicJj:
3df) fetje midfj nodfj über eudj!
2Benn man totfl 3um SHäbdfjen frieden,
man fie 3utoor beriefen.
2>a3 §ören fagte: ba3 ift Sanb!
SDer riecht, ob3 ^ttäbdfjen anQtbxanni^
SBaS J)Uft fdfjmedfen, toaS Jjtlft fe&en,
TOenn fie taub bei unferm £?Te$en.
S>a3 Jüfjten Tadfjte überlaut
Hnb fagte: toaä nütjt eine $3raut,
■2Hit ber toir im Söette fptefen,
Söenn toir nicfjt ben $ii$er füllen!
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Le Pansif
3ungf ern«(Befänge.
(Ein 9Häöcf)en faum t>on t>ier3e&n Sauren
gid)t fdf)on bie 2Ztännerfef)nfud&t an,
3)rum toünfdf)t fie tägKcfc ftd& 3U paaxtn
Unb fingt: ad^ gebt mir einen "sttlann,
$er mir fein fanft ba3 ßetbd&en brüefe,
3>enn meine Sungferfcjaft ift flügge.
6inb fedfoefjn 3a§re erft Vergangen,
©o brennt bcS TOäbd&en Itd&terfofc
Unb fingt bor brennenbem Verlangen
(3f>r lieben 3un9fe^i tftS ntdf)t fo?):
5Bitt nod& fein 9ttann mir ßöfd&ung gönnen?
9ld& foIT tefc armeS SHng berbrennen?
Güib 3&>an3ig 3a^re ran gefommen,
60 feuf3t ba3 OTäbd&en Sag unb 9Iadf)t,
WxB t$r bie Sungfernfd^aft genommen,
SHe i&r bie Släcfjte fd&tafloS mad&t;
6ie fingt: adfj fomm ein 9Ztann nod& fceute,
6onft ge& i$ fetter auf bie Jreite.
$ommtg bret&gfte 3al)r fd&on angetreten,
60 fle&t fie ben 6an!t 9lnbre3 an
(5>en fie pflegt fnieenb an3ubeten)
Unb fingt: adfj, gib mir einen ^Hann,
S)en idf) im SBette famt umarmen,
6an!t 3lnbre3, lafc bidfj3 bod& erbarmen!
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Qat fie nun Diesig Sa&r getragen
5>a$ 3entnerfd&toere 3ungfernjod&,
Wirb fte bie SttannSnot bod& nodfj plagen.
^arum? ber $*tfcel ftid&t fte nocjj.
S)rum fingt fie: ftitt fein Sltann mid) Jmn3efn?
SHe gungferfd&aft befommt fd&on «Rindern.
6inb aber fünf3ig 3a^r berfloffen,
TOtrb bie berfdjrumpfte Sungferfd^aft
SQtit Sränentoaffer nun begoffen,
S>ocf) fingt fie nodf) au8 CeibeSfraft:
9l<f> fomm ein Sttann, adfj fomm be&enbe,
TOo nidf)t, fo fomm mein CebenSenbe.
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Le Pansif
(Epigramme.
1.
Affine lag gar franf an feigem £iebe3fieber.
^UIö nun i&r guter Sttann fie 3U furieren fam,
TOerft e3 Affine gleich baft feine £an3e la&m,
3)rum gab fie bor SBerbrufc berfelben einen ©tüber.
2.
Slutoel) mein SItann ift tot! id& armeS SSJeibeTetnt
9id& betft bie Brunnen 3U, fonft fpringe id^ hinein I
©o ftrad) £ujnne fur3 nad& i&rem TOitoenorben,
9tun ift fie im Horbell bor (Sram 3ur §ure toorben.
3. "
^Betrübe bidf) nur nid&t, 3U fletngebrüfteS Mnb,
SSJeil beine ^ie$df)en faum fo grog toie Crbfen finb.
3>egtoegen finbt fi^ bod& ein Ääterd&en 3um Sttiefcc&en,
3ft nur bcS Saften gut, toer fraget nadf) ben ^ie|c^en ?
9Tur 3U>ei fyutytahzn $at ba& 3ungfern A-B-C.
S)er erfte geiget G, ber anbre geiget W.
^enn man fie fuffen ttutt, fo ft>ridf)t ba£ 9ttünbd&en G.
SÖenn man fie fted&en tDitf, fo fd&reit bag SHngc&en W.
(£3 ma<$et bie Sfonbine
3toar eine tenbre TOiene,
S)od& leget bie brünette
6id& efcer auf bog SJette.
89
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tDeliciae Poeticae'
SUuf bie f 1 1 r r e £aute.
Stifte £aute friller <Scr)mer3en,
6otIft bu meinem ftülen §er3en
^Ticrjt mer)r 3ur Vergnügung fein?
$ld), bor 6ef)nfud)t unb Verlangen
3ft mir afle £uft »ergangen,
S)ein ©ebädfjtniä madjt mir ^ein.
S&er ließ midfj bie fiuft toerfcr)er3en?
(StiUe £aute ftilTer 6djmer3en.
90
c
»Deliciae Poeticae'
9ln eine geraubte SBraut.
(Ei bu angenefjmeg c2Beibdfjen,
6c£e nur ba£ nette §äubdjjen
Sluf bein nodfj toelt nettreg §aar.
Unter taufenb fügen Hüffen
SDirft bu nun mit 2uft genießen,
S©a8 bir geftern frembe ti>ar.
(Seit, bcS SttannStoolf toetfc bie 6a<$en
60 bergnügt, fo gut 3U machen,
5Han friegt (aum be3 $>inge$ fatt.
freilief), naefj bem ©dtfafengefcen
fiernt ein 9Ztäbdj>en erft berfte&en,
30a8 i&r iwclj gemangelt £at.
#ef)re bic$ nur an fein Sachen,
Srägt man taufenb bumme (Sad&en
9Jon ber überftanbnen 9Tadf)t:
tydf), fie fud&en burdf) Diel £J™9en
SHr bie Slote rau3 3U Jagen,
SHe btcfj nodj) Diel fd&öner mad^t.
'Benn bie Bräute bod& geftünben,
©aS fie bei bem Siebften fmben,
*20ag er ma<$t unb lote er3 fjäft,
S2)enn fie bo$ fjaarftetn befd^rieben,
SDie bai 3itageld&en im Sieben
9luf bie redete ©d&are fällt!
91
SRebe, toenn bie 3eit toirb fommen;
Warb bir gefiern tt>a8 genommen,
(Staube nur: e£ fdjabt bir nidfjt.
TOer bie ^erfe nur !ann finben,
SBtrb ben Graben leidet toertoinben,
TOenn bie SHufd&el gtad) 3er&rtdji.
»Deliciae Poeticae'
3iuf i&re ©d&oofc.
$u f<$öneS £uftretrier, too toeber 5wf* no<^ ^»
3>u Brunnen, ber bu nie gefriereft noef) toerfiegeft,
3>u Sot, bag alte Seit an fronen ©chatten tiegeft,
9>ofI ^nmut, Dotter £uft ift ftetS bein bunter ÄreiS.
«EJie fte^t ber fd&tDar3e 93ufdf) fo attertiebft auf SDeife,
3>etn ©ifc ift aufgefd&toettt, mit bem bu atteS btegeft,
S>ein 3tttttet eng gefd&ttyt, mit bem bu mic§ be*
friegeft,
93ei tau\tnb Seltenen bet)ältft bu bodf) ben $rei3.
3>u bift bie 3arte ©cfjoojj ber fd^öne ßeSbten,
3IUcf) t>at ein freier ©eift gefangen unb gzbunbtn,
3>er ©cf)tit}, ben id^ berührt, madfjt meinem §er3en
^STein ©um f ennt ftd& nicfjt mef)r unb fragt fidf) : bin
idf)g benn?
9tdf), fott tdfj meine SUtI) erft nadjj bem Sobe fcaben?
ßebenbig toitt idf) midf) an biefem Ort begraben.
Junten.
i
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.Deliciae Poeticae*
mit i&r in einem ©etoädfjg&aug.
fiiebfter SngeT,
Cafe bie Langel
Unberührt.
2>enn ba3 5>eme
§at ba3 kleine
©o geführt;
«Söenn man Tange
3m ©efange
@ad&te pfeift,
SQIac^t mang enbKd&
60 berftanblid),
3>a& man3 greift
*
TOir toerridjten
TOaS bei Jrüd&ten
3tbttg ift:
3>ie ©etoölber,
TOie bu ferber
(SineS bift,
3TeI)men gerne
£Jrud&t unb äerne
3n ftd) ein.
©oll ber (Stufet
kleiner «ahi^el
©ifttg fein?
3$ probiere,
Hnb bie Sure
6)>ringt mir auf.
94
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Sief), toir ftopfen
Hnb toir pfropfen
3temftd) brauf.
(Enget, fage,
SBirb ber Älage
«ftod) gebadet,
Söenn mein Stengel
£auter finget
^luS bir mad)t?
©tb bie Äüffe,
3>ie fo füge
SÖJie bu bift,
93iS bog meifte
«j&on bem ©elfte
3n bid& fliegt.
TOacfjt bie Regung
Hnb 93etoegung
<£ttoa3 matt,
0 toir fcaben
SHefeS (graben
TOemalg fatt.
Deliciae Poeticae'
Sieben unb bodf) nidjt3 genießen . .
Sieben unb bod) nichts genießen
3ft nur harter unb ^erbrug.
$Ba£ to>Uf ber Don ^reube toiffen,
TOetdjer tägfid^ faften mufj,
3)a fid£> bodfj bie fügen ©peifen
©einem 3Kunbe ftünblici) toetfen?
£tebft bu mtdfj, midf) nur 3U quälen?
§aft bu £uft an meiner ^ein?
$Ietn, bu totttft mir ja befehlen,
SZlunter unb vergnügt 3U fein,
Hub Derfprid&ft mit fü&em Sachen,
$Ueme SBünfd&e toa&r 3U machen.
0 ©eftebte madfje, madfje,
€>c!jaffe bir unb mir bie ßuftl
£ieg idfj, 0 ertoünfdfjte ©ad&el
S>ir im §er3en, an ber 93ruft,
60 befiegfe mein Vergnügen,
2a% midf) audfj, bu roei&t too, Hegen.
96
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.Deliciae Poeticae'
(Epigramme.
ttorbilTe u>ar Hutrot, aI3 idfj fie tonnte füffen.
Unb enbttd& toarb id& gar ein lofer SHeb geheißen.
93erbro& mt<J) blefer <5df)tmj>f ? ad^ nein, id& banfte nod&
Unb fpratfc: bin td& ein 3>ieb, fo ftecfe mid& in8 2od&.
2.
2HariIi£ ift fromm unb feufdfr, fie berad&tet alte Äüffe,
6ie (ann nidf)t$ bon Siebe $ören, fie beratet ba§
^ttännerfTetfdfj,
5rettid&, benn e3 tottt niemanb, toenn fie ftd& gletdfr
gerne Hege.
6ie ift toie be8 SeufelS TOutter unb fo fd&on afö fromm
unb leuf$.
3$ toeifc, bu gibft bir SQXüI), bem Wannt bor3uf$tDat}en,
S>a& i§m bein enger ^Deg ein §immelreidj) befdfjeert,
Allein toie toirb ficf) bodfj ber Starr am äopfe fragen,
SDenn tyn ber toeiie lefjrt, bag er 3ur götte fä&rt.
Courage? Ja, bie ift bei Julien fe&r grog,
6ie f>at öor feinem nod& au8 ^urd&t bie 5Tudj)t ge-
nommen,
<£$ barf t$r nur ein 9Renf<f) ein toenig na&e fommen,
6ie totrft bie Äfeiber toeg unb toagt eing auf ben 6toog.
7 9(tt/ Cufttortit^tn. 97
5.
3>er bu Doli Sleinttdfjfeit bor atten beuten gleigeft,
*5Bic fommtS, bafc man bid& aud& einmal ertappen tarnt,
Unb 3ti>ar tdf) toeig ntdf)t toie. S>odf) toetl bu 3ona3
6ief)ft bu baö 9ttenfdfj bieHeidj)t für einen SÖarfifdjj an.
6.
9tfg 14 ben 9Iad)bar MauS näcfjft um fein <3teitpferb
bat,
(Spradj) er, toetf er fe^r grog mit biefem Siere tat:
9MeI lieber toitt id^ U)tn mein TOeibdfjen ntcf)t berfagen.
34 badete: braudfjt man bie, fo totrb man bid& nidf)t
fragen.
7.
3>ein §aar, bein fdf)öneS gaar, babor fidfj ©eibe fd&eut,
SBoran fidjj 9knu8 fetbft unb aucf) i&r ©oljn erfreut,
3ft 3toar freit feiner nodf) als bie berühmten beibe,
3>od& niemanb toeig, tt>a3 td) in biefen 93anben leibe.
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9in bic Qerrin.
—
SBie oft betraft idf) nid&t bte timnberfc&önen (Baben
Unb benfe bei mir feflbft: bic fielet alle *2BcIt,
SBaä mu& nid)t biefeg &tnb für anbere €><ic$en fjaben,
$>te fie nidf)t seigen tottt unb mir Verborgen ^altt
2>u toirft bieg geUigtum bodf) etotg nid&t oerftecfen,
6onft gef>t bie (Sü&igfeU mit beiner 3ugenb fcin,
Unb btft bu e3 gefinnt, por einem auf3ubecfenf
<5o glaub i$, ba& idf) bir ber aftemäc$fte bin.
5>u barfft bie 3ungferfdfjaft nidfjt mit 3U (Srabe tragen,
3*jr feib oon unferm Sfreifd^ unb unferm 33ein gemacht,
5>odfj foHt e8 beine 6d[jam bei Sage mir berfagen,
60 gönne mir bie £uft bei fdfjattenreid&er 9Iadf)t.
54 toiH mein ^arabteg audf) nidfjt im jyinftern fejtfen,
3>er angenehme TOeg ift mir nidfjt unbefannt,
3nbeffen: fottt tdfj nidfjt bie redete ©tra&e toasten,
©0 fei bu güfjrerin, tdfj folge beiner §anb.
99
270229R
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dclanbcr
•21 n ^Iri^mene.
2Barum toirb bie ^rud^t be$ Cebcng,
©df)önfter (EngeT, mir berfagt?
Cieb id& benn fo gar bergebenS?
S>arf fein ©riff nid&t fein getoagt?
©oll ein fteter ©ffabe bleiben
3Hetn fo fe&r entbrannter ©Inn?
S)arf id& nid&t bie Ringer treiben
9ln bog ßanb ber Süfte $in?
flann man ba3 too&I breifte nennen,
SDaS bie treue §anb beritbt?
SHe 3um Opfer fidj) Verbrennen,
§at man jeber^eii geliebt
Oft e8 nid&t beS ©d&oofceS ®&re,
«JBenn fie frönet meine §anb?
TOeil id^ if)r gan3 3uge$öre,
(Srüjje id& ba£ fdjjöne ßanb.
3Bo finb too^r bie 3arten Letten,
3)ie be8 CebenS perlen t&aun,
Itnb ber TOofluft ßagerftetfen,
VHS in if>rer ©d&oojj 3U fd^aun?
©ie ift «p&aroS, ^ort unb £eud&te
Itnb ba8 fd&öne SKorgentanb,
3^re angenehme ©eichte
gitad&t beS ©rüdfe3 ©tranb befannt.
3&re buntfen Öpfer&allen,
Stte ein SKtjrt^entoalb umgibt,
100
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6inb ge3ierei mit Coronen,
5>eren ©d&mucf ein 3eber Hebt
9ttd)t 3U ftrenge, SiriSmenel
5Ud&, &egt bodj 93armf)er3igfeit,
©etb fo gutig aI3 i&r f<f)öne,
So toirb meine 93ruft erfreut
Süfyrti meine treuen ©innen
3n ben angenehmen ^port,
S)a& fie freubig fagen fönnen,
SHefeS ift ber fd&öne Ort.
SUTTe Sage ft<& Don neuen
3>a ein neu (Srgö&en regt,
Unb ber redete Ctebeg-Slei&en
SBirb in einer 6d&oo& gehegt.
101
(Eelanber
SBerf df)toenbung im ©d&Iafe.
SKein SHäbdjen, laß f>infort micf) tüd&t berfd&toenbrifcfc
fein
Unb nimm bie ^erlenmildf) in bcine 2Hufdf)eI ein«
©roß ©d&abe, baß fie toirb fo lüberUcfc &tfpti$ctt
5>a too fie feiner ©d&ooß, audj) nid&t ben Sudlern nüfcet.
3>ein §artfein gegen midfj berfdf)toenbet meinen ©d&atj,
Vergönne mir hinfort in beinern ©d&ooße ^ratj
Unb Tag ben £iebe8tl)au bafelbften ftdf) ergießen,
5ö5o er mit größrer £uft toirb at3 im ©dftfafe fließen.
5>etn bürrer Siefer toirb alSbann Don ^ottuft feift,
SHe »rufte gärten fidf), bie £uft ent3ücft ben (Seift,
5>ie $lnmut, bie burd&brtngt be3 gan3en £eibe3 ©lieber,
3« Sachen fteigt man ein, mit &tt)eln fommt man nieber.
$U$t3 atö (Ergötjung bringt er beiner SHarmorfdfjooß,
3>te ^DenuS fpannt bir bann ben 3ungferngürter lo8
Unb ragt bir olle ßuft, bie fie befifcet, fd&mecfen.
3>er §t)men toirb nadf) ©dfjmer3 ben fußten ©d&er3
ertoecfen.
Sidj), fteHe bodfj, mein #inb, bie ©pröbigfeit nur ein,
£aß beine 9Hufdfjel mir ntdf)t me&r berfd&roffen fein,
(Eröffne t&ren §elm, bie SXa&rung 3U empfangen,
SDo in bem fiiebeSt&au bie SlnmutSperfen prangen.
©J>errt nun bein SKufd&elfdftfoß bie Sore toiflig auf
Unb f>emmt fein ^Dibrigfein mir meinen £iebeälauf,
©o foll ber £tebe8faft mit fußen Quellen fließen
Unb ft$ mit bollern ©trom in beine 9ttufcf)el gießen.
1(12
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SElein #inb fei bod& fo blöbe nicfjt . . .
■
SBlein Äinb, fei bod) fo Möbe nicfjt,
ßa& beinen »ufen offen,
60 fief)t man, bafc bir ntd&tS gebricht,
5)a& aTIeS eingetroffen.
©onft benfet man getoifc Don bir,
3>u fjätteft nid&t ber Prüfte 3ier.
fiin (Briff enüoei^t ntd&t beine »ruft
Unb madf)t t&r feine Jlecfen.
SöaS nü$t ein ©d&afc, ber unbeiou&t,
3>en ©anb unb Steine becfen?
3>ie ^erte, bie Verborgen liegt,
Sttit i&rem <2Man3e nid&t bergnügt
38a8 bie Statur un3 9ltenfd&en gibt,
S>a3 barf man atfen 3eigen,
5Um meiften biefem, ber un3 liebt,
S>em toir bie ©inne beugen.
3Da3 ift e3, bcß $um ©Haben mad&t,
3Boljr anberS benn ber »rufte SHad&t?
©öS un3 bie ßiebe &eitig Reifet,
3>a8 Taffe audfj bereden,
Unb toenn benn feine ^fftcfjt ertoeift,
©0 mußt bu ben nidfjt ftoren,
3>em beine »ruft ber Stftar ift,
Stuf bem er beine ©ott&eit fügt.
103
3>anlcl (Stoppe
SHäbd&enlieb.
Soll td) arme$ SHng benn etotg toarten?
3d) gel) gleich toorjl fd&on inä 3todlfte 3a&r;
9Tein, id& toilf bie Gad)e bcffer farten,
S)ie ©ebulb ift bei mir 3iemlldfj rar.
TOerf idf) gleich ba£ Stefce feTber au3,
^Ic^l ein SKtäbd&en mad)t fi$ nicfjtä barauS.
#ein (Balan !ommt und in£ $Haut geflogen,
Wenn man ftetä in feiner ®lau\c fitjt:
3n ber (Sinfamfett toirb man betrogen,
SQÖenn man fid) auf einen Sttlann berfpitjt.
9$ ge^ fleißig nad) (Sefettfdfjaft au3,
3>enn ein TOäbcfjen mad&t ftcfj ntd&tö barauS.
SBruft unb Sttpfel fd&nür id& in bie §öfce,
3>a& ba£ Hebe @ut in3 SUuge fättt,
S>afj man, toenn id& unter ßeute getje,
Wid) für er3galant unb artig F>dTt.
©ie&t mein &rämdf)en 3U rjanbgreiffid) au3,
91 d)! ein $Häbd)en macf)t f t cf> nichts baraud.
5$ toeij meine ^axbe $u ergeben,
Wenn ein roter (Stridf) bie 93acfen netjt,
S>aS Reifet ber 9Xatur ben SluSfdjfag geben,
$er bie Fjalbe $Mt in £tebe fet>t
6ier;t mein $RaIen gfeid) n>a3 fennbar au£,
Vlä)l ein 9Ztäbd&en madjt ftdf) nicfjtg barauS.
104
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=
£eg id& mid& ghiä) fTeigig auf bcS Hüffen,
SDenn man fic& nur nid&t aufS SBette legt
0 bog fd>abet ntd&i, toenn toir glei$ toiffen,
SQDie man einen ßu§ 3U geben pflegt
Sägltcfc teil i$ fcunbert $Ztäitfc&ett au3,
91$ l ein SHäbd&en mad&t ftd& ntd&t3 barauS.
Xlnb gefegt, ba& i$8 berfe&en fcätte,
0 fo fd&Ieid& id& bei ber ftUTen 3Ia$t
JJn ein abgelegne^ SO&od&enbette,
9Do man toenig ^eberCefend mad&t
©iefct mein 3ungfern!ran3 3er$ubelt auS,
Slcfc! ein 9Itäbd&en mad&t fid^ nid&tS batauZ.
105
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3>antel ©topp*
Sroftgebanf en eineS ©tubenten.
Summe SZBeft, toa3 toillft bu brüber fragen,
5>a& idjj unfrer $2tagb ein &tnb gemalt?
Zäunte, toeldfje 3etttg ^rüd^te tragen,
6tnb ja fonften &ocf) unb toertgeadfjt.
Ob mtdf) gleid& ber äifcer 3eitig fttd&t,
3tteine Sttutter fragt belegen nid^t
JJc^rt e$ mir fd&on an charmanten SDorten,
0 fie farreftert mtdf) in ber Sat,
S&aljre Siebe toirb ja afrer Orten
Won ben äomjrfimenten niemals fatt.
TOenn bcß plumpe 3>ing ntd&t artig fprid^t,
SHeine SHutter brummt belegen nld&t.
3Jra^tt fie nid&t be3 SagS mit fd&önen Metbern,
TOaS fe&ft meiner Jrau bodfj tool)! 3ur $tadf)t,
Söenn fie meinen £eib trotj afren 6dj)netbern
Sefbft 3U Ujrem Oberrocfe madfjt?
3ft fie gleich auf biefen (Staat erj>idf)t,
SHeine 3ttutter flud&t beftoegen ntd&t
1Q6
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2>aniel stoppt
«Slria.
$te £iebftdf)!eit, bie in bem Sieben
3>en SQBermut übe^ucfern mu&,
TOtrb 3toar bon Dielen Vorgetrieben,
geboef) fie fteefet öott «erbru&,
$Benn (Stferfud&t bie ©eefe fröntet
Ilnb oft auf TOorb unb Sotfdtfag fenfet.
Hnb fdfjmecfet baä Sltäuld&en nodfj fo füge,
5>ie «itterfeit ftrfgt greidjtoo&r nad&,
3>a8 ftiTTe Gift berbuljrter Äüffe
6enft ba3 ©emüt in Ungemad),
3e mef)r man an ber Ciebften feeft,
3e me&r toirb man in «raub gefteeft.
«ringt manchem gleich ein ©rtff in Gtfcren
Cmt3Ücfenbe (Bebanfen bei,
©o trau id^ mir bod) brauf 3U fcfjtooren,
3>a& gröferer «orteil babei fei,
Wtnn man an feinen SBaben fpiett
SUIS an bie 3ungfernäj>fer füfcrt.
107
2>antel <Ztoppt
S)er 33o(ontair im Sieben.
Sil meinft, id& fei bir red)t getreu,
SUIein, bog &eißt gefegt,
SDeit falfdfier 3>unft unb §eucfjeCei
3n meiner #arte toäfjft.
3df) liebe bid& nur oben f)in,
SDetf id& bur$au3 öon SJTanbern bin.
Setrüg btd& nid&t, bu armeS äinb,
Xlnb traue nidf)t 3U biet,
3df) mad&e nid&tö aT3 lauter TOinb,
SOÖenn icf> btc& fangen MOL
m
V
!
©ie &tmmeCfefte (Sc&rdffer für.
SDenn bicjj mand&mat mein faffcfjer SHunb
fü&en ©orten Megt,
60 benfe bennocf), baß ber gunb
9ludS) &ier begraben Kegt
©eiT ba3 nid&t ftetS bie ^robe &äTt,
SöaS einem in baß ^luge fällt.
108
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Gfjrtftian ©üntfjer
6oIt Huge ©d&ön&ett . . .
6on, flugc ©d&önljeit, bein Vergnügen
mit beiner 93ruft in3 Softer ge&n?
SDBie? foll ber (Barten brad&e Hegen,
«aiuf toeldfjem 3utferrofen fte&n?
3Da8 toilTfi bu, ba fid^ anbre freuen,
3Htt galten beinen Ceib fafteien?
fd&önfte8 5*inb, bie enge 3*He
3ft betner §offnung toeiteS ©rab:
§ter tt>ad)ft unb tft bte Qua! ber §ötte,
§ter nimmt ber ©tern be3 Sebent ab,
Hub in ben langen ätrd&enmauern
SHuß audj Canarifeft Derfauern.
S>er Sungfern^onig näfcrt bie Satte,
SHe (Einfamfeit gebiert ben Sob:
SHe 3ungfrau fd&totnbet bor bem Jatfe
Unb leibet bor bem Reiben not
3>er ^ofenfran3, ber Jrei&eit Cnbe,
93efcfjto>ert ber ^Tonnen §er3 unb §änbe.
flomm, lag bid) in ein Mofter führen,
TO03U ber ^Ibt ben <5d)tüffel tragt,
Unb ^mor über atten Suren
3>te8 in erhabner (Sdjrift gefragt:
3u Unfrer Sieben grauen Orben
3ft biefer Ort getoibmet toorben,
109
3)en Mittat geben beine Prüfte,
3>a3 Sfcaud&toerf gtuf)t in beiner 6d^oo§,
gier ftitfen toir be3 STeifd^eö £üfte
Unb bdmpfen fie auf einen €>tog,
•iöig toir burdj ein gefd&toädjteg Hüffen
SUiid) in ba3 Gomptett treten muffen.
110
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Gfjrifttan ©untrer
(Einlabung.
$ier fe|e bidfj, toerfd&ämteg äinb!
gier tft gut fein, &ier la% un3 bleiben,
SQBo £tnb' unb *933cft gefj>rädf)tg finb,
Unb ^efö unb Söalb ben (Bram Vertreiben;
J$n biefer grünen (Sinfamfeit,
SBo 93adfj unb 6tein unb Rätter rauften,
eoU toeber ßift, (Sefa^r nod& 9Ieib
3>en fügen grü§Kng3fc$er3 belauften.
3)ie 6df)äl}e beiner feufdfjen 3u$t
Unb ber nodfj unberührten Prüfte
6inb toa&rftd) eine feftne 5™d&t,
9Tad) ber td& innerftd) gelüfte;
<£rfd)ricf nid)t bor ber fdfjnellen §anb
Unb lag fte in bem 93ufen fpielen,
3$ füfjre biefj in einen &tatti>,
S>e8 Sebent $ern unb 3Ztarf 3U fügten.
Kot toaS erröteft bu, mein £icf)t?
3d> tnerbe bief) ntdfjtS SBöfeS Teuren,
S)u fennft ba& füge Sjner noefj nidf)t,
3>ein ^nWicf raubt mir <5ef)n unb gören;
SHe £tebe toünfd&t bidfj in iljr SRcid^,
(Be^ord^ iljr bodfj auf mein (Srffären,
6ie toirb fidfj bir, unb bieg 3toar gleich
5Hit oder ifjrer £uft getoäfjren.
111
93efdf><M bte SBerfe ber Statur,
93etradjte 93äume, JelD unb Siere,
Unb lerne, tele ber Clebe ©pur
SHdj überaß 3um 6d&er3en führet
SlÖoburdf) finb id) unb bu benn ba?
3u tt>a8 blft bu nebft mir geboren?
©er fo bie «IDelt im TOefen fa&,
§at un8 3um Sieben auSerforen.
112
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£f>riftian (Süntfctr
9in fiuife.
»4 £uife, beine Äüffc,
SHe mein 3ttunb 3Ubor gefd&mecft,
Sparen mir toie Lianna füge
Unb mit <£ben3 Sau bebecft :
3a, 3U biefem jyreigerid^te
Subeft bu mtd) fetter ein,
©einer 6d)önl)eit «Rofenfrüd&ie
6ottten mir ein (Barten fein.
SHefer ©arten toirb 3ur SOÖüften,
Unb bein Sluge totrb 3ur 9Tad)t,
S)enn ein ©riff nadfj beinen Prüften
§at bid) fo er3ümt gemalt,
©otdjer SttpfeT ^Udjforatten
feigen bie berbotne Jrud&t,
SHe id) auf ben SZtarmorbatten
2lür 3ttm Sobe fefl&ft gefugt.
©enfe meine <5d)utt> ber ßüfte
3n bein tief (Erbarmen eint
£a§ ben <5df)nee getoötbter Prüfte
9Hetne Sotenbaljre feint
3>etne3 ßeibeä runbe Cnge
3etge mir mein ©rabmal an,
3>afc id^ nad& beliebter Sange
^Bieber auferfte^en fann.
8 «let, Puflwdlb^en. 113
<Sf>rtfttan Qünt&er
Eröffne mir . .
Eröffne mir ba3 &er ßüfte,
Sntfdjfeufc bie toottuftfdjtoangre 6d)oo6,
©tb mir bie fd)önen £enben bfo8,
93i3 fid) beS SHonben 9Ieib entrüfte!
SHe 9tadjt ift unfrer Cuft bequem,
SHe Sterne flimmern angenehm
llnb bitten un3 nur 3um (Stempel.
3>rum gib mir ber Verliebten Äoft,
3$ fd&enfe bir ber TOotluft SHoft
3um Opfer in ber äeufdföeit Sempef.
114
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S&rtftian ©untrer
O&ne Sieben . . .
Dfjne Sieben ift bog GHücfe
§ier auf (grben nidjtg alg Shmft:
SReidjtum !ann ben ©ram ntd)t linbern,
O&re fann ben 6df)mer3 nid>t minbern,
2Tur bie Siebe !ann bie äunft.
(Sitte SBünfd&e bleibt 3urücfe!
tyug ber Siebe quittt Vergnügen
Hnb ber 9Iadjfc$macf guttmer 3eit:
(Ein galant unb treu ©emüte
<Rei3t ung nebft ber ©djön&eit »tüte,
»ig bie TOoUuft flammen ftreut.
«d&, mein ger3, fcalt bieg berfd&toiegen.
115
G&riftian ©untrer
£)ocf)3eit- 6<f)er3.
$a ^abt i&r bie 3eu9en 3um etotgen Söunbe:
S>a fommt nun, ba ift nun bie feiige ©tunbe l
S)a fd&icft fie bie ^orfid^t, ba u>ar$t fie ber £auf
3>e8 mtfben (BefttrneS Don Often herauf.
3>te ©tunbe ber SBottuft, bie greunbin bom Cadjjen,
3>ie SZlutter boll tttebttd&er, fünftfid&er ©adfjen;
5>ie ©tunbe, toorinnen bie reid()Ii<fje (Brut
SHe ©d)d£e ber flüchtigen Sugenb fcertut;
SHe ©tunbe, toorinnen Umarmung unb ©dfjmeid&eln,
93ef)dglid&eg ©d&dcfern, emj>finblidf)e8 §eud^eln,
Unb ftärfenber Wem unb brünftiger SBinb,
Unb rebltdfjeg ©d&ndbeln berfdfjtoenbertfd& ftnb.
2>te ©tunbe, bergteid^en toof)I ©ötter begehrten,
Stte 58enu8 unb 3uno !aum fd^oner getoä^rtetu
0 felteneS SBcifptel ber glücfltcfjften Bräute,
2Iun ru^t SHr 3>etn ^etgeS Verfangen 3ur ©eite,
GS rabt SHd& 3>ein ßiebfteS, e3 f*en!t S>ir bie (Sunft
3>er toetfen SBorfeJjung bie toürbigfte Brunft.
£8 fcfjüttert, e3 freut fiel) 3>etn boppefteg 93ette,
toenn e3 be3 <5Iücfe3 (Smpfinbrid&feit f)ätte.
9Tun Hebe ben Sieben, nun brüdf unb behalt
3>en tonfftgen ©Haben in füger ©etoalt.
<E3 rei3t tl)n ber Shtfruhr ber Mü&enben Cüfte,
3>er jaudfoenben £)ügel, ber Ijüpfenben Prüfte,
<££ 3ief)t üjn ber £>aare getoaltigeS <BoIb,
3n toetcfjeä bie ©onn* if)ren §auj>t«©d[)mucf gerollt.
116
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JJefct fdf)ilt er beg Sageg befd&toerUdje Sänge,
3ep toirb U)tn ber Kleiber Gefängntd 3U enge;
<5r befjnt fiefj, er toartet, er feinet unb fd)reit:
91$ t fomm bodf), 3>u 2luge ber näd)tfid)en 3^tl
SHe ©onne befdjreuntqt ben 3lb3ug unb flnft,
9Iad)bem fie Dörfer bem Sruber getoinft.
5>er geäperug, beffen berfilberte SDangen
3>er 3nmgt>erttebte mit Regung empfangen,
betritt ben ©efidfjtg-ifreig ber oberften «SDelt,
Unb führet bie 6teme burdjg etoige
9Iun fdjleidjet S)etn 6djät)c$en mit toanfenbem Schritte,
9tun fdj)teidjt fie 3U SBette, nun mt&t fie bie Sritte,
0 toefdje 93eränberung brof)t Ü)r ber Ort t
Slufl fünftiger (Sfjmann, unb mad&e 3>id) fort
Unb tag fie nidjt etfca im #ran3e 3urücfet
6ie 3ittert, fie bebet, berfleinert bie SBItdfe,
5Dor SBarten ber SHnge, bie jeljo gefd&e&n,
6ie grämt fidj 3U füllen, unb fdjeut fidj 3U fe&n,
SJerfjüIlet ben SBo&Iftanb ber 3Üd&ttgcn «Röte,
Unb bin id& im Sieben fein frember ^oete,
60 mein id&, eg locf Ujr ber nalje Sterfuft
S>ie früf)e ^ereuung aug klugen unb 93ruft.
Verfolge fie füfjnlidfj, unb lag bidj nicfjt irren,
betäub if)r bic (Seufeer bur$ Hüffen unb Girren,
SJerfdjhicf Üjr ben Kummer, ber3efjr ü)r bie ^ein,
Unb fauge bie Sränen ber gungfernfdfjaft ein.
(Empfängt nun ber 93raut«^fü^[ bie rei3enben ©rieber,
Unb 3ie$t bidj Üjr artigeg Säger barnieber,
©0 bift 3>u Vergnügter unb gfiicfttdSjer bran,
911g böte SHr 9HoguI fein #ronengolb an.
117
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3$ toenigftenS todre nodjj beffer 3ufrieben,
$tfg toenn mir gleich $lnna brei Sletcge befcgteben.
gier macge ba3 93orfj>ier, gier fptye bie §anb
Unb bringe bog §auj>ta>erf ber SOBotfuft in ©tanb,
<£r(jüie bie Albern bureg fanfteä $3eti>egen,
Unb ffatfeg igr bie SJadfen mit freunbttegen ©cgfdgen,
Unb fug igr bie klugen unb ne£ tgr ba8 #inn,
SBatb grüble Don SDeitem, batb ü>dl3e bieg gin,
93alb ftreefe ben ^ortonfc ber giftigen Ji^ger,
Salb tntlpe bie runben unb toonnigen S>tnger,
Unb fuffe naeg bierer (Srfinbung unb ^Irt,
Unb forfege, U>a3 9lmor am tiefften öertoagrt.
93efinn tdfj mieg richtig, fo toirb fie bieg ftrafen,
©o bietet fie 9infang8 ein nötiget ©dftfafen,
©o nennt fie bieg lofe, fo 3ucft fie unb rücft,
©0 toeit ficgS im SBette ber breite naeg fegieft.
©te forogt bir unb brogt nun, fie tottf fidfj erbofen,
©ie ftemmt fteg, ben Angriff 3urüdPe 3U fto&en,
©ie fcegrt fteg mit Srdnen, fie frümmt fid) unb
fi>rl*tf
Unb toeinet ba3ttrif<gen: 91$ I tgu e8 bocg niegt!
5>o<g tgu eS nur immer unb gart igr bie Firmen,
$enn Sieger gegört ntegt be3 «Sldcgften (Erbarmen,
©ie ftreitet, 3>u ftreiteft, igr ftreitet 3ugletcg,
5>ur<g ©treiten unb dampfen megrt ^enuS igr
SReicg.
$>urcg ©treiten unb dampfen todegft ©jprtyorS
©tdrf e —
5>ie ©tunben berfftejjen, brum fegreite 3um Söerfe,
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-
Unb braudfje, fobalb S>u ben Vorteil erlernft,
3>en liebltd&en ^Tot»3tt>ang, ben fdf)er3enben <£rnft.
<£rf>afdS)e ben tt>eidf)en unb fliefjenben $Tacfen,
53 mag audfj fein SDtberftanb nodfj fo fefjr fnacfen,
Unb prüfe bie ©dfjon&eit ber gan3en ^erfon —
Gin Liener ber ßiebe befidf)tigt ben ßofcn.
93aTb fenfe SHdfj unten, balb breite S>id& oben,
^ertoecfjfre bie ©lieber, berfudfje bie groben:
6ei immer gefdf)äftig unb überall ba,
Unb bring e3 bem efjrttdfjen #inbe fo naf),
S8i5 hinten am SRütfen unb Dorne am ßeibe
#em einiges 3Udd)tn entfd&utbiget bleibe —
93om Staden 3um galfe, bom galfe 3ur ^ruft :
gier bföft SHr ein 3epb*)r bie gäufte Doli ßuft,
Stodjj tiefer, nod& toeiter, nodfj mefcr 3U ergrünben —
3<i) barf e8 ni<$t mnnmf 3>u toirft e3 toofjt finben.
gierunter f)at ^enu^ ein 3Dunber gefenft
Unb flammen unb 5un^en 3ufammengemengt.
Umgib e3 mit taufenb erfinuHcfjen (Spielen —
(SS tagt fici) nid&t nennen, e3 lagt fid& nur fügten.
0 toürbe bem 3>idf)ter bcß dufter gebracht!
<£r fcätte ben Slbriß natürlich gemacht,
bergig audf) ntcf)t Slmorä berebteS ©efatten,.
3>ie fdf)Iüj>frigen SReben, baS 3ärtUdf)e fiaHen:
gier 3ieren bie EJe&ler ber ©prad&e ben Sftunb,
gier tut fic$ bie geile ©efeE)rfamfett funb.
SBerbeffre ba3 ©tammein, berbeifj unb bermtfd&e
S>a3 bu&rrifdfje 6j>ri£eln, ba3 getfe ffie3tfd&e:
60 girren bie Sauber, fo frieret ber TOeft,
SÖenn Wittag unb 6ommer bie SÖäTber öerlä&t.
119
(So bolb nun bie ^feiTe be8 mächtigen Knaben
3>en fmbifd)en (Stfel gebänbiget fcaben,
(So gibt fie e3 näljer, fo gibt fie fid^ bretn,
3m Purpur ber #euf(f)&eit gefällig 3U fein.
3>rauf flicht fie too^l felber bie fleifdfjltdfjen Sehlingen :
6ie toeigert fid& fälf<$licf), S>u follft fie nur 3toingen,
3>enn fo übertounben, ^etgt fiegretdjj gemalt;
0 breimal unb brüber betätigte STtad&t!
3ejjt toirb 3>ir ber $Teftar am ^errlid^ften fcfjmecfen,
3etjt toirb 3>ir iljr 9Häulcf)en erft §unger ertoeefen,
3?jr SUauld^en, ber (Erftling fo balbiger 5™dj)t,
SBon toeld&er fein Räuber 3U foften gefugt,
9Tun lernt ft<f) bie furd&tfame 6df)önfceU bequemen,
Ccnt3ücfung 3U geben, Chit3ü<fung 3U nehmen —
0 feiige <Ru$et 0 &unmlifdS)e3 SB«b,
5>a8 gleiche Vergnügen mit gleiten bcrgilt I
3efct fcaud&en bie fiippen ein fräftigeS fieben,
3ct|t fud&en bie (Seelen am (Baumen 3U fleben,
3et|t taumelt ber einmal begierige <5eift,
TOo&in i&n bie blinbe (Selegenljeit reigt
0 §immel, ta>a8 f)dr idj) für gierige Düffel
0 Wimmelt 3Ba8 rauften für fräftige ^lüffe!
0 gtmmelt tote füjelt ba3 3üngelnbe (Spiel!
9 Siebe, toie mad&ft bu ber gruben fo biel!
3efct nimmt fie ben Ringer, 0 follt' er mid) rühren t
SHe fünftlidfje gretyett fcerum 3U frieren.
3etjt be^nt fie ben 3e*9*r> fci* 3*el)t ft* ^n 3U —
0 breimal unb brüber befeligte Stufc!
(Ergreift bo$, ruft Slmor, ergreift bod& bie SSÖaffenl
Sitein SBräutgam foll föftltd&e »eute öerfd^affen,
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3Iun madfje 3>idf) fertig unb tritt in3 ©etoef)r,
SHe friebttd&e Jeinbin rütft Jrföijricfjer &er.
Sfcmüfc 3>id&, bie fd&teubernbe £an3e 3U fenfen,
3&r d&riftfid&er 93htt»S>urft begehrt ficf) 3U tränfen —
Sefct f »ringt fie, jefct fd^nappt fie, jetyt rei&t fic ftd&
(Ertaub i&r bod^ enbüd^ ben fef)nft$en ©tofc,
begleite ben 9Tad&brucf mit £)üften unb §änben,
SBeförbre bie Arbeit ber hurtigen Cenben,
SBerfüft e3 bem Sttäbc&en, getod&r t&r ben SHann,
Unb ftreid[) il>r bie stieren, bi8 feinet mefcr fann,
Sötö ©elfter unb ©Heber öerfdf)äumen unb »eichen,
9H8 sterben unb Prüfte fid& legen unb feueren,
SBiS Steber unb Sdftfafen ba3 «Sluge berftetlt,
Unb ©d^ummer unb O^nmad^t ben bitten befallt.
0 fd&toenft boef) noef) öfter bie brünftigen ©d&enfel!
3W&t ofjitftd&e #inber, 3eugt Steffen unb (Enfel,
3>amit fie, bricht enblid^ baS Wter herein,
'sBerbrtefcUdfjen 5af)ren ein 3citt>ertreib fein.
6ie ftu^en eudf) fünftig ben biegenben «Rücfen,
6ie toerben eud& unter ben Sorgen erquiefen,
Unb toenn fie eudf) langfam aI3 Seichen befd[jaun,
9Tadf) eurem (Stempel bie 'JTad^tocrt erbaun.
121
^ibliograp&ifdje <5$luf*bemetfwtg.
9Iicf)t alle ©ebidjtebücher, bte in §infidf)t auf biefeä
fiufttoalbchen gdcfen tourben, ergaben 3U feiner (Er-
richtung einen Beitrag: tote immer gab e3 aud& ba-
maTS recht Diele fdfjledf)te Weimer. (£3 finb in bem
Jofgenben nur jene 93ücf>er mit ben genauen Siteln
angeführt, au3 benen (Stücfe in biefe Sammlung ge-
nommen tourben. kenterten muß ich noch: ba e3 mir
auf ben lebenbigen (Senufc unb nicht ben antiquartfehen
6d^er3 anfam, ^abe ich ben (S>ebtdf)ten überalt bort
bie fceute gebräuchfid&e ©chretbtoetfe gegeben, too ba3
ofjne ©dfjäbigung Don 'Reim unb 9U)tf)mu3 möglich
fear. (Sine (Schreibung, toie fie Sirno Qol$ in feiner
„yfyitttö" antoenbet, um getoiffeä ÄomtfcheS 3U char-
gieren, ^at e3 übrigen^ nie gegeben. (£3 folgen nun
bie Bücher:
[GE)riftian Jelij SDeife] 3>er grünenben §ugenb
überflüffige ©ebanfen. 9Iu3 bielfältiger unb mehren-
theiTS frembber Erfahrung in offenherziger (Einfalt
Sitten jungen unb Cuftbegierigen ©emüthern bor-
geftettet, 3e$o aber auffä 9Ieue überfefjen unb an
riefen Orten toie auch m& neuen 95orrebe
berbeffert Seidig Verlegte gohann 3xi$fäc
Slnno 1678.
gerat bon §of manngtoalbau unb anberer 3>eut-
fchen auSerfefene unb bisher ungebruefte ©ebichte.
2ei|>3ig be^ Zfyomcß Sritfch. SBanb <£in8 1695;
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3ü>et 1697; S>rei 1703; Sier 1706; £ünf 1710;
©ed&3 1712; (sieben 1727. (§erau3geber ttxtr 93en-
jamtit $teufirc$.)
[<£ ^ r i ft i a n 3 r. § u n o I b] ©alante, Verliebte unb
©afyrifdjje ©ebid&te (Erfter unb $lnberer S&etf. Son
9ttenante3. Hamburg SerlegtS 3o^ann 'SBolffgang
5idfo>etfer Sud£>&änbrer im 3>om 1711. (dritte Auf-
lage be$ folgenben:)
[Qunolb] 5>ie (SMc Semitfjungen müßiger ©tunben
3n ©alanten, SerUebten, ©inn-, ©d)er3« unb ©a«
tt)rifcf)en ©ebtd&ien. Hamburg 1702.
2^eatraTifc5e ©ebidjte unb Äberfefcungen, 3>enen fiieb-
(jabern ber teutfdjen ^oefie mitgeteilt Son Seccau.
gamburg, Set) (E&riftian £iebe3eit unb S&eobor
<S&rifioj)& gerginer. 1720.
[3 o 93urd&arb2Henfe] 'P&tf anberS t>on ber £mbe
©alante ©ebidjte, darinnen fo tooltf eigene berliebte
(Erfmbungen, a(3 allerfjanb auStoärttgen Poeten
überfe^te £iebe3gebi$te, toie audf) infonber^eit be3
berühmten ©raffen bon Sufftj-Slabutm fiiebeS-
Sttajimen enthalten. Seidig, SerlegtS 3°&ann
$riebrid& ©rebitfcfc. 1705.
5>e8 ©d&refifd&en geliconä augerfefne ©ebid&te
Ober (Etlicher bortrefflidfjer ©dftfefier big anfjero o^n-
befannte Spo8tifcf)e ©alanterien, 9Iebft einer SDorrebe
Don Sortrefltgfeit ber ^Teueren 3>eutfdj)en ^oeten.
Jranffurt unb £ety3ig, 3n Serregung 9Zttd&acI
«Ko&rbad&S feeT. TOittib unb (Erben in ßtegnifj, 1699.
SUnber S&etf 1700.
r*2Ö ittefinb] ^oromanbetö 9Iebenftünbiger 3^tDer«
treib in Seutfdfjen ©ebid&ten. S>antjig unb Ceij^ig,
Set) 3. §. SRübiger. 1747.
123
£eidf)en- §od)3eit* 'Stermifd&t unb ©eiftfidfje ©ebidf)te
bon 3<>&« Jriebr. lieberer. Dürnberg 1711.
Steuer ^orrat^j red)t curidfer ©ebid&te bor alle
Sltenfd&en. ßum ^tu^ unb ßuft ber fiieb&aber in be«
liebten ©<fjer$e Vorgetragen bon 3. ®. 3R. Seidig,
^nno 1718.
Deliciae Poeticae, Ober: ^oetifd&e (Srgötjlid&feiten, für
olle 9ttenfcf)en, 33eftef)enb in atttxfyanb unge-
3toungenen tooljf fltejjenben, netten, galanten, fd)et$-
unb ernft&afften, curieufen, beutfd&en ©ebicfjten,
SMd&e f)tn unb toieber bon ©innreid&en köpfen
berer beften ^oeten unferer 3^itcn Verfertigt toorben;
33or ieijo au8 bem ©taube ber Stergeffenfceit Jorg-
fäfttg toieber 3ufammen gefefen unb benen 2ieb*
Jjabern ber reinen ^oefte, 3ur 3*ü-für$enben
fonberlid^ aber ber ftubierenben S^genb 3uni Soften
mitget^eUet. (Srfte, Slnbere ^rt^ie. $iu$ ber Jßoe*
tifdfjen #ammer»S>rucferet) 1728.
(TelanberS Sterftebte« ©aTante, ©inn« 9$ermifdf)te
unb ©rabgebidfjte. Hamburg unb fiei^ig, 93e$
O^riftian £tebe3eit. «Slnno 1716.
^oetifd&e ©rillen bet) TOü^tgen ©tunben gefangen bon
2c Sfanfib. (Erfurt, SUuf Soften beS SlutoriS.
172S.
Ccrfte Sammlung SDon 3>aniel ©toppenS ©ileS.
Seutfd&en ©ebicf)ten. granffurt unb £eU>3ig 1728.
3&>et)te Sammlung 1729.
Sammlung bon 3°&ann (S&rifttan @üntf>er£>
au3 ©tftfefien, big an&ero herausgegebenen ©e«
bidfjten, SMerbte Auflage, ^ve%lau unb ßeij^tg, SJet)
SHid&aer §ubert. 1746. «Srfte SluSgabe: 1724.)
124
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Seit«
Sortoott 7
SBeife, Ctyriftian Qreliz.
3$rfinen ber 3ungfcrnfd)aft 11
9tad)fprung naa) bcm Sanjc 13
911$ id) meiner SRofüis 14
Heut er, (ftjrlfttan.
(Clarille auf ben 2ob tt)rer fttau XRutter 15
oon £ol>enftein, Daniel (£afpar.
Romrn, braune 9Zad)i 16
CColijten 17
». S>offmannsu>albau, Ctyrlftlan £offmann.
(Es bad)te fiesble 19
3$ eilte 20
9Tn SObanie . . 21
2Bas 3fimft bu 23
HIs t<& bie fiesbie 24
9tiemanb weife 25
«n (Horinbe 27
SWeln (Enget founjt bu 29
En fiifettc 32
ttn Hflelmbe 34
%n fiauretten 36
90s bie Serais 38
Wculird), ©eniaraln.
«n Stfoien 40
Die |d)öne fiesbia 41
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Seile
Seccau, 3oad)im.
Sluf eines Sereiters $od)seit 42
<£. <E.
<5ejtef)' es nur, mein Äinb 44
Du fanftes 95onb 46
Sleumeifter, (Eibmann.
SRabrigal auf bie Sdjürsenmobe 47
SR e nie nad) SBuU9*9iabutinf 3o^ann $urd)arb.
fiiebes-SRaxhnen 48
£unoib, (Kjriftian Orriebrid).
2>ie 6d)oofe 02
£ilf $immelt melden 6d)mud 55
B. & im w6ä)Ieftfd)en Sellcon".
«n «ofetten 56
Der gtücfltcf)e 6d)ofelmnb 57
3$ mufo es roofcl gefteljn 58
(Eoroinus, <5ottlieb Siegmunb.
3ln ben eiferfüd)tigen £eanber ßft
fbtf einen unföulbigen Nebenbuhler 6Q
SBranbenburg, SRartin.
Ober ben von allen Sc^o^ünb^en 3U beHagenben 9tb[d)leb
eines artigen 3oifie 62
$ft|erin, Wegma SRaria.
Sluf ben Zoo bes @$offtünbd)ens 9mourertd)en 66
fBtttefinb-Äoromanbel.
Sin gleuretten 68
(Eoroinus, ©ottfleb Siegmunb.
$er fd)Iimme Sraum 61
SUeberer, 3oftonn ftriebrief).
Siebe einer fdjtoangeren Xotytt, roel$e auf u)rer eigenen
gottlofen SRutter Sä)oofe bie Q$re verloren 72
Vit e$eliä)e $fliä)t 74
X)ie fd)öne (Seriraub 7&
$er Jungen go^ter einfältige fragen an bie SDtutter ... 76
„Steuer »orratV.
$er SBeiber roo^lcanbirte ^rtollegta 78
126
Seit«
fie $enfif.
SBegerine unb Ü)r (Solan (Ente 81
Hn eine Seä)3igjät)rige 84
S3ergebUd)e Ungebulb 85
Streit ber fünf Sinne 8ö
3ungfern*(5efänge 81
(Epigramme 82
„Deliciae Poeticae".
Huf bie ftffle ßaute 90
SCn eine geraubte Sraut ftl
2Iuf Ü)re Sd)oo& 93
SDlit i&r in einem ©eu>äd)sfyros 84
£ieben unb bod) ntd)ts genießen 96
(Epigramme 97
(Eelanber.
*n bie $errin 99
Än Slrismene 100
$erfä)n>enbung im Schlafe 102
SRein 5ttnb, fei bod) fo Hobe ntd)t 103
Stoppe, Daniel.
SWöbü)enIieb 104
Xroftgebanlen eine» Stubenten 108
SIrta fJSBL
Der Soloniair im Sieben 108
Gunther, Gtyrtftian.
Soll fluge Sä)ön$eit lüö
(Emlabung 111
«n ßuife 113
(Eröffne mir 1U
O&ne Sieben 115
^od)Beit«Sd)er5 llfi
58tbItoörapr>if<r)e Sä)lufebemerfung 122
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BÜCHER
AUS DEM VERLAGE
HANS VON WEBER
IN MÜNCHEN 1907
CH sehe als Verleger meine Aufgabe darin, dem
würdigen Buche eine gute Form iu geben. Es gab
in Deutschland eine Zeit, die es vergessen oder ver-
lernt hatte, daß das Buch ein Werk der angewandten
Kunst ist. Den Bemühungen einiger Druckereien und einiger
Verlage — Insel -Verlag, Julius Zeitler, Diederichs — ist es
mit der Unterstützung des geschmackvollen Bücherfreundes
gelungen, dem Buche wieder die Stelle zu geben, die es in
guten Zeiten einnahm. Das Meine dazu beizutragen, den
wiedererwachten guten Geschmack am Buchgewerbo zu för-
dern, sind meine Absicht und mein leitender Gesichtspunkt.
Ich sehe keine Erhöhung des Buchwertes in dem Umstände
seiner Seltenheit, wie sie durch willkürlich enge Limitierung
der Auflage hergestellt wird. Nur die Abzügo auf besonders
kostbare Papiere werden in kleiner Zahl gedruckt und numo-
riert werden. Möge der bescheidene Anfang für ein Ver-
sprechen gelten, das in weiteren Publikationen voll einzu-
lösen mir ebenso Pflicht wie schöne Aufgabe sein wird.
MÜNCHEN, Adalbertstr. 76 HANS VON WEB EH
DIESE BÜCHER SIND SÄMTLICH IN JEDER BE88KUICN
BUCHHANDLUNG ZU HABEN.
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2
BÜCHER AUS DEM VERLAGE
Anfang März erscheint das erste Heft von:
HYPERION
EINE ZWEIMONATSCHRIFT,
HERAUSGEGEBEN VON
FRANZ BLEI UND
CARL STERNHEIM
JÄHRLICH 6 HEFTE ZU JE 67,-7 BOGEN GROSS-
QUART MIT 10 ODER MEHR VOLLBILDERN IN
LICHTDRUCK USW.
AUSGABE AUF VELIN: JÄHRLICH 48 MARK.
AUSGABE AUF JAPAN: JÄHRLICH 100 MARK.
ZU DER AUSGABE AUF JAPAN WERDEN
3 GOLDGEPRESSTE LEDERDECKEN
NACHGELIEFERT.
EINZELNE HEFTE KÖNNEN NICHT ABGEGEBEN WERDEN.
PROSPEKTE DURCH JEDE
BESSERE BUCHHANDLUNG.
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I
HANS VON WEBER IN MÜNCHEN 3
FRIEDEICH HEBBEL
JUDITH
Neudruck der ersten Ausgabe mit
10 Vignetten und 10 Vollbildern
von THOMAS THEODOR HEINE
LUXUSAUSGABE : 100 numerierte, vom Künstler signierte
Exemplare auf Kaiserlich Japan in Ledereinband nach dem
Entwürfe von Th. Th. Heine zum Preise von 30 Mark.
(Vergriffen.)
BÜTTENAUSGABE: 1000 Exemplare auf Van Gelder-
Bütten, mit den Vollbildern auf echtem Japan zum Preise
von 10 Mark.
Über dieses Buch schreibt Max Brod in Nr. 2 der Schau-
bühne in einem eigenen Essay u. a.:
Wohl nie hat Hebbels „Judith" eine so gute Aufführung gefunden,
wie auf dieser Bühne der Linien, in diesem Theater eindeutigster
Regie, in dem es nur zwei sehende Augen und nur ein Atemholen
gibt Ich meine die Vignetten und zehn Blätter von Thomas
Theodor Heine, mit denen ich, staunend und glücklich Atem holend,
die Neuausgabe der „Judith** geschmückt finde.
Die Zeichnungen von Thomas Theodor Heine nehmen dem Drama
Hebbels nicht eine Kante der Eindeutigkeit, vielmehr verstärken sie
den Eindruck des Unabänderlichen, der Vision, der Schärfe.
Flüchtig denkt man an Beardsley, die Japaner . . und vergißt sie
sofort über der Fülle neuer Fortbildungen. Zweifellos haben wir es
hier mit einer der bedeutendsten graphischen Erscheinungen
der letzten Zeit und aller Zeiten zu tun, mit einem summum opus
summi viri. Thomas Theodor Heine ist der Paganini der Linie,
ein Hypnotiseur, ein Weltschöpfer . . .
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4
BÜGHER AUS DEM VERLAGE
ADELBERT von CHAMISSO,
PETER SCHLEMIHLS
WUNDERSAME
GESCHICHTE
Neudruck des ersten Druckes in Ungerfraktur
aus der Offizin Poeschel & Trepte, Leipzig.
Mit 11 Vollbildern, 23 Silhouetten und Ein-
bandzeichnung von EMIL PREETORIUS.
1000 Exemplare auf echt italienisches Bütten gedruckt, die
Vollbilder auf Kaiserlich Japan, in goldgepreßter, türkis-
grüner Kartonnage, zum Preise von 6 Mark.
100 numerierte Exemplare wurden auf Kais. Japan gedruckt
und in graugepreßtes Ganzleder gebunden zum Preise von
18 Mark. (Vergriffen.)
Anläßlich einer Ausstellung Preetoriusscher Werke im Kunst-
salon Zimmermann in München schreibt die „Allgemeine
Zeitung" u. a.:
Um das so recht einzusehen, muß man die neue Hans von Webersche
Ausgabe von Chamissos Peter Schlemihl zur Hand nehmen, zu der
Preetorius reizende Silhouetten als Zierleisten oder als Schlußvignetten
geschaffen hat. Diese geistreich erfundenen Silhouetten und die
schönen in gelbem Tondruck ausgeführten Vollbilder, scheinen wie
leichte, schwebende Gebilde gleich Schatten vorüberzuhuschen und
unmittelbar aus dem Spiel der künstlerischen Einbildungskraft und
der poetischen Phantasie hervorgegangen. Ihre rein ästhetische Existenz
hat mit dem materiellen Charakter gewöhnlicher Illustrationen nichts
gemein. Desto inniger sind sie aber mit dem Buche selbst verbunden
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I
HANS VON WEBER IN MÜNCHEN 5
/. V. Widmann urteilt im Bremer „Bund":
Bibliophilen empfehlen wir eine im Verlag von Hans von Weber
(München) erschienene Neuausgabe von Peter Scfüemihls wunder-
samer Geschichte von Adalbert von Chamissq. Auf prächtiges Hand-
papier gedruckt ist sie mit 11 Vollbildern und 23 Vignetten von
Emil Preetorius illustriert. In den Zeichnungen gelangt der Humor
des geistreichen und tiefsinnigen Märchens zu glücklicher Veranschau-
lichung. Wie köstlich ist z. B. das Bild, auf dem der unheimliche
graue Mann, nachdem er den Handel mit Schlemihl abgeschlossen,
den Schatten Schlemihls sorgsam aufwickelt
Man kann sich nur freuen, daß diese unveraltet gebliebene, ja wahr-
haft klassisch gewordene Gabe des liebenswürdigen romantischen
Dichters neuerdings in solch reizender Ausgabe auf den Büchermarkt
gelangt. Auch die Eleganz des Einbandes macht sie zum willkommenen
Festgeschenk für Freunde feiner und guter Literatur.
DAS
LUSTWALDCHEN
GALANTE GEDICHTE AUS DER
DEUTSCHEN BAROCKZEIT.
Gesammelt und herausgegeben von Dr. FRANZ BLEI.
Mit handkoloriertem Titel von
CONSTANTIN SOMOFF.
Broschiert 3 Mark, gebunden 4 Mark 50 Pf.
LUXUSAUSGABE : (100 numerierte Exemplare auf Zanders-
bütten) 1 0 Mark.
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6
BÜCHER AUS DEM VERLAGE
Anfang März wird erscheinen:
DAS LESEBUCH
DER MARQUISE
Ein Rokokobnch für die Damen,
herausgegeben von Franz Blei
Mit Einbandzeichnung, acht zum Teil mit
der Hand kolorierten Vollbildern, vielen
Vignetten, Rahmen, Cul-de-lampes von
CONSTANTIN SOMOFF
AUSGABE AUF VAN GELDER-BÜTTEN: 800 numerierte
Exemplare in rotem Maroquin- Einbände nach Somoffs
Zeichnung, zum Preise von 25 Mark.
LUXUSAUSGABE: 50 numerierte Exemplare auf Kaiser-
lich Japan, in Leder gebunden mit Moireeseide als Vorsatz,
zum Preise von 50 Mark.
Der Text des Buches gibt eine im Seltenen oder Kaum-
gekannten getroffene Auswahl des Besten aus der fran-
zösischen Literatur von 1750 bis 1785, in der Novelle und
der Erzählung, im Dialog und im Gedicht. Constantin
Somoff ist als geistvoller Künstler und geschmackvollster
moderner Zeichner der Rokokograzie berühmt und bekannt
genug, als daß hier mehr zu sagen nötig wäre: er hat in
den Bildern und dem vielen Schmuck des „Lesebuchs"
sein Bestes gegeben. — Angesichts der geistvollen Mono-
graphie Somoffs, die Professor O. Bie kürzlich bei Cassirer,
Berlin, edierte, wird dieses erste ven Somoff ausgestattete
Buch wohl bald vergriffen und eine bibliophile Rarität sein.
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HANS VON WEBER IN MÜNCHEN 7
JACQUES CAZOTTE, BION-
DETTA DER VERLIEBTE
T1?TTT7T?T EINE NOVELLE. Gedruckt
A XL* U -t? i-J ±J bei Oscar Brandstetter in Leipzig.
Mit handkolorierter Umschlagzeichnung und
Rahmen von THOMAS THEODOR HEINE.
1000 Exemplare auf italienischem Bütten, in englischem
Bütten broschiert 3 Mark. In japanischem Orangekarton
gebunden 4 Mark 50 Pf.
LUXUSAUSGABE: 50 numerierte Exemplare auf Kais.
Japan in goldgedrucktem Orangelederbande nach Heines
Zeichnung, in dunkelblauer Kapsel zum Preise von 15 Mark
(nur noch einzelne Exemplare).
Uber Biondetta schreibt Hans Benzmann in der Literatur-
beilage des „Berliner Tageblatts":
Dieses Büchlein fällt durch seine elegante, ungemein graziöse Art
der Ausstattung auf. Schon die dezenten Farben, in denen der
Umschlag gehalten ist, wirken ungemein fein und eigenartig. Dazu
das starke erlesene Papier und der schöne Druck! — Und was birgt
dieses schöne Gewand? Eine überaus lustige, pikante und phan-
tastische Liebesgeschichte. Ein spanischer Lebemann zitiert den
Teufel, und dieser umwirbt und umgirrt ihn in der anmutigen Gestalt
der süßen Biondetta, bis er ihn unterjocht hat Das wird mit wunder-
voller poetischer Anmut, mit gleichsam frohlockender Schelmerei
erzählt, wie es eben nur ein Franzose kann. Und wer ist, wer war
der Verfasser? Jacques Cazotte war in den Pariser Salons unter
Ludwig XVI. als witziger Gesellschafter beliebt und als Mystiker
und Kabbaiist bekannt. Übrigens wurde er als treuer Anhänger des
Königs guillotiniert Seine berühmteste Novelle ist der „diable
amoureux"; in ihr kommt nicht nur der zierlichste Erotiker der
Rokokoliteratur zu Worte, sondern auch der Mystiker. Die Novelle
ist überaus charakteristisch für ihre Zeit, und in ihrem Thema und
Ton von unsterblicher Art
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I
8 BÜCHER AUS DEM VERLAGE
VALERIUS BRJUSSOFF
DIE EEPÜBLIK DES
SÜDKREUZES
NOVELLEN. Autorisierte Ubersetzung aus dem
Russischen von HANS VON GUENTHER. Gedruckt
bei Oscar Brandstetter-Leipzig.
Umschlag, Titel und Initialen
von OTTO ZU GUTENEGG.
Broschiert in Büttenumschlag zum Preise von 3 Mark. In
goldgepreßtem Ganzleinenbande gebunden zum Preise von
4 Mark 50 Pf.
50 numerierte Exemplare wurden auf Van Gelder abgezogen
und in goldgepreßtes Leder gebunden zum Preise von
15 Mark.
FJODOR SOLLOGUB
DAS BUCH DER MÄRCHEN
Autorisierte Übersetzung aus dem Russischen von
HANS VON GUENTHER. Gedruckt in der Offizin von
Poeschel & Trepte, Leipzig. Mit Umschlagzeichnung,
Titel, Frontispice usw. von OTTO ZU GUTENEGG.
Broschiert in Bütten Umschlag zum Preise von 2 Mark. Auf
Velin gedruckt, Ledereinband mit reicher Goldpressung,
zum Preise von 5 Mark.
50 numerierte Exemplare auf Kais. Japan in goldgepreßtem
Einbände aus Leder in Purpur und Dunkelblau, in Kapsel
zum Preise von 10 Mark.
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HANS VON WEBER IN MÜNCHEN
•9
In einem Essay über diese beiden Bücher mit dem Titel:
„Junge Russen" in der „Breslauer Zeitung" sagt Hans
Bethge u. a.:
Beide Bücher hat Hans von Guenther, ein junger Balte, geschmack-
voll übersetzt.
Als das bedeutendere der zwei interessanten Werke, denen übrigens
vom Verlag eine ganz vorzügliche Ausstattung zuteil geworden ist* stellt
sich das Novellenbuch von Brjüssoff dar. Hier sind sieben Erzäh-
lungen beisammen, die durch das Großlinige ihres Stiles, durch die
Klarheit der Darstellung und durch die Üppigkeit ihres Inhalts
imponieren. Ein Dichter von gebändigter Kraft und edler Ruhe des
Stiles spricht hier zu uns, und die Begebnisse, die er vor uns auf-
rollt, sind schicksalsschwer und hallen mit einem dunklen Drohnen
in uns nach. Wie edel gewirkte Gobelins wirken diese chronikartigen
Erzählungen, von denen eine der schönsten jene einer alten ita-
lienischen Handschrift nacherzählte Geschichte der schönen Neapoli-
tanerin Julia Largo ist, die unter der Herrschaft der Türken in
einen unterirdischen Kerker geworfen, das Furchtbarste an Ernie-
drigung zu erdulden hat, was je einem Weibe auferlegt wurde; eine
Geschichte, deren dunkle Tragik sich auflöst in Ironie, wie es im
Leben so oft der Fall ist bei tragischen Dingen.
Brjüssoff hat etwas sehr Strenges und Großliniges in der Art seiner
künstlerischen Gestaltung. Was uns dagegen* Sollogub in seinem
„Buch der Märchen4* darbietet, ist durchaus von idyllischem, liebens-
würdig sinnierenden Charakter. Es sind kleine, niedliche Märchen
aus der Phantasie und dem Leben, lyrisch überglänzte Gedichte in
Prosa sozusagen, von einer nachdenklichen, still beschaulichen Art.
Eins haben Brjüssoff und Sollogub gemein: die große Sicherheit in der
Lösung ihrer verschiedenen Aufgaben. Sie entgleisen niemals, was für
die Echtheit ihrer stilistischen Besonderheiten spricht. Sie wirken
beide rassig, das verdanken sie nicht zuletzt dem großen, eigentüm-
lichen Volke, dem sie angehören.
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10 BÜGHER AUS DEM VERLAGE
Anfang April 1908 wird erscheinen:
AUBREY BEARDSLEY
BRIEFE UND
KALENDERNOTIZEN
Mit den vier Zeichnungen
zu E. A. POE
Beardsleys Briefe, die eine reiche Quelle zur Kenntnis
seiner Persönlichkeit erschließen, sind einzeln und frag-
mentarisch da und dort veröffentlicht worden. Die hier
angekündigte Sammlung wird etwa 196 Briefe, zum Teil
ganz unbekannte, sowie die sehr merkwürdigen Notizen
Beardsleys enthalten; des weiteren die vier Zeichnungen
des Künstlers zu E. A. Poe.
Die Zahl der bis 1. April angemeldeten Subskribenten be-
stimmt die Höhe der Auflage, die 500 Exemplare keines-
falls überschreiten wird.
Der Preis des Exemplars auf Velin beträgt ca. 12 Mark.
20 Exemplare werden auf Kaiserlich Japan abgezogen und
in Leder gebunden. Der Preis eines solchen Exemplars
wird ca. 25 Mark betragen.
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HANS VON WEBER IN MÜNCHEN
11
Im März 1908 erscheint:
PAUL CLAUDEL
MITTAGS WENDE
DRAMA. DEUTSCH VON FRANZ BLEI
Auf Velin gedruckt, broschiert 3 Mark 50 Pf.
50 numerierte Exemplare auf Van Gelder,
gebunden 12 Mark.
Mit diesem Drama, das aus dem französischen Manuskript
übersetzt wurde, ist den Deutschen der genialste Dichter
des heutigen Frankreich vorgestellt, ein Künstler von einer
stilistischen Gewalt, wie sie das moderne Drama seit Hebbel
nicht mehr gezeigt, die von einem Modernen zu erwarten
man fast schon aufgegeben hat, nach all den vielen Ver-
suchen, mit den äußerlichen Mitteln des Kostüms oder des
Verses dem Drama den großen Stil zu geben. Die Per-
sonen Claudels sind heutige Menschen. Er zeigt sie nicht
in einem Ausschnitt, sondern ganz und von allen Seiten,
und ihr Schicksal vollzieht sich aus ihrem Menschtum und
nicht aus äußeren Zufällen des Lebens.
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BÜCHER AUS DEM VERLAGE
Ich übernahm in meinen Verlag:
ULRICH
UND BRIGITTE
Ein Drama in Versen von
CARL STERNHEIM
Gedruckt in der Offizin W. Drugulin, Leipzig.
Broschiert 2 Mark.
LUXUSAUSGABE: (100 Exemplare in einem althollän-
dischen Pergamentbande) 10 Mark.
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HANS VON WEBER IN MÜNCHEN 13
Früher ist erschienen:
ALFEED KUBIN
Mappe in Großfolio mit 15 Faksimiledrucken
nach Originalen des Künstlers mit einem
Vorwort von HANNS HOLZSCHUHER
Ausgabe auf eigens für diese Mappe geschöpftem Bütten
zum Preise von 20 Mark.
100 Exemplare auf Kais. Japan über englischem Kupfer-
druckpapier vom Künstler signiert, zum Preise von 40 Mark.
Wie man sich auch immer zur Kunst Alfred Kubins stellen
mag: eines hat auch die ablehnendste Kritik immer zu-
gegeben: die genialische Persönlichkeit des Künstlers. Be-
geisterte haben ihn einen Goya genannt. Andere einen
Visionär und Mystiker, der in seltsam synthetischen Blättern
Gesichte und Phantasien festzuhalten weiß, die keiner Welt
angehören, als seiner eigenen. Man möchte an Offen-
barungen glauben, machte sich nicht ein so mächtiger
ordnender Kunstverstand in diesen Blättern deutlich, die
bei allem, was man „Literarisches" in vielen von ihnen
finden mag, immer alles Inhaltliche in die Form ihrer
malerischen Kunst bannen. Aus der großen Zahl von des
Künstlers Blättern sind in diesem Mappenwerke fünfzehn
der charakteristischsten ausgewählt und in Faksimiledruck
originalgetreu reproduziert worden. Das eigens für den
Verlag geschöpfte Büttenpapier ist eine nach vieler Mühe
gelungene Nachbildung des schönen österreichischen Zoll-
planbüttens der Kubinschen Originale.
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14
BÜCHER AUS DEM VERLAGE
Abteilung für Jugendbucher.
In jeder Buchhandlung vorrätig:
DEUTSOHE
RAG BOOKS
(Unzerreißbare waschechte Leinenbücher mit unschäd-
lichen Farben):
WALTER CASPARI,
Das lustige ABC 2.40 M.
WALTER CASPARI,
Liebe alte Reime 1.60 M.
MARIA LANGER-SCHÖLLER,
Babys Lieblinge 0.80 M.
CARLEGLE- ALBUM:
DAS AUTOMOBIL 217 UU
Ein humoristisches Automobil-Märchen von
EDMOND CUENOUD, übersetzt von Gräfin
Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin. Mit
vielen farbigen Bildern von CARLEGLE.
Elegant gebunden 3 Mark.
Uber diese vier Bücher haben mehrere hundert Kritiker
sich begeistert. U. a. schreibt
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HANS VON WEBER IN MÜNCHEN 15
FRIEDA FREIIN VON BÜLOW
in einem längeren Aufsatz über meine Kinderbücher in der
, , Täglichen Rundschau* ' :
Ein paar eigenartige neue Bilderbücher sind mir ins Haus geschneit,
die ich als lustiges Christgeschenk empfehlen kann
Der Verlag Hans von Weber in München versendet . . . Rag Books.
Das Leinen ist so stark, daß man ihm ohne Messer oder Schere wohl
tatsachlich nichts anhaben kann.
Diese Leinenbücher sind handlich, leicht, weich, nehmen wenig Platz
in Anspruch und können zusammengerollt werden. Neben diesen
nützlichen Eigenschaften besitzen sie den noch höheren Vorzug aus-
nehmender Deutlichkeit und Einfachheit in Wort und Bild.
Das andere Werk darf künstlerischen Wert beanspruchen; es wendet
sich an ältere Kinder und Erwachsene.
Das Automobil wird selbst in der drolligsten Weise zur Person ge-
macht, es selbst ist der Held der Geschichte.
Ich will die lehrreiche Geschichte des herzensguten und verständigen
217 U U nicht weiter erzählen. Sie ist auch noch in ihrem tragischen
Ende sehr drollig.
Aber bedeutender als der Text sind die Illustrationen von
Carligle. Diese Landschafts-, Tier- und Menschen-Skizzen sind einfach
genial. Das ist eine Keckheit, eine Flottheit, ein Humor, daß der ver-
bissenste Griesgram erheitert werden muß.
Ganz leichte Umrisse schaffen charakteristische Typen des Land-
straßenlebens.
Und neben dem Realismus lacht überall der Schalk und das Märchen.
Die Pilze im Wald torkeln als dicke kleine Kobolde mit aufgespannten
Sonnenschirmen umher, die Pappeln an der Straße sind wachthabende
Grenadiere, die Weiden laufen vor dem daherrasenden Auto mit
gesträubtem Haar davon, Sonnenblumen und Kürbis sind neugierig
über den Gartenzaun guckende Madamchen, die Automobile haben
deutliche Physiognomien, 217 U U kann sich sogar nach hinten um-
sehen! Und beides: Märchenspuk und Wirkliches, in prachtvoller
Lebendigkeit! Das kleine Werk eignet sich vorzüglich zum Geschenk
und muß den Gegnern des Automobilsports ebenso zum Ergötzen
dienen, wie dessen Freunden.
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Verschiedene Urteile über das Gesamtbild des Verlages
HANS VON WEBER IN MÜNCHEN:
Die „Kunst für Alle":
Unter den jungen Verlegern Münchens, welche ihre Aufgabe im
modernen Sinne auffassen, macht sich neuerdings Hans von Weber
vorteilhaft bemerkbar. Es ist wirklich eine Freude, die schmucken
Bändchen durchzublättern, die er in der letzten Zeit auf den Bücher-
markt gebracht hat. Die Wahl der Stoffe und vor allem ihre buch-
mäßige Gestaltung zeigen uns, daß wir es hier mit einem Verleger von
hohem Geschmack zu tun haben, der moderne Empfindungen richtig
erfaßt und in selbsttätigem Ästhetizismus schöpferisch weitergebildet hat
(Folgt Besprechung einzelner Werke.)
Wie man sieht, eine reiche Jahresausbeute für einen jungen, aufstrebenden
Verlag, von dem wir, nach dem bisher Geleisteten zu urteilen, noch
manch schöne Gabe erwarten können.
In der „Zeitschrift für Bücherfreunde* 1 beginnt Fedor von
Zobeltitz eine längere Besprechung folgendermaßen:
Aus dem Verlage von Hans von Weber in München geht uns eine
Reihe von Neudrucken zu, die sich durch ihren illustrativen Schmuck
und ihre schöne Ausstattung in hervorragendem Maße auszeichnen . . .
„Der Morgen" schreibt:
Die Erscheinungen des Verlages Hans von Webers verdienen eine
ganz besondere Würdigung, die ihnen hier auch noch zuteil werden
wird. Jedes von diesem Hause edierte Werk zeichnet sich durch
aparte Ausstattung sowohl in der Äußeren Form, wie in der Wahl
der Typen, Vorsatzpapiere usw. aus.
„Die Buchhändlerwarte" schreibt:
Gewiß kann man einige dieser Sachen (Ghamisso, Hebbel) schon um
billiges Geld erhalten. Welch ein klafterweiter Unterschied aber
zwischen diesen für den Alltagsgebrauch bestimmten Ausgaben und
den vorliegenden Büchern, von denen jedes für sich ein Kunstwerk dar-
stellt, nicht nur nach der literarischen Seite, sondern besonders auch
nach der buchtechnischen, äußerlich künstlerischen hin! Die Idee, guter
Literatur eine individuell angepaßte aparte künstlerische Ausstattung
zu geben, ist hier in der höchsten Vollendung durchgeführt Von der
ersten bis zur letzten Seite sieht man, daß hier Künstler und Verleger
sich ergänzend gefunden haben Er setzt sich damit für Kultur-
werke und -Werte ein, auf die der deutsche Buchhandel stolz sein
darf Kommt dann ein Mann mit einem eigenen Programm,
der ohne Rücksicht auf die große Menge seine eigenen Wege zu gehen
wagt, so ist es meines Erachtens eine Pflicht, laut und vernehmlich
auf ihn aufmerksam zu machen.
SÄMTLICHE PUBLIKATIONEN DES VERLAGS SIND IN
JEDER BESSEREN BUCHHANDLUNG ZU HABEN.
Druck von Oscar Brandstettcr in Leipzig. 3455«.
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